Es gibt kaum noch Argumente für Olympia

Der vergangene Sonntag war ein trauriger Tag. Die Hamburger Wählerinnen und Wähler haben Nein zur Olympia-Bewerbung ihrer Stadt gesagt. Das Interesse war groß, und die Wahl war auf jeden Fall ein Sieg der Demokratie. Das Wahlergebnis ist allerdings vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Der Politik wurde das Misstrauen ausgesprochen. Es war ein trauriger Tag, weil dieser Denkzettel eine förderungswürdige Sache getroffen hat.

Die Hamburger Politik habe, hieß es immer wieder, bei dieser Bewerbung alles richtig gemacht. Man hat die Kosten eher zu groß gerechnet als zu klein (die Kostenexplosion der Elbphilharmonie ließ grüßen), und man hat dem Gigantismus der Olympischen Spiele ein kluges Konzept der Spiele der kurzen Wege entgegengesetzt. Ja, die Hamburger Politik hat wohl Vieles richtig gemacht, was bei einer solchen Bewerbung auch hätte in die Hose gehen können. (Allerdings gab es auch Kritik, etwa am Deutschen Olympischen Sportbund.) Zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt: Die Hamburger Politik kann natürlich nichts für die politische Großwetterlage, die von wachsendem Misstrauen der Deutschen gegenüber den politischen Eliten geprägt ist.

ScholzEs ist tatsächlich kaum einzusehen, warum sich dieses Land Olympische Spiele leisten soll, die unterm Strich, in reinen Zahlen ausgedrückt, eine Negativbilanz ausgewiesen hätten, während zugleich erkennbar so vieles im Argen liegt: Es ist kein Geld da. Es herrscht die Ideologie der „schwarzen Null“. Deutschland hat Probleme damit, genügend Kita-Betreuungsplätze bereitzustellen. In Sachen Infrastruktur — Brücken, Straßen, Schulen und vieles mehr — lebt dieses Land derzeit von der Substanz; der Investitionsstau wird von Jahr zu Jahr größer. Zudem ist erwartbar, dass die Flüchtlinge die deutschen Finanzen vor Herausforderungen stellen werden. Olympische Spiele sollten vor diesem Hintergrund nichts sein, was man sich trotzdem leistet, sondern sie sollten etwas sein, was man sich leistet, nachdem diese Hausaufgaben erledigt sind, also nachdem die Menschen in diesem Land so gut wie möglich versorgt sind. Olympische Spiele als Sahnehäubchen. So sollte es laufen. Aber dann noch diese Zahl: Allein in Hamburg leben rund 1000 Obdachlose.

Leider hat die Politik keine gute Hausaufgaben-Bilanz vorzuweisen. Bei Projekten wie dem desaströsen Großflughafen Berlin-Brandenburg zeigt sie, wie man Steuergeld verschleudert. Am Ende wird man das ganze Ding vermutlich abreißen müssen, weil neu bauen günstiger wird. Auch die Art, wie die Eliten dem Bürgerprotest im Fall Stuttgart 21 begegnet sind, rechtfertigt Misstrauen. Die Politiker machen eh nur, was sie wollen, von oben herab, über die Köpfe hinweg — so ticken die doch? Dazu das zerstrittene Bild der großen Koalition mit ihren Selbstdarstellern in Sachen Flüchtlinge, ein neuer Bundeswehreinsatz, den niemand will, der Nachhall der Attentate von Paris, die Erinnerung an die Terrordrohung von Hannover. Der DFB-Skandal um das „Sommermärchen“. Die korrupte Fifa. Auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat in Sachen Korruption keine weiße Weste. Nicht zu vergessen: das nachgewiesene flächendeckende Doping in Russland. All das floss wohl im Wahlergebnis von Hamburg zusammen. Schade. Aber nachvollziehbar. Also richtig.

Und trotzdem: ein trauriges Ergebnis.

Wird es je wieder Spiele in Deutschland geben?

SamaranchWir saßen am Sonntag da und fragten uns: Wird es jemals wieder Olympische Spiele in Deutschland geben? Wenn ein reiches Land wie Deutschland sich die Spiele nicht mehr leisten will — werden sie dann für immer in die Hände der Autokraten und Ölmultis gegeben, die sie zu Selbstdarstellungszwecken missbrauchen wie Wladimir Putin die Winterspiele in Sotschi? In dieser Entwicklung läge eine gewisse Konsequenz, die aus der Samaranch-Ära resultiert. Der frühere IOC-Präsident hat die Spiele, die eigentlich keiner mehr so recht ausrichten wollte, wieder populär gemacht. Es ließ sich nicht nur Geld damit verdienen, sondern sie brachten plötzlich wieder was fürs Image der Ausrichter. Zugleich wurden sie immer gigantischer. Irgendwann haben die Planer den Boden unter den Füßen verloren. Die Quittung wurde dem IOC, obwohl es nicht zur Wahl stand, am Sonntag präsentiert: Es bekommt das Misstrauen der Menschen zu spüren. Die im Grunde schöne und förderungswürdige Idee vom friedlichen Wettstreit der Jugend der Welt ist in Deutschland nicht mehr konsensfähig. Wie konnte es so weit kommen?

Ich interessiere mich eigentlich gar nicht so sehr für den Sport. Trotzdem hätte ich die Spiele gern in Hamburg gehabt. Der Grund dafür hat einen einfachen Namen: Sommermärchen. Während der nun in Misskredit geratenen Fußball-WM 2006 hatte die FR noch ihren Sitz im Collosseo am Walther-Cronberg-Platz in Frankfurt, direkt am Main, fußläufig zu mehreren „Public Viewing“-Stätten, an denen sich zahllose Menschen aus vielen Nationen zum Fußballgucken trafen. Die Leute feierten ausgelassen, man kam sofort in Gespräche, schloss Bekanntschaften, verabredete sich für das nächste Spiel, verlor sich in der Menge aus den Augen und hatte sofort neue Bekanntschaften. Der Wirbel dieser Tage, die Ausgelassenheit und Leichtigkeit, diese gelebte Willkommenskultur hat sich mir eingeprägt. Wenn ich mir die bleierne Schwere unserer Gegenwart ansehe, fühle ich mich dagegen hingerissen zu sagen: Deutschland war damals ein anderes Land.

Wir brauchen mehr solcher Feste, nicht weniger. Auf solchen Festen entstehen Erinnerungen, die von den Menschen mitgenommen werden in deren Länder und die sie miteinander verbinden. Wir brauchen mehr Gelegenheiten, an denen sich die Jugend der Welt treffen kann, nicht weniger, denn wir brauchen Kontakte, den Blick in die Augen der Anderen. Umso schwerer würde es künftig, Kriege zu führen, wenn der mögliche Kriegsgegner ein Gesicht hat, das wir kennen. Die Idee der Olympischen Spiele ist aller Ehren wert und gehört gefördert. Leider ist sie ziemlich auf den Hund gekommen, und die politischen Begleitumstände bieten nicht gerade das ideale Umfeld, in dem sie sich wieder entfalten könnte. Wie gesagt: traurig.

Hans-Georg Becker aus Frankfurt meint hingegen:

„Kein Mensch braucht die gigantischen Großveranstaltungen wie Olympia, EM oder WM! Allein die Medien brauchen sie, vor allem aber das Fernsehen für die Zuschauerquoten. Natürlich sind sie auch nützlich für Sportfunktionäre und Geschäftemacher, die ihren Profit daraus ziehen, oft allerdings begleitet von massiver Korruption und allerlei Betrügereien.
Herr Hörmann schwadroniert von einem „super Sport-Sommer 2024“, wenn Olympia und die EM nach Deutschland kommen würden. Was soll denn bitteschön daran ein super Sport-Sommer sein, wenn Millionen Menschen passiv und völlig unsportlich vom Sofa aus in der Glotze irgendwelchen übertrieben ehrgeizigen Athleten dabei zuschauen, wie sie einen sinnlosen Rekord nach dem anderen aufstellen oder wie hochbezahlte Profis Fußball-Schauspiele veranstalten? Wie immer werden dann diese sinnlosen Spektakel von den Medien befeuert, um in der Bevölkerung ein illusionäres Wir-Gefühl zu erzeugen, begleitet von irrationalem Nationalstolz und einem irrwitzigen und völlig unangemessenen hysterischen Personenkult um die Sportler.
Wir sollten endlich damit aufhören, solche Sportevents zu nutzen, um Pseudo-Nationalstolz oder gar Nationalismus zu fördern und so etwas wie Ersatzkriege zwischen den Nationen im Kampf um Medaillen und Tore zu führen. Angesichts drohender Klimakatastrophen und der Flüchtlingsdramen müssen die Nationen vielmehr miteinander und nicht gegeneinander kämpfen und sollten ihre finanziellen Ressourcen  für wichtigere Aufgaben einsetzen. Ganz nebenbei verursachen übrigens solche Großereignisse aufgrund der gigantischen Touristenströme auch große Schäden fürs Klima, dem ja in der gleichen Ausgabe der FR viel Platz gewidmet wird. Vernünftigerweise sollte also das Gegenteil des von Harry Nutt verfassten Leitartikels gelten: Es gibt gute Gründe, dass sich die Länder der Welt eben nicht für solche unsinnigen Ereignisse an einem Ort versammeln!“

Rasmus Ph. Helt aus Hamburg:

„Der Kommentar von Harry Nutt spannt einen zu kurzen Bogen. Denn auch wenn es gute ökonomische Gründe für die Hamburger Olympiabewerbung gibt, darf man trotzdem nicht den äußerst wichtigen Aspekt der fehlenden sozialen Nachhaltigkeit des bisherigen Konzeptes verschweigen, der im Übrigen leider in sehr negativer Hinsicht etwas über das Verständnis vom gesellschaftlichen Zusammenhalt bei so manchem SPD-Politiker aussagt. Schließlich spricht es Bände für eine ausgeprägte Bürgerferne, wenn man nicht nur die Folgen eines derartigen Großereignisses für die ärmeren und vornehmlich von Immigranten bewohnten direkt benachbarten Quartiere Veddel sowie Grasbrook weiterhin ignoriert, sondern sich bereits im Kern jeglichem Dialog verweigert, indem man gerade hier, wo es besonders wichtig wäre, und im krassen Gegensatz zum übrigen Stadtgebiet keine Informationsabende mit dem Bürgermeister oder anderen Senatsmitgliedern veranstaltet. Deswegen bleibt in jedem Fall das ernüchternde Fazit, dass sich insbesondere auf Grund eines falschen Politikverständnisses seitens führender Sozialdemokraten die Demokratie in Hamburg hin zu einer reinen Angelegenheit für die beiden oberen Drittel der Gesellschaft entwickelt, wie es viele Forscher schon seit längerem als allgemeinen Trend beobachten und kritisieren!“

Sebastian Winkelmann aus Hamburg:

„Sehr geehrter Herr Nutt, „Es gibt noch immer gute Gründe dafür, dass sich die Länder der Welt zum sportlichen Kräftemessen für ein paar Tage an einem Ort versammeln. Der wichtigste ist der Selbstanspruch einer offenen Gesellschaft auf den Erhalt ihrer Durchlässigkeit. Olympische Spiele standen seit jeher im Zeichen einer Welt, die sich in Bewegung befindet. Mehr denn je wird es darauf ankommen, dieser Bewegung eine Richtung zu geben, zu der man sich nicht dem Gefühl überlässt, der Anhäufung weltpolitischer Katastrophen willfährig ausgesetzt zu sein.“ Auch ein Nein in Hamburg gibt ein klares Signal, ein deutliches Zeichen und eine Richtung vor. Für den Erhalt der Durchlässigkeit unserer offenen Gesellschaft. Wenn „die weltpolitische Lage“ das einzige Argument für Olympia ist – es gibt zwar keine anderen Argumente dafür, aber „machen wirs halt irgendwie trotzdem“, weil es „weiter gehen muss wie immer“, dann ist das schon ziemlich traurig. Olympia aus Prinzip, auch wenn es kaum noch Argumente dafür gibt? Danke Nein, ich stimme für Bewegung und habe mit einem Nein beim Referendum gestimmt.“

Gerd Himmelreich aus Glashütten:

„Der Hamburger Bürger hat entschieden, kein bombastisches, vom Kommerzialismus geprägtes und in seinem Umfang ins Uferlose ausgeartetes olympisches Fest in seiner Stadt erleben zu wollen.
Die Verantwortlichen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) haben es in den letzten zwei Jahrzehnten übertrieben mit ihrem Streben, ihre Spiele in ihrer organisatorischen und inhaltlichen Ausgestaltung so groß werden zu lassen.Die vom IOC vorgegebenen hohen Bedingungen für die Ausstattung der zahlreichen Wettkampfstätten und das Ausufern des Programms haben die Kosten für den Veranstalter zu hoch werden lassen. Außerdem wird die Unvereinbarkeit dieser notwendigen Bauererschließungen mit Fragen des Umweltschutzes immer größer ( siehe Bewerbung Münchens für die Winterspiele).
Das Positive an dem Ergebnis dieser Volksbefragung ist aus meiner Sicht:
– das Prinzip der „direkten Demokratie“in unserer Gesellschaft wird häufiger angewendet und von der Bevölkerung genutzt (siehe Wahlbeteiligung),
– der Bürger hat zum Ausdruck gebracht, dass sein Staat seine Finanzen für andere und dringendere Aufgaben einzusetzen hat.
Das IOC ist aufgefordert, in Zukunft für die finanzielle Machbarkeit seiner Spiele selbst aufzukommen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass in Zukunft nur noch erdölfördernde f,inanziell starke Staaten und autokratisch geführte Länder die Möglichkeit haben, eine olympische Veranstaltung auszutragen (siehe Sotchi und zukünftige Fußball-WM).“

Martin Mahadevan aus Berlin:

„Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals so stolz auf Hamburg sein würde. Die Doping-Wettkämpfe der IOC-Funktionäe und ihrer vielen Freunde sind gründlich in der Elbe baden gegangen. Eine vernünftige Hamburger Mehrheit hat sich von den üblichen Schaumschlägern aus Politik, Medien und Wirtschaft nicht einseifen lassen. Diese Leute versprechen den Garten Eden, und hinterlassen häufig verbrannte Erde. IOC-Chef Dirk Bach beteichnete Olympia als Hochglanz-Event. Geht es noch entlarvender? Der „Markenkern“ der „Spiele“ besteht aus Sponsoren, Marketing, Merchendise,Werbung und immer neuen wissenschaftlichen Hochleistungen bei kaum oder gar nicht nachweisbaren Doping-Methoden, wie gerade erst wieder festgestellt uwrde. War da mal irgendwas mit Sport? Und zu den Kosten: Die berüchtigte Elbphilharmonie sollte ursprünglich 77 Mio. Kosten, inzwischen sind es 789 Mio. Soviel zu den Rechenkünsten der Hamburger Verwaltung, wenn es um die Durchsetzung von Großprojekten geht.“

Dietrich Brauer aus Oberhausen:

„Jetzt ist die Verwunderung angesichts des Abstimmungsergebnisses über Olympia in Hamburg groß. Doch wenn Politik und Medien seit Jahrzehnten den Menschen einbläuen, dass beim Staat gespart werden muss, darf man sich über das Ergebnis nicht wundern. Die Bevölkerung erweist sich allemal als die bessere schwäbische Hausfrau und spart sich nicht nur die Ausgaben, sondern gleich die ganze Veranstaltung. Sparen und Zaudern sind Zwillinge, man nennt das merkeln. Es zeigt sich immer wieder: Großprojekte, über die die Bevölkerung abstimmen darf, sind von Beginn an zum Scheitern verurteilt (Ich weiß: die anderen zwar irgendwann fertig, doch meist deutlich teurer). Armes Deutschland!“

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11 Kommentare zu “Es gibt kaum noch Argumente für Olympia

  1. Was soll man zu diesem Thema noch sagen? Die abgedruckten Leserbriefe nennen ja bereits so viele überzeugende Gründe für die Ablehnung der Olympischen Spiele in Hamburg.

    Der olympische Gedanke wird doch schon seit Jahrzehnten verraten. Die Idee, dass Amateure als Individuen (nicht als Vertreter ihrer Nation) antreten, um ihre Kräfte mit anderen zu messen, wurde spätesten zu dem Zeitpunkt fallengelassen, als auch Profis zugelassen wurden, die entweder von der Industrie gesponsort werden oder denen als Angehörigen des Öffentlichen Dienstes (Polizei, Bundeswehr) die Möglichkeit eröffnet wird, sich auf Kosten des Steuerzahlers ihrem Sport in Vollzeit zu widmen.
    Auch das Motto „Dabeisein ist alles“ gilt schon lange nicht mehr. Vielmehr wird es zur nationalen Katastrophe hochstilisiert, wenn „wir“ mal nicht so viele Medaillen erringen wie erwartet. Als manifestierte sich der Wert eines demokratischen Gemeinwesens in seinen sportliche Erfolgen, d. h. darin, ob ein paar Hansels schneller rennen oder weiter springen als ihre Konkurrenten aus anderen Staaten.
    Dieser Zwang, unbedingt der/die Beste sein zu müssen, führt dann dazu, dass unlauterer Wettbewerb in Form von Doping Alltag geworden ist.

    Statt Steuergelder für die Profilierung ehrgeiziger Spitzensportler zu verpulvern, sollte man lieber dafür sorgen, dass Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden, damit Schüler und Studenten ihre Sporthallen wieder zur gesundheitfördernden Freizeitbeschäftigung nutzen können.

  2. Herzlichen Glückwunsch zu dem Kommentar von Hr. Becker.
    Besser kann man dieses Thema nicht auf den Punkt bringen.

    Was wir brauchen ist eine wirkliche Breitensportförderung und eine umfassende Erziehung in Punkte Ernährung und Bewegung für jeden. Vom Kindergarten an. Es gibt keine mir bekannten Faktoren die mehr Einfluss auf ein glückliches und erfülltes Leben haben als die Ernährung und die Bewegung.

    Sportliche Betätigung von Profis in allen Sportarten, die dazu dienen sollen, stolz auf die Leistung dieser Mitmenschen zu sein, erinnern mich an das alte Rom. Gebt den Menschen Spiele, das lenkt von den wirklichen Problemen ab. Die Auswüchse sehen wir jedes Wochenende in den Fussballstadien. Wer sich selbst bewegt und Sport treibt wird wohl selten gewalttätig, wer sich ärgert über die Nichterfüllung von „Ersatzleistungserbringern“ dagegen schon.

    Wir bräuchten einen Kulturwandel…warum müssen Kinder ab der E-Jugend schon nach dem Leistungsprinzip aussortiert werden. Warum fördern wir nicht jeden Einzelnen nach seinen Begabungen und Möglichkeiten und stellen den Spaß in den Fordergrund und nicht das Gewinnen.

    Die Antwort ist eindeutig, mit dem passiven WIR Gefühl lässt sich mehr verdienen. Leider nimmt dieser Trend zu, wie die immer größer werdende Anzahl Übergewichtigere belegen, gerade auch bei Kindern.

    Nur wenn wir die finanzielle Mittel in den Breitensport fließen lassen und vor allem die Unternehmen, nicht den Spitzensport, sondern den Betriebssport fördern würden, wäre eine Umkehr dankbar. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein, siehe die zunehmende Anzahl von „Werkmannschaften“ wie Leibzig, Wolfsburg, Hoffenheim und die vielen anderen.

    Aber wir sind ja Weltmeister, z.B. in der Formel 1, wo Steuerflüchtige Autos für uns alle im Kreis fahren. Menschen die jegliche soziale Verantwortung vermissen lassen, werden zu Helden erklärt.

    Also auf zur Passivgeselschaft. Mit den Medien und der Pharmaindustrie im Rücken sind wir auf einem „guten“ Weg. Weiter so Deutschland.

  3. Den Hamburger Bürgern ist ein wesentlich höheres gesellschaftliches Bewusstsein zuzuschreiben als ihnen von der Politik und den Funktionären der großen Sportverbände zugebilligt wurde.

    Was ist denn aus den Olympischen Spielen geworden? Seitdem sich nicht mehr nur Amateure messen dürfen, sondern überbezahlte Profis die Oberhand haben und Doping fast zur Selbstverständlichkeit geworden ist; seitdem einerseits die Steuerzahler für die Kosten von teuren Stadien und anderen Sportstätten aufkommen müssen, die dann verrotten wie in Athen, andererseits Internationale Konzerne die Gewinne aus der Veranstaltung unversteuert einschieben, dazu nur noch Wettkämpfe durch Schiebereien von Millionenbeträgen mittels korrupter Figuren wie Blatter, Beckenbauer & Co. vergeben werden, hat der von Pierre de Coubertin entwickelte olympische Geist längst seinen Sinn verloren.

    Bereits im römischen Reich waren die olympischen Spiele (s. Auftritt von Kaiser Nero) inwischen entartet, so dass Kaiser Theodosius sie verbot.

    Mit Sport hat dieser Zirkus um olympische Spiele oder Fußball-EM’s und -WM’s nichts mehr zu tun.

  4. Lieber Bronski,

    vielen Dank für Ihre ausgewogene Einschätzung des Themas. Wie angenehm ist Ihr Text doch zu lesen im Gegensatz zu der Hasstirade des Herrn Becker, die der Sache überhaupt nicht angemessen ist. Was haben Sie bloß gegen ein bisschen Unterhaltung durch ein gutes Fußballspiel oder einen spannenden Leichtathletik-Wettkampf, Herr Becker? Suchen Sie nie Unterhaltung? Zum Beispiel: Gehen Sie mal ins Konzert? Oder ins Kino? Können Sie sich eventuell vorstellen, dass der Besuch eines Eintracht-Spiels für mich einen ähnlichen Unterhaltungswert hat wie für Sie der Besuch eines Sinfoniekonzerts? Das wird übrigens ebenfalls vom Staat subventioniert.

    Herr Boettel, zeigen Sie mir mal bitte die „überbezahlten Profis“ unter den Olympioniken, speziell den deutschen. Es gibt ein paar Prominente wie Diskuswerfer Robert Harting, aber über seine Einkünfte wissen Sie dann anscheinend mehr als ich. Das überwiegende Gros der Spitzensportler hat jedenfalls Ausbildung und Job und kann nicht darauf hoffen, nach der sportlichen Karriere ein fettes Leben zu führen. Und was wissen Sie über Doping, dass Sie behaupten können, es sei „fast zur Selbstverständlichkeit geworden“? Wir haben in Deutschland sehr strenge Kontrollen, die unangemeldet und zu jeder Tageszeit durchgeführt werden können, auch mitten in der Nacht. Die Nationale Antidopingagentur ist ausgesprochen rührig. Ich finde, Sie sollten nicht solcherart mit Vorurteilen um sich werfen. Natürlich haben Olympische Spiele noch etwas mit Sport zu tun. Mit Spitzensport. Das muss man nicht mögen, aber wenn man keine Ahnung davon hat, sollte man sich zumindest ein bisschen vorsichtiger ausdrücken.

  5. @ Stefan Briem # 5

    Zum Doping:
    Die Tatsache, dass immer wieder der eine oder andere erwischt wird, lässt vermuten, dass es eine Dunkelziffer gibt, die bei den Überprüfungen durch die Maschen rutscht. Und immer wieder werden neue Dopingmittel erfunden, die man erst einmal kennen muss, um sie nachweisen zu können.
    Manche Sportler scheinen diese Tests auch als Zumutung zu empfinden. Erst gestern berichtete die FR auf S. 27, dass sich die Eisschnellläuferin Pechstein wegen zweier Kontrollen innerhalb von 15 Stunden lautstakr beschwert und mit Strafanzeige gedroht hat. Eine Frau, die bereits unter Dopingverdacht stand! Ist sie ein Beispiel für die Lauterkeit der deutschen Spitzensportler?
    Und sollte die deutsche Antidopingagentur tatsächlich so engmaschig überprüfen, wie es nötig wäre, so wird doch immer wieder nachgewiesen, dass in anderen Ländern, z. B. Russland, oft beide Augen zugedrückt werden. Von fairem Wettbewerb kann auf internationaler Ebene folglich kaum die Rede sein.

    Zum Unterhaltungwert des Fußballs:
    Keiner verbietet Ihnen, Entspannung bei einem Fußballspiel zu suchen. Angesichts der schwindelnden Summen, die da für Spielerkäufe und -bezahlung über den Tisch geschoben werden, kann man von den Vereinen allerdings erwarten, dass sie auf eigene Kosten wirtschaften und den Steuerzahler außen vor lassen.
    Der Vergleich mit dem staatlich subventionierten Sinfoniekonzert hinkt. Zumindest kenne ich keinen Musiker, dessen verdienst auch nur annähernd dem eines Spitzenfußballers gliche. Der Kulturbetrieb benötigt für sein Überleben die Subventionen, Bayern München oder ähnliche Wirtschaftsunternehmen sicher nicht.

  6. Man sollte nicht alles durcheinanderwerfen. Zwischen einem Profi-Fussballer in der Champions-League und einem Freistilringer bei den olympischen Spielen gibt es schon erhebliche Unterschiede. Ich denke auch nicht, dass Bayern München gross von Staat gesponsert wird. Das machen eher die Industrie und das Fernsehen.
    Die olympischen Spiele sind heute Kämpfe von hauptamtlichen Staatsangestellten, beschäftigt beim Zoll, Polizei und Bundeswehr, die für ihre Länder Medaillen holen sollen. Dieses Verhalten wurde der DDR und der Sowjetunion damals als unsportliches Verhalten vorgeworfen. Es sei doch lächerlich, wenn ein Staat sich Sportler hält, die für das Ansehen des Staates Wettkämpfe bestreiten. Nun machen wir das gleiche.
    Sehr viel Geld verdienen diese Sportler in der Regel nicht. Das Geld verdient (steuerfrei) ein exklusiver Club in Lausanne, dessen einziger nennenswerter Beitrag darin besteht, dass er im Besitz der Marke „Olympische Spiele“ ist.
    Eigentlich ist eine grosse, staatlich finanzierte Unterhaltungsshow.
    Soll sie wie der Kulturbetrieb staatlich unterstützt werden oder gibt es bezüglich der Förderungswürdigkeit einen prinzipiellen Unterschied zwischen einer Tenorarie und einem Diskuswurf? Die Höhe der Unterstützung oder des Einkommens reicht mir als Argument eigentlich nicht aus.

  7. Frau Ernst,

    Sie werfen alles durcheinander. Wir reden hier doch über die Olympia-Bewerbung der Stadt Hamburg, oder? Und n nicht über das flächendeckende Doping-System in Russland, für das Russland von der Welt-Antidopingagentur WADA suspendiert wurde, oder? Der Vorgang ist meines Erachtens ein Zeichen dafür, dass der Kampf gegen Doping weltweit allmählich besser funktioniert. Ich will nicht behaupten, dass deutsche Athleten generell von jedem Dopingverdacht freizusprechen sind, nur weil sie deutsche Athleten sind. Sie dürfen aber auch nicht unter Generalverdacht gestellt werden, nur weil in Russland flächendeckend gedopt wird. Der deutsche Bundestag hat gerade ein ziemlich weitgehendes Anti-Doping-Gesetz beschlossen, das zum Beispiel die nächtlichen Kontrollen ermöglicht, von denen ich in meinen vorigen Kommentar schon gesprochen habe. Auch den Fall Pechstein können Sie nicht einfach hernehmen und sagen: Die hat möglicherweise gedopt, also werden alle anderen es ebenso machen. Merken Sie denn nicht, wie unfair diese Argumentationsweise jenen jungen Menschen gegenüber ist, die Spitzensport treiben und die Sie in Sippenhaft nehmen?

    Natürlich kann man darüber diskutieren, wie Henning Flessner es angesprochen hat, ob es sinnvoll ist, hauptamtliche Spitzensportler bei Bundeswehr und Bundespolizei zu beschäftigen. Ich finde, dass das absolut sinnvoll ist, denn diese jungen Leute sind Identifikationsfiguren für andere junge Leute. Sie sind Vorbilder und Idole. Das gilt auch für Profi-Fußballer. Dass die Summen, die manche dieser Leute einstreichen, irrwitzig sind, bestreite ich nicht, aber wir brauchen solche Vorbilder trotzdem. Ohne sie gäbe es große Probleme, die Jugend für den Breitensport im heimischen Verein zu begeistern.

    Und noch ein Wort zur Vergleichbarkeit von Sport- und Kulturveranstaltungen. Ich glaube, dass auch der Bundesliga-Fußball ein Teil unserer Kultur ist. Wenn Sie sich ansehen, wie viele Hunderttausende an einem Spieltag in die Stadien strömen, können Sie gar nicht anders, als das so zu sehen. Und dann finde ich es richtig, dass der Staat die Sicherheit solcher Großveranstaltungen in die Hand nimmt und sie nicht privaten Sicherheitsfirmen überlässt, die von den Vereinen beauftragt werden. Ich möchte nicht erleben, dass während eines München-Dortmund-Spiels in der vollbesetzten Arena in München eine Bombe hochgeht, nur weil der Staat die Sicherheitsmaßnahmen abgegeben hat. Da passen immerhin 75.000 Menschen hinein. Man kann gern die Vereine verstärkt zur Finanzierung heranziehen. Da bin ich bei Ihnen. Aber ein Argument gegen den Fußball generell kann das nicht sein. Und gegen Olympische Spiele ebenfalls nicht.

  8. @ Stefan Briem # 8

    Sie waren es, Herr Briem, der in # 5 den Fußball mit ins Spiel gebracht hat. Ich habe nur darauf geantwortet.
    Und wo habe ich „gegen den Fußball generell“ argumentiert? Und ich habe auch nicht bestritten, dass der Fußball ein Teil unserer Kultur ist. Ich bin lediglich der Ansicht, dass die Vereine als das behandelt werden sollen, was sie sind, nämlich Wirtschaftsunternehmen.

    Spitzensportler und überbezahlte Profifußballer als Vorbilder und Idole für unsere Jugend? Ich meine, zu Vorbildern taugen eher die Menschen, die im Verborgenen großes für unsere Gesellschaft leisten, Flüchtlingshelfer etwa oder die Ärzte der Cap Anamour, weniger die abgehobenen Stars, die, wie auf dem Fußballfeld üblich, sich oft gegenseitig brutal körperlich attackieren. Und ob Jugendliche nicht auch ohne diese „Idole“ für Sport zu begeistern wären, wage ich zu bezweifeln. Der Spaß an der Bewegung und dem Spiel mit anderen ist dem Menschen doch angeboren.

  9. Ich empfehle das Interview mit dem Sportwissenschaftler Eike Emich, FAZ-online vom 01.12.15. Titel: „Der Spitzensport muss sich neu bestimmen“. Auch die Leserzuschriften sind interessant.

  10. Weshalb sich Hamburgs mündige Bürger gegen Olympia in ihrer Stadt entschieden, darüber könnte man genug spekulieren. Sich für etwas zu entscheiden, das man nicht braucht, nur weil man einen geringen Teil der Kosten zu tragen hätte, und der größere Teil von anderer Seite (hoffentlich) übernommen würde, wäre der falsche Weg gewesen.

    2010, drei Jahre nach Baubeginn des Beinahe-Milliardengrabs Elbphilamonie äußerten 69 % der Hanseaten laut Haspa Trendbarometer, daß derartige Projekte „das Image von Hamburg als Kulturmetropole aufwerten“. Sind innerhalb der letzten fünf Jahre aus den zu zwei Dritteln kulturbeflissenen Hamburgern über die Hälfte zu Sportmuffeln geworden?

    Doch wohl kaum. Was bislang auf diesem Thread an Vorbehalten gegenüber den Sportlern selbst, den Funktionären, den Verbänden, den Komitees geäußert wurde, dürfte auch in Hamburg den Hauptausschlag gegeben haben, ungeachtet der ungewissen Herausforderungen, vor die wir uns alle künftig gestellt sehen.

    Es ist keine hanseatische oder gar nationale Katastrophe, wenn ein sportliches Event, das wie andere Veranstaltungen mit großem Publikumsinteresse der Unterhaltungsindustrie zuzurechnen ist, nicht auf deutschem Boden stattfindet. Die Geschäfte mit der Werbeindustrie, den Sponsoren und um die Übertragungsrechte im Fernsehen werden ungestört verlaufen und damit sicherstellen, daß auch wir Deutsche bei kühlen Bierchen, Doppelkörnchen und Kartoffelchips diesem Ereignis, das die „Jugend der Welt“ – wie schön! – in sportlichem Wettkampf vereint, angemessen frönen dürfen.

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