Die Bahn soll Fahrgäste befördern und nicht frühere Minister versorgen

Da hat Ronald Pofalla noch einmal kräftig für öffentlichen Wirbel gesorgt, bevor sein Wirken dann mutmaßlich eher ins verschwiegene Hinterzimmerchen verlegt wird. Im neuen Kabinett Merkel ist für den früheren Kanzleramtsminister kein Platz mehr. Ob er nicht mehr wollte, weil bereits der neue Posten lockte, oder ob er in die Wirtschaft geht, weil „Mutti“ ihren „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“-Ronnie nicht mehr leiden mag – ist egal. Im Jahr 2013 sorgte der Wechsel eines anderen hohen CDU-Politikers in die Wirtschaft bereits einmal für Wirbel: Der Staatsminister im Kanzleramt Eckart von Klaeden leitet nun die Abteilung Politik und Außenbeziehungen der Daimler AG. Und Pofalla soll in den Vorstand der Deutschen Bahn AG wechseln, um dort ebenfalls für die Beziehungen zur Politik zuständig zu sein. Bisher hat er allerdings noch nicht einmal sein Bundestagsmandat niedergelegt.

Der Wechsel wirft diverse Fragen auf. Erstens: Wozu braucht ein Staatskonzern solche Verbindungen in die Politik? Solche Lobbyistenposten werden gemeinhin vergeben, um zu versuchen, die Politik im Sinne eines auftraggebenden Konzerns zu beeinflussen, um ein Beispiel zu nennen. So macht die Berufung eines von Klaeden auf einen solchen Posten aus Sicht des Konzerns durchaus Sinn, denn einer wie von Klaeden weiß auf der politischen Klaviatur zu spielen und kann seinen Einfluss geltend machen, um z.B. in Brüssel schärfere Abgasnormen für Pkw scheitern zu lassen. Aber die Bahn ist nicht der Daimler-Konzern. Was soll Pofalla für die Bahn bewirken? Oder handelt es sich nur um ein Versorgungspöstchen, wo der ehemalige Kanzleramtsminister den Frühstücksdirektor gibt?

Zweitens: Die deutsche Wirtschaft, man kann es ja bald nicht mehr hören, ist bekanntlich unendlich stark. Gehen wir mal davon aus, dass sie das wegen ihrer unschlagbar konkurrenzfähigen Produkte ist, die sie international zu akzeptablen Preisen anbieten kann. Denn genau darin besteht doch der Mythos, der unsere sagenhaft leistungsfähige deutsche Wirtschaft umweht, nicht wahr? Doch wenn unsere Produkte und Dienstleistungen so gut sind, warum brauchen die Konzerne dann überhaupt Lobbyisten? Okay, einen Punkt habe ich schon genannt: um Verschärfungen von Richtlinien entgegenzuarbeiten, die für Konzerne unbequem sind. Ein weiterer wäre: alte Richtlinien aufzuweichen; das ist ein Ziel beispielsweise der Gentechnik-Branche, das sie nun auf dem Umweg über das neue transatlantische Freihandelsabkommen zu erreichen droht. Außerdem hätten Posten wie der, der für Pofalla geschaffen werden soll, vielleicht dann noch eine Existenzberechtigung, wenn Klinken geputzt und Schmiergelder fließen müssen, um an Aufträge zu kommen. Das heißt, solche Posten wären Einfallstore der Korruption.

Welche dieser drei Funktionen kommt für den mutmaßlichen neuen Diplomatie-Chef der Deutschen Bahn, eben jenen „Fresse“-Ronnie, denn in Frage?

Die Wahrheit ist: Die Produkte der deutschen Wirtschaft sind bei weitem nicht so gut, dass es angebracht wäre, sie derart auf den Olymp zu heben. Sie sind vielfach einfach nur besser als die der Konkurrenz. Was man übrigens von der Deutschen Bahn nicht flächendeckend sagen kann. Statt PR-Pöstchen wie das für Pofalla zu schaffen, sollte die Deutsche Bahn lieber mehr auf die Kritik und die Wünsche der Fahrgastverbände eingehen. Wenn sie überwiehend zufriedene Kunden hätte, bräuchte sie keine derart teure Imagepflege, und Pofalla kann in seinen eigentlichen Beruf zurückkehren. Er ist Rechtsanwalt.

Und darüber hinaus hat SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann jetzt einen sinnvollen Vorschlag gemacht? Zwischen dem Job in der Politik und dem in der Wirtschaft sollte eine Karenzzeit von 12 Monaten liegen, sagte er im Spiegel-Interview. Mindestens.

Konrad Wich aus Frankfurt meint:

„In der Diskussion um den Wechsel Pofallas in die Wirtschaft wird landauf landab auf die große Ausnahme Roland Koch hingewiesen: Der ehemalige hessische Ministerpräsident sei nicht als Berater oder Lobbyist in die Privatwirtschaft gegangen, sondern als Manager leite er tatsächlich ein großes Unternehmen, den Konzern Bilfinger. Ja, welche Firma hat denn am Frankfurter Flughafen ( zufälligerweise ? ) die neue Landebahn gebaut ? Und wer saß jahrelang im Aufsichtsrat bei FRAPORT ? Richtig, der, der dann bei Bilfinger Chef geworden ist. Koch hat’s nur etwas schlauer angestellt, und Pofalla etwas dreister. Passt scho.“

Rasmus Ph. Helt aus Hamburg meint:

„Die Überschrift spielt den Ball in eine falsche Richtung. Denn sollte Ronald Pofalla wirklich in den Bahn-Vorstand aufrücken, dürfte dies eher einen Teil der Zukunft des Unternehmens kosten. Da man dann mit der bewussten Vermischung von politischen und wirtschaftlichen Interessen gegen die guten Sitten in vielen anderen Ländern verstößt. Womit man zumindest dort, wo man der Korruptionsbekämpfung seit jeher eine hohe Aufmerksamkeit schenkt, wie etwa in Skandinavien oder Nordamerika, künftig nicht wenige Aufträge riskiert. Weswegen der Konzern gut daran tut, sofern ihm sein Eigner in Form der Bundesregierung hierbei freie Hand lässt, die imageschädigende Personalie noch einmal zu überdenken!“

Jürgen Conradi aus Frankfurt:

„Den Begriff ‚Führende Nullen‘ kennt jeder, der sich in seinem Leben mal mit Datenverarbeitung (heute IT) beschäftigt hat. In zunehmendem Maße fällt in den letzten Jahren auf, dass immer mehr ‚Führende Nullen‘ – überwiegend aus der Politik – in den Vorstandsetagen deutscher – und nicht nur deutscher – Konzerne zu finden sind. Das ist zunächst nichts Verwerfliches. Ärgerlich ist nur, dass man sie grüßen muss!“

Nikolaus Geiler aus Freiburg:

„Öffentliche Unternehmen standen immer unter dem Verdacht, dass dort abgehalfterte Politiker auf lukrativen Posten in der Teppichetage endgelagert würden. Mit der Neuschaffung eines Vorstandspostens bei der Bahn AG speziell für Ronald Pofalla unternehmen die Politik und die Bahn alles, um diese Vorurteile zu bestätigen. Das ist nach Schröder, Fischer, Wiesheu, von Klaeden und vielen anderen ein weiteres Beispiel, wie die politische Klasse selbst die Politikkultur unterhöhlt und der vielbeklagten Politikverdrossenheit Vorschub leistet. Die Bahn soll Fahrgäste befördern und keine früheren Minister versorgen. Mit der beabsichtigten Berufung von Pofalla in den Bahnvorstand setzen die Bahn und das Merkel-Kabinett eine schlechte Tradition fort, auf Führungsposten Menschen ohne Bezug zum Kerngeschäft der Bahn zu berufen. Soweit es um die Pofalla zugedachte Lobbytätigkeit in Brüssel geht, ist die Regierung in Berlin selbst gefordert. Immerhin ist die Bahn AG zu 100 Prozent in Besitz des Staates. Gegenüber der neoliberal ausgerichteten EU-Kommission muss sich die Berliner Regierung dagegen wehren, dass die Einheit von Rad und Schiene zu Gunsten eines dogmatischen Wettbewerbsdiktat zerschlagen wird.“

Roland Klose aus Bad Fredeburg:

„Ronald Pofalla und die Deutsche Bahn: eine Erfolgs- und Liebesgeschichte? Mind. seit 2009 hat sich Ex-Kanzleramtsminister Pofalla als DB-Lobbyist einen Namen bei den Eisenbahnern gemacht. Kein Wunder, dass er jetzt Bahn-Vorstand für die Beziehungen zur Politik und zur EU werden soll und muss. Pofalla war es schließlich, der sich massiv als einflussreicher Politiker gegen die Lärmbelästungsbeschwerden der Anwohner durch den Schienenverkehr wandte und sich stattdessen für einen Schienenbonus der Bahn erfolgreich engagierte, welcher einen um fünf Dezibel höheren Grenzwert beim Lärm gegenüber dem Straßenverkehr erlaubte. Handeln so Volksvertreter oder Lobbyisten? Natürlich Lobbyisten. Und Volksvertreter geraten auf die „schiefe Bahn“. Pofalla wird deshalb seinen Weg bei der Bahn machen. „Wessen Brot ich ess‘, dessen Lied ich sing‘!“

Dr. Ralf Wiedenmann aus Zell (CH):

„Groß ist die Empörung über ex-Kanzleramtschef Ronald Pofallas geplanten Wechsel als Lobbyist zum Konzern Deutsche Bahn. Allerdings ist die Causa Pofalla auch eine Causa des Bahnchefs Rüdiger Grube. Weshalb bietet ein Konzern im Staatsbesitz mit bereits besten Beziehungen zur Politik Hand zu solch einem Deal? Bei seinem Amtsantritt 2009 räumte Rüdiger Grube mit der Datenaffäre auf, dabei musste auch der bisherige Lobbyist Otto Wiesheu, ex-Verkehrsminister von Bayern, aus dem Amt ausscheiden. Braucht Grube Pofalla nun, um vom miserablen Leistungsausweis des Konzerns Deutsche Bahn abzulenken? Die folgende Liste ist nur eine Auswahl des Versagens der Deutschen Bahn in den letzten Jahren.
1. In verschiedenen Agglomerationen versagt die Deutsche Bahn als Betreiberin von S-Bahnsystemen: 2010 war die S-Bahn Berlin weitgehend stillgelegt und deren gesamtes Management musste zurücktreten. Die Münchner S-Bahn wird ebenfalls von einer Pannenserie heimgesucht, deren Qualitäts- und Kapazitätsprobleme waren im November 2013 nicht zum ersten Mal Thema im Bayerischen Landtag. Münchens S-Bahn-Chef Weisser musste einräumen, dass der Pünktlichkeitswert der S-Bahn im November einen Tiefstwert erreicht hat. Unter ähnlichen Problemen leiden die Stuttgarter S-Bahn-Pendler.
2. Beim Fugger Express zwischen Augsburg und München rügt die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) im Sommer 2013, dass die Zustände (Platzmangel und Verspätungen) unhaltbar sind. Der Start der neuen Werdenfelsbahn im Dezember (München-Garmisch-Mittenwald und München-Kochel) ging gründlich in die Hose, die BEG bezeichnete die Zustände als unakzeptabel.
3. Wegen der Fehlplanung beim Stellwerkpersonal konnte der Bahnhof Mainz im Sommer 2013 bekanntlich mehrere Wochen lang nur noch mit einem Notfahrplan angefahren werden.
4. Auch die Bahn-Tochter DB Netze hat sich sagenhaft blamiert. Im März 2013 wurde bekannt, dass es die Bahn nicht geschafft hat, 500 Millionen vom Bund zur Verfügung gestellte Euro zum Neu- und Ausbau von Bahnstrecken rechtzeitig zu verbauen.
5. Im Oktober 2011 behauptete DB Netze noch felsenfest, beim Streckenausbau Lindau-München verlaufe alles nach Plan, und die elektrifizierte Strecke könnte 2017 in Betrieb gehen. Nur ein Jahr später musste sie eingestehen, dass eine Fertigstellung frühestens 2020 möglich sei, und die Kosten um über 100 Millionen Euro höher lägen als bisher angenommen. Damit brüskierte die Deutsche Bahn die den Streckenausbau mitfinanzierende Schweiz, denn sie hat den Ausbau auf ihrem Teil der Strecke Zürich-München bereits grösstenteils abgeschlossen.
6. Nachdem die Bahn im Oktober 2013 noch voller Stolz erklärte, der Ausbau der Bahnstrecke Erzingen-Schaffhausen (an der Grenze zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz) sei planmässig abgeschlossen, musste sie einen Monat später zugeben, dass sie beim Bau gemurkst hat: „Bahn-Betrieb am Hochrhein und im Klettgau: Betriebsqualität für DB und Bahnkunden unbefriedigend“.
Eine Entschuldigung für das Versagen der Deutschen Bahn gegenüber Pendlern und Reisenden findet man in den Presseerklärungen der Bahn selten. In jedem anderen Unternehmen hätten solche Pannen wohl zur Auswechslung des CEOs und schliesslich zur Pleite geführt. Das Monopolunternehmen Deutsche Bahn verdient jedoch trotz ihren Pannen mit den Trassengebühren Milliardengewinne und Herr Grube wird deshalb wohl weiter fest im Sattel sitzen.
Außer die Politiker klopfen ihm auf die Finger und rütteln am System der Trassenentgelte. So bemängelt die BEG, dass “…heute bereits über 60 Prozent aller Gelder, die zur Bezuschussung des Regionalverkehrs in Bayern zur Verfügung stehen, [für Infrastrukturgebühren] an die DB AG“ verlorengehen. Es ist zu befürchten, dass Profalla als Lobbyist beim Bahnkonzern dafür sorgen wird, dass diese unsinnigen Infrastrukturgebühren von Regierung und Politik nicht angetastet werden, der Bahnkonzern also trotz Versagen weiterhin mit hohen Gewinnzahlen glänzen kann.

Beatrix Kiefer aus Kelkheim:

„Das Jahreseinkommen muss man sich als Normalverdiener erst mal auf den Monat umrechnen: 108.333 € im Monat! Für solche Einkommensbezieher sind natürlich die Fahrpreise der Bahn wirklich aus dem Hosensäckel zu bezahlen. Da braucht man noch nicht mal die Portokasse zu bemühen. Und irgendwie müssen solche Gehälter ja finanziert werden. Warum nicht einmal wieder von denen da unten, die ja sowieso alles bezahlen, was die Besserverdienenden nicht zum Allgemeinwohl leisten müssen, wie zum Beispiel die Rentenkassen (sie sind ausgenommen, sorgen privat vor), die Krankenkassen (sie sind privat versichert). Es wird Zeit, dass die Politik dafür sorgt, dass sie endlich wieder für das Wohlergehen der wirklich Mehrwertschaffenden, nämlich der lohnabhängig Arbeitenden tätig wird und die Selbstbedienungsmentalität der sogenannten „Elite“ als das geißelt, was sie wirklich ist: kriminell. Dieses Gehalt wird durch die hohen Bahnpreise finanziert und dem Verbraucher wird vorgegaukelt, die Preise seien durch die hohen Investitionskosten für den Erhalt und den Ausbau der Bahnleistungen bedingt. Wie kann man von einer so korrupt verstrickten und sich dafür noch mit unmoralischen Spitzengehältern belohnenen Politik noch erwarten, dass sie sich auf das besinnt, wofür sie gewählt wird – die Interessen des Volkes zu bedienen. Hier bedient man sich schamlos selbst. Und eine Oma, die als Schwarzfahrerin auffällig ist, wird vor Gericht gezerrt. Wie viele würden gerne öfter mal Bahnfahren, aber können es sich nicht leisten. Man sollte diesen Vorstandsposten einsparen und das Geld zur Reduzierung der Nutzerkosten verwenden. Das wäre mal ein echter Fortschritt.“

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5 Kommentare zu “Die Bahn soll Fahrgäste befördern und nicht frühere Minister versorgen

  1. Zwar sicherlich nicht in derselben Größenordnung, aber ein ähnliches Geschmäckle scheint in Butzbach stattzufinden, wo sich Alexander Kartmann (der Sohn von Landtagspräsident Norbert Kartmann) bei der BWG, der Butzbacher Wohnungsbau, einen Geschäftsführerposten gegen mehrere Mitbewerber gesichert hat.
    A. Kartmann hat sicherlich große Erfahrung als Geschäftsführer, mit seinem Studium der Politik und Geschichte. Zumindest macht sich Lucia Puttrich in einer Presseerklärung ganz ganz stark für ihn.
    Politiker der Opposition beschweren sich, das Stadtparlament habe die Bewerbungsunterlagen der Kandidaten nicht gesehen, und es soll förmliche Eingaben, z.B. beim Wetterauer Landrat, geben.

  2. Die vom Leser Dr. Wiedenmann aufgeführte „miserable Leistungsbilanz“ lässt sich durch eine Vielzahl weiterer Beispiele ergänzen. Grundsätzlich ist festzustellen, dass das ICE-System in Deutschland im Gegensatz zu echtem Hochgeschwindigkeitsverkehr in Ländern wie Frankreich, Japan und China reine Augenwischerei darstellt. In vielen Streckenabschnitten wird nicht einmal die mit herkömmlicher Signaltechnik zulässige Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h erreicht, da sich der deutsche ICE/IC-Verkehr weitgehend auf Trassen aus dem vorletzten Jahrhundert bewegt. Das Ergebnis ist eine Reisegeschwindigkeit beispielsweise zwischen Erfurt und Frankfurt von rund 110 km/h. Selbst von diesem Wert kann man auf manch anderen Relationen nur träumen.
    Ein besonderes Trauerspiel stellt die sogenannte Mitte-Deutschland-Verbindung Dortmund-Kassel-Erfurt (-Chemnitz) dar. Obwohl sie als leistungsfähige Ost-West-Verbindung fungieren könnte, hat man den Fernverkehr auf jeweils ein tägliches ICE- bzw. IC-Paar zusammengestrichen. Auffällig ist, dass die Fortbewegung auf hessischem Territorium besonders schleppend ist: Während in Nordrhein-Westfalen das Ebbegebirge mit einem Neubau-Tunnel unterquert wird, umrundet der ICE (wie zur Dampflok-Zeit) in gemächlichem Tempo die Hümmer Berge. Vor Kassel quält sich der Fernverkehr durch das Fulda-Tal und teilt sich die Trasse mit der Regio-Tram. Das Ergebnis sind Fahrtzeiten, die nicht wettbewerbsfähig zum Pkw sind.
    Weiter im Osten soll nun, nachdem seit der Wiedervereinigung darüber diskutiert wird und es ständig zu Überlastungen und Verspätungen kommt, zwischen Weimar und Jena endlich mit dem Wiederaufbau eines zweiten Gleises begonnen werden, das vor mehr als 60 Jahren von der Sowjetunion demontiert wurde. Die veranschlagte Bauzeit beträgt drei Jahre! In dieser Zeit werden in China hunderte Kilometer Schnellbahntrasse neu aufgebaut.

    Es reicht natürlich nicht, nur die Höchstgeschwindigkeiten zu steigern, um eine Alternative zum Straßenverkehr zu bieten: Was nützt es, wenn der ICE-International von Frankfurt nach Brüssel nur drei Stunden braucht, aber planmäßig um 12 Minuten vom IC aus Erfurt/Leipzig verpasst wird und man deshalb 50 Minuten warten muss?
    Zusammengefasst könnte dem „System Bahn“ (nicht unbedingt identisch mit DB) mehr Lobbyismus durchaus gut tun. Die Straßenverkehrs-Lobby war jedenfalls in den letzten Jahrzehnten erfolgreicher. Ob hierfür aber Politiker, für die eine „Anschlussverwendung“ gesucht wird, das geeignete Personal darstellen, muss bezweifelt werden.
    Elmar Pfannerstill, Erfurt

  3. Bei all den Aufgeregtheiten ist leider die Ursprungsaussage von Ex-Kanzleramtsminister Pofalla quasi aufs Abstellgleis geraten. Er wolle „kürzer treten und eine Familie mit der 3. Frau gründen; also weniger arbeiten und das 6- bis 8-fache Geld bekommen (von „verdienen“ will ich gar nit reden). Das nennt man dann wohl neudeutsch eine „Win-win-Situation“ – allerdings nur für Herrn P. vom Niederrhein. Dann kann er quasi auf der Lobby-Durchreise nach Brüssel das Familienleben aufbauen – vorausgesetzt, DB-Fernverkehr hält in Kleve.

    Für was braucht eigentlich eine 100%-bundeseigene AG einen Lobbyisten im Vorstandsrang? Viel nötiger und wichtiger wäre eine professionelle Aufsicht der AG durch den Alleingesellschafter!
    Man stelle sich den Aufschrei vor, eine deutsche Großbank ernennt einen (Ex)-BaFin- oder Bundesbank-Vorstand zum „Vorstand für externe Kontakte und Regulatorik“.

    Zumindest hat Herr P. künftig Ruhe vor „Muttis“ SMS. Denn auch diese Kanzlerin hat – wie all ihre Auto-Kanzler zuvor – mit aktiver Bahnpolitik nichts am Hut.
    @ Frau Merkel: Für das unsägliche Bahnhofsverknappungs-Projekt „Stuttgart 21“ ist Herr Kefer im DB-Vorstand zuständig.

  4. Integrität, Ethisches Verhalten, Scham – alles („überholte“) Eigenschaften, die man von Würdenträgern und Volksvertretern erwarten könnte. Aber die haben Gier, Machthunger, Selbstverliebtheit, Verblendung und das Ignorieren seiner eigenen Vergänglichkeit schon lange – nicht nur bei uns in Politik und Wirtschaft – erfolgreich ersetzt. Über die wenigen Ausnahmen wird kaum und oft eher mitleidig lächelnd berichtet.
    Was für ein dickes Fell muss Herr Pofalla haben. Es ficht ihn nichts an…

  5. Man kann sich natürlich fragen, was einen nie in diesem Beruf tätigen Sozialpädagogen und auch nicht besonders erfahrungsreichen Juristen wie Pofalla für einen Posten im Vorstand der deutschen Bahn mit einem Monatsgehalt von rund 100 000€ befähigt.
    Was man auf jeden Fall sagen kann, ist dass der schon als junger Mann Opfer besonderer Zuwendungen wurde:
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-32565410.html
    Wenn man das so liest, könnte man fast auf die Idee kommen, der Mann hätte anatomische Besonderheiten, die es erleichtern, ihm das Geld bereits in diesem politischen Stadium irgendwo hineinzublasen. Oder aber profundes Wissen von Dingen, die besser bewahrt bleiben sollten, denn sowohl der Aus- als auch der Rückzahlungsmodus des letzten 150 000 DM-Kredites seines Gönners aus Jugendjahren liest sich für mich im Spiegel nicht gerade so, als habe sein Kreditgeber wirklich die freie Wahl gehabt, als er diesem aufstrebenden Star unter die Arme griff.

    Auch Pofallas Ausfälle, zumal der gegen Bosbach, sind für mich nicht nur einfach durch aufbrausendes Temperament zu erklären – nur damit käme man nicht so weit nach oben und auch da oben nicht damit durch. Pofalla scheint unverwundbar zu sein und das auch zu wissen.

    Vor diesem Hintergrund bin ich geneigt, den Altersruhesitz Pofallas als Vorstand der Deutschen Bahn einfach als Zeichen zu sehen, dass es doch eine Demokratie ist, in der wir leben. In einem anderen System wäre Pofalla jetzt vielleicht entweder endgültig Chef des Geheimdienstes mit mindestens Hooverscher Macht oder schlimmeres – oder einfach verschwunden: Abgestellt zum Beispiel zur Stärkung irgendeines frischen Fundamentes.

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