GroKo: Dann regiert mal schön dort in Berlin!

Ein bisschen habe ich ja manchmal das Gefühl, dass manche Linke schlechte Verlierer sind. Gucke ich mir den Koalitionsvertrag an, den die Merkel-CDU, die Gabriel-SPD und die Seehofer-CSU geschlossen haben, dann finde ich darin erstaunlich viel Sozialdemokratie. Da hat die Kanzlerin wohl gewusst, was sie der SPD-Basis bieten muss, damit die im Mitgliedervotum für den Vertrag und für die große Koalition stimmt. Insofern: Taktisches Meisterspielchen. Auch für Sigmar Gabriel. Er hat – und das war riskant für ihn! – auf die Mitgliederbefragung gesetzt und gewonnen. Damit ist er jetzt der große Macher bei der SPD. Wollen mal schauen, wie er das in politische Erfolge ummünzt.

Im Gegensatz zu manchen Leserbriefautoren – siehe unten – halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass diese politischen Erfolge kommen. Ob das auch im Sinne des großen Ganzen ist oder nur im Sinne der Parteiklientel, das werden wir dann sehen. Ich finde zum Beispiel: Wenn es der CSU gestattet wird, ein bildungspolitisch geradezu schädliches Instrument wie die Herdprämie … Verzeihung, das Elterngeld durchzusetzen, dann dürfen gestandene Facharbeiter meinetwegen auch gern mit 63 Jahren ohne Abzüge in Rente gehen, wenn sie 45 Jahre eingezahlt haben. Das hat etwas von Gerechtigkeit an sich. So läuft das politische Spiel. Zurück bleibt ein G’schmäckle, denn da hat ja so was stattgefunden wie „Gib du mir, dann geb ich dir“, aber Deutschland ist, so wird es immer mal wieder verlautbart, ein reiches Land und wird sich das wohl leisten können.

Die Sache ist nun also gegessen. Wir werden vier Jahre lang große Koalition haben, und wir werden aufpassen, was in diesen vier Jahren passiert. Ich bringe jetzt noch ein letztes Mal Leserbriefe, in denen die Gründe aufgezählt werden, warum die Zustimmung der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag ja nun überhaupt nicht geht, weise ein letztes Mal darauf hin, dass dieses Mitgliedervotum eine basisdemokratische Entscheidung war, die man also nun wohl doch mal irgendwie akzeptieren muss, und sage zum krönenden Abschluss: Ihr da in Berlin – letztlich gilt jetzt dasselbe wie nach allen anderen Regierungsbildungen: Ihr müsst mich überzeugen. Sonst gibt’s auf den Deckel!

Joachim Brauner aus Heuchelheim:

„Die Basis der SPD hat abgestimmt und der großen Koalition mit angemessener kritischer Mehrheit zugestimmt. Nach der Wahl hatte ich im Leserbrief für eine Minderheitsregierung plädiert, was ich im Grunde immer noch für demokratiegerecht halte. Aber das ist Schnee von gestern, die Entwicklung war ebenfalls mit nachvollziehbaren Gründen anders, weshalb ich mit vielen Bedenken und eher mögliche Folgen für die SPD beachtend das Ja zur GroKo ankreuzte. Und nun?
Wohlwissend, dass ein Koalitionsvertrag nur eine Absichtserklärung, Willensbekundung, ein Minimalkonsens, ein Rahmen für politische Intentionen abgeben kann, steckt – wie bekannt – der „Teufel“ im Detail bei der Umsetzung. Erwartungen sollten also nicht zu hoch angesetzt sein. Damit werden die ersten 100 Tage zeigen müssen, was die Frauen und Männer im Regierungsamt und die Fraktionen an konkreter Arbeit leisten (können), um adäquat aktuell erforderliche und zukunftsträchtige Problemlösungen anzubieten: Trauen wir ihnen also zunächst mal positive Wirksamkeit zu.
Es gibt nämlich die nicht von der Hand zu weisende Befürchtung, dass die Akteure einer GroKo sich paralysieren, also politischer Stillstand und purer Aktionismus entsteht. Zudem ist auch damit zu rechnen, dass es hin und wieder im Regierungs- und Parlamentsalltag knirschen wird, weil eben manches im Koa-Vertrag recht vage ist und weil es doch drei Koalitionäre mit Eigenwillen sind. Doch das gehört zum politischen Geschäft und ist nicht gleich ein Weltuntergang.
Allerdings beginnt hier die Verantwortung der Presse als sogenannte „Vierte Gewalt“, die nicht auf jede personelle und inhaltliche Nichtigkeit springen muss, sondern die den Kern eines Konflikts im Pro und Kontra so darstellt, dass mögliche Lösungen als strittig und sinnvoll erkennbar sind. Und dies umso mehr, wenn die parlamentarische Opposition klein ist. Nur so kann man gewünschte Mündigkeit, Transparenz und Bereitschaft zur Beteiligung wecken.
Also geht es bei aller Skepsis darum, das politische Verhalten und Handeln der GroKo kritisch zu begleiten, auch bei politischen Inhalten als Bürger und/oder Parteimitglied mal Nein/mal Ja zu sagen. Wenn auch für SPD-Mitglieder die GroKo nur ein „Politikwechselchen“ bedeuten sollte, muss dieses doch das Potenzial eines (entgangenen) Politikwechsels für später er- und enthalten. So sei salopp gesagt: Dann regiert mal schön in Berlin!

Helmut Deckert aus Sinntal:

„Die ausführliche FR-Berichterstattung zu den anstehenden Planungen für die Ministerien in Berlin ist für jeden Steuerzahler ein Ärgernis. Dies gilt insbesondere für die Diskussionen um „neue Zuschnitte“ der Behörden. Entweder waren sie in der Vergangenheit falsch „gestrickt“ (um im Bild zu bleiben) oder die neue Aufgabenverteilung folgt – was gewiss so ist – reinen parteitaktischen Machtmanövern. Wenn man nur an die neuen Briefbögen, die neuen Ministerienschilder, den Umbau von Dienstzimmern und den Umzug von Mitarbeitern und so weiter denkt, ist das Fazit klar: Profilierung auf Kosten der Verschwendung von Steuergeldern.“

Heinz Abraham aus Kronberg:

„Rechnet man die Ja-Stimmen in Bezug auf die Wahlberechtigten um, ergeben sich rund 55 Prozent der SPD-Mitglieder, die aktiv für die Koalition stimmten. Neinstimmen und die 33 000 Ungültigen sowie die Wahlenthaltungen machen zusammen 45 Prozent aus. Von einem berauschenden Ergebnis kann nur ein Politiker sprechen, der der Meinung ist, dass aus Frust oder aus Uninteresse nicht wählende Mitglieder ohnehin nur Karteileichen seien, auch wenn sie brav Beiträge zahlen.
Dass die vielen Nichtmitglieder, welche SPD wählten, nicht abstimmen konnten, ist zwar unvermeidbar, aber würde sicherlich anders ausgehen, da die durch Parteibeschluss (leider erst für 2017) zulässige Koalition mit Grünen und Linkspartei dort viele Anhänger hatte.
Im Übrigen aber sind drei wichtige Forderungen der SPD nicht durchgesetzt worden, was den Wert der Koalitionsvereinbarungen ohnehin schmälert: Es gibt keinen uneingeschränkten Mindestlohn ab 2013; die Rente mit 63 ist – entgegen parteiischer Angaben von „Fachleuten“ – nur auf eine im Lauf der Jahre immer kleiner werdende Anzahl männlicher Arbeitnehmer begrenzt und zudem schon heute lediglich von kleinen Gruppen derselben erreichbar; die Gleichstellung der Kinderjahre bei der Sozialrente ist nicht erreicht, was im Grunde grundgesetzwidrig sein dürfte. Steuererhöhungen für hohe Einkommen oder Vermögen- und Erbschaftssteuer? Fehlanzeige. Von anderen wichtigen Forderungen nicht zu reden, die Wirtschaft, Finanzen und Sozialsysteme betreffen.
Die lautstark als „unabdingbar“ erklärten Gabriel-Verlautbarungen vor den Verhandlungen sind zusammengeschrumpft auf die Regierungsbeteiligung, sei es, was da komme. Es war eine Entscheidung des Weiter so und des „Was können wir denn gegen Muttchen Merkel ausrichten!?“.
Wenn nur nicht die Konjunktur kippt und der Arbeitsmarkt zusammenbricht: Dann und nur dann werden sie auch Steuererhöhungen beschließen, aber nur für „alle“, also nicht für die Reichen, die bisher außerhalb der solidarischen Gesellschaft stehen und sich dort weiter wohl fühlen können.“

Peter Boettel aus Göppingen:

„Karl Doemens zeichnet in seinem Leitartikel das optimistische Bild eines Sigmar Gabriel, der auf Augenhöhe mit der Kanzlerin die Energiewende meistern würde. Hierzu bedürfte es eines völlig anders formulierten Koalitionsvertrages als des nun unterzeichneten Papieres, das ein Großteil der Mitglieder der SPD in einer Abstimmung abgesegnet hat, ohne es vermutlich gelesen zu haben.
Die Realität wird in der Karikatur in der Frankfurter Rundschau vom 16.Dezember 2013 mit dem Titel „Weihnachtspoesie“ zutreffend mit den Worten “…Was drin steht, lässt mich ziemlich kalt: Absicht unter Vorbehalt …“ verdeutlicht. Denn alle Versuche der SPD-Ministerriege, auch nur ein Quäntchen der mageren Rosinen im Koalitionsvertrag, die von der Parteiführung als sozialdemokratische Handschrift verkauft wurden, umzusetzen, werden entweder nur halbherzig oder sogar widerwillig von den eigenen SPD-Ministern und Staatssekretären (z.B. Franz-Walter Steinmeier oder Jörg Asmussen, die ihre neoliberale Gesinnung stets aufs Neue bekennen) vertreten, oder von der Kanzlerin kraft Richtlinienkompetenz abgebügelt, oder von der Unionsmehrheit, insbesondere vom Veto des Finanzministers sowie Seehofers Hofhund Dobrindt auf den Tag X nach der Wahlperiode verschoben.
Vergleicht man die Rede von Gabriel anlässlich der Jubiläumsfeier am 23. Mai 2013 in Leipzig mit dieser Verfahrensweise im Rahmen des Mitgliederentscheids, muss die Frage erlaubt sein, wie biegsam ein Mensch sein kann. Man erinnere sich an seine Worte am Grab von Ottmar Schreiner: „Wir hätten öfter auf Ottmar hören sollen!“
Diese Aussage sollte, wenn schon nicht in der Vergangenheit beherzigt, dann zumindest in der Zukunft befolgt werden. Im Rahmen der Wanderausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Parteijubiläum wurde eine Aussage von Rudi Dutschke im Jahre 1968 zur ersten GroKo der Nachkriegszeit mit folgendem Inhalt veröffentlicht:
„Der Weg der SPD ist bisher bis heute eine ununterbrochene Wiederholung historischer Fehler (…) Wir hatten einen CDU-Staat, (…) einen Staat der Restauration. In dem Augenblick, wo der in Gefahr kommt, wird die SPD nicht Oppositionspartei, um die Massen zu mobilisieren und sie für den Sozialismus zu gewinnen, sondern steigt ein ins verrostete Geschäft der CDU.“
Dieser Satz bewahrheitet sich regelmäßig aufs Neue.
Welchen Erfolg bedeutet es für die Partei mit Persönlichkeiten wie August Bebel, Wilhelm Liebknecht oder Willy Brandt, wenn man sich auf der Grundlage eines zwar umfangreichen, aber aus Sprechblasen, Prüfvorhaben und wenig konkreten Aussagen bestehenden Papiers einer Regierungsbeteiligung rühmen darf, dafür aber einen erheblichen Mitgliederverlust und vor allem eine weitere deprimierende Wahlniederlage in vier Jahren hinnehmen muss, ohne dass andererseits mehr Steuergerechtigkeit, eine zukunftsfreundliche Umweltpolitik, eine gerechte Lastenverteilung bei den Strompreisen, eine Abkehr von der Abhängigkeit von den Lobbyisten und eine solidarische Unterstützung der südeuropäischen Länder geschaffen worden wären?
Inwieweit die wenigen positiven Forderungen aus diesem Koalitionsvertrag realisiert werden, wird in den kommenden Monaten ernsthaft zu prüfen sein.“

Heinz Kapp aus Neu-Isenburg

„Nein, diese große Koalition verspricht keinen Aufbruch für die Abgehängten und Schwachen der Gesellschaft. Leider! Es ist zum Verrücktwerden! Da statten die Wähler die CDU/CSU mit fast 50 Prozent der Stimmen aus, zuvor wurde der „Bayernkönig“ Seehofer trotz – oder noch schlimmer – wegen billiger Meinungsmache grandios wiedergewählt, und jetzt kommen diejenigen, die SPD und Grünen jämmerliche Prozente gegeben haben, und sind von dem, was die SPD im Koalitionsvertrag durchgesetzt hat, maßlos enttäuscht. Wieso denn von der SPD? Diese Enttäuschung sollte sich gegen die christdemokratischen Parteien richten, die eine Politik für die Schwachen nicht wollen und verhindern!
Und sie sollte so weit reichen, mit dem Wähler gram zu sein, bzw. erkennen lassen, dass die Wähler politisch zu wenig überzeugt wurden im Wahlkampf. Was haben die, die jetzt jammern und den Sozialdemokraten vorwerfen, sie setzten zu wenig ihrer Ziele um, denn für eine Mobilisierung gegen die Merkel-Politik getan?
Übrigens: Wenn die SPD es nicht schafft, deutlich zu machen, welche zum Teil geringen Fortschritte in Sachen Arbeitsrecht, Umwelt, Soziales, von ihr erreicht werden, aber auch wenn sie es nicht schafft – auch in Bereichen, wo sie sich nicht durchsetzt –, weiter zu ihren Zielen zu stehen, wird sie bei der Wahl in vier Jahren deutlich verlieren.“

Thomas Fix aus Frankfurt:

„Schon die Verteilung der Ressorts zeigt die Problematik der großen Koalition: Warum Nahles als Ministerin und nicht Wiesehügel, warum Maas und nicht Wiefelspütz, warum Hendricks und nicht Ernst von Weizsäcker, ein ausgewiesener Umweltexperte? Es fängt schon mit den falschen Leuten an!
Und mit den falschen Ministerien: Die SPD, eine eigentlich soziale Partei, hätte auch noch auf den Gesundheits- und Entwicklungshilfeministerien bestehen müssen, diese hätte man dann mit Professor Karl Lauterbach und Frau Heidemarie Wieczorek-Zeul besetzen können. Stattdessen hat man das Wirtschafts- und Außenressort, besetzt mit zwei Personen, die dafür denkbar ungeeignet scheinen. Und auch Gröhe scheint nicht der ausgewiesene Gesundheitspolitiker zu sein.
Wenn schon das Personal so wichtig ist, dann sollte man auch sorgfältig auswählen, aber nicht Leute einfach deswegen nehmen, um ihnen nach einigen Jahren der Parteiarbeit endlich einen Posten zu geben, sondern weil sie Ahnung davon haben. Die SPD jedenfalls, so scheint es, hat wohl keine Ahnung.“

Michael Maresch aus München:

„Die SPD hat mit der Agenda 2010 zu Lasten der kleinen Leute konservative Positionen bezogen. Angela Merkel hat sich diese Positionen mit einem gewissen Recht zu eigen gemacht.
Nachdem es der SPD nach den verlorenen Wahlen nie gelungen ist die „Schröder-Viererbande“ über Bord zu werfen und sich mutig auf ihre angestammten sozialen Wurzeln zurück zu besinnen, ist es nur folgerichtig, dass sie ihre alten falschen rechten, weil unsozialen, Einsichten mit einer richtigen echten rechten Kanzlerin versieht.
Für uns Bürger heißt das: Wir brauchen keine SPD mehr. Wir brauchen sie genauso wenig wie die FDP. Eher noch weniger.
Die FDP ist wenigstens mit fliegenden Fahnen untergegangen. Die SPD dagegen erscheint mir wie eine farblose Ansammlung von Jammerlappen. Ohne jeden Stolz. Und damit meine ich vor allem die Mitglieder, die Basis.
Von der SPD-Spitze rede ich nicht. Diese „Parteispitze“ verdient das stolze Prädikat „SPD“ nicht. Herbert Wehner würde erneut schnauben: „Genossen Arschlöcher, karrieregeile.““

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26 Kommentare zu “GroKo: Dann regiert mal schön dort in Berlin!

  1. Aus meiner Sicht kommt der Koalitionsvertrag und das was die Groko so von sich gegeben hat hier in den Leserbriefen zu schlecht weg. Auch der Vergleich von Bronski, der Rente mit 45 Beitragsjahren, mit dem Betreuungsgeld halte ich für einigermaßen daneben. Leute die 45 Jahre Beitrag bezahlt haben sollten für das System der Rentenversicherung genug geleistet haben um daraus einen Anspruch auf Rente ohne Abzüge herleiten zu können ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Man braucht ja nur das Gegenteil zu denken, nämlich das man erst Rente bekommt wenn man mindestens 45 Beitragsjahr nachweisen kann, um zu verstehen warum das so ist.
    Das die Wertigkeit von Kindern in der RV besser gestellt wird ist für das System gut und längst überfällig wobei die Wertigkeit von Kindern für den ganzen Staat gilt und deshalb aus Steuermitteln bezahlt werden sollte.
    Beim Thema Eurorettung hat die SPD nicht viel erreicht. Da sieht man halt wer die Wahl gewonnen hat. Warten wir halt ab bis die nächste Finanzkrise kommt.
    Beim Thema Energiewende bringt der Koalitionsvertrag auch nicht viel, um so mehr verspricht die personelle Besetzung Spannung. Das Gabriel diesen Posten übernommen hat sehe ich als positives Signal. Wenn er 2017 Kandidat werden will muss er beim Thema Energiewende liefern. Der erst Schritt ist mit den Personen die er sich als Staatsekretäre in sein Umfeld geholt hat getan.
    Also sollte man der Groko ihre Chance geben zu beweisen das sie D. ein Stück in die richtige Richtung bewegen kann.

  2. @Hans

    Also sollte man der Groko ihre Chance geben zu beweisen das sie D. ein Stück in die richtige Richtung bewegen kann.

    Da bin ich völlig dagegen! Wer einen Wahlk(r)ampf für Rot-Grün führt, ohne eine realistische Chance auf diese Koalition und gleichzeitig eine GroKo ausschließt und postwendend mit einer 80-Prozent-Regierung die Demokratie – besser: das, was von ihr übrig ist – schädigt, weil Opposition „Mist“ sei, hat keine Chance verdient.

    Was soll das sein: die richtige Richtung? So etwas gibt es nicht, weil die Interessenlage derer, die sich in dieser Gesellschaft Macht, Geld und Einfluss sichern, nicht unter einen Hut mit den Lohnabhängigen zu bringen ist. Außer man vertritt die Mainstreamthese der bürgerlichen Presse, nach der es den Kapitalisten gut gehen müsse, um größere Krümel für den Rest zu generieren. Diese Politik haben wir in den letzten Jahren unter unterschiedlichen Koalitionen als vermeintlich alternativlos kennengelernt. Dein Einvernehmen mit dem SPD-Vorsitzenden ist nichts anderes als die Greencard für das Weiterso.

  3. Wir können jetzt in zwei Parlamenten sehen, wie Demokratie bei uns funktioniert. Da einigt man sich um der Posten willen mit einem Gegner, mit dem einen nicht viel einigt. Die politischen Lösungen werden nicht wirklich im Plenum beraten, sondern innerhalb der Koalition ausgehandelt und dann durchgestimmt, weil man sich auf Seiten der Parteiführungen auf seine Abgeordneten, die in dieser Republik das eigentliche Stimmvieh sind, verlassen kann. Die Bezeichnung Hammelsprung für die entsprechende Art der Stimmabgabe ist da sehr treffend.

    Wir werden sehen, was sie auf die Art wirklich zustande kriegen. Aber die SPD soll nicht glauben, dass sie nur an den Koalitionsaussagen gemessen wird. Viele werden sie auch an dem messen, was man sich bei einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit hätte ausrechnen können, auch ohne Koalition, aus der Opposition heraus. Und vor dem Hintergrund bin ich dann gespannt, ob die SPD bei der nächsten Bundestagswahl noch über 20% liegt, und wie hoch die Wahlbeteiligung insgesamt sein wird. Lust auf Politik machen sie damit jedenfalls nicht.

  4. zu @ Rudi
    Diese Meinung ist in D. halt nicht Mehrheitsfähig. Fundamentalopposition ist ja so bequem und man weiß ja eh alles besser. Man muss sie sich nur leisten können. Das gilt leider für viele 1000 Menschen in D. nicht. Die sind für jede Verbesserung froh. Warum glauben sie erreicht die Linke die Leute nicht die sie eigentlich wählen sollten? Da sind bestimmt auch die Anderen schuld und ich beginne wieder von vorne.

  5. @hans #4

    Gibt es hier denn jemanden, der sich für Fundamentalopposition ausgesprochen hat? Ich habe Rudi nicht so verstanden. Die Alternative zur Regierungskoalition mit der CDU wäre eine mit der Linken und den Grünen gewesen, oder, wenn man sich vor dem Bruch dieses Wahlversprechens, dass es keine rot-rot-grüne Koalition geben würde, gescheut hätte, hätte man auch ohne Koalition eine rot-rot-grüne Opposition machen können, aus der heraus die Gesetze hätten formuliert werden können, nach denen Mutti hätte regieren müssen. Ja, ich gehe immer noch davon aus, dass Merkel es sich nicht hätte leisten können, eine unbedingte Tolerierungszusage abzulehnen. Das wäre alles andere gewesen als Fundamentalopposition, das wäre eine formende Politik gewesen, die wahrscheinlich deutlichere Früchte getragen hätte, als dieses Koalitionsgekungel. Das ist jetzt leider alles im Fahrradkettenkonjunktiv.

    Warum hat man sich eigentlich weniger gescheut, das Versprechen zu brechen, dass es keine große Koalition geben würde? Weil man sich Hoffnung macht, in Ministerien in einer angespannten schwarzroten Koalition mit ihrem spezifischen Druck sozialdemokratische Politik machen zu können? Sollten die wirklich so naiv sein? Oder doch nur, was ich eher annehme, postengeil? Weitreichende Politik kann nur im Parlament gemacht werden, aber das Parlament ist bei einer Regierung mit derartiger Mehrheit eine Alibiveranstaltung.

  6. zu @ Frank Wohlgemuth
    Eine CDU Minderheitsregierung hätte es nie gegeben sondern Neuwahlen. Diese hätten, nach meiner Meinung, mit einer schwarz gelben Regierung geendet, wenn die SPD versucht hätte diese Minderheitsregierung herbei zu führen. Mit den Linken im Bund, wenn man es noch nicht mal in Hessen sich traut? Sie haben ihre Position hier im Forum schon öfters da gelegt. Ich teile sie nicht besonders nach dem was sich in Hessen vor ein paar Jahren abgespielt hat.
    Jetzt zu dem was man erreicht hat. Die zuständigen Staatsekretäre für die Energiewende im Umwelt und Wirtschaftsministerium haben Namen die auch bei einer rot grünen Regierung stehen könnten. Was ich von diesen Leuten bisher gelesen habe lässt mich sagen das die wissen von was sie reden. Das konnte man von einigen ihrer Vorgänger nicht sagen. Im Bereich des Arbeitsmarktes wurde für Leiharbeiter einiges vereinbart was hoffentlich dazu führt das die Auswüchse etwas eingedämmt werden. Es wurde ein Mindestlohn und eine Rentenreform vereinbart. Das alles lässt mich die Sache erst einmal positiv sehen. Zumal die Alternative gewesen wäre das schwarz gelb so weiter macht, wenn es sein muss halt mit Hilfe der AfD (siehe Schill in Hamburg) Das die CDU so in sich demokratisch ist hat man ja in Hessen gerade gesehen . Die winken mit 100% alles durch was ein Vorsitzender vorschlägt.

  7. @ Hans #6
    „Es wurde ein Mindestlohn … vereinbart.“ (Hans)

    Das ist ein schönes Beispiel, das Sie da bringen. Seehofers Vorstoß am 22., dass er da jetzt Änderungswünsche zu dem Mindestlohn hat, der wann? verwirklicht werden soll, wird in der Öffentlichkeit abgewendet werden, wofür die SPD im Hintergrund etwas „zahlen“ muss, was nicht an die Öffentlichkeit kommt.

    Ein Streit darüber, was Merkel gemacht hätte, ist müßig, die Meinungen über diese Koalition sind ausgetauscht – warten wir mit der Bilanz bis zum Ende dieser Legislaturperiode.

  8. @ Hans

    „Eine CDU Minderheitsregierung hätte es nie gegeben sondern Neuwahlen. Diese hätten, nach meiner Meinung, mit einer schwarz gelben Regierung geendet, wenn die SPD versucht hätte diese Minderheitsregierung herbei zu führen.“

    So kann man sich auch eine Meinung bilden: Einfach Annahmen konstruieren (hätte, hätte…) und dann Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass man einer Partei hinterherlaufen kann, die mit einer unrealistischen Annahme, nämlich eine rot-grüne Koalition anzustreben, als Zentralthema Wahlkampf führte. Das Wahlergebnis wurde sogar von den Sozialdemokraten als Niederlage interpretiert – immerhin. Der Gang in die Opposition wäre im Sinne der Demokratie sinnvoller gewesen, als in eine Regierung einzutreten, die 80 Prozent der Abgeordneten stellt.

    Wenn eine Partei, gemessen an ihrer Zeit des Bestehens, innerhalb kürzester Zeit, nämlich seit den Hartz-Gesetzen, fast eine halbe Million Mitglieder verliert, müsste auch der treudoofste Genosse merken, dass er nur in einem Wahlverein Mitglied ist. Steinmeier, einer der Hartz-Architekten, hat sich nach den letzten beiden Niederlagen sofort, und zwar ohne demokratische Diskussion, die einen Entscheidungsprozess hätte einleiten können, den Fraktionsvorsitz unter den Nagel gerissen. Erst nachdem der Posten des mit Renommee verbunden Außenministers winkte, gab er das zuvor gesicherte Amt ab. Diese Partei hat mit ihrer Tradition nichts mehr zu tun.

  9. zu @ Rudi
    Könnten sie mir einen einzigen Grund nennen der Frau Merkel daran gehindert hätte genau so zu agieren wie ich es als „Annahme“ genannt habe. Mir fällt keiner ein. Das die SPD vor 10 Jahren Fehler gemacht hat müssen wir jetzt nicht wirklich diskutieren. Das sehe ich genau so. Allerdings hilft diese Einsicht im Moment nicht wirklich viel weiter. Ich denke das das Regierungshandeln in den nächste 4 Jahren auch hier im Forum kritisch begleitet wird und auch ich würde nicht viel darauf wetten das ich in 4 Jahren alles positiv sehen werde, aber einen Versuch ist das was die Groko zum Start angekündigt hat wert.

  10. @ hans #9
    Wahlen sind kein Wunschkonzert. Sie haben die Aufgabe, die Zusammensetzung des Parlamentes festzulegen und eine Regierungsbildung zu ermöglichen.

    Es ist nicht bindend, aber traditionsgemäß wird nach einer Wahl die größte Fraktion damit beauftragt eine Regierungsbildung zu versuchen. Mit einer bedingungslosen Duldung wäre jede Minderheitsregierung möglich, d.h. die Regierungsbildung wäre ohne Verhandlung bereits abgeschlossen. Ein Kanzlerkandidat, der für seine Wahl bereits über eine absolute Mehrheit verfügt und sich dieser Wahl nicht stellt, würde damit von seinem Wahlversprechen, die Regierung zu übernehmen, wenn er es kann, abrücken und wäre damit ein klares Ziel im nächsten Wahlkampf. Außerdem würde er durch diesen Akt den Auftrag zur Regierungsbildung automatisch an die zweitgrößte Fraktion übergeben, die sich in einer derartigen Ausnahmesituation und nachdem die größte Fraktion erklärt hat, nicht regieren zu wollen, ganz offizielle Gründe hätte, sich an keine zuvor gemachten Koalitionsaussagen zu halten.

    Das heißt, ein Rücktritt von Merkel aus dieser Position wäre eine offizielle Aufforderung zu einer rot-rot-grünen Regierung oder einer rotg-rünen mit roter Duldung.

    Jetzt kommt noch die rechtliche Seite: Neuwahlen gibt es bei uns nur nach einer Auflösung des Bundestages, für die der Präsident bestimmte Voraussetzungen braucht. Die hier zutreffende wäre, dass kein Kanzler gewählt werden kann. ….

    Da wurde mit Absicht eine ziemliche Hürde davorgesetzt, um einen starken Druck für eine Regierungsbildung auch für den Fall zu erzeugen, dass den gewählten Vertretern das Ergebnis nicht gefällt. So eine Wahl ist nämlich eine erhebliche Anstrengung für die Republik und Neuwahlen wegen Nichtgefallen schlagen sich nicht unbedingt positiv auf die Wahlfreudigkeit der Wähler nieder.

    Das ist der Hintergrund, vor dem ich davon ausgehe, dass Merkel eher in den sauren Apfel beißen würde, als sich vor dem Versuch einer Wahl zu drücken. Was sie allerdings machen könnte, wäre, ihrem Stimmvieh die leise Empfehlung zu geben, gegen sie zu stimmen. Aber soetwas dürfte nie rauskommen, ganz abgesehen davon, dass damit wieder der Auftrag an die zweitgrößte Fraktion erteilt würde (s.o.).

    Sicher sein kann man sich bei derartigen Planspielen natürlich nie. Aber ich halte ihre Sicherheit darin, dass Merkel die unbedingte Zusage, sie zu wählen, so einfach ablehnen könnte und würde, für eine Verkennung der Situation.

  11. zu @ Frank Wohlgemuth
    Wie Parteien es ihren Wählern gegenüber begründen sollen das man jemand zum Kanzler(in) wählt den aber ab dem Moment die Unterstützung verweigert ist dann auch wohl ihr Geheimnis. Das ist nämlich nicht zu erklären. Beim nächsten Haushalt stellt der Kanzler die Vertrauensfrage und die die ihn dulden schauen blöd aus. Entweder sie stimmen wieder zu, oder sie erzeugen Neuwahlen die sie aus dieser Position nicht gewinnen können. Es gibt nämlich keine linke Mehrheit weil es keine einheitliche Linke gibt.
    Das ist aber schon wieder alles Vergangenheit. Hier ist jetzt das Thema die Groko. Ich möchte ihnen mal von 2 Gesprächen berichten die ich die Tage hatte. Einmal sprach mich meine , mit nicht einer überreichlichen Witwenrente gesegnete , Mutter an ob sie für ihre 3 Kinder jetzt auch mehr Rente bekommt. Ich habe zu ihr gesagt das man erst einmal abwarten sollte was im Gesetz irgendwann steht. Als zweites hatte ich ein Telefongespräch mit einem ehemaligen Arbeitskollegen der leider vor einigen Monaten aus dem Arbeitslosengeld 1 herausgefallen ist, aber immer noch arbeitslos ist. Arbeitslos geworden ist er auf Grund einer Betriebsschließung nach einer Insolvenz. Zu ihm habe ich gesagt das er halt, egal für wie viel Geld, noch 2 Jahre arbeiten muss bis er die 45 Jahre voll hat. Die angekündigte Rentenreform wird ihm seinen Verlust zumindest finanziell ausgleichen im laufe der Zeit. Diese beiden Beispiele die für Millionen stehen sollten ihnen aufzeigen warum ich mit dem Koalitionsvertrag erst einmal einverstanden bin und warum die SPD ihn unterschreiben musste und mit den von ihnen beschriebenen Denkmodellen nie und nimmer eine Wahl gewonnen hätte. Die hätte man diesen Leuten unmöglich verkaufen können. Außerdem habe ich weiter oben schon geschrieben das man sich so etwas erst einmal leisten können muss.

  12. @hans #11
    Ich finde ihre Beispiele in der Sache nicht besonders überzeugend: Schön – da hat man ein Stückchen SPD-Aussage als Zusage erhalten. Wieviel davon gesetzlich übrig bleibt, wissen wir noch nicht. Was ich daran überhaupt nicht verstehe, ist, warum Sie gerade auf diesem Gebiet davon ausgehen, dass die SPD im Koalitionsklinch mit der CDU/CSU mehr herausholte, als bei einem Klinch zwischen CDU/CSU und SPD und Grünen und Linken im Plenum des Parlamentes herausgekommen wäre. Und das gilt für jede einzelne Frage, die im Koalitionspapier behandelt wurde.

    Außerdem ist ihre Sicht so einer „Veranstaltung“ viel zu statisch. Wenn ich einen Kanzler dulde, werde ich auch seinen Haushalt dulden, solange er keine Fehler darin macht, an denen ich ihn publizistisch aufhängen kann. Die Vertrauensfrage, die in der Mehrheitsregierung gerne dazu benutzt wird, die Regierungsfraktion(en) zu disziplinieren, ist bei einer Minderheitsregierung durchaus zweischneidig, weil sie bei negativem Ausgang nicht zwangsläufig zu Neuwahlen führt. Sie kann genauso wie Verweigerung einer Regierung trotz einses Duldugsangebotes (s.o) dazu führen, dass der Präsident den Bundestag dazu auffordert, eine andere Regierung zu suchen. Deshalb wird ein Regierungschef in einer Minderheitenregierung auch nicht einfach versuchen, sein Wahlprogramm abzuspulen, weil er weiß, dass er dabei nur auf die Schnauze fallen kann. Er wird von vornherein Kompromisse anbieten und versuchen, mit wechselnden Mehrheiten zu regieren. Das ist seine Chance, in der Regierung zu bleiben und dort zu punkten, und die Chance der Opposition, möglichst viel ihrer Vorstellung in Gesetzesform zu gießen. Und die Einigungen, die da stattfinden, haben aus der Sicht des „kleinen Bürgers“, für den Sie so verantwortungsvoll Ja zur Koalition gesagt haben, einen entscheidenden Vorteil: Sie befinden sich danach in Gesetzesform und werden wirksam und nicht in einer noch nicht wirklich verbindlichen Koalitionsvereinbarung (s.o. Seehofer).

    Zusammengefasst: Koalitionsvereinbarungen können nur den Gruppen Vorteile bringen, die in einer normalen Abstimmung nie bedacht würden – die FDP hat uns mit ihren Hoteliers da ein wunderschönes Beispiel gegeben. Im Plenum auch ohne Vereinbarungen mehrheitsfähige Positionen in ein Koalitionspapier zu schreiben, ist wahrscheinlich eine PR-Maßnahme und man sollte genau hinsehen, ob im Plenum nicht mehr möglich gewesen wäre. Mich überzeugt die Begründung ihres Jas nicht.

  13. zu @ Frank Wohlgemuth
    Das liegt vor allem an der unterschiedlichen Analyse dessen was anstatt möglich gewesen wäre. Ihren Traum von der Minderheitsregierung werde ich ihnen nicht nehmen können. Ich bin halt der Meinung das man dazu ein anderes Volk benötigen würde und Frau Merkel das auch so sieht. Deshalb können wir mit unseren Positionen nie zusammen kommen. Nach einem gescheitertem Haushalt wäre es wohl risikofrei gewesen für Frau Merkel in Neuwahlen zu gehen und unser Präsident ging da wohl ganz sicher mit. Deshalb bin ich erst einmal mit dem was vereinbart ist zufrieden und es ist ihr gutes Recht es nicht zu sein. Also werden wir die nächsten Jahre beobachten und möglicherweise auch hier kommentieren was daraus wird.

  14. Dieses verfluchte CDU-Weib Merkel macht genauso weiter wie bisher. Die ganze Republik ist nur noch ein kaputtes, marodes Provisorium. Die Rentner werden betrogen, Die Sparer werden bestohlen, das Gesundheitswesen ist kurz vor dem Zusammenbruch, Das Schul- und Hochschulwesen ist am Rande des Abgrundes. Weiter so! Welche Idioten haben diese Politversager- und Verbrecher schon wieder gewählt? Das wird ein Spaß geben mit der neuen Großen-Konkurs-Koalition. Rein in die Pleite mit dem €uro-Betrug!

  15. zu Frank Wohlgemuth allgemein

    Eine Wahl von Frau Merkel zur Kanzlerin bedingungslos zu unterstützen, mutet ein wenig märchenhaft an. Glauben Sie wirklich, Frau Merkel würde dieses Spielchen nicht durchschauen und das nicht bei der ersten besten Gelegenheit durchkreuzen?

    Diese Konstellation, von der Sie so überzeugt sind, würde die Regierung Merkel permanenten Erpressungsversuchen einer unberechenbaren Opposition ausliefern. Das würde sich Frau Merkel, unabhängig, ob man sie mag oder nicht, nicht auf Dauer bieten lassen. Mit einer Stimmenquote von nahezu 42% Wählerstimmen.

    Wäre die „Linke“ (Rot-Rot-Grün) von der Bedeutung ihres Programms und demzufolge von ihrem Sieg überzeugt gewesen, hätte sie schon vor der Wahl ein Wahlbündnis eingehen können, geknüpft an die verbindliche Aussage, eine gemeinsame Regierung bilden zu wollen. Samt gemeinsamem Wahlprogramm. Davon aber keine Spur. Also hat es nicht nur an Überzeugungskraft sondern auch an ehrlichem Willen gefehlt.

    Die neue Regierung befindet sich (wie auch die alte) im Spannungsfeld der beiden großen Parteien CDU/CSU und SPD, im Spannungsfeld von alten Bundesländern/neue Bundesländern, im Spannungsfeld Nord/Süd und zusätzlich im Spannungsfeld der komplizierten unübersichtlichen Europapolitik.

    Hinzu kommt noch die leidige Tatsache, den bevölkerungsreichsten Staat in der EU regieren zu müssen und einen Staat, der keinerlei Erfahrungen mit einer Minderheitsregierung hat. Die Wiedervereinigung, diese letzte Tsunamiwelle des 2. Weltkrieges, ist noch lange nicht bewältigt, die Sozialkassen tragen diese Erblast noch immer. All das zu ignorieren, wird der Problematik der vergangenen Wahl nicht gerecht.

    Die Groko hätte viele Möglichkeiten, sich als zeitgemäß zu präsentieren. Angefangen von von einer Steuervereinfachung, einer Neugestaltung der Rentenfinanzierung, um nur zwei Beispiele zu nennen. dann noch die „Energiewende“, ein besonders aktuelles Thema.

    Der Start der Groko mit Plünderung der Sozialkassen ist ein besonders abschreckendes Beispiel von Realitätsverweigerung. Mag sein, dass es linke Seelen befriedigen mag, dass ein Akademiker nicht mehr die 45 Beitragsjahre zum abschlagfreien Bezug der Rente zusammen bekommt, übersehen sollte man nicht, dass besagter Akadmiker heutzutage nicht mehr damit rechnen kann, ein sorgenfreies Arbeitsleben zu durchlaufen. Und was, wenn das Studium nicht klappt? Dann ist es aus mit einer angeblichen Karriere. Und zwar ohne Rentenansprüche in nennenswertem Umfang.
    Das Risiko wird glatt übersehen, ist aber vorhanden.

    Aber das ist nur eine Nebensächlichkeit im Geschehen der großen Politik. Auch wenn es das eigene Kind ist. Mit BAFÖG gefördert.

  16. zu @ runeB
    Bis ich zu den letzten Sätzen ihres Beitrags gekommen bin war ich der gleichen Meinung wie sie. Das was zur zum Thema Rente schreiben ist natürlich in sich völlig falsch. Eine Rentenversicherung egal ob gesetzlich oder privat ist nicht dazu da allgemeine Armutsrisiken aufzufangen. Wenn das geschehen soll ist das die Aufgabe des Steuerzahlers. Eine Rentenversicherung soll erbrachte Leistungen , für diese Versicherung, gerecht vergüten. Im Kern können das nur Beitragsleistungen sein, egal wer den Beitrag leistet, und ein Stück Gerechtigkeit ist auch zu sagen das man nicht mehr als 45 Jahre Beitrag leisten muss um einen Anspruch der nicht gekürzt wird zu erwerben. Wobei das ja auch mit der neuen Regelung nicht erreicht wird. Bei dem Thema Kinder geht es auch um eine Lebensleistung, die aber nicht nur der Rentenversicherung, auch wieder egal ob privat oder gesetzlich , zu gute kommt. Diese Lebensleistung ist vom Steuerzahler zu honorieren. Warum kommt denn niemand auf die Idee und fragt z.B. bei der Allianz an ob sie nicht ein bisschen Studenten unterstützen will? Bei der Wiedervereinigung hat man da schon riesige Fehler gemacht. Es gibt eigentlich keinen Grund die jetzt zu wiederholen. Übrigens habe ich genau das Gleiche meiner Tochter gesagt die letztes Jahr ihr Studium mit 27 allerdings erfolgreich beendet hat.

  17. @runeB #15
    „permanenten Erpressungsversuchen“

    Da frage ich mich doch, was da für ein Demokratieverständnis dahinter steckt, wenn man die Möglichkeit anderer Mehrheiten und den dadurch existierenden Zwang zum Kompromiss mit unbekanntem Ausgang als Erpressung bezeichnet. Da muss doch schon jede Koalitionsverhandlung, die, wie wir regelmäßig gezeigt bekommen, ja auch von den verschiedenen Mitspielern nicht wirklich als bindend empfunden wird, als das erpresserische Vorspiel innerhalb der Dauererpressung erscheinen, die wir Regierungskoalition nennen. Irgendwie scheinen Sie es als Majestätsbeleidigung zu empfinden, wenn eine Regierung keine feste Mehrheit hat.

    Ich mag das Merkel überhaupt nicht. Aber ich traue ihm offensichtlich erheblich mehr Politikfähigkeit zu als Sie. Natürlich besteht für eine Minderheitsregierung die Gefahr, dass die Gesetze von der Opposition gemacht würden – das wäre mein Grund, zu versuchen, Merkel in diese Regierung zu drängen. Im Gegensatz zu Ihnen würde sie aber mit Sicherheit auch ihre Chancen sehen und versuchen, sie wahrzunehmen – auch Minderheitsregierungen können durchaus glänzen, wenn sie es schaffen, mit wechselnden Mehrheiten zu regieren, und die Chancen dazu stünden bei diesen Mitspielern gar nicht schlecht. Und es wäre spannend zuzusehen, wie es ausgeht – das wäre nämlich weder in dem Sinne sicher, dass es bald Neuwahlen gäbe, noch wäre es beim Durchhalten sicher, wer am Ende gut aussehen würde. Nur – in der Hinsicht hat die Opposition wenig zu verlieren, ein Koalitionär neben Merkel aber auch nicht viel zu gewinnen.

    Mein ganz persönlicher Grund, mir so eine Regierung zu wünschen, läge aber nicht in dieser Spannung, sondern darin, dass der im Plenum öffentlich ausgetragene Streit um die Lösungen einen geringeren Einfluss der Lobby verspräche. Und schon deshalb wäre es mehr Demokratie. Und ich habe bei der SPD den leisen Verdacht, dass eine mögliche Verringerung der Landschaftspflege durch die Lobby, wenn diese an Einfluss verlöre, durchaus mit im Kalkül für diese Koalition steckte. Das ist auch ein Thema, in dem sich alle bedachten Parteien einig sind. Fast seit Beginn dieser Republik.

    Oder glauben Sie wirklich, dass der „Bimbes“ keine Rolle mehr spielt, seit Kohl (politisch) gestorben ist? Oder dass er dämlich offen an die bezahlt wird, die die Politik bestimmen? Da, wo durchregiert werden kann, fließt er direkt eher an die, die geräuschlos aus dem Weg gehen, damit durchregiert werden kann, wie man bei Rainer Candidus sehen konnte. Wir sehen deshalb meistens auf die falschen Leute.

  18. zu # 16 Hans
    Bei der Wiedervereinigung hat sich der Dicke aus Oggersheim gegen den Kleinen aus Rüsselsheim durchgesetzt. Die Rentenansprüche Ost müssten – soweit sie vor der Wiedervereinigungeg entstanden sind – aus Steuermitteln finanziert werden und nicht vorzugsweise von den Beitragszahlern West.
    Ich vermute, Sie haben den Stichpunkt „Neugestaltung der Rentenfinanzierung“ überlesen. Sonst wären Sie vermutlich nicht zu dem Schluss gelangt, was zum Thema Rente geschrieben sei, wäre völlig falsch.
    Spielen wir doch den Fall Ihrer Tochter durch. 27 jahre alt, Studium erfolgreich beendet + 45 Beitragsjahre macht 72 Jahre = Eintrittsalter in die abschlagfreie Rente. Die Frage ist nur, ob der Arbeitgeber bereit ist, einen Mitarbeiter(in) bis zur Vollendung des 72. Lebensjahres zu beschäftigen. Wo sich heute schon der Betriebsrat dagegen wehrt, jemanden über das 65. Lebensjahr hinaus zu beschäftigen.
    Die Demografie sieht recht düster aus, schon ab 2020 fehlen angeblich mehrere Milionen Arbeitnehmer in DE.
    Die Groko ist eine schicksalhafte Variante, ihr bisher erkennbarer Start lässt bezüglich der Ausbeutung der Sozialkassen nur Schlimmstes erwarten.
    Hoffentlich setzt sich das nicht weiter fort.
    Aber da bin ich – offen gestanden – sehr skeptisch.
    Hoffentlich irre ich mich.

    Wünsche allen Bloggern – unabhängig von deren politischen Einstellungen – einen guten Rutsch in neue Jahr.

  19. zu @ runeB
    Nach dem sich abzeichnenden Rentenrecht wird meine Tochter bis 67 arbeiten dürfen. Was auch auf Grund der fehlenden Beitragsjahre in der Jugend absolut in Ordnung ist.
    Auf die Millionen Fachkräfte die bis 2020 fehlen sollen bin ich mal gespannt. Prognosen sind immer ein Problem besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Zu den derzeitigen Fakten fällt mir nur ein das ich vor einigen Wochen gelesen habe das noch nie so wenige Ausbildungsverträge abgeschlossen worden sind wie dieses Jahr und das ich leider im Jahr 2013 hier im Rhein Main Gebiet viel zu viele Arbeitslose die über 50 Jahre alt sind kennen gelernt habe. Also Fachkräftemangel habe ich mir immer irgendwie anders vorgestellt. Vielleicht könnte ja Bronski mal hier veröffentlichen was so aus den früheren Rundschaumitarbeitern geworden ist nach dem die Beschäftigungsgesellschaft ausgelaufen ist. Gerne in Altersgruppen sortiert?

  20. zu # 19 Hans
    Ihre Tochter wird bis 67 arbeiten müssen, falls es bei dieser Regelung überhaupt bleibt. Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter.
    Prognosen sind stets mit großen Unsicherheiten behaftet. Glaubt man den Aussagen unserer Politiker, so werden aus Rumänien und Bulgarien viele gut ausgebildete Fachkräfte einwandern, die eventuelle Lücken schließen werden. Mal, abwarten, ob sich diese Vorhersage erfüllen wird.

    Die demografische Entwicklung lässt sich aufgrund vorliegender Daten relativ genau abschätzen, Abweichungen ergeben sich allenfalls durch Abwanderungen oder Zuwanderungen bzw. durch einen Anstieg der Geburtenraten.

    Was sich aber völlig einer Prognose entzieht, ist einerseits die politische Situation und andererseits die wirtschaftliche Entwicklung. Wie wird Deutschland politisch z.B. in zehn Jahren, also im Jahre 2024 dastehen, wie wird sich Europa, auch im Konzert mit den übrigen Kontinenten, bis dahin entwickelt haben und wie wird Deutschland sich wirtschaftlich präsentieren. Immer noch als robuste Industrienation oder wieder als kranker Mann Europas?

    Das Rentensystem wird sich nur dann auf Basis eines Umlagemodells aufrecht erhalten lassen, wenn erstens die Finanzierung auf alle Schultern, also nicht nur auf die Arbeitnehmer, sondern auch auf Selbstständige, Beamte, Abgeordnete etc., verlagert wird und der Rentenanspruch nach oben hin gedeckelt wird, aber das gesamte Einkommen der Beitragsberechnung zugrunde gelegt wird.
    Also auch ein Herr Ackermann hätte zahlen müssen, ohne dass seine Rentenansprüche über den Höchstsatz gestiegen wären.
    Dieses Modell wird nach meinem Kenntnisstand in der Schweiz praktiziert.

    Sollte das nicht der Fall sein, wird die Akzeptanz der zurzeit üblichen Rentenfinanzierung bei der jungen Generation schwinden. Die daraus resultierenden politischen Folgen könnte man sich mühelos ausrechnen. Die Gesellschaft würde gespalten in Beitragszahler, die eine enorme Last zu tragen haben, ohne dass ihnen eine angemessene Rente in Aussicht gestellt werden kann, und in Rentner.

    Sehr schwierig, wenn nicht gar völlig unmöglich erscheint eine wirtschaftliche Prognose. Momentan steht Deutschland recht gut da, was aber, wenn z.B. deutsche Automobile nicht mehr so stark nachgefragt werden wie zurzeit? Ewig werden die Märkte in China, Brasilien und Indien – um nur einige zu nennen – nicht expandieren. Automobile können auch andere Nationen bauen.

    Sollte die Wirtschaft im Jahre 2024 in Deutschland schwächeln, dann dürften auch Rentenkürzungen, um das Umlageverfahren zu retten, kein Tabu mehr sein. Zurzeit haben es die Griechen, Portugiesen und Letten bereits vorgemacht.

    Allerdings bin ich skeptisch, ob sich unsere Groko dazu aufrafft, das Rentensystem zu reformieren und die Sozialsysteme etwas wetterfester als bisher zu machen.
    Der jüngste Griff in die Sozialkassen zur Finanzierung von Wahlgeschenken hat ja den Beweis erbracht, dass alles beim Alten, d.h. Verlagerung der Kosten auf nachfolgende Generationen, geblieben ist.

    Und das stimmt mich sehr nachdenklich.

    Von der Europapolitik erwarte ich ebenfalls nichts Gutes. Da wird es weiterhin darum gehen, dass andere Staaten ihre finanziellen Probleme Richtung Deutschland verschieben wollen.
    Die EZB unter Draghi ist da schon erfolgreich tätig geworden … und hat mit stillschweigender Zustimmung von Frau Merkel ihr Mandat überdehnt. Draghi hat mit dem Ankauf von Staatsanleihen den Südstaaten (und auch Deutschland) niedrige Zinsen verschafft und somit den Anreiz die Staatshaushalte zu sanieren, deutlich verringert.
    Die Euro-Krise ist noch lange nicht ausgestanden. Auch wenn Herr Schäuble den gegenteiligen Eindruck vermitteln will.

  21. zu # 17 Frank Wohlgemuth
    Kurz geantwortet. Frau Merkel würde eine Steuerung ihrer Minderheitsregierung durch die Opposition irgendwann als permanente Erpressung empfinden und sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien versuchen.
    Welch ein Bild gibt eine Regierung ab, die sich die Gesetzgebung von der Opposition vorschreiben lässt. Sicherlich kein gutes. Übrigens wären unsere europäischen Nachbarn über eine derartige Instabilität – gerade in der jetzigen Situation, in der sich Europa leider befindet – „not amused“
    Es sei an die Blockadepolitik eines Herrn Lafontaine erinnert, seinerzeit ausgetragen über den Bundesrat.

    Ich empfinde es nicht – wie von Ihnen formuliert – als „Majestätsbeleidigung“, wenn eine Regierung keine feste Mehrheit hat. Nur sollte nicht außer acht gelassen werden, dass in Deutschland keine Erfahrungen mit Minderheitsregierungen vorhanden sind.
    Natürlich können Sie argumentieren, es wäre nun an der Zeit entsprechende Erfahrungen zu sammeln. Unsere Parteien haben sich jedoch anders entschieden. Das ist außerhalb meines Einflusses geschehen.
    Persönlich stehe ich der Groko sehr skeptisch gegenüber, weil die Übermacht der Mandate so erdrückend ist, dass man nur mit dem kleinsten politischen gemeinsamen Nenner regieren wird und dabei permanent schon auf die nächste Wahl schielt. Das ist meine persönliche Vermutung.

    Zuletzt sei mir noch eine Frage gestattet:
    Weshalb sollte Frau Merkel sich mit 42% Wählerstimmen (knapp an der absoluten Mehrheit vorbeigeschrammt) auf eine Minderheitsregierung einlassen?
    Den Grund müssten Sie mir noch nennen. Mehr Demokratie wäre sicherlich möglich, aber nicht gewollt. Siehe Volksentscheide auf Bundesebene.

  22. zu @ runeB
    Warum schreiben sie dauernd vom umlagefinanziertem System. Das kapitalgedeckte System hat die gleichen Probleme. Zur vorhersagbaren Demografie. Diese hat die Schwäche das man nicht weiß wie hoch die Erwerbsquote ist. Wenn derzeit von ca 80 Millionen gut 20 Millionen arbeiten würde ich nicht auf einen Mangel von Arbeitskräften wetten. Der kann nur entstehen wenn weiter zu wenig ausgebildet wird, weil man hofft aus dem Ausland sich billiger mit Fachkräften versorgen zu können.

  23. zu # 22 Hans
    Das umlagefinanzierte System ist das für die Allgemeinheit wichtigere.
    Wie das kapitalgedeckte System sich entwickeln wird, dürfte in erster Linie von Europas Entwicklung politisch und wirtschaftlich abhängen. Die Probleme liegen da etwas anders. Sollten nämlich die deutschen Versicherer stärker auf Aktien setzen dürfen als bislang, könnte das den kapitalgedeckten Verträgen u. U. zugute kommen. Englische Versicherungsunternehmen investieren erheblich stärker in Aktien als deutsche Versicherer.
    Dass die Zinsen ewig unten bleiben werden, halte ich eher für unwahrscheinlich. Sollten die Geldgeber nämlich auf die nicht ganz abwegige Idee kommen, ihr Kapital nicht mehr in europäischen Staatsanleihen zu investieren, dann setzt sich der Zinszug unbarmherzig in Bewegung.
    Wie gesagt, die Euro-Krise ist nicht ausgestanden. Die EZB hat mit ihrer gewagten Politik lediglich Zeit gekauft, die man – meiner Meinung nach – bislang ungenutzt verstreichen lässt.

  24. @ RuneB #21
    „Weshalb sollte Frau Merkel sich mit 42% Wählerstimmen (knapp an der absoluten Mehrheit vorbeigeschrammt) auf eine Minderheitsregierung einlassen?
    Den Grund müssten Sie mir noch nennen.“ (runeB)

    Eine wirklich sehr originelle Frage, zu der ich mich in diesem Thread bisher nur in den Beiträgen 10, 12 und 17 geäußert habe, wobei 17 der Beitrag war, auf den Sie in 21 geantwortet haben. Ich habe mich dabei auch nicht darauf beschränkt, zu begründen, warum es schwierig wäre, abzulehnen, sondern auch darauf hingewiesen, dass eine Minderheitsregierung genauso wie eine Mehrheitsregierung durchaus auch dazu beitragen kann, die Ausgangssituation für die nächste Wahl zu verbessern, wie das z.B. Ernst Albrecht 1976 in Niedersachsen vorgemacht hat, der dann bis 1990 im Amt war.

    Aber wenn ich mal vom Wahltaktischen absehe: Auch eine Minderheitsregierung ist durchaus geeignet, den Problemen der Gegenwart zu begegnen. Ganz abgesehen davon, dass die Stellung eines Ministers in seinem Ministerium nicht davon abhängt, ob seine Regierung eine Mehrheit hat, ob er überhaupt in einer Partei ist, sollte es, ein gewisses Niveau der Mehrheit der Abgeordneten vorausgesetzt, immer möglich sein, eine Mehrheit für ein vernünftiges Gesetz auch über Fraktionsgrenzen zu bekommen. Wir hatten in letzter Zeit genügend Beispiele hierfür, sogar bei einer Mehrheitsregierung. Man kann, wenn besondere Gefühle damit bedient werden, sogar fraktionsübergreifende Mehrheiten für ein religiös begründetes Schwachsinnsgesetz wie das Buben-darf-man-verstümmeln-Gesetz bekommen. Man kann eine Minderheitsregierung also auch einfach annehmen, um das zu tun, was getan werden muss, so aus Verantwortung für diesen Staat und so. Man kann sie deshalb auch einfach annehmen, weil man sie sich zutraut – siehe Albrecht. Selbstvertrauen ist übrigens auch aus dem Ausland betrachtet nicht ehrenrührig.

    Ich halte diese Erpressungsgeschichte genauso wie den angeblich schlechten Eindruck einer Minderheitsregierung von außen für Schutzreaktionen, um sich nicht von „bewährten“ Denkschemata trennen zu müssen. Sie halten keiner kritischen Betrachtung stand.

  25. zu 24 # Frank Wohlgemuth

    Ihre vorab gegebenen Antworten auf meine Frage haben mich nicht überzeugt. Deshalb habe ich meine Frage gestellt.

    Ich schätze Frau Merkel als sehr machtbewusst ein. Sie will regieren und dafür ist sie auch bereit, Kompromisse einzugehen. Sie ordnet ihrem Machterhalt vieles unter. Siehe die konzeptionslose Energiewende, Zuschnitt der Ministerien und die Sozialdemokratisierung der CDU, um nur einige Beispiele zu nennen.

    Zum schlichten Durchregieren ist halt ein dicker Koalitionsvertrag eine sichere Grundlage und macht das Regieren leichter als in einer Minderheitsregierung. Das dürfte die Sicht von Frau Merkel gewesen sein. Und letztlich wollte die SPD an der Regierung beteiligt sein.
    Das Regieren auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner ist doch viel bequemer, als sich bedingungslos zur Kanzlerin wählen zu lassen, aber dann jedes Gesetzesvorhaben mit der Opposition und eigenen Abweichlern ausfeilschen zu müssen.

    Wenn die von Ihnen bevorzugte Variante der „bedingungslosen Unterstützung bei der Wahl zur Kanzlerin“ als wirklich tragfähig angesehen worden wäre, dann stellt sich mir die Frage, weshalb hat die Opposition in ihrer Gesamtheit nicht diese Option genutzt? Sie hätte doch diese Möglichkeit gehabt.

    Den Vergleich mit Albrecht in Niedersachsen (nicht gerade ein Schwergewicht unter den Bundesländern) – übertragen auf eine Bundesregierung – halte ich für recht gewagt. Eine Landesregierung in einer vergleichsweisen ruhigen Zeit vor der deutschen Einheit als Muster für die Bundesregierung in dieser (zumindest in der Europa-Politik turbulenten) Zeit zu nehmen, heißt wohl eine Heidelbeere mit einer Melone zu vergleichen. Und das bei allem Respekt vor der Heidelbeere.
    Die von Ihnen beanstandeten „bewährten Denkschemata“ sind nicht von mir erfunden worden (für derart bedeutsam halte ich mich wirklich nicht), sondern praktizierte Politik.
    Diese Politik ist wahrscheinlich auch der Unmündigkeit vieler Abgeordneter, in der sie von ihren Parteioberen gehalten werden (Stichworte: Listenplatz, Fraktionszwang), geschuldet.

    Wie schon ausgeführt, mir gefällt die Groko wegen ihrer erdrückenden Mehrheit gar nicht. Weil es zu befürchten ist, dass keines der dringenden Probleme in Angriff genommen, geschweige denn gelöst werden wird.

    Über das Beschneidungsgesetz, war ich gelinde gesagt, fassungslos und entsetzt. Wenn das als Muster einer parteiübergreifenden Gesetzgebung sein soll, ist das eher abermals ein Beweis der Unmündigkeit der Abgeordneten.

  26. Um die Groko(a)z mal von einer anderen Seite zu beleuchten:

    “Über das Beschneidungsgesetz, war ich gelinde gesagt, fassungslos und entsetzt. Wenn das als Muster einer parteiübergreifenden Gesetzgebung sein soll, ist das eher abermals ein Beweis der Unmündigkeit der Abgeordneten.” (runeB)

    Das war ein überzeugendes Beispiel, aber nicht das gewünschte Muster. Die Unmündigkeit, die sie erwähnen, bezeht sich auch hier nicht unbedingt auf die Partei, eher auf die Parteispitze und die Kirche – leider scheinen die parteienübergreifend verbandelt.

    Im Fementhread habe ich bereits einmal darauf aufmerksam gemacht:
    http://www.frblog.de/femen/#comment-44179
    „… das stärkste Problem: Religion und Kirche sind in unseren Parteien und damit beim Gesetzgeber gewaltig überrepräsentiert. Sie zeigen einen geschickten Umgang mit unseren demokratischen Möglichkeiten und, dass sowohl Parteimitglieder als auch Wähler dumm genug sind, das so mit sich machen zu lassen. …“
    Ein dazu passender Artikel erschien gerade bei humanistischen Pressedienst ( http://hpd.de/node/17524 ). Wir haben gerade die erste Regierung ohne konfessionslose Mitglieder und katholisch.de schwärmt „Alle Mitglieder geben öffentlich ihre Religion an – und mehrere sind in ihrer jeweiligen Konfession besonders engagiert.“ Die mit ca. 33% knapp stärkste Gruppe der konfessionell ungebundenen ist in diesem Kabinett überhaupt nicht vertreten.

    Wem der Artikel zu langweilig ist, der kann die Highlights als Beschriftung in einem Bild unseres neuen Kabinetts lesen:
    http://giordanobrunostiftung.files.wordpress.com/2013/12/kabinett.jpg

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