Die deutsche Politik bleibt schlafmützig und kleinlaut gegenüber der Türkei

Im Norden Syriens bahnt sich eine Katastrophe an. US-Präsident Donald Trump hält die Islamisten vom „Islamischen Staat“ für besiegt. Also braucht er die mit den USA verbündeten Kurden nicht mehr, die wesentlich für Stabilität in der Region sorgen. Sie waren die wichtigsten Verbündeten der USA im Kampf gegen den IS. Jetzt haben sie ihre Arbeit getan und können gehen. Und so wird Platz frei für die Expansionsgelüste des türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdoğan, der seit Wochen Truppen an der Grenze zu Syrien zusammenzieht. Er sieht in den Kurden von der YPG nichts anderes als Terroristen, analog zur PKK. Seinerseits hatte er allerdings keine Probleme damit, mit dem IS zu paktieren, um Syrien zu destabilisieren. Die Verzweiflung der Kurden ist so groß, dass sie sogar Schutz beim syrischen Despoten Assad suchen. Der hat Truppen in die Stadt Manbidsch verlegen lassen, welcher im heraufziehenden Krieg eine Schlüsselrolle zukommen wird.

Die Folgen von Trumps Entscheidung sind noch nicht abzusehen. Gewiss werden nun rasch türkische, syrische, russische und iranische Truppen in das Machtvakuum vorstoßen, das die USA mit ihrem Rückzug hinterlassen. Das könnte dazu führen, dass der Iran, geostrategisch gesehen, unmittelbar an Israels Grenzen heranrückt. Dem werden die Israelis gewiss nicht tatenlos zusehen. Iran ist Israels Erzfeind – und umgekehrt. Der Rückzug der USA hat also das Potenzial, den Krieg im Nahen Osten weiter zu eskalieren, indem außer der Türkei auch Israel eingreift. Die israelische Armee ist eine der bestgerüsteten der Welt. Und leiden wird – wieder einmal – vor allem die Zivilbevölkerung.

Dazu ein Gastbeitrag von Heinz Markert aus Frankfurt. Dieser Leserbrief erschien in gekürzter Form auch im Print-Leserforum der FR.

Die deutsche Politik bleibt schlafmützig und kleinlaut gegenüber der Türkei

Von Heinz Markert

.

„Auf dem Weg in die Auflösung“, titelte die FR am 28.12.2016 zum Nahen Osten. Die Türkei unter Erdoğan dreht auch an dieser Höllenschraube, wenn dieser sich, neuen Raub planend, im Norden Syriens bedienen will. Die Völkergemeinschaft und speziell Europa müssen ihm das Handwerk durchkreuzen, ihn in Schranken weisen, denn sonst hat die Auflösung auch für Europa Folgen. Schlechtes Vorbild macht Schule. Was er vorhat, tut er nicht für ‚sein Land‘, sondern aus Eigennutz. Er will seine autoritäre präsidiale Alleinherrschaft verewigen,er kann nicht loslassen. Er möchte sich gottgleich machen. Dürfen wir unsere Welt von einem irrlichternden, egozentrischen Despoten in Unordnung versetzen lassen? Die Berliner Regierung hält sich kleinlaut, wie sie es im April 2018 schon anlässlich der völkerrechtwidrigen Okkupation von Afrin tat. Das war die Probe aufs Exempel.

Eine Welt in Not. Global sammeln sich männliche Gewaltförmige, Macker, Machos und Großtöner im Amt, um eine menschlich verfasste Weltgesellschaft zu erledigen, eskortiert von rechter Mordlust, die Gewalt, Totschlag und insgeheim den Raub probt. Kriegsverbrecher, Menschheitszerstörer verbinden sich zum eigenen Vorteil. Am Heiligen Abend wird verlautet, dass Erdoğan vorhat, in Syrien einzufallen, um sich an syrisch-kurdischem Gebiet zu vergreifen. Einfach so. Und nur, weil er als Präsident aller Türken gescheitert ist. Er braucht den Krieg, um sich als Kriegsherr zu erhöhen, während er andere verleumdet, indem er ihnen Negatives nachsagt. Mit Hilfe dieses Mechanismus organisierten Männer schon immer Krieg. Unsere Regierung lässt sich nur zaghaft vernehmen, anstatt zu protestieren und tätig zu werden.

Erdoğan will sich zum osmanischen Großmufti aufbauen, versetzt damit dem Nahen Osten einen neuen Schlag. Eine wissenschaftsfeindliche, islamistische Gesellschaft hat er in der Mache, treibt das eigene Volk in die Emigration, der Brain-Drain ist im Gang. Seine Gewaltpolitik wendet sich mittelfristig auch gegen Europa. Das Irrlicht vom Bosporus traf sich mit dem Irren der USA, beide sprachen sich ab. Und die deutsche Politik bleibt schlafmützig. Europa erscheint von der Rolle. Männlich ist der Kult des Krieges mit Zerstörung, Raub, Folter, Mord und Totschlag. Es formt sich ein Bund der Menschenverachtung und Umweltzerstörung um den Erdball. Gänzlich albern ist, dass der Erratische vom Bosporus immer gleich beleidigt ist, wenn er Kritik vernimmt. Welch eine armselige Natur. Die autoritäre Familienvatercharaktermasche hat Europa längst verabschiedet, bis auf Restbestände im rechtskatholischen und orthodoxen Osten, wo Andersdenkende, Journalist*innen und die erfrischenden Pussy Riot leiden müssen. Im Westen ist die Freiheit höchstes Gut, im Nahen und asiatischen Osten ist sie durch die Herrscher verhasst. Eine Schande der Menschheit ist Saudi-Arabien mit autoritären Vormündern, die freie Meinungsäußerung mit 1000 Peitschenhieben sanktionieren.

Die syrischen YPG sind zurzeit der einzige vernünftige Stamm im Nahen Osten. Sie bilden eine aufgeklärte Gegenmacht, sind mit Religion und Aggression nicht aufgeladen wie Chauvinisten, Nationalisten und Strenggläubige im Umkreis. Sie sichern ihr angestammtes Gebiet. Kurden haben Jesid*innen und Christ*innen Entsatz geleistet, soweit diese noch nicht gemeuchelt waren. Peschmerga haben Kobane vom IS befreit. So wie die nüchternen Kurden sich nach allen Seiten hin verteidigen müssen, werden wir es dereinst vielleicht auch müssen, wenn die, die bis oben hin angefüllt sind mit politischen Fehlern, Schwächen und Abgründen, durch Unruhestiftung ablenken wollen, weil sie politisch gescheitert sind. Mutige Frauen des Nahen Ostens könnten eine neue Politik für einen in den Wahnsinn versinkenden Weltteil organisieren.

Verwandte Themen

3 Kommentare zu “Die deutsche Politik bleibt schlafmützig und kleinlaut gegenüber der Türkei

  1. „Die deutsche Politik bleibt schlafmützig und kleinlaut gegenüber der Türkei“. So ist es leider in der Tat.

    Würde Putin, den ich damit nicht verteidigen will, sich all diese Schw… gegenüber Nachbarländern leisten, würden die Sanktionen bis zum St. Nimmerleinstag verhängt. Aber gegenüber diesem widerlichen Despoten kriechen die deutschen Politiker zu Boden, laden ihn zu Staatsempfängen mit Bankett etc. ein, liefern ihm Waffen und Geld, als wäre nie etwas geschehen:
    – als würden nicht immer wieder aufs Neue Unschuldige, darunter gerade Deutsche, verhaftet,
    – Staatsbedienstete entlassen,
    – Pressefreiheit weiter eingeschränkt,
    – dazu auch unser Land aufs Übelste beschimpft,

    aber unsere Regierung scheint dies alles nicht zu stören. Sind dieese Leute von ihm abhängig, oder halten sie ihn gar für ein höheres Wesen, dem man Huldigung und Ehrfurcht schuldet?

  2. # Peter Boettel
    Deutschland hat sich selbst erpressbar gemacht.
    Wer hält uns denn die arabischen Flüchtlinge vom Leib und kassiert dafür Milliarden?
    Wir waren nicht in der Lage eine gute Lösung des Flüchtlingsproblems zu schaffen. Also schön artig sein und die Türken machen lassen.

  3. @ G.Krause:

    1. Satz: ja, auf jeden Fall
    2. Satz: die Türkei kassiert zwar die Milliarden, aber das Flüchtlingsproblem ist nicht gelöst, es ertrinken ständig Tausende im Mittelmeer, in Griechenland müssen sie in erbärmlichen Lagern leiden
    3. Satz: so ist es leider

Kommentarfunktion geschlossen