Es war einmal bis vor etwa zwei Jahren, da war Deutschland noch Exportweltmeister. Doch dann kamen die Tyrannen aus China und entsetzten die Deutschen von diesem Thron. Seitdem muss Deutschland sich mit dem nachrangigen Platz auf dem Treppchen begnügen. Und was die Rüstungsexporte betrifft, ja, da liegt Deutschland sogar nur auf dem dritten Platz in der Weltthronliste. Doch wir müssen Deutschland nach vorn bringen – so mögen sie zueinander gesprochen haben im Bundessicherheitsrat, als sie beschlossen, den Export von 200 Leopard 2-Panzern neuester Bauart nach Saudi-Arabien zu genehmigen.
Mögen sie. Es könnte auch andere Gründe gegeben haben, die sie zu dieser Entscheidung bewogen haben könnten. Man kann darüber nur orakeln, denn diese Gründe werden nicht offengelegt, nicht einmal vor dem Bundestag. Zum Beispiel: Geostrategisch gesprochen bildet Saudi-Arabien im Nahen und Mittleren Osten das Gegengewicht zum Iran. Beide Länder werden islamisch-fundamentalistisch geführt: Hier die Wahabiten mit ihren Scheichs, dort die Schiiten mit ihren Ayatollahs. Die einen haben ihren von den Amerikanern gestützten Schah vor längerem schon verjagt und sind dem Westen daher nicht besonders grün, die anderen leisten sich zurzeit noch ein Regime durch ein Königshaus, dessen Lebensart teilweise ziemlich unislamisch ist und das, siehe auch die 200 Leopard 2, vom Westen gestützt wird, so wie ehedem der Schah im Iran, wenn auch eher hinten herum. Und mit dieser Stützung fährt der Westen, vertreten durch die deutsche Bundesregierung, nun fort, als habe es die Revolutionen in Ägypten und Tunesien sowie den Einmarsch der Saudis ins Königreich Bahrain nie gegeben. Wie sieht es denn mit den Menschenrechten in Saudi-Arabien aus? Meinungsfreiheit etwa? Frau/man lese hier … Ach, ich vergaß – die Bundespolizei bildet ja längst saudische Sicherheitskräfte aus.
Ja, die Menschenrechte. Immer gut für Sonntagsreden. Und die Demokratiebewegung in Arabien finden wir doch auch alle klasse, nicht wahr? Also liefern wir den Saudis eben Panzer, die angeblich auch häuserkampftauglich sind. Häuserkampf? Aber gegen wen denn bloß?
Diese Art der geostrategischen Denke – Iran hier, Saudis da – entspricht dem Lagerdenken des Kalten Kriegs: Willst du den Einfluss Irans eindämmen, musst du seine Feinde stärken. Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden unzählige Konflikte auf Erden nach diesem Muster geführt, und man kann wirklich nicht behaupten, dass sie zum Segen der Menschheit waren. Sie haben mit dazu beigetragen, dass die Menschen in Arabien dem Westen mit Misstrauen begegnen, denn eben dieser Westen hat jahrzehntelang die arabischen Diktatoren unterstützt. So auch die Saudis. Nett, wie die Deutschen den arabischen Befreiungsbewegungen eine Salve aus 200 Glattrohrkanonen des Kalibers 120 Millimeter vor den Bug setzen – dem Bordgeschütz des Leopard 2 PSO/2A7+. Die Tradition wirkt eben fort. Westliche Leitkultur, hätte ich da fast jetzt gesagt. Und Israel sowie die USA sollen ja auch im Vorfeld schon bekundet haben, dass sie nichts gegen die Panzerlieferung haben.
Geht’s ums Öl? In der Tat, das saudische Öl ist sowas wie das Rückgrat der Weltwirtschaft, und jegliche Instabilität in Saudi-Arabien birgt große Gefahren für die globale Ökonomie. Ist das der Grund, warum die Bundesregierung über ihre Beweggründe für die Panzer-Exportgenehmigung nicht reden will? Hat sie Erkenntnisse darüber, dass in Saudi-Arabien ein Umsturz bevorstehen könnte? Gegen andere arabische Staaten, die ihre Bevölkerungen niederkartätschen, hat die Bundesregierung Sanktionen mitgetragen, zuletzt gegen Syrien.
Da sitzt die Kanzlerin also im Bundestag, der erregt debattiert – endlich mal wieder! -, und sagt kein Sterbenswörtchen. Dem Privatsender Sat1 hingegen gibt sie ein Interview: Saudi-Arabien sei trotz „erheblicher Defizite im Menschenrechtsbereich“ ein Land von „großer strategischer Bedeutung“, sagt sie da. Hatten wir weiter oben schon. Und Verteidigungsminister de Maizière hob gegenüber dem Radiosender WDR5 hervor „dass Saudi-Arabien für uns ein Stabilitätsanker in der Region ist, eine maßvolle und wichtige Rolle in der arabischen Welt spielt und – trotz eines politischen Systems, was wir ablehnen -, für uns ein wichtiger Partner ist, und dabei bleibt es auch“. Und das ist auch gut so? Was, wenn der Stabilitätsanker reißt und die Leoparden gegen die saudische Bevölkerung eingesetzt werden?
Die Opposition scheiterte heute jedenfalls mit ihren Anträgen im Bundestag, die Genehmigung des Leoparden-Deals zurückzunehmen. Die Abstimmung war namentlich, die schwarz-gelbe Koalition schmetterte die Anträge ab.
Die FR-Leserinnen und -Leser äußern massive Kritik, so etwa Dieter Murmann aus Dietzenbach:
„Frau Merkel, seit Sie an der Regierung sind, vergeht kein Tag, an dem ich beim Lesen meiner Tageszeitung nicht in die Tischkante beißen möchte! Sind die Mitglieder dieser Regierung und Sie im Besonderen denn überhaupt nicht lernfähig? (Ihre Atomwende hat nichts mit lernfähig, sondern nur mit Ihrer ausgeprägten, politischen Überlebensstrategie zu tun.) Wie viele Regime wurden schon mit deutschen Waffen ausgerüstet, die dann gegen andere Länder oder die eigene Bevölkerung eingesetzt wurden? Ist Ihnen Platz drei auf der unrühmlichen Hitliste der Waffenexporteure noch nicht genug? Ich, und damit stehe ich bestimmt nicht allein, schäme mich für diesen Platz, und zwar nicht, weil wir nicht noch weiter oben stehen! Wie abhängig sind Sie denn von der Wirtschaft? Nachdem Sie Ihren Vorstandsposten bei einem Energieversorger wohl nicht mehr erhalten, wollen Sie sich wohl einen entsprechenden Posten in der Waffenindustrie sichern. Es kann doch nicht sein, dass wir um des kurzfristigen Profits willen Waffen in ein Krisengebiet liefern und dann, wenn die Bevölkerung wie z.B. in Syrien gegen die Unterdrückung aufbegehrt, über den Einsatz von deutschen Soldaten zur Befreiung der Bevölkerung nachdenken. Sollen unsere Soldaten dann gegen die deutschen Panzer vorgehen? Erst wird Umsatz durch Verkauf von Waffen generiert, dann werden zusätzliche Waffen an die eigene Regierung verkauft, und mit diesen Waffen geht man dann gegen die exportierten Waffen vor. Der Verteidigungsminister sorgt dafür, dass die gefallenen Soldaten geehrt und mit Pomp bestattet werden. Nach einer gewissen Schamfrist kann man dann wieder frische Waffen exportieren. Merken Sie eigentlich nicht wie krank das alles ist?“
Erika Bosch aus Düsseldorf:
„Genau diese Art von ‚Mordsgeschäften‘ ist es, weswegen ich die meisten Politiker/-innen verachte, sie als unglaubwürdig und unmoralisch empfinde. Es ist schon schlimm genug, dass wir der drittgrößte Waffenexporteur der Welt sin; das Weiterdenken, was mit diesen Waffen geschieht, ist ebenfalls schlimm genug; schlimm genug auch, dass etwa 90 Prozent der mit diesen Waffen getöteten Menschen Zivilisten sind und keine Bin Ladens oder Gaddafis. Aber Geschäfte gleich welcher Art mit diesen „lupenreinen Demokraten“ abzuschließen, ist einfach unerträglich. Ich vermisse Moral in der Politik. Ich vermisse Anstand. Und ich vermisse deutlichen Abstand zu Ländern, die keine Demokratien sind. Aber bei 80000 Arbeitsplätzen allein in der Rüstungsindustrie muss wohl Brechts Zitat wieder hervorgeholt werden: ‚Erst kommt das Fressen, dann die Moral.’“
Klaus Matthies aus Hamburg:
„Ein schwerer Panzer, in welcher Ausführung auch immer, ist ungeeignet für den ‚asymmetrischen Krieg‘ gegen Terroristen. Wäre es anders, dann hätte die Bundeswehr ihre nutzlosen Boliden in Afghanistan eingesetzt. Es mag ja sein, dass sich meuternde Zivilisten von ihnen noch immer beeindrucken lassen. Gegenüber ausgebildeten und entsprechend ausgerüsteten Partisanen sind schwere Panzer ohne Infanterieschutz im Häuserkampf und im unübersichtlichen Gelände noch immer unterlegen. Warum scheiterte denn die UdSSR in Afghanistan? Da hilft weder Sonderpanzerung noch Räumschild. Auch der modernste Panzer hat noch genügend Schwachpunkte wie Laufwerk und Heckbereich, wo die modernen Varianten der Panzerfaust mit Erfolg eingesetzt werden können. Klar ist, dass Krauss-Maffei Wegmann für ihr jetzt nutzlos gewordenes Produkt neue Märkte sucht. Aber die Waffen eines Panzers sind in erster Linie Feuerkraft und Schnelligkeit. Wenn er beides nicht einsetzen kann wie im Häuserkampf, ist er nutzlos. Warum regt sich die Opposition so auf? Die eitlen Saudis wollen sich doch nur mit der modernsten Technik schmücken. Und die Bundesregierung möchte eine wichtige Waffenschmiede nicht pleitegehen lassen. Den Saudis wird es eh nicht nutzen. Darum Appell an alle Gutmenschen: Tiefer hängen!“
Albrecht Thöne aus Schwalmstadt:
„Wir, die deutschen Autofahrer, brauchen Benzin. Nie wieder autofreie Sonntage! Die Saudis, ja, alle Nationen brauchen Sicherheit vor den Iranern. Diese Sicherheit muss folglich auch durch beste deutsche Waffentechnik erzeugt werden – egal, wen die Saudis massakrieren, egal, ob sie ihre Frauen knebeln, ihren Frauen gar das Autofahren verbieten! Der Zustrom des noch Jahrzehnte aus Saudi-Arabien sprudelnden Öls muss gewährleistet sein, auch hinsichtlich der Berechenbarkeit seiner künftigen Preisentwicklung. Wenigstens halbwegs freie Fahrt für freie Bürger sichert der CDU den Erfolg der nächsten Bundestagswahlen. Alles richtig gemacht, Frau Merkel, oder den Rubikon der Nicht-mehr-Wählbarkeit für Viele überschritten? Auf jeden Fall ist Engelchen Angie das Spitzenbeispiel für die Weisheit: ‚Böse Mädchen kommen überall hin!'“
Martin Hauschildt aus Frankfurt:
„Eine Schande ist das, dass unsere raffgierigen Politiker sich jetzt sogar über die Regel hinwegsetzen, dass man in Krisengebiete keine Waffen liefert. Saudi-Arabien ist eine der übelsten Diktaturen in diesem Gebiet. Das autoritäre System sollte von Deutschland noch nicht mal Zahnstocher geliefert bekommen!“
Bernhard Daniel aus Göttingen:
„Was spricht denn dagegen, mit solch einem Hort der Demokratie Geschäfte zu machen? Schließlich kann sich dort jeder(mann) frei bewegen und ebenso seine Meinung äußern.“
Jürgen Seifert aus Hamburg:
„Ein Sicherheitsrat sollte nicht handeln, als ob er nur aus Militaristen und Lobbyisten der Waffenindustrie besteht. Zu mehr als der Hälfte müssten dort Friedens- und Entwicklungspolitiker vertreten sein. Ein Sicherheitsrat, der nur aus den Regierungsvertretern Merkel, Pofalla, de Maizière, Westerwelle, Niebel und Rösler besteht, kann doch wohl nicht allen Ernstes diese im Weltmaßstab existenzielle Aufgabe erfüllen. Dort müssten Parlamentarier aller im Bundestag vertretenen Parteien vertreten sein. Abstimmungen müssten Einstimmigkeit erfordern und es müsste vorher eine Beratungspflicht durch ein erweitertes Gremium mit Friedensforschern ohne Waffenlobbyisten bestehen.“
Das Waffengeschäft mit den saudischen Scheichs wirft wohl auch ein neues Licht auf die Libyen-Politik dieser Regierung. Wie kokettierte doch Herr Westerwelle mit pazifistischen Grundeinstellungen und schalmeite mit „friedlichen“ Mitteln der Beseitigung von Diktatoren vom Schlage eines Gaddhafi? – Natürlich will diese Regierung sich an keinem Krieg beteiligen, gegen wen auch immer, sehr wohl aber an Geschäften mit diesem Krieg, mit wem auch immer! Mögen doch andere ihre Haut hinhalten für Demokratie und Menschenrechte!
Diese Regierung entwickelt sich immer mehr als eine Schande für das friedliebende Deutschland auf das ich einmal beinahe stolz gewesen wäre.
Möglicherweise haben die Verteter der Regierung noch nicht begriffen , was da in Arabien passiert. Mit zivilem Aufstand können sie vielleicht einfach nichts anfangen , so etwas nicht einordnen.
Die meisten von ihnen sind hochgekommen in einer Zeit , als soziale und demokratische Bewegungen zu verschwinden schienen und es ist auch ein bestimmter Politikertypus nach vorne gerutscht.
Leute , die häufig versteckt reaktionär denken und in deren Denkmustern der Aufstand von unten lange Zeit nicht vorkam.
Daher begreifen sie einfach nicht , warum diese Lieferung an die Saudis zum Problem werden könnte , für sie ist das ein Waffendeal wie viele andere vorher auch.
Möglicherweise geht es um viel mehr. Denn nun haben die USA durch Außenministerin Clinton verlauten lassen, dass das syrische Volk mit iranischer Hilfe unterdrückt wird. Iran steht bekanntermaßen lange schon auf der Liste der Schurkenstaaten (und gefährdet den sicheren Abtransport z.B. des Öls aus Irak). Panzer in Saudi-Arabien, von wem auch immer gelenkt, könnten der deutsche Beitrag für einen möglicherweise im Geheimen bereist vorbereiteten Einmarsch in Iran äußerst nützlich sein. Der Waffendeal ist wohl überlegt und wohlbegriffen. Europa wird an die arabische Front gerufen.
Die Empörung der FR über die Lieferung deutscher Küstenwachboote nach Angola
kann ich nicht nachvollziehen: Angola hat wie jeder Staat das Recht, seine
Küsten gegen Schmuggel, Piraterie oder illegalen Fischfang internationaler
Flotten zu sichern. Auch können solche Boote anders als die evtl. nach
Saudi-Arabien zu liefernden Panzer nicht gegen friedliche Demonstranten
eingesettz werden. Man sollte auch keine weltfremde Pazifisten-und
Gutmenschenrhetorik anstimmen. Angola ist ein reiches Land, das der
deutschen Wirtschaft Chancen bietet, ein land, das im südlichen Afrika eine
wichtige, durch gute Beziehungen mit Europa in unserem Sinn beeinflussbare
Rolle spielen kann. Überflüssig zu erwähnen ist, dass es auch andere,
weniger skrupulöse Waffenlieferanten als uns Deutsche gibt. Gleichwohl
sollte das Geschäft an zu überprüfende Auflagen geknüpft werden: Deutsche
Waffen gibt es nur, wenn sich die Regierung an demokratisch-rechtsstaatliche
Regeln hält. Die Bundesregierung sollte ferner die liberalen Kräfte im land
stärken, Menschenrechts- und Umweltgruppen fördern, durch eine sinnvolle(!)
Entwicklungshilfe den Menschen vor Ort wirklich helfen.
Hallo,
angesichts des Fotos von Leopard 2 A7+ kam mir der Gedanke, dass es sich hier um eine auf den Einsatz in Wüstengegenden abgestimmte Sonderversion handelt. Darauf weist schon die typische Tarnung hin.
Dass die angebaute Räumschaufel besonders zum Einsatz gegen Demonstranten geeignet sein soll, erschien mir schon anfangs abstrus. Eher glaube ich, dass sie eine Hilfe ist, um sich in der deckungslosen Wüste einzugraben.
Die Behauptung, der neue Leo sei speziell für den „asymmetrischen Krieg“ konstruiert, erscheint mir jetzt als Schnapsidee durchgeknallter Marketingleute.
Ich glaube, sie würden diesen Unsinn am liebsten zurücknehmen, nach dem was sie damit in der Öffentlichkeit angerichtet haben.