Der Mut der Konservativen

Die CDU im Umfragetief. Nach einer Emnid-Erhebung für N24 geben 19 Prozent der enttäuschten Unionsanhänger an, gar nicht mehr zur Bundestagswahl gehen zu wollen, meldet dpa. 14 Prozent wollten beim nächsten Mal die FDP wählen, drei Prozent die SPD. Das macht einige CDU-Granden offenbar ziemlich nervös – und bereit, Kritik an der Kanzlerin und Parteivorsitzenden Angela Merkel zu üben. Günther Oettinger empfiehlt ihr gar, die Hosenanzüge wegzupacken und den Kampfanzug anzuziehen. Thomas Kröter im FR-Leitartikel: Merkel müsse jetzt führen. „Um Kanzlerin zu bleiben, muss die CDU-Chefin vor der SPD die eigene Partei besiegen.“ Dazu Gerd Salmen aus Brandenburg:

„Es wird allerhöchste Zeit, dass endlich in der Politik hoch gebildete Persönlichkeiten das Steuer übernehmen. Halbgebildete wie Schröder oder Fischer haben Deutschland in die Misere geführt. Ein großes Glück für den Augenblick und für die Zukunft ist es, dass endlich die hoch gebildete Frau Dr. Merkel an der Spitze unserer Regierung steht und weiter stehen wird. Sie wird eine weitsichtige Politik machen und die zukünftige Entwicklung richtig einschätzen. Gewerkschaftsbeamte wie Kurt Beck sollten in Ihren Ländern weiter werkeln.“

Joachim Bovier aus Frankfurt:

„Kann doch nicht verwundern, dass die CDU mit dieser Kanzlerin verliert. Frau Merkel hat alles über Bord geworfen, wofür die CDU 60 Jahre gestanden hat. Konservative, Marktwirtschaftler, Katholiken und Vertriebene sind systematisch vor den Kopf gestoßen worden, aus der Marktwirtschaftspartei Ludwig Erhards ist eine zweite sozialdemokratische Partei der dreisten Steuer- und Abgabenerhöhungen, der staatsdirigistischen Wirtschaftspolitik geworden, die nicht einmal mehr vor Enteignung und Verstaatlichung zurückschreckt.
Es geht nicht mehr nur um einzelne Politikfelder, die gesamte Richtung stimmt nicht mehr. Von der Wirtschafts- über Steuer- bis zur Familienpolitik, den Vertriebenen, dem Papst und der Einwanderungs- bis zur Klimapolitik ist alles, wofür Merkel steht, sozialistisch, feministisch und populistisch geprägt. Die CDU ist ihrer Identität beraubt, schlimmer noch wurden vielfach jahrzehntelange Grundüberzeugungen in ihr Gegenteil verkehrt. Eine zweite SPD braucht niemand: So sind es gerade die Stammwähler, die an dieser Partei irre werden, die in Scharen der Wahlurne fernbleiben oder Schutz in der Fluchtburg FDP suchen.
Die FDP mit ihrer konsequent marktwirtschaftlichen Politik ist die einzige Fluchtburg bürgerlicher Wähler. Mit Merkel wächst kein Grashalm mehr für die CDU. Schwer zu begreifen, dass niemand in der CDU den Mut findet, das Ruder herumzuwerfen und das Schlimmste zu verhindern. Wenn die CDU Mut hätte, würde sie Merkel durch einen anderen Kanzlerkandidaten ersetzen. Schlimmer als gegenwärtig kann es nicht kommen. Wenn sich keiner aus der Deckung wagt, wird es einer verlorenen Bundestagswahl bedürfen, um die unglückselige Frau loszuwerden. Jetzt ist die Stunde der Offiziere zu handeln – habt Mut!“

Lucia Freitag aus Marktheidenfeld:

„Das Kriegsgeschrei von Herrn Oettinger kann niemanden darüber hinwegtäuschen, dass die Personaldecke seiner schwarzen ‚Truppe‘ mehr als dürftig ist. So lange sich die Suche vor allem an Landsmannschaften und ähnlichen ‚Qualifikationen‘ orientiert, kann man wohl lange auf Besserung warten. Wo wäre dieser traurige Verein ohne Frau Merkel? Ist schon aufgefallen, dass sich die Veranstaltung hier Demokratie nennt und Frau Merkel nicht Alleinregentin ist? Fast möchte es einem leid tun. Aber nur fast.
Die geradlinige Politik von Frau Merkel, die leider oft von ihrer schwachen Entourage gestört wird, nötigt mir hohen Respekt ab. Sie scheint lieber zu arbeiten als in Talkshows herumzusitzen. Da könnte sich Herr Oe. ein Beispiel nehmen! Wenn er ein gut vorbereitetes Wahlprogramm anmahnt, hätte man sich über wenigstens einen konkreten Vorschlag gefreut. Aber natürlich auch da Fehlanzeige.
Noch peinlicher ist die geduckte Hinter-Haltung der Männerriege, die vor allem eines nicht ertragen kann, weil es ihr selbst daran furchtbar mangelt: Merkels Rückgrat!“

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5 Kommentare zu “Der Mut der Konservativen

  1. @ Joachim Bovier

    „Jetzt ist die Stunde der Offiziere zu handeln – habt Mut!”

    Denken Sie mit solch martialischen Worten an einen Putsch?

    Ich vermute, Sie wünschen sich eien CSU-Kanzler. Aber dieser Erfolg war nicht einmal einem FJS beschert.

  2. Ich erinnere daran, dass Frau Merkel die letzte Bundestagswahl – gemessen an den Ansprüchen – verloren hat; verloren genau wegen der Politik, die jetzt einige – auch oben im Kopf des Blogs – anmahnen. Es ist selbst unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu einer vollständigen Entsolidarisierung schon verwunderlich, dass – wie es oben heißt – CDU – Wähler „Schutz“ bei jener Partei suchen, die wie niemand anderer für diese Entsolidarisierung steht und somit für die gesellschaftliche und ökonomische Lage maßgeblich mit verantwortlich ist. Verwunderlich, aber bezeichnend: denn letztlich wollen jene CDU-Wähler wohl mehrheitlich diese kalte, nur betriebswirtschaftlichen Messziffern verpflichtete Politik. Vermutlich, weil sie auch mehrheitlich davon profitieren. Man sieht: es ist der alte Satz wirklich richtig: Politik ist nichts anderes als rücksichtslose Vertretung der Interessen. Diese CDU-Anhänger bekommen ja nach der nächsten Wahl auch die gewünschte Politik: CDU auf niedrigem Niveau konsolidiert, FDP im historischen Hoch. Und eine SPD, die sich selbst behindert in ihrer merkwürdigen Ablehnung einer alternativen Politik.

    Frau Merkel tut das was sie kann vor dem Hintergrund der verlorenen Wahl; jedermann weiß, dass sie gerne so handeln würde, wie man es jetzt von ihr verlangt, jedoch die Wähler wollten wenigstens damals nicht wirklich jene neoliberale Politik der vollständigen Entstaatlichung, also der Privatisierung der Sozialversicherungssysteme und einer seltsam einfachen und deshalb ungerechten Besteuerung nach Herrn Kirchhof. Vor dem Hintergrund der Erfahrung der aktuellen Krisen ist dieser mögliche Schwenk erklärungsbedürftig. Allerdings zeigt diese Orientierung der CDU-Anhänger an einer harten neoliberalen Politik genau das, was einige Verständige schon seit einiger Zeit sagen: aus der Krise hat man nicht nur nichts gelernt, sondern wird wohl den Kapitalismus noch einmal verschärfen. Also keineswegs: Kapitalismus am Ende. Dafür ist der Kapitalismus für eine knappe Mehrheit der Menschen in den westlichen Industrienationen zu verführerisch und – eingeräumt – auch zu erfolgreich. Dass dabei eine zunehmende Zahl von Menschen, also eine starke und wachsende Minderheit – verliert, ausgegrenzt, stigmatisiert, ja sozial fast „ghettoisiert“ wird, nimmt man in den Kauf.

    Dr. Hans-Ulrich Hauschild

  3. Kriegsgeschrei und Krisenprofiteure

    Frau Merkel ist für ihre Partei-„Freunde“ nicht zu beneiden: Nach dem Kriegsgeschrei Herrn Oettingers holt nun auch die Basis „mutig“ zum Rundumschlag mit dem Holzhammer aus, ruft, wie Herr Bovier aus Frankfurt („Bronski“,FR 11.03.09,S.28) nach den „Offizieren“, um mit ihrer „dreisten“, „sozialistisch, feministisch (!) und populistisch geprägten“ Politik endlich aufzuräumen. Bedarf es noch weiterer Zitate, um zu erkennen, wes Geistes Kind diese Herrschaften sind?
    Immerhin bringt Herrn Boviers unsäglicher Beitrag – unfreiwillig wohl – etwas Licht in einen Vorgang, der nur als Treppenwitz der Geschichte bezeichnet werden kann: der muntere Aufstieg der Partei, die wie keine andere programmatisch für die Krise steht: Er empfiehlt Stammwählern, welche „irre werden“ den „Schutz der Fluchtburg FDP“. – Wie verräterisch doch Sprache ist! Kann man ein Verhalten, das den Bock zum Gärtner macht, besser charakterisieren?
    Freilich hat jeder irrationale Vorgang auch seinen rationalen Kern: Jeder Krieg hat seine Kriegsgewinnler und jede Krise ihre Krisenprofiteure. – Ob gerade die eine sichere Fluchtburg bieten?
    Werner Engelmann, Luxemburg

  4. @ Dr. Hans-Ulrich Hauschild
    Sie sprechen mir da aus dem Herzen! Nur, wer und welche Partei vertritt eigentlich noch den Bürger? Wenn man die Reden und die einzelnen Figuren einmal passieren läßt, jeder vertritt da ein „bißchen“ den Menschen, aber in Wirklichkeit scheint es mir, wollen sie nur an den Geldtopf oder sich wichtigtun. Einmal an den Schalthebeln, wirft selbst ein Finanzminister der „Sozialpartei“ den Hebel zur Ausplünderung des Bürgers herum. Und dann, sind unsere Volksvertreter nicht ein Spiegelbild des Bürgers?

  5. Zum Glück erkennt FR-Leser Gerd Salmen noch die wahren Qualitäten der ach so gebildeten „Frau Dr. Merkel“. Die große Koalition wird vom Wähler dafür abgestraft, dass sie die wirklich wichtigen Reformen (Rente, Gesundheit) entweder gar nicht erst angegangen ist oder gegen die Wand gefahren hat. Daran ist „Frau Dr. Merkel“ (ihres Zeichens Physikerin) nicht unbeteiligt.

    Von der Altklientel wie z. B. Vertriebenenbund und katholischer Kirche allein kann die CDU keine Wähler mehr rekrutieren. Verloren hat sie in der Vergangenheit auch an eine sich der neoliberalen Wirtschaftspolitik verschriebenen SPD. Nicht die CDU gleicht sich der SPD an, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Mal sehen, wie der Wähler das Ganze Ende September sieht.

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