Wohnungsbau und öffentlicher Nahverkehr – das sind im Wesentlichen die Themen, in denen Peter Feldmann (SPD) und Bernadette Weyland (CDU) in der Stichwahl zum Amt des/der OberbürgermeisterIn von Frankfurt am Main zu punkten versuchen. Man merkt sofort: Man ist auf der kommunalen Ebene von Politik. Hier wird nicht das große Rad gedreht, sondern es geht um die alltäglichen Belange des Lebens von Menschen in einer wachsenden Großstadt, die ihre eigenen Probleme produziert. Und plötzlich sind sie gar nicht mehr so langweilig, diese Themen Wohnungsbau und öffentlicher Nahverkehr, denn tatsächlich sind Feldmann und Weyland in ihren Positionen weit auseinander. Feldmann hält zum Beispiel ein Jahresticket des Rhein-Main-Verkehrsverbundes für 365 Euro für machbar; Wien lässt grüßen. Weyland hingegen sieht keine Chance für eine solide Finanzierung. Feldmann will einen neuen Stadtteil entwickeln, Weyland lehnt das für Gebiete westlich der Autobahn 5 ab, die diesen Stadtteil sonst durchschneiden würde.
Im ersten Wahlgang hatte Peter Feldmann mit 46 Prozent der Stimmen punkten können; Weyland kam auf 25,4 Prozent. Der Amtsinhaber hat also einen ordentlichen Vorsprung. Doch das könnte dazu führen, dass seine Unterstützer die Wahl bereits für gewonnen halten und bei der Stichwahl zu Hause bleiben. Feldmann kann sich also auf seinem Polster nicht ausruhen. Er ist derzeit unermüdlich im Haustür-Wahlkampf unterwegs. Feldmann gilt als bürgernah und als Kümmerer, er sucht den Kontakt und zeigt sich auch jenseits von Wahlzeiten bei den Menschen. Weyland hingegen hat ein Imageproblem, spätestens seit bekannt wurde, dass sie ihr Ruhestandsgeld möglicherweise zu Unrecht erhält. Weyland hat Ansprüche auf solches Geld aus ihrer Zeit als Staatssekretärin im hessischen Finanzministerium. Weyland gab der FR kürzlich ein Interview: „Jetzt geht es um die Persönlichkeit„.
Frankfurt ist alles andere als ein einfaches Pflaster. Die Zahl der Empfänger von existenzsichernden Leistungen steigt ebenso wie die Mieten, es gibt viele Alleinverdiener und Alleinerziehende. Zu diesen und weiteren Themen werden Feldmann und Weyland im FR-Stadtgespräch am Mittwoch, 7. März, 20 Uhr, im Haus am Dom Stellung nehmen. Die Moderation übernehmen die FR-Redakteure Claus-Jürgen Göpfert und Georg Leppert. Die Frankfurter Rundschau überträgt die Diskussion im Livestream auf ihrer Internetseite www.fr.de.
Leserbriefe
Gabriel Wojcki aus Frankfurt meint:
„Frau Weyland ist im einstweiligen Ruhestand (FR hatte bereits berichtet 31.01.18). Dort soll Sie bitte auch bleiben. Das hohe (ja, mit diesem Hintergrund ist es hoch) Ergebnis von 25 Prozent hat sie sicher nur dadurch erreicht, dass sie von nicht-informierten Bürgern gewählt wurde. Oder von hartnäckigen CDU-Anhängern.
Ich möchte nicht, dass unsere Stadt von jemanden regiert wird, der irgendwelche Gesetzeslücken anscheinend rechtswidrig und plump ausnutzt. Anstatt auf eigenen Wunsch entlassen zu werden (und ihre Pension zu verlieren), hat die Dame eine gängige Praxis zu ihrem Vorteil ausgenutzt. Anstand und Aufrichtigkeit sieht anders aus. Ganz anders.
Jetzt also leider Stichwahl, da werde ich wohl oder übel Herrn Feldmann wählen müssen. Warum wohl oder übel? Herr Feldmann hat ja bereits Wahlgeschenke vor der Wahl gemacht. Pro RMV-Einzelfahrschein werden 15 Cent aus dem Fenster geworfen. Das ist die aktuelle Verbilligung. Anstatt den Preis spürbar zu senken und somit neue Kunden ernsthaft anzusprechen, werden den bisherigen Kunden 15 Cent praktisch geschenkt. Tja, Herr Feldmann, Preiserhöhungen werden auch immer in kleinen Schrittchen durchgeführt, um die Kunden nicht zu vergraulen. Die 15-Cent-Reduktion ist das gleiche, nur umgekehrt. Die 15 Cent tun den meisten nicht weh und den meisten fehlen Sie auch nicht. Oder bücken sich ansonsten alle RMV-Einzelfahrscheinkunden nach Pfandflaschen, um 15 oder 25 Cent zu sparen? 15 Cent sind also “ein weiteres gutes Argument zum Umstieg vom Auto in Busse und Bahnen“. Auch Herr Feldmann leidet anscheinend unter Realitätsverlust bzw. redet sich die Welt schön.
Schade, ich hätte mir einen starken, aufrichtigen und mutigen OB-Kandidaten gewünscht, der die Sachen konsequent durchzieht, keine Politik der kleinen Schrittchen macht und endlich mal eine gute Balance zwischen Bürger- und Unternehmensinteressen herstellt. Dafür sind meiner Ansicht nach beide nicht geeignet.“
Wulfhard Bäumlein aus Bad Vilbel:
„Es hat für mich schon ein wenig die Aura einer Anmaßung, wenn jetzt die ausgeschiedenen Kandidaten meinen, ihren Wähler/innen vorschreiben zu können, wo sie ihr Kreuz bei der Stichwahl zu machen haben. Es handelt sich schließlich um erwachsene Menschen, die sich ihr eigenes Bild der zwei „Übriggebliebenen“ machen werden. Und nicht um irgendwelches Stimmvieh, daß man als Herde Herrn Feldmann oder Frau Weyland je nach persönlicher Präferenz zutreiben kann.“
Jörg Harraschain aus Frankfurt:
„Schade, schade, dass der Kreisvorstand der Grünen sich nicht hat durchringen können, den Kandidaten der SPD Herrn Peter Feldmann und die Kandidatin der CDU Frau Bernadette Weyland zur KreismitgliederVersammlung einzuladen. „Die Veranstaltung hätte schon interessant werden können“, wie die FR richtig feststellt.
Wie stellen Sie sich die Verkehrswende in Frankfurt vor? Hochaktuell wie soll Frankfurt auf das „Diesel-Urteil“ reagieren? Wie kann man auf kommunaler Ebene das Auseinanderdriften von Arm und Reich entgegenwirken? Der Klimawandel ist global in vollen Gange und ist schon lange keine Erfindung der GRÜ’NEN mehr. Wie wollen Sie als künftige(r) OB dem Klimawandel entgegenwirken? Mit welchen Mitteln und mit welcher KoalitionsPartei und wollen Sie Mehrheiten erreichen, um der in allen Großstädten stattfindenden Gentrifizierung entgegenzuwirken? Und, und, und…
Man hätte ja dieses Treffen von einer GRÜNEN-Vorstands-Empfehlung abkoppeln können. Jede(r) GRÜNE hätte sich vor Ort direkt ein Bild von beiden Kontrahenten machen können.
Allein die Vorstellung, dass außerhalb vom Parlament wichtige (Partei)-Persönlichkeiten aufeinander treffen, und das Ganze organisiert von einer dritten Partei, lässt das demokratische Herz eines jeden höher und schneller schlagen. Dazu hätte es nur Mut gebraucht, einen Mut, den ich gelegentlich bei den GRÜNEN vermisse.
Ich selbst bin noch immer unentschlossen, ob ich überhaupt zur Stichwahl gehen soll. Bis dato hat mich keine(r) so richtig überzeugt. Aber nicht wählen ist auch keine Lösung!“
Erika S. Becker aus Frankfurt:
„Die Abwesenheit der geladenen OB-Kandidatin Bernadette Weyland bei der Podiumsdiskussion in Bockenheim war entlarvend. Zu Beginn des Wahlkampfes habe ich ebenfalls in der FR gelesen, dass Frau Weyland sich dafür einsetzen will, dass „Shoppen auf der Zeil wieder Spaß machen soll“. Zu diesem Zweck will sie mit Ordnungsgeldern und Platzverweisen gegen Obdachlose vorgehen, die nach ihrer Auffassung für die falschen Sachen betteln (z. B. Hundefutter).
Wenn es aber darum geht, sich mit der Frage auseinanderzuetzen, wie man dafür sorgen kann, dass Obdachlosigkeit gar nicht erst entsteht, zieht es die christlich-demokratische Kandidatin vor, lieber Fußball zu gucken. Welch eine ignorante Doppelmoral!
Diese Art von Politik auf Kosten marginalisierter Gruppen und derer, die nicht auf der Sonnenseite der CDU stehen, stößt mich ab.“
Diskussion: frblog.de/obwahl-ffm
Die Frankfurter OB-Kandidatin Bernadette Weyland erinnert mich an die bei kleinen Mädchen beliebte Barbie Puppe. Sie wirkt in allem, was sie tut, vollständig synthetisch. So eine Person mutet man eigentlich nur völlig ahnungslosen Wählern zu. Im Wahlkampf gab sie sich betont jugendlich und zukunftsorientiert, zumindest hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbilds. Jedoch sind mir Aussagen von politischer Qualität nicht von ihr bekannt. Eher überraschte sie ihre Zuhörer mit Unkenntnis über die wirklichen Probleme der Stadt und mit Ressentiments gegenüber Armen, die sie in nassforscher Weise offenbarte. Einen solchen Eindruck scheint sie selbst bei traditionellen CDU-Anhängern aus dem konservativ-bildungsbürgerlichen Lager hervorgerufen zu haben, die ihr mutmaßlich die Stimme verweigerten oder am Wahltag zu Hause blieben oder für andere Kandidaten stimmten. Dass ausgerechnet ein Mann mit rasch wechselnden Überzeugungen wie Ex-Kulturdezernent Felix Semmelroth, selbst Opfer interner Parteistreitigkeiten, ihre Niederlage schönredet, belegt den desaströsen Zustand der Frankfurter CDU.
Von der niedrigen Wahlbeteiligung einmal abgesehen, finde ich, dass die Frankfurter Wähler bewusst sich für Peter Feldmann entschieden haben. Peter Feldmann ist einfach glaubwürdiger, während Bernadette Weyland kein Fettnäpfchen im Wahlkampf ausgelassen hat. Sie war einfach für die CDU die falsche Kandidatin. Einige meiner mir bekannten CDU-Sympathisanten wählten Feldmann. Wer letztendlich die Entscheidung für sie getroffen hat, muss jetzt die Konsequenten ziehen. Für die SPD ist dieses Ergebnis ein absolutes Novum, alle Frankfurter Stadtteile gewonnen zu haben.
Viele Kommentatoren haben angesichts der geringen Wahlbeteiligung insbesondere bei der Stichwahl offenbar ein mulmiges Gefühl. Man rechnet die Ergebnisse auf eine hypothetische Wahlbeteiligung von 100% um und kommt zu bedenklich niedrigen Zustimmungswerten für alle Kandidaten.
Aber ist das wirklich ein Wunder? Meiner Ansicht nach trägt die fragwürdige Konstruktion der Direktwahl von Stadtoberhäuptern, die in Hessen 1992 eingeführt wurde, erheblich dazu bei. Als Wahlberechtigter darf man sich doch fragen, was da eigentlich gewählt wird: ist es a) ein/e Amtskettenträger/in, b) der/die Leiter/in einer Verwaltung oder c) ein/e Regierungschef/in? Nach den Aussagen im Wahlkampf und den Sprüchen auf den Plakaten hätte man meinen können, Fall C träfe zu. Aber hat wirklich jemand ernsthaft geglaubt, hier würde darüber entschieden, ob in Frankfurt vorzugsweise Wohnblocks oder Opernhäuser gebaut werden sollen?
Nach dem Wahlmodus ist es nicht unwahrscheinlich, dass das gewählte Stadtoberhaupt in der Stadtverordnetenversammlung mindestens zeitweise keine Mehrheit hinter sich hat. Fasst man die Position vornehmlich als eine politische auf, dann ist ein Scheitern an diesen Bedingungen auf jeden Fall möglich. Welche Bedeutung haben also die politischen Versprechungen und Ankündigungen, die die Kandidaten im Wahlkampf von sich geben? Haben sie eine Chance, diese im Falle einer Wahl umzusetzen? Die wählende Bevölkerung ist da fast zwangsläufig ebenso im Ungewissen wie die zukünftigen Amtsträger.
Was aber, wenn man eher dazu tendiert, den/die Oberbürgermeister/in als Verwaltungschef/in zu sehen? Zu tun gäbe es ja auch auf diesem Gebiet genug. Aber dann sollte man doch erwarten, dass Qualifikation und Erfahrung der Bewerber/innen im Wahlkampf ein wichtiges Thema sind. Den Eindruck hatte ich diesmal eher nicht. Bleibt es also am Ende doch bei Vermutung A?
Ich finde es unter diesen Voraussetzungen bemerkenswert, dass die Frankfurter Wählerschaft überwiegend den sich bietenden Versuchungen widerstanden und nüchtern und vernunftbestimmt gewählt hat. Das hätte schlimmer ausgehen können.