Künstliche Intelligenz und Roboter beginnen, unser Leben zu verändern. Doch wir stehen erst am Anfang dieses Prozesses, der gleichwohl schon jetzt manche Zeitgenossen mit „großem Grauen“ erfüllt – wie etwa FR-Leserin Christa Mülverstedt aus Bad Vilbel. Die Furcht ist real, dass Arbeitsplätze wegfallen werden. Darüber hinaus scheinen manche Zeitgenossen aber auch von der Furcht vor zunehmender Entmündung getrieben zu sein, wenn sie diese Veränderungen mit teils recht heftigen Reflexen ablehnen. Vielleicht haben sie sogar recht? Vielleicht ist der Mensch tatsächlich nur eine Zwischenstation im Ringen der Evolution um Lebensentwürfe? Vielleicht wird die Evolution in ihrem nächsten Schritt – mit dem Menschen als Werkzeug – eine künstliche Intelligenz hervorbringen, die dem Menschen in allem überlegen ist?
Solche Gedankengänge sind nicht neu. Die Science Fiction hat solche Szenarien schon vor Jahrzehnten entwickelt. In „2001 – Odyssee im Weltraum“ muss sich die Besatzung der „Discovery One“ mit der eigenwilligen KI Hal-9000 auseinandersetzen. Im ersten „Start Trek“-Kinofilm schickt eine ferne Maschinenzivilisation einen maschinellen Botschafter zur Erde. In den „Terminator“-Filmen haben die Maschinen auf der Erde die Herrschaft übernommen und jagen die Menschen nach dem globalen Atomkrieg. Eine wesentlich menschenfreundlichere Rolle spielt eine KI in der „Star Trek“-Serie „Voyager“: Als „medizinisch-holografisches Notfallprogramm“ beherrscht der Schiffsdoktor mehr als 5.000.000 Behandlungsmethoden und hat 2.000 medizinische Referenzen sowie die Erfahrung von 47 Ärzten gespeichert. Diese grundoptimistische, übrigens sogar komische Figur verkörpert die Chancen, die in der Entwicklung von künstlicher Intelligenz liegen, während Szenarien wie die aus „Terminator“ natürlich angstbesetzt sind. Wohin also führt unser Weg?
Zum ersten Mal hielt kürzlich ein Roboter an der Fachhochschule University of Applied Sciences in Frankfurt eine Vorlesung: „Pepper„. Er kann Gesichter erkennen, Emotionen wahrnehmen und auf sie reagieren. Der menschenähnliche Roboter wurde von dem französischen Unternehmen Aldebaran gemeinsam mit dem japanischen Konzern Softbank Robotics entwickelt und soll künftig in der Altenpflege, in Krankenhäusern, aber z.B. auch im Einzelhandel arbeiten. Daher das oben zitierte Grauen von Christa Mülverstedt: Sie hält den Gedanken, dass Pflege im Altersheim durch Maschinen geleistet werde, und handle es sich auch um solche, denen Intelligenz innewohnt, einfach für würdelos.
Würdig bis zum Lebensende
„Wieder mal erfasste mich heute Morgen beim Lesen der FR das große Grauen. Diesmal ging es weder um die Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille, noch um die sogenannte Rehabilitierung von vier engagierten Steuerfahndern und auch nicht um einen offensichtlich rechtsorientierten Polizeibeamten, der seit Jahren bei vollen Bezügen vom Dienst freigestellt ist. In dem oben genannten Artikel wird den Lesern der humanoide Roboter Pepper vorgestellt.
Frau Barbara Klein von der FH Frankfurt, Professorin für Organisation und Management in der sozialen Arbeit, bietet in diesem Jahr zum ersten Mal einen Kurs zum Potenzial der Robotik im Sozial-und Gesundheitswesen an. „Pepper“ soll von ihren Studenten zum Beispiel so programmiert werden, dass er den alten Menschen in Heimen Witze erzählen oder mit ihnen „Schere, Stein und Papier“ spielen kann. Welcher Mensch möchte denn im Alter von einem Roboter bespielt werden? Die Studenten sind wohl noch zu weit weg von dieser Frage, als dass sich bei dieser Aufgabe ihr ethisch-moralisches Gewissen melden würde. Und Frau Stein wird sich im Alter vielleicht in einer Seniorenresidenz niederlassen können, in der genügend Budget vorhanden ist, um hilfsbereite, engagierte und kompetente Fachkräfte bezahlen zu können, die alten Menschen so begegnen, dass sie Mensch bleiben und ihre menschliche Würde bis zum Lebensende behalten können.
Die ganze Debatte um den Einsatz von Robotern in der Pflege hat für mich ein hohes Maß von Unerträglichkeit erreicht. Sollten aus Kostengründen in Zukunft wirklich Roboter in Altenheimen der unteren und mittleren Klasse für Pflege und soziales Miteinander eingesetzt werden, erwarte und verlange ich von der Politik, dass ein selbstbestimmtes, menschenwürdiges Sterben legalisiert wird. Unter menschenunwürdigsten Bedingungen, und dazu gehört für mich der „humanoide Robotereinsatz“, die letzten Lebensjahre verbringen zu müssen, ist ein Verbrechen an der Menschlichkeit! Wäre dies nicht ein lohnendes Thema für den deutschen Ethikrat?
Bleibt zu hoffen, dass es in der FH Frankfurt auch Professoren gibt, die Kurse anbieten, in denen die Studenten sich mit diesen Fragen auseinandersetzen können. Ich wende mich hoffnungsvoll an die Menschen in Pflegeheimen, die sich auf die Menschlichkeit besinnen und eine Kooperation mit Frau Stein ablehnen.“
Christa Mülverstedt, Bad Vilbel
Wir brauchen menschliche Qualitäten
„Es geht mir ganz ähnlich, wie der Leserbriefschreiberin Christa Mülverstedt vom 2. Dezember mit der Vorstellung des humanoiden Roboter Pepper im Sozial- und Gesundheitswesen. Die nächste Vorstellung ist jetzt der „kluge Sprachassistenz“. Die Menschen sprechen also immer öfter mit ihren Maschinen.
Ich bin allmählich entsetzt, über die Impertinenz, mit der uns die nächste Roboter-Errungenschaft schmackhaft gemacht werden soll. Willkommen im Märchenland!
Was soll das? Wozu brauchen wir diese Segnungen, Lebenserleichterungen und vor allem für welche Lebensbereiche? Um den Milliarden-Konzernen noch mehr Geldsummen in den Rachen zu stecken? Die Suchtgefährdungen und -erkrankungen noch um ein Vielfaches zu potenzieren?
Wir schieben doch jetzt schon Berge von seelischen, sozialen und menschlichen Problemen vor uns her und sind allmählich so weit, dass wir ohne Maschinen schon Hilflosigkeit oder Orientierungslosigkeit verbreiten. Werden gleichzeitig von den Schöpfern und Managern dieser digitalen Wohltaten hinter ihren Maschinen süßsanft siegesbewusst kaltblütig angelächelt (wer kann da schon widerstehen?).
Wir brauchen ganz was anderes als diese permanente Fortführung und Vorgaukelung technologischer Erleichterungen. Wir brauchen menschliche Qualitäten. Wir brauchen Menschen, die einen Beruf haben, der sie auch eine längere Zeit des irdischen Lebens, wenn nicht begeistert, aber doch trägt. Wir brauchen eine Gesellschaft, die Solidarität, Empathie und Hilfsbereitschaft wertschätzt und die sich noch als Frau/Herr ihres/seines Schicksals erkennt und nicht von einer Abhängigkeit in die andere stürzt, bis sie resigniert.
Ein kleines Wunder, dass am Beispiel der neuen Sprachsysteme, die immer mehr Lebensbereiche erorbern (!), auch kritische Töne von Experten zu den Risiken zu vernehmen sind: „So haben manche Menschen Angst davor, von Alexa & Co. ungewollt belauscht zu werden.“ Ja, wenn das denn alles wäre, wovor man sich fürchten darf. Immer weiter dringt die Künstliche Intelligenz in unser Leben ein.
Wozu noch menschliche Aufmerksamkeit? Warum überhaupt noch Begegnung von Angesicht zu Angesicht?
Wir lange wollen wir denn hier auf Erden noch gegen unsere Endlichkeit und unsere menschlichen Grenzen ankämpfen? Kann man sich endlich mal die Mühe machen, unsere Fortschrittsvorstellungen auf Herz und Nieren zu überprüfen?
Das moderne Maschinenzeitalter wandelt sich allmählich in ein makabres, wenn für alle menschlichen Tätigkeiten Big Brother schon längst alles verwertet hat und die Prothesen überall bereitstehen. Siehe auch die Empörung von Christa Mülverstedt.
Einerseits wird die Kluft zwischen denjenigen, die im Sauseschritt das digitale Zeitalter durcheilen und denjenigen, die diesem Affentempo und diesen Komplexitäten nicht mehr standhalten können, immer größer.
Andererseits wird der heutige Konsument, so wie er bereits zugerichtet ist, sich an alles dranhängen, was ihm scheinbar das Gefühl gibt: Hier wird mir geholfen, hier bleibe ich auf dem Laufenden. Ich gehöre dazu!
@Juergen Malyssek
Sehr eindringlich sind ihre Worte. Schliesse mich an.
Frage mich nur, ob Menschlichkeit angesichts von Überbevölkerung, Umweltkatastrophen und Kriegen, mit den einhergehenden Fluchtbewegungen noch sehr lange eine Rolle spielt.
Für die Industriestaaten ist der Fortschritt eine „heilige Kuh“ und die Angst vor der aufstrebenden Macht Chinas ein gut zu verkaufender Motor, die Hörigkeit gegenüber den „neuen technischen Errungenschaften“ zu rechtfertigen.
Vielleicht fragt man sich aber auch erst mit zunehmendem Alter, worin der Sinn z.B. eines Roboters in Pflegeheimen bestehen soll.
Hinterfragt wird was erfindbar ist offensichtlich nicht. Eine irgendwann billige Maschine als Ersatz für Menschlichkeit! Kommt wahrscheinlich günstiger als all die Menschen, die für ihre Leistungen angemessen bezahlt werden wollen.
Ihren letzten Satz empfinde ich als besonders schmerzlich „ich gehöre dazu“!
Die Frage ist nur wozu? Zur Welt des Scheins?
Besäße der Mensch keine Psyche, wäre er auch bloß ein Roboter oder Zombie, wie der griechisch-französische Philosoph Cornelius Castoriadis bereits im Jahr 1975 kritisierte. Insofern stellt sich die Frage, ob Roboter jemals Menschen ersetzen können, bloß rein fiktional. Maschinen verfügen schon aus diesem Grund niemals über dessen Wahrnehmung der Welt und haben somit auch selbst in der fernsten Zukunft keinerlei Begriff von deren empirisch stets vollständiger Wirklichkeit.
@ Anna Hartl
Danke für Ihre Rückmeldung!
Ja, der Fortschritt ist eine „heilige Kuh“. Der Konsument ist manipulierbar bis ins Letzte.
NEIN zu sagen, kann einsam machen. Dazu zugehören entlastet.