Mut und Kraft für eine gerechtere Gesellschaft!

Die FR hört auch im Jahr ihres 75-jährigen Jubiläums nicht auf, der Zukunft eine Stimme zu geben. Zukunft, dieses Thema brennt mehr denn je. Gerade zeigt uns die Coronavirus-Pandemie, dass wir nicht einfach weitermachen können wie bisher. Kurz davor war es die „Fridays-for-Future“-Bewegung, die uns dasselbe klarzumachen versucht hat, mit einem anderen Fokus. Doch den meisten von uns ist inzwischen klargeworden, dass wir unsere Zukunft in die Hand nehmen müssen. Dafür brauchen wir Mut.

Zukunft_Stimme_ohneFRDie FR stellt Personen vor, die mutig sind oder waren, und gibt in einer Serie 75 Lektionen zum Thema Mut. Es gibt viele Menschen, die vorbildlich mutig waren oder sind und die wir würdigen wollen. Und es gibt viele Menschen, die immer mal wieder mutig waren, im Kleinen, Alltäglichen. Nehmen wir die 68er, die als massive Bewegung unser Land verändert und dazu geführt haben, dass unser Grundgesetz erst richtig zurWirkung kam. Nehmen wir die Frauen, die sich ihre Rechte erkämpft haben und doch immer noch nicht völlig gleichgestellt sind. Nehmen wir die Lesben und Schwulen, die sich seit dem Cristopher-Street-Aufstand in New York auch hierzulande, das Grundgesetz im Rücken, ihre Rechte erfochten haben. Da gäbe es viele Geschichten zu erzählen – und viele davon sind von der FR erzählt worden. Natürlich gibt es auch Heldinnen und Helden wie Mahatma Gandhi oder Simone de Beauvoir, einzelne Menschen, die Bahnbrechendes geleistet haben. Aber was wäre ihr Wirken, wenn sie damit allein geblieben wären?

Bevor ich an diesen Text rangegangen bin, saß ich mit meinem Mann auf der Gartenbank. Wir sprengten den Garten (was natürlich nicht dessen Zerstörung bedeutet) und überlegten, wann wir mal mutig waren. Denn eigentlich führen wir ein relativ unauffälliges, unaufgeregtes Mittelstandsleben. Es kam dann zu meiner Überraschung doch Einiges zusammen. Ich war zum Beispiel mutig, als ich mit einem rosa Winkel am Hemd, den ich mir selbst gebastelt hatte, durch die Fußgängerzone in Lübeck ging. Der rosa Winkel war das Zeichen, das die Nazis den Homosexuellen im KZ anhefteten, analog zum Judenstern für die Juden (zwei gelbe, übereinander gesetzte Winkel). Mein rosa Winkel war für sich genommen nicht besonders auffällig, aber da ich ihn auf einem rein schwarzen Hemd trug, sprang er ins Auge, und es war klar, was er bedeutete. Die Reaktionen waren interessant: Vielfach Kopfschütteln, Wegsehen, aber auch vereinzelt ein Lächeln, das Sympathie zeigte. Das Kopfschütteln deutete wohl darauf hin, dass die betreffenden Passanten was mit dem Symbol anfangen konnten. Das war im Frühjahr 1987, ich war 22, wusste noch nicht, wohin mein Leben gehen würde, und AIDS, das damals noch – nicht zuletzt dank tatkräftiger Hilfe der Bild-Zeitung – als Schwulenseuche galt, war in aller Munde. Ich habe das mit dem rosa Winkel aber nur ein einziges Mal gemacht. Das war anstrengend genug, so wie das ganze Coming Out überhaupt.

Ich weiß nicht, wie es für junge Leute heutzutage ist, ihr Coming Out zu haben. Ich hoffe natürlich, dass es damit inzwischen keine oder nur noch geringfügige Probleme gibt, denn es sollte inzwischen im allgemeinen Bewusstsein angekommen sein, dass gleichgeschlechtliche Orientierung nichts Schlechtes, sondern nur etwas anderes ist. Dass so was Eltern vor Herausforderungen stellt, ist verständlich. Ich hoffe, dass die Väter, die damit konfrontiert werden, ihren Söhnen nach dem Outing inzwischen trotzdem die Hand geben. Meiner wollte das damals im Jahr 1987 nicht. Später hat er sich entspannt, als er begriffen hatte, dass dies alles nicht die Katastrophe ist, die er zunächst darin gesehen hatte.

Ja, wir haben viel erreicht in der Durchsetzung der Liberalität, die im Grundgesetz eigentlich angelegt ist, die in den ersten Jahren dieser Republik aber nicht gelebt wurde. Mein Anteil an dieser Durchsetzung ist bescheiden, aber mein rosa Winkel in der Lübecker Fußgängerzone gehört dazu, als kleines Teil in einem großen Puzzle.

Wen finde ich mutig? Da gibt es ganz, ganz viele. Neil Armstrong! Ich fliege in meiner Fantasie ständig auf den Mond, aber er war schon dort! Das gibt’s doch eigentlich nicht, oder? Der nächste meiner Helden – das wird niemanden wundern, der mit acht Jahren „Raumschiff Enterprise“ sah – ist selbstredend James T. Kirk. Eine fiktive Person, aber eine mit Vorbildcharakter, so wie auch später Patrick Steward den Captain Picard in „Star Trek – The Next Generation“ immer mit jenem humanistischen Hintergrund gegeben hat, der prägend für die „Star-Trek“-Serien war. Das waren Verkörperungen von Mut mit echtem Rückgrat!

Aber bleiben wir bei realen Personen. Nena. Eine Frau, die macht, was sie will. Helmut Schmidt. Leider tot, ein Politiker von altem Schrot und Korn, wie wir sie heute dringend bräuchten, um der AfD etwas entgegenzusetzen. Astrid Lindgren. Auch wenn es gerade Aufregung um Pippi Langstrumpfs Großvater und  die „Hottentotten“ gibt, bleibt Astrid ein Vorbild für mich, so wie auch Michael Ende. Galileo Galilei. Wo wären wir ohne ihn, ohne Kopernikus und ohne Giordano Bruno? Ohne Voltaire? Ohne Alexander von Humboldt?

Oder wenn ich an meine literarischen Vorbilder denke: Thomas Mann ist zweifellos, was Mut betrifft, kein idealer Kandidat, da er in seinem Schaffen darauf angewiesen war, behütet zu sein. Doch er ging ins Exil. Kein leichter Schritt. Viel wagemutiger waren seine Tochter Erika Mann und sein Sohn Klaus, die weit mehr gereist waren. Letzteren hat Thomas Mann überlebt. Klaus Manns Leben war keines auf Sparflamme. Er gab den Deutschen im Exil während der Nazi-Zeit eine Stimme. Klaus Mann war ein Intellektueller: zweifellos überspannt in seinem ständigen Anrennen gegen den Vater, drogensüchtig – und trotzdem mutig. Sein Roman „Tanz auf dem Vulkan“ gehört zur Weltliteratur. „Mephisto“ natürlich auch.

Und Sie? Wann und wo waren Sie mutig? Wen finden Sie mutig? Erzählen Sie doch einfach mal. So wie die folgenden Leserinnen und Leser.

***

Anmerkung: Dieser Text wurde ursprünglich am 6. August veröffentlicht und am 22. September neu datiert, damit er wieder auf der Startseite erscheint.

fr-debatteVier Stunden mit einem, der zum Tod verurteilt war

So richtig mutig war ich nur an einem einzigen Tag: genauer gesagt vier Stunden lang – Als ich mit 28 Jahren meinen Brieffreund im Gefängnis in Texas besucht hatte. Der zum Tode Verurteilte schrieb mir nach unserem Treffen: „Die Freundschaft zu dir bedeutet mir eine ganze Welt und ich sage dir das aus dem tiefsten Inneren meines Herzens!“ Hingerichtet wurde José einige Jahre später; siehe meine FR-Todesanzeige vom 15.4.2002.

Susanne Nowak, Frankfurt

fr-debatteMit großer Wut im Bauch

Man muß wissen, ich war ein sehr veschüchtertes Kind mit scheinbar übermächtigen Eltern und verunsichert auch durch die sehr konservative Schulsituation in den 70er Jahren in Baden-Württemberg. Selten machte ich meinen Mund auf.
Ab dem 1.Moment, in dem ich von der Nutzung der Kernspaltung zur Stromproduktion gehört hatte – da muß ich knapp 15 Jahre alt gewesen sein, in den 70er Jahren – sagten mir mein Verstand und mein Bauchgefühl, dass das eine Technologie ist, die der Mensch nicht beherrschen kann.
Eines Abends in dieser Zeit, war ein Geschäftspartner meiner Eltern zu Besuch. Im Gespräch ging es um Atomenergie, und dass es jetzt Atommeiler gäbe, die „noch sicherer sind“ – so sagte er. Da entgegnete ich, mit einer großen Wut im Bauch: „Ach, ich dachte, die Atomkraftwerke wären doch schon sicher?“
Ups, es gab eine kurze Pause. Mit meiner scheinbar naiven Frage hatte ich ja die ganze Atom-Branche und Politik mit ihren Lügen und Verheißungen ertappt und entlarvt. Seine Entgegnung hörte ich kaum, klar, dass es sowieso nur Ausflüchte waren. Ich genoss meinen kleinen Sieg.
Aber es braucht viel mehr Mut und viel mehr Menschen, Dinge zu verändern. Für mich könnte auch die FR wieder wesentlich mutiger werden. Gerade das Thema Atommüll und seine Endlagerung ist ziemlich aus dem Blick geraten. Die Kritik daran liegt derzeit ausschließlich in den Händen der NGOs.

Susanne Helalat, Kassel

fr-debatteMut und Überwindung von Widerständen

Ich lese gerade mit Spannung die aktuelle Samstagsausgabe zum 75. und bin an Ihrer Frage „Wann waren Sie mutig?“ hängengeblieben. Drei Ereignisse fallen mir ein, vielleicht nicht wirklich spektakulär, aber prägend für mich und meine Familie:
Im Frühsommer 1989, als ich mit meiner damaligen Freundin und heutigen Frau über Ungarn in die BRD geflüchtet bin, weil ich mir als 18-Jähriger ein unfreies Leben in der DDR einfach nicht vorstellen wollte und konnte.
2003, als ich als einziger Mann bei meinem damaligen Arbeitgeber zwölf Monate Elternzeit eingereicht und meine Karriere damit auf einen Schlag beendet habe.
2015 und 2018 – jeweils ein syrischer und ein sierraleonischer unbegleiteter Jugendlicher bereichern als Pflegekinder unser Familienleben.
All diese Dinge haben zu Ihrer Zeit Mut und Überwindung von Widerständen gekostet. Dennoch – ich würde jederzeit wieder so handeln, weil es sich in der Retrospektive gut und richtig anfühlt.
Was macht mir selbst Mut oder wen bewundere ich aktuell dafür? Menschen wie den kürzlich verstorbenen Hans-Jochen Vogel. Sein Lebensweg zeigt: Es lohnt sich zu kämpfen, und: Ja, es gibt sie noch, ganz einfach anständige Menschen, die ihre Kraft für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen.

Christoph Pohl, Würzburg

fr-debatteDer Lateinlehrer ließ mich stehen

Es mag 1952 oder 1953 gewesen sein. Ich hatte, da mir Latein überhaupt nicht lag, ein paar Monate meine Zensuren in diesem Fach „verbessert“ durch Schummeleien. Das flog auf und es kam zu den üblichen Bestrafungen, die zwar ärgerlich waren, aber auch sehr schnell vergessen wurden.
Nach der Entdeckung meiner Taten und der erfolgten Sanktionen, kam der Lateinlehrer Tage nach dem Vorfall zu mir und erklärte, er warte auf eine Entschuldigung. Ich dachte nicht daran, dass er eine Entschuldigung für das Vergehen wollte, er sagte es mir deshalb und ich antwortete ihm, dass ich mich für eine bewußte Tat – und das war ja das Schummeln – nicht entschuldigen würde. Er drehte sich um und ließ mich stehen.
Für die damals autoritäre Schule war es Mut, mich so zu äußern und es hat mich auch ungeheure Überwindung gekostet. Dieses Gefühl, mich offen gewehrt zu haben, fand ich damals und auch heute mit meinen 82 Jahren noch mutig. denn das waren ja „Frechheiten“, die wirklich hätten sehr unangenehm geahndet werden können. Den „roten Faden“, mich nur dann zu entschuldigen, wenn ich nicht bewußt gehandelt habe,behielt ich bei und Entschuldigungen nach Aufforderung sind für mich wertlos.

Gerhard Burmester, Lübeck

fr-debatteIch hätte es nicht ertragen, diese Aufmachung wortlos hinzunehmen

Was bedeutet Mut für mich? Mut bedeutet für mich, meinen Mund aufzutun, meine Meinung zu sagen, auch wenn sie ggf. dem mainstream nicht entspricht. Mut bedeutet für mich, mich zu wehren und Unrecht nicht hinzunehmen, als von höherer „Stelle“ (Gewalt) gewollt. Mut bedeutet für mich auch, Alleinsein auszuhalten, um mir selber treu bleiben zu können. Mut bedeutet für mich, meinen Wahrnehmungen und Gefühlen zu trauen und nicht in theoretische Exkurse zu fliehen. Ehrlichkeit ist für mich eine Charaktereigenschaft von Mutigen. Weiterhin bedeutet Mut für mich, sein eigenes Rückgrat zu stärken, den eigenen inneren Schweinehund zu überwinden und Anfeindungen von wo auch immer entgegenzutreten.
Wann waren Sie mutig? Ich behaupte von mir, dass ich schon in vergangenen Situationen meines Lebens häufiger einmal mutig gewesen bin. Während meines Studiums nahm ich an Streiks und Demonstrationen teil, um auf Studien- und Prüfungsbedingungen Einfluss zu nehmen. Mitbestimmung zu erproben war ein studienimmanentes Lernziel, auch um später im Schuldienst in dieser Hinsicht gegenüber Schülern und Schülerinnen tolerant und verständnisvoll sein zu können. Ich gehöre zu der Generation, die von den Kämpfen und Auseinandersetzungen der so berühmten 68er Generation in dem Sinne profitierte, dass die gesellschaftliche Atmosphäre schon offener geworden war und auch der Stil der Lehrer im Gymnasium gegenüber den Schülern weitestgehend ein eher verständnisvoller und freundschaftlicher war. Dieses Erleben von gesellschaftlicher Freiheit und Toleranz führte z.T. dazu, dass man meinte, alles erreicht zu haben und überzeugt war, dieses Niveau halten zu können. Die ewig Gestrigen hatten zu dem Zeitpunkt wenig Chancen. Allein aber an der Mode kann man ablesen, ab wann es wieder darauf ankam, sich mehr zu distinguieren. Dieses Phänomen näher zu beschreiben würde ein ganzes Buch füllen. Auf alle Fälle kam es zu einem Setback und der eher angepasste Typ war wieder in.
Am Ende dieser Entwicklung steht die heutige Situation, die sicher sehr vielschichtig ist und keine Kopie von früheren Verhältnissen darstellt. Als einen Endpunkt sah ich allerdings im Februar 2020 die Wahl von Thomas Kemmerich zum neuen Ministerpräsidenten in Thüringen mit Hilfe der AfD an. Ohne jetzt die Einzelheiten dieser Vorkommnisse noch einmal darlegen zu wollen, möchte ich festhalten, dass ich es als sehr mutig von mir empfand, dass ich am folgenden Tag als ich die Titelseite dieser Zeitung in der Hand hielt und sah, dass dort ein Photo abgebildet war, auf dem zu sehen war, wie Bernd Höcke dem vermeintlich neuen Ministerpräsidenten Kemmerich untertänigst zu dessen Wahl gratulierte, einen Brief an die Chefredaktion der Zeitung schrieb. Keinen um Verständnis buhlenden Leserbrief. In dieser Situation konnte ich nicht anders handeln, ich hätte es nicht ertragen, diese Aufmachung wortlos hinzunehmen. Somit schrieb ich einen Brief an die Zeitung, da ich der Meinung war, dass durch die Aufmachung dieser Titelseite dieses Ereignis eine Wahrheit erlangte, welche es zu dem Zeitpunkt bei kritischer Verfolgung der politischen Nachrichten aber nicht mehr hatte. Eine Reaktion darauf erhielt ich nicht.
Wen bewundern Sie für seinen/ihren Mut? Ich bewundere immer noch die Mitglieder der Weißen Rose für Ihren Mut, gegen den Hitlerfaschismus zu agitieren und dies mit ihren jungen Leben bezahlten.

Ursula Alberts, Osnabrück

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18 Kommentare zu “Mut und Kraft für eine gerechtere Gesellschaft!

  1. Ja, wann war ich mal mutig? Ich hatte gerade mein Staatsexamen bestanden und trat wenige Tage später (1968) meine erste Stelle an als Medizinalassistent auf der großen Privatstation eines berühmten, hoch angesehenen, strengen (Halbgott in weiß) Klinikschefs. Zu meinen Aufgaben gehörte auch das morgendliche zeitaufwendige Blut-Abnehmen (26 Patienten). Der Laborleiter beschwerte sich eines Tages bei dem Chef, die vielen Röhrchen mit den Blutproben kämen zu spät ins Labor. Zur Rede gestellt erklärte ich dem strengen Professor, ich sei manuell alles andere als ungeschickt, die schiere Anzahl an Abnahmen seien einfach nicht schneller zu schaffen, woraufhin er mir vorgab, eher in den Dienst zu kommen. Als ich ihm erwiderte, ich käme ja schon viel früher in die Klinik, meinte er nur, „dann kommen sie eben noch früher“ . Nein, das tue ich nicht, war meine Antwort. Ich erntete einen Wutblick, und mir war klar, jetzt werde ich rausgeschmissen. Aber, nach fünf Sekunden schlug die Stimmung um, er lächelte, klopfte mir auf die Schulter und sagte, „ja, sie haben völlig recht, es muss eine andere Lösung gefunden werden“ – was auch erfolgte. Dieses frühe Nein zu Anfang meines Berufslebens hat mich tatsächlich für immer geprägt. Ich blieb immer kooperations- und kompromissbereit, aber niemals, wirklich niemals habe ich zugelassen, dass eine rote Linie überschritten werden durfte, die ich mir selbst gesteckt habe. Im übrigen: Von diesem Professor, der dann auch mein Doktorvater wurde, habe ich unglaublich viel gelernt.

  2. Hiermit folge ich Ihrer Einladung, Ihnen von einer mutigen Persönlichkeit zu berichten, die für mich wesentlich ist, weil sie tausenden Menschen im globalen Süden dabei hilft, sich eine eigene Existenz zu schaffen. Und dies auf würdige nachhaltige Weise. und Sie hat mithilfe von sehr, sehr vielen Spendern meist kleiner Summen eine fabelhafte Entwicklungs-Arbeit mit 77 Partnern in 18 Ländern aufgebaut, bzw. wieterentwickelt. Sie besucht die meisten regelmäßig, um die weiteren Schritte anzuregen. (Was jetzt tragischer Weise nicht geht). Ich behaupte, es gibt nicht viele so effizient arbeitenden Organisationen, die derart verantwortungsvoll mit Spendengeldern umgehen.
    Dr. Annette Massman ist Vorstand der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung. Ich bin begeistert von ihrem kenntnisreichen und unermüdlichen Einsatz für eine bessere Welt. Würde unsere Wirtschaft von mehr Menschen diesen Formates geprägt, bräuchte man nicht so um die Zukunft zu bangen. Ihr Geschäftsbericht 2019 ist online einsehbar.

  3. Zu: „Erkenne die Grenzen des Gehorsams„, # 1 der Mut-Serie der FR über den Frankfurter Stadtkommandanten Erich Löffler

    Ich habe mal „gegoogelt“ und eine Erich-Löffler-Straße etc. in Frankfurt nicht gefunden, obwohl diesem Oberstleutnant etwa 250.000 Frankfurter ihr Leben verdanken, weil er „nicht tat, was ihm befohlen“, er „den Irrsinn des Kadavergehorsams erkannte und nicht mehr länger mitmachte“ (weitere abschreckende Beispiele dafür finden sich bei Ian Kershaw, Das Ende, 2011). Ich nehme den Artikel zum Anlass über unsere Erinnerungskultur zu reflektieren. Einerseits wird überlegt, die Hindenburgstraßen umzubenennen oder Denkmäler von Kolonialisten zu versetzen. Auch wird Kant u. a. vorgeworfen, dass sie das Wort „Neger“ benutzt haben. Andererseits werden positive Ausnahmen m. E. öffentlichkeitswirksam nicht geehrt (Löffler, von Choltitz, der Paris bewahrte, Hartenstein, der Passagiere der Laconia rettete oder Langsdorff, der seine Schiffsbesatzung vor der Vernichtung bewahrte). Wie ist das zu erklären? Eine mögliche Erklärung scheint mir das „Deutsche Reinheitsgebot“ zu sein, d. h. jemand ist nur „rein“, wenn er sich von Beginn an nichts zu schulden hat kommen lassen (s. die Aufregung über G. Grass Geständnis). Alle waren Offiziere der Wehrmacht, alle haben am Krieg teilgenommen, einem Regime gedient, was sie „verunreinigt“, dabei haben sie aber in einem entscheidenen Augenblick moralisch oder menschlich gehandelt. Aber das zählt nicht. Besser wäre es vielleicht, wenn man diese idealistische Betrachtungsweise aufgibt und sich mit Sartre darin erinnert, dass man sich die Hände schmutzig macht (Les Mains sales), weil es nicht anders geht. Eine andere Erklärung ist, dass es (im besonderen in hierarchisch strukturierten Institutionen) Angst macht, wenn Menschen nicht bis zum Letzten gehorchen, weil dann ist ihnen nicht wirklich zu trauen. Diese Offiziere haben Befehle verweigert, was, wenn das Schule macht? Was, wenn sogar der kleine Gefreite dies für sich in Anspruch nimmt? Also besser totschweigen. M. E. spricht der hiesige schwierige Umgang mit dem Andenken an Deserteure, als Soldaten, die sich Befehlen verweigerten, für die Richtigkeit meiner Annahme. Wie handhaben das andere Armeen, andere Gesellschaften? Ist der bisherige Umgang mit Löffler u. a. der weiter existierenden Billigung des preussischen Kadavergehorsams geschuldet.

  4. Mit Verwunderung und Befremden haben wir diesen Artikel über den ehemaligen Bundestrainer Sepp Herberger gelseen und uns gefragt, worin der Mut (Titel) da wohl bestanden hat.
    Kurz nach der Machtergreifung durch die Nazis ist Herberger im Mai 1933 Mitglied der NSDAP geworden. Es dürfte ihm nicht verborgen geblieben sein, dass bereits im April 1933 jüdische Sportler und Funktionäre aus den Vereinen und Verbänden entfernt und die Arbeitersportvereine von den Nazis aufgelöst worden waren. Weder ist ein Protest Herbergers hierzu bekannt noch eine nachträgliche kritische Äußerung zu dieser Zeit. Er wollte um jeden Preis Karriere machen und hat eine beispiellose Karriere in der Nazizeit hingelegt: erst als Assistent des Nationaltrainers und Förderers Otto Nerz und nach dessen Absetzung nach der Niederlage gegen Norwegen beim olympischen Fußballturnier 1937 als Reichstrainer.
    Er habe damit eine Position erreicht, die ihm kaum jemand zugetraut habe, schreibt Lothar Mikos in seinem Beitrag im lesenswerten Buch „Hakenkreuz und rundes Leder“. Diese Position habe er unter allen Umständen zu halten versucht, weshalb er zu einem Höchstmaß an Konformität mit dem Terrorstaat bereit gewesen sei. Herberger sei einer gewesen, der sich unterordnete, wenn es erforderlich gewesen sei, und der mit jedem auskam, wenn es notwendig gewesen sei. So habe er auch im Nationalsozialismus überleben können, indem er Beziehungen genutzt und sich vermeintlich unpolitisch auf seine Obsession Fußball konzentriert habe. herberger hätte sich mit hoher Anpassungsfähigkeit in jedes in jedes politische System einfügen können.
    Woher der Autor des Artikels die Einschätzung nimmt, dass Herberger Abstand zu den NaziGrößen gehalten habe, bleibt unklar. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass er von den Nazis große Unterstützung erfahren hat. Unterm Strich bleibt: Herberger hat Einiges für den Fußball erreicht und als Bundestrainer 1954 mit der Nationalmannschaft den Weltmeistertitel geholt. Für den Autor war er deshalb Mutmacher für ein ganzes Land. Man wollte vergessen, keiner wollte Hitler unterstützt haben.
    Wir bezweifeln, dass Herberger ein überzeugendes Beispiel für Mut sein kann. Mutig hingegen war der norwegische Nationaltrainer Asbjørn Halvorsen, der Reichskommissar Terboven 1940 beim Pokalendspiel den Zutritt zur Ehrenloge der Königsfamilie verweiegerte. Er wurde 1942 verhaftet und in den Konzentrationslagern Natzweier-Struthof Neckarelz und Vaihingen/Ent géfangengehalten.
    Gudrun Schmidt, Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945, Frankfurt

  5. Es ist mir ein Anliegen, die Kritik an Sepp Herbergers Einreihung unter die Mutigen in der aktuellen FR-Serie zu relativieren. Dass der Bundestrainer und Architekt des Fußballwunders von Bern schon per se als sakrosankt zu bezeichnen ist, würde ich zwar nicht befürworten. Aber dass er „kein überzeugendes Beispiel für Mut“ gegeben haben soll, wie von Frau Schmidt als Vertreterin des Studienkreises Deutscher Widerstand moniert wird, kann man so nicht stehen lassen. Ich hatte im Rahmen journalistischer Recherchen Zugang zum Herberger-Archiv und fand in seiner Entnazifizierungsakte diverse Beispiele, die ein anderes Bild zeichnen. Richtig ist: Herberger hatte vor allem seinen Beruf und seine Leidenschaft, Fußball zu lehren, im Blick. Der Partei war er nach eigenen Worten beigetreten „wie man zuweilen Mitglied in einem Verein wird“. Ohne politische Hintergedanken, getrieben nur vom Ehrgeiz, als Trainer Karriere zu machen – ohne Parteiabzeichen ziemlich schwierig. Schwierig war er freilich für die Partei. Als 1937 die SA vor einem Länderspiel mit den Nationalspielern militärische Übungen wie „Exerzieren mit Spaten“ durchführen wollte, ging Herberger mit seinem Kader ins Theater. Eine Provokation, die ihm einen bösen Anruf einbrachte, aber nicht gefügiger machte. Da war vor allem die Aktion „Heldenklau“, mit der er seine Nationalspieler vor der Front zu bewahren versuchte. Ende 1941 berief er sie zu langen Lehrgängen ein, was die Nazis nur Spielern erlauben wollten, die sich an der Front „bewährt“ hatten. Herberger griff zu einer riskanten List. In seinen Erinnerungen zum Kapitel „Die Rückberufung von der Front“ heißt es: „Aufgrund meines regen Briefwechsels mit den Frontsoldaten unseres Spielerkreises wusste ich um deren Fronteinsatz und habe darum – um meinem Antrag einen recht bildhaften Eindruck zu verleihen –, dem einen oder anderen Mann meiner Liste, von mir aus Kriegsorden verliehen.“ Vier Mal erfand er für seine Spieler das Eiserne Kreuz 1. Klasse, acht Mal das Eiserne Kreuz 2. Klasse, ferner vergab er sechs Sturmabzeichen. Wie später noch so mancher sportliche Gegner ließ sich auch das Oberkommando der Wehrmacht von Schlitzohr Herberger offenbar überlisten, der darauf setzte, dass niemand auf die Idee kam, seine Angaben zu überprüfen. Rückblickend schrieb er: „Man möge mir diese Anmassung verzeihen. Ich hing damals halt zu sehr an einem guten Gelingen meiner Aktion. Ich weiss nicht, ob ich heute noch einmal den Mut aufbrächte, noch einmal zu tun, was ich mir damals unternahm.“ Er hatte Erfolg: Am Tag vor Weihnachten 1941 kam die Nachricht, dass die 25 Front-Fußballer schon zwölf Tage vor dem Spiel gegen Kroatien in die Heimat durften. Besonders schwer für seine Entlastung dürfte die Aussage des Sport-Journalisten Richard Hetzler aus Weinheim gewogen haben. Er berichtete von einem Zwischenfall in der „Reichskristall-Nacht“ vom 9. November 1938. Herberger und Hetzler saßen in Karlsruhe beim Abendessen, als sie einen Tumult beobachteten. Ein alter Mann, „dem Aussehen nach unzweifelhaft ein Jude, wurde von einer Meute von Männern misshandelt und vor sich her gestoßen. Herberger… schnellte mit einem Sprung unter diese Leute, um sich für den Schutz und die Befreiung des alten Herrn einzusetzen, wobei er selbst tätlich angegriffen und mit Fußtritten traktiert wurde, so dass er die Flucht ergreifen musste. Von diesem Zeitpunkt an war Herberger noch ein viel grösserer und unversöhnlicher Gegner der Nazi. Aus seiner Einstellung…machte er keinen Hehl, daher bedurfte es auch oftmals einer Warnung, den Bogen nicht zu überspannen.“
    Am 21. September 1946 wurde Sepp Herberger unter die Gruppe der „Mitläufer“ eingestuft – wie 54% aller Deutschen, die sich verant-worten mussten. Die meisten von ihnen, die These sei gewagt, waren nicht annähern so mutig wie er.

  6. Gerade jetzt, wo über die Zukunft der sanierungsbedürftigen Städtischen Bühnen heftig debattiert wird und dabei oft von „Geschichtsvergessenheit“ die Rede ist, erscheint es mir sehr verdienstvoll, in Ihrer Serie an den Generalintendanten Harry Buckwitz zu erinnern. In den zwölf Jahren seiner Amtszeit hat „der General“ „Mut zum Wagnis“ zum Leitspruch des Theaters erhoben. Wagemutig war sein Kampf zur Durchsetzung von Brecht auf westdeutschen Bühnen, mutig und beharrlich hat er allen politischen Widersachern und Widerständen (auch im Ensemble) getrotzt. Mutig war es, zur Eröffnung des neuen Schauspielhauses (der jetzt so unschön bezeichneten Theaterdoppelanlage) im Dezember 1963 Heinrich Kochs Inszenierung von Goethes Faust seine eigene Inszenierung von Brechts „Johanna der Schlachthöfe“ entgegenzusetzen.
    Abgesehen von „mutigen“ Spielplänen und der Bildung eines grandiosen Ensembles verdanken wir Harry Buckwitz auch den Umzug der „Akademie der Darstellenden Künste“ von Hamburg nach Frankfurt.
    Er hat die Frankfurter Nachkriegstheaterwelt nachhaltig geprägt und verändert. Umso betrüblicher ist der geschichtsvergessene, nachlässige Umgang städtischen Gedenkens an den Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes, der Goetheplakette und dem Ehrenmitglied der Städtischen Bühnen. Sein Ehrengrab auf dem Oberräder Waldfriedhof wirkt verwahrlost, es wird dem Anschein nach kaum, oder gar nicht gepflegt (siehe Foto). Es bewahrheitet sich leider auch in diesem Fall: „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze“.
    75 Lektionen Mut – weiter so und bonne chance für die Zukunft!

  7. Zunächst einmal möchte ich für den sehr anregenden Artikel von Herrn Widmann über die Spiegel-Affäre vom 21.08. danken. Anschließend möchte ich aber darauf hinweisen, dass der Artikel gelegentlich den Eindruck zu erwecken scheint, als ob es in der Frage der Nato-Strategie um die Wahl einer konventionellen und rationalen oder einer nuklearen und irrationalen Strategie ging, weil letztere mindestens Europa atomar zerstört hätte. Strauß habe sich in dieser Erzählung auf die Seite der irrationalen Strategie geschlagen. Die historische Forschung hat mittlerweile aber eindrücklich zeigen können, dass fast alle damaligen Akteure davon ausgingen, dass jegliche militärische Auseinandersetzung mit größter Wahrscheinlichkeit in einem globalen Atomkrieg enden würde. Die Unterscheidung in konventionelle oder nukleare Strategie muss daher stark relativiert werden, da eine eindeutige Unterscheidung gar nicht möglich war – und ist. Vor diesem Hintergrund fragt der Historiker Lawrence Freedman berechtigterweise, ob eine „Nuklearstrategie“ nicht ein Widerspruch in sich sei, wenn eine rationale Zielverfolgung mit militärischen Mitteln gar nicht möglich ist, da diese unausweichlich das Ziel auslöschen würden.

  8. Was meint der Arno Widmann da genau, wenn er sagt, Rudolf Augstein „wurde für viele ein Vorbild, dem man nachstrebte, ohne auch jemals auch nur die geringste Aussicht zu haben, es erreichen zu können.“ Hat er an einige größenwahnsinnige Bekannte gedacht, Selbsterkenntnis getrieben oder sich einfach einen Scherz erlaubt und an Morgensterns Möwenlied gedacht: „Wofern du Rudolf heißest, sei/ zufrieden, ihm zu gleichen.“

  9. Hallo, lieber Bronski, leider kann ich keine Mut-Geschichte erzählen, aber ich hoffe, Sie vergessen nicht diese drei Frauen: Malala Yousafzai – mutige Kämpferin (zusammen mit ihrem Vater) gegen die Taliban, alles schwerbewaffnete Männer, die mutig genug waren, ein 15-jähriges Mädchen niederzuschießen, und Friedensnobelpreisträgerin, die jüngste!
    Juliane Koepcke, jetzt Diller, Flugzeugabsturz in unwegsamem Gebiet in Peru, einzige Überlebende, erst 17 Jahre alt.
    Natascha Kampusch – eine ganze Kindheit gefangengehalten.
    Alle drei waren in ihren Situationen ungeheuer mutig und tapfer und unerschrocken.
    Nun werde ich mir die Biografie über Rosa Parks die mir noch fehlt, anschaffen.

  10. Danke für die Darstellung der Griechenlandaktion von Günter Wallraff und der Presse-Reaktionen, die dieser folgten.
    Nun arbeitete Günter Wallraff schon damals nicht alleine. Es gab und gibt viele Menschen, die ihm Material und Hinweise liefern und die für ihn in Archiven und Bibliotheken sich durch Schriftstücke, Chroniken und Bücher mühten. Beispielsweise habe ich ihn, als ehemaliger Fürsorgezögling mit mehr als 10 Jahren in Heimen, beim Rohschnitt für die Heim-Dokumentation (ZDF 1971) beraten. Bei zwei seiner Heimbesuche mit Kamerateam habe ich ihn, gemeinsam mit anderen Mitgliedern des SSK, begleitet.
    Auch bei der Aktion in Griechenland war Wallraff nicht alleine. Kameraleute und Journalisten haben ihn verdeckt beobachtet. In seinem Haus in Köln-Ehrenfeld haben meine damalige Frau und ich zu gleichen Zeit rund um die Uhr Telefondienst gemacht, um Freunden und Journalisten aus dem In- und Ausland Informationen weiter zu reichen, soweit und sobald wir diese erhielten. Seine damalige Familie Brigitte Wallraff und die beiden gemeinsamen Töchter waren in dieser Zeit an einem anonymen Ort untergebracht.
    Ich habe es damals für am wahrscheinlichsten gehalten, dass Wallraff aus einem vorbeifahrenden Fahrzeug heraus erschossen werden wird, was ich ihm auch gesagt habe. Er winkte nur ab, was seine Frau nicht sehr begeisterte.

  11. Zunächst Glückwunsch zum 75. Jubiläum. Davon habe ich als Leser schon 45 Jahre genießen können. Mein Vorschlag zu „75 Lektionen Mut“: Hermann Scheer, der Kämpfer für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Keiner in der SPD hat sich derart dafür eingesetzt und ist leider viel zu früh verstorben. Seine Bücher und Reden waren auch die Ursache der Verlagerung meines beruflichen Schwerpunktes von der Stadtplanung zur Solarenergie.
    Ich würde mich freuen, über Hermann Scheer demnächst einen solchen Beitrag lesen zu können.

  12. Diese Lobhudelei in dieser „Mut“-Beschreibung Nr. 35 schreit zum Himmel. Das schreibe ich als ehemaliges IGM/ÖTV/Verdi-Mitglied. Gut war, dass erstmal eine Frau an der Spitze einer Gewerkschaft kam. Schlecht, sehr schlecht war, dass diese Frau die gleiche Dreckarbeit der Männer fortführte, nämlich den bis heute schlechtesten Tarifvertrag für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst aushandelte: Extrem lange Laufzeiten, wenig Geld, wenig Aufstiegsmöglichkeiten. Noch heute als Rentner geht mir deswegen der Hut hoch. Hatte ich doch wegen dieses Tarifvertrages 10 Jahre auf meine eigentliche Eingruppierung laut Qualifikation warten müssen – mit einem viel niedrigeren Gehalt. Und nur deshalb, da diese Frau für die SPD die 38,5 Std-Woche „retten“ wollte, um der damaligen Politik zu gefallen. Dafür wurde sie dann auch belohnt – vom politischen Gegner Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU). Der war es, der sie für den Posten einer EU-Kommissarin vorschlug. Doch leider steht dies nicht im Artikel von Frau Herberg Fazit: Politik ist ein schmutziges Geschäft, vor allem wenn Gewerkschaftler zum Eigennutz „zugreifen, wenn die Chance kommt“, wie im Artikel so treffend steht. (siehe Riester & Co.).

  13. Mir fallen viele Helden ein, die ich bewundere. Mein persönliches Idol ist Stanislav Petrov, der vergessens Held, der den Dritten Weltkrieg verhindert hat. Andere Helden sind für mich die Mojave-Indianer, die den Kampf gegen die USA aufgenommen haben. Es ging um die Atomtests in der Mojave-Wüste auf dem Übungsgelände der US-Luftwaffe. Über sie würde ich gerne Genaueres lesen.

  14. Die FR zeigt sich auf der Seite der Mutigen, auf der Seite der Whistleblower, am 21. Oktober wird Edward Snowden ausführlich als solch ein Mutiger gewürdigt. Hier findet auch Assange eine kurze Erwähnung. So weit, so gut.
    Warum aber haben die Berichte über Julian Assange so ein Geschmäckle? Am 5.10. fiel mir die Hervorhebung „Held oder Verbrecher“ auf. Held vielleicht, aber wieso Verbrecher? Es werden im Artikel nur Anklagepunkte des Auslieferungsverfahrens erwähnt. Ist für die FR also die Anschuldigung „Spion“ ein Grund, ihn als Verbrecher zu titulieren? Ich erinnere: durch Wikileaks wurden Verbrechen der US-Army gegen die Menschlichkeit aufgedeckt.
    Erfreulicherweise gab es da die ZDF-Sendung Die Anstalt vom 29.9., in der der ganze Fall und auch die Rufmordkampagne gegen Assange ausführlich dargestellt wurde. Wirklich schade, dass Assange eine solch ausführliche Darstellung in der FR nicht bekommen hat, bisher. Die vielen Rechtsbeugungen und -brüche, die er erleben musste, hätten mit Sicherheit mehr Empörung hervorgerufen, wenn da nicht ständig hervorgehoben würde, wie umstritten er ist oder in anderen Berichten, welch schräge Persönlichkeit.
    Sind 175 Jahre Gefängnis eine angemessene Strafe für das, was er getan hat? Ich finde, er braucht unsere Solidarität wie andere Opfer von politischer Justiz, erst recht, wenn europäische Akteure mittun.

  15. Die Erfahrungen von Jana Grebe mit ihrem Arbeitgeber Jobcenter sind leider kein Einzelfall. Es ist ein Skandal, dass es für Mitarbeiter „Mut“ bedarf, um Menschen in einer staatlichen Institution zu ihrem Recht zu verhelfen. Jana Grebe hat den „Preis für Zivilcourage“ mehr als verdient. Aber was ist mit den Akteuren des Landkreises Osterholz, die sie schließlich aus ihrer Arbeit gedrängt haben? Warum müssen sie keine Konsequenzen befürchten?
    Aus meiner ehrenamtlichen Arbeit im Landkreis Osterholz weiß ich, welche Atmosphäre der Einschüchterung und manchmal auch Missachtung gegenüber den Leistungsempfängern herrscht. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dem nicht folgen, geben ihre Arbeit in diesem Bereich häufig resigniert auf – auch das habe ich erlebt. Nachzulesen ist das vor allem bei Inge Hannemann, der sogenannten Hartz4-Rebellin, die als ehemalige Fallmanagerin seit Jahren unermüdlich für die Rechte der Menschen kämpft, die auf Grundsicherung angewiesen sind.
    Das Grundproblem liegt in der Konstruktion der Jobcenter, wie sie im Zuge der unseligen Agenda 2010 durchgesetzt wurde. Aus Menschen, die aufgrund einer Notlage ihr Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums wahrnehmen, wurden damit „Kunden“, also Marktteilnehmer.
    Auf der einen Seite steht der „Anbieter“ Jobcenter, der als einziger die Möglichkeit und die Macht hat, das materielle Überleben zu sichern; auf der anderen Seite steht der „Nachfragende“, der nichts in der Hand hat als seine physische Existenz. Aber es geht ja nicht nur um das materielle Überleben, sondern auch um die Rückkehr zu oder die erstmalige Vermittlung in Existenz sichernde Arbeit. Das beinhalten besonders die sogenannten Eingliederungsvereinbarungen, die ein formeller Rechtsakt sind und von den Betroffenen nahezu bedingungslose Akzeptanz der Vorgaben fordern – sonst drohen Sanktionen. Der „Anbieter“ hat hierbei einen breiten Spielraum, Hilfen wie Qualifizierungsmaßnahmen zu gewähren oder nicht. Zwar gibt es die in dem Artikel genannten Serienbriefe in Osterholz so nicht mehr, aber diese Vereinbarungen bestehen weiter aus pauschalisierten Textbausteinen, die kein differenziertes individuelles „Angebot“ erkennen lassen. Ohne gute unabhängige Beratungsstrukturen sind die Betroffenen den Entscheidungen des Sachbearbeiter in der Regel ausgeliefert – die Möglichkeit von Sanktionen immer vor Augen.
    Dieser Zustand ist eines sozialen Rechtsstaates absolut unwürdig und ich hoffe, dass es noch viele Jana Grebes geben wird. Ebenso hoffe ich, dass sie auf breite Unterstützung stoßen und nicht wie diese einen kräftezehrenden und krank machenden Kampf alleine durchstehen müssen.
    Anonymisiert (der Red. bekannt)

  16. Schweinereien von der Art, wie sie Snowden ans Licht brachte, zeichneten sich vor Jahrzehnten ab – in den USA wie in der BRD. Just einen Tag bevor ich Frau Lindhoffs Artikel las, wühlte ich in altem Kram und stieß in „druck und papier“ vom 28. april 1986 (s. anhängenden Scan) auf meinen Aufsatz „post und industrie bauen telefongeheimnis ab“ mit dem Untertitel „Läßt sich der elektronische spitzelstaat noch verhindern?“(S. 30-32). Dort: „Jetzt wird der verfassungsschutz an einem bildschirm die rufnummer der leute eintippen können, die abgehört werden sollen. Schickt er dann diese angaben über telefon an den vermittlungscomputer der post, so ist die abhörschaltung schon perfekt“, weil die gesamte Vermittlung softwaregesteuert abläuft. Die Vermittlungsrechner stehen – nicht vorhergesehen – heute bei der Telekom statt bei der Post.
    Im gleichen Heft findet sich eine Seite weiter der Artikel „überwachungsstaat Amerika – kirchen verklagen US-regierung“ von Barbara Jentsch. Christliche Aktivisten wurden von mehr als zwei Dutzend statlicher und privater Organisationen überwacht, von so vertrauten wie CIA, FBI, NSA, Einwanderungsbehörde und etwa sechs militärischen Geheimdiensten. Die Notstandsbehörde FEMA sollte für amerikanische „Dissidenten“ zuständig sein. Im Fall einer direkten US-Intervention in Mittelamerika sollten sowohl diese Dissidenten als auch etwa 8 Millionen illegaler Einwanderer verhaftet und auf 10 militärische Anlagen verteilt werden. Die Direktive hatte Reagan 1984 (!) unterschrieben. 1986 meinte ich hoffnungsvoll, der Grundkonsens aller Demokraten gebe genügend Kraft, um diese Versuche scheitern zu lassen, den totalen Überwachungsstaat einzuführen. 2012 kann Snowden, wie Frau Lindhoff schreibt, „einfach die Adresse, Telefonnummer oder IP-Adresse jedes einzelnen Menschen auf der Welt eingeben – und bekommt vollen Zugriff auf dessen Online-Aktivitäten.“ Indem Snowden mit diesem Wissen an die Weltöffentlichkeit ging, hat er sich um die Verhinderung eines Spitzelstaats bleibend verdient gemacht.

  17. Mit großem Interesse habe ich den Bericht über die 4 ehemaligen Steuerfahnder in Hessen gelesen. Ich habe im Jahr 1996 nicht verstanden wie so etwas in unserem Land möglich ist, dass Mitarbeiter die Ihren Beruf ernst nehmen, auf eine solch schäbige Art und Weise aus Ihrem Arbeitsverhältnis geworfen werden. Dabei hatten Sie doch recht, wie eine Rückzahlung der Steuersünder von ca 600 Mill. € im Zeitraum 1996 bis 2003 beweist.Im vorigen Jahr las ich mit Verwunderung, dass das Land Hessen den Betroffenen erst nach über 20 Jahren eine Entschädigung gezahlt hat.
    Was in Ihrem Artikel fehlt, ist der Name des verantwortlichen damaligen Innenministers. Das war unser heutiger Ministerpräsident – Herr Bouffier.

  18. Hallo Herr Schmenger, für mich sind Sie und ihre MitarbeiterInnen Helden. Es gibt zwar keine Drachen mehr, aber Bankbosse und Landesherrscher und deren Schwarzgeld-Schützlinge. Gegen die haben Sie sich für Recht und Gesetz, also für uns Normalbürgerinnen, mutig in eine Schlacht gewagt, in der Erwartung, dass Ihre Vorgesetzten und Ihr Landesherrscher Recht und Gesetz respektieren. Sie hatten vielleicht nicht damit gerechnet, dass Ihr Vorgesetzter Dr. Schäfer, ehem.
    Commerzbank-Justiziar, strategisch geschickt im Finanzamt über Ihnen platziert worden war und dass als Beifang der von Ihnen sichergestellten Akten auch die Liechtensteiner CDU-Spendenschwarzgelder aus dem Flick-Bestechungsschatz dem CDU-Landesherrscher ein Dorn im Auge sein könnten.

    Als Sie niedergeschlagen nach einer quälenden Phase Ihres Kaltgestelltwerdens, vergeblicher Briefe an ihre Dienstherren und unseren Landesherrscher Koch und eines durch Hauptzeugenbestechung ausgetricksten Untersuchungsausschusses mit mir sprachen, waren Sie über die Ignoranz und Niedertracht Ihres Landesherrschers Koch und obersten Dienstherren Weimar überrascht und ratlos. Der willfähriger Frankfurter Auftragspsychiater Dr. Thomas Holzmann hatte Ihnen und ihren Mitstreitern zudem eine unheilbare „paranoid-querulatorische Entwicklung“ bescheinigt und damit Ihre lebenslange Niederlage besiegelt. Alleine der von mir empfohlene vom Landesherrscher nicht gängelbare justitielle Schleichweg zu einer Rehabilitierung durch die ärztliche Berufsgerichtsbarkeit befreite Sie vom Schizophrenie-Stigma, das im Finanzamt fleißig verbreitet worden war. Jetzt kommentieren Sie:
    „Der Rechtsstaat hat funktioniert.“ Ich meine: Der Rechtsstaat, insbesondere die Staatsanwaltschaften, haben wieder einmal gekniffen, wenns um die Täterschaft der Staatsmacht-Vertreter geht. Dass Sie schließlich mit 20-jähriger Verspätung rehabilitiert wurden, verdanken Sie nicht der Justiz, sondern Ihrer Beharrlichkeit, der Öffentlichkeit und dem Finanzminister Thomas Schäfer, der seine Skrupel nicht wie die damalige Koch-Bouffier-Weimar-sche christdemokratische Machtclique längst abgeschüttelt hat, und wohl auch der Macht-Zivilisierung durch die grünen Koalitionspartner.

    Was auch ein niederschlagender Beweis des Rechtsstaatsversagens ist:
    Wurde der berufsrechtskräftig wissentlicher Falschbegutachtung überführte Auftragspsychiater Dr. Holzmann von 2005-2008 22-mal von hessischen Finanzamtsstellen beauftragt, erfreut er sich aktuell sogar staatsanwaltlicher Beauftragung und lässt sich weiter seine Gewohnheit gut bezahlen, unliebsame Untergebene bzw. Bürger als von „paranoider Psychose/Querulantenwahn“ dauerhaft Befallene zu begutachten. Wie bei den Steuerfahndern ignoriert er dabei auch aktuell gegenteilige Gutachten seriöser PsychiaterkollegInnen.

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