Der Wehrdienst wird wieder eingeführt – zumindest mittelfristig. Vorbei ist es mit der „Friedensdividende“ nach dem Ende des kalten Kriegs. In Osteuropa tritt Russland aggressiv-imperialistisch auf. Die europäischen Staaten sind darauf nicht vorbereitet.
Was ist schiefgelaufen in den vergangenen Jahrzehnten? Lassen wir mal die Positionen beiseite, die jetzt erwartbar sein dürften, etwa die von der angeblichen Nichtbeachtung russischer Interessen. Also jene Positionen, die noch immer im alten Ost-West-Schema verfangen sind, obwohl doch längst offensichtlich ist, dass heutzutage jenseits aller geostrategischen Erwägungen Ideologien am Werk sind, die an die Stelle des altgewohnten Antagonismus von Kapitalismus und Sozialismus getreten sind. Diese Ideologien gibt es immer noch, doch das Weltgeschehen ist mittlerweile anders grundiert. Jener gewohnte Antagonismus war immer auch der zwischen Demokratie und Totalitarismus. Inzwischen aber sind die USA, einst „Leuchtturm“ der Demokratie, auf dem Weg, ein autoritär geführtes Land zu werden, und autoritäre, totalitäre und diktatorische Systeme erheben überall ihre Köpfe, egal ob in urkapitalistischen Ländern oder solchen mit totalitärer Geschichte. Dieser Wandel geschieht ebenso überraschend wie rasant. Dabei ist viel Geld im Spiel, was für kapitalistische Antriebe sprechen würde, doch dieses Geld strebt nicht mehr „nur“ nach Profit, nach Investition und Vermehrung, sondern es strebt nach Macht. Das zeigt sich in den Oligarchien des Ostens ebenso wie in denen des Westens, etwa wenn ein Elon Musk wütet, um staatliche Strukturen zu zerstören.
Wie oft haben wir reden hören vom „schlanken Staat“, der sich raushalten soll aus dem Wirkstreben der Märkte! In Deutschland waren es Helmut Kohl und Otto Graf Lambsdorff, die dem Neoliberalismus die Bahn geebnet haben, den Vorbildern folgend von Ronald Reagan und Maggie Thatcher. Das Narrativ, dass der Staat sich rauszuhalten habe, hatte durchschlagenden Erfolg. Das Wachstum der Wirtschaft ist als oberstes Staatsziel heute fest in vielen Köpfen verankert. Der Sozialstaat ist in dieser Denkweise nur eine Last. Sozialer Friede ist kein Wert an sich, sondern linkes Gedöns. Steuererhöhungen sind Gift für praktisch alles.
Nun bekommen wir die Quittung: Der Staat – ich meine hier vor allem den deutschen, aber vieles von dem findet sich auch in anderen Ländern – ist nicht mehr in der Lage, seine ureigenen Aufgaben zu erfüllen. Nicht mal die, die das neoliberale Narrativ ihm noch zugestanden hat: die Landesverteidigung (unter anderem). Man sieht dasselbe Problem aber auch bei anderen staatlichen Aufgaben, etwa bei der Bildung oder bei der Infrastruktur. Die sozialen Schichten des deutschen Staats sind undurchlässig geworden. Das Aufstiegsversprechen der Sozialdemokratie scheitert.
In dieser neoliberalen Logik scheint es nachvollziehbar, dass der Staat sich nun hemmungslos verschuldet, um seine Aufgaben schultern zu können, denn die Steuern zu erhöhen, kommt nun mal nicht infrage, obwohl diese Lösung zur Finanzierung unseres Gemeinwesens mindestens genauso naheliegt. Die sogenannten Sondervermögen (ein Euphemismus für Schulen) sind jedoch zugleich – ebenso wie die Wiedereinführung von Musterung und Wehrdienst – ein Symptom dafür, dass auch Deutschland vor einem Systemwechsel stehen könnte. Der „schlanke Staat“ der neoliberalen Ära könnte bald Vergangenheit sein. Zumindest bei uns.
Von Kriegen sind alle betroffen
Der Protest gegen das neue Wehrdienstgesetz (nicht: Wehrpflicht!) macht es sich zu einfach: „Eure Kriege ohne uns“. Wessen Krieg ist gemeint? Der Krieg eines Aggressors kommt zu uns, wenn wir uns weigern, ihn zu verhindern: Wie bis 1990 soll die Bundeswehr im Nato-Verbund kriegsfähig und -bereit sein, um eben nicht Krieg führen zu müssen. Vom Krieg würden alle – Junge, Alte, Frauen, Männer – betroffen sein. So einfach ist es – aber offensichtlich schwer zu begreifen. Aber Hoffnung auf Erkenntnis glimmt: Noch nie wurden gerade diejenigen, die es direkt betrifft, dazu so befragt, wie es das Wehrdienstgesetz vorsieht, womit auch Information und Gespräch stattfinden und (hoffentlich) Einsicht in Notwendiges entsteht.
Dieter Hartwig, Kiel
Gebühren zur Finanzierung von Kasernen
Die Deutsche Friedensgesellschaft empfiehlt, dass jetzt alle Männer bis 60 einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen sollen. Warum nicht gleich auch alle Frauen? Es ist ja völlig okay, Menschen zu unterstützen, die moralisch oder psychisch nicht in der Lage sind, eine Waffe zu bedienen. Aber es kann doch nicht sein, dass man ein staatliches System mit Sinnlosigkeiten zuschüttet. Wir beschweren uns über zu viel Bürokratismus und fordern zu solchen Handlungen auf? Man kann nur hoffen, dass den Antragstellern Widerspruchsbescheide mit ordentlichen Gebühren erteilt werden, die zur Finanzierung von Kasernen verwendet werden können.
Reinhold Richter, Obertshausen
Wehrpflicht? Ja, aber generationengerecht!
Der Bundestag hat beschlossen: Ab Mitte 2027 soll flächendeckend die sog. Musterung wieder eingeführt werden. Von da an werden die jungen Männer eines Jahrganges mit deutscher Staatsbürgerschaft auf ihre Tauglichkeit zum Wehrdienst geprüft werden. Wer wie ich – Jahrgang 1952- schrecklich-schaurige Erinnerungen an diese Untersuchungen im „Kreiswehrersatzamt Hagen“ hat, dem und allen anderen gelobt die Bundeswehr Besserung: Die Musterung werde in freundlicher und positiver Atmosphäre stattfinden. Alles wie beim Arzttermin. Befragung über Erkrankungen und medizinische Vorgeschichte, es folgen Sehtest, Urintest, Belastungsuntersuchungen, dann ein computergestützter Eignungstest und ein Persönlichkeitstest sowie ein persönliches Gespräch. Alles in allem etwa sechs Stunden. Gemustert werde außerhalb von Kasernen in angemieteten Liegenschaften, die freundlich eingerichtet würden. Allerdings: Auf den eher unbeliebten Hodengriff könne untersuchungstechnisch leider nicht verzichtet werden …. Auch egal! Aber sechs Stunden Untersuchung pro Kopf! Wir waren damals in kaum 15 Minuten durch! Damit sich dieser gigantische infrastrukturelle Aufwand, der sich dann noch Jahr für Jahr wiederholt, auch wirklich lohnt, sollten die erforderlichen Kapazitäten auch effektiv genutzt werden. So wäre es doch ohne größeren Aufwand möglich, nicht nur die jungen Männer eines Jahrganges, sondern gleich auch die Älteren dieser Prozedur zu unterziehen: Sagen wir alle 62- Jährigen mit deutscher Staatsbürgerschaft, ausnahmslos- egal ob Mann oder Frau. Der Augenschein zeigt doch, dass besonders in dieser Altersgruppe viele Menschen („Boomer-Generation“) ihre Zeit topfit in Tennis- und Golfclubs, auf Joggingparcours, auf Segelyachten, auf Kreuzfahrtschiffen und Campingplätzen verbringen. Die flächendeckende Musterung würde dabei nicht nur Auskunft über ihre Wehrtüchtigkeit geben, sondern ebenso deutlich machen, wer wie bisher gewohnt in Rente gehen, oder als „Best-Ager“ ruhig noch ein paar Jährchen länger arbeiten – oder eben „zum Bund“ gehen könnte! Und jetzt mal Hand auf Herz: Würden Sie diesen lebens- und welterfahrenden Menschen nicht eher einen angemessenen Umgang mit der Waffe und ein besonnenes Verhalten bei Feindkontakt zutrauen als den jungen Leuten, die bisher kaum etwas außerhalb der Schule kennengelernt haben? Sollen die doch erstmal in Ruhe ihre Ausbildung oder ihr Studium zu Ende bringen! Das passt es doch, dass sich in Umfragen die jungen Menschen mehrheitlich gegen die Einführung der Wehrpflicht ausgesprochen haben, die ältere Generation jedoch eindeutig dafür! So what?
Klaus Hirschberg, Hagen
Wenn der Strom für die Playstation ausfällt
Zur Zukunfts- und Kriegsangst von Teilen der jungen Generation fällt mir u.a. zu den Anti-Wehrpflicht-Demonstrationen folgendes ein: Erst wenn Drohnen lärmen, der Strom für „Call of Duty“ auf der Playstation ausfällt und im U-Bahn-Schacht kaum Schlafplatz ist, gibt es vielleicht die Einsicht , dass wehrhafte Demokratie nicht mit Friedensfahnen zu verteidigen ist.