Zwei Leser waren nicht eins mit dem FR-Leitartikel „Mutlose Manager“ von Christine Skowronowski. (Ich persönlich pflichte ihr bei, aber ich glaube nicht, dass China so unverwundbar ist, wie es tut.) Skowronowski schreibt, dass die deutsche Wirtschaft in einer Zwickmühle stecke, weil sie einerseits nicht über die Menschenrechts- und Chinapolitik des Landes hinweggehen wolle. Andererseits wuerden sie durch einen Boykott selbst betroffen sein, da viele selbst in China produzierten oder Joint-Ventures mit chinesischen Firmen eingegangen seien.
Sie ist der Meinung:
„China hat einen Riesenvorteil. Es ist der Wachstumsmarkt im Augenblick und wird es in den nächsten Jahren wohl auch bleiben. Das Geschäft mit dem asiatischen Aufsteigerland dient vielen Unternehmen als Ausgleich für eine abgeschwächte Nachfrage in anderen Regionen.“
Im englischsprachigen Economist habe ich kürzlich gelesen, wenn Chinas Umweltzerstörung weiter so schnell zunimmt, werden die Kosten in Form versiegender Resourcen – und sauberes Wasser, ein intaktes Öko-System und die Gesundheit der Menschen zählen die Ökonomen schon längst dazu – bald den Gewinn durch das Wirtschaftswachstum auffressen. Deshalb wolle die chinesische Regierung das Wachstum bremsen und habe gerade erst ein Umweltministerium aus dem Boden gestampft. Ist nicht der rote Riese vielleicht im Moment viel fragiler als er gerne erscheinen möchte? Und wäre das plus dem Druck wegen Tibet nicht gerade ein guter Zeitpunkt für Unternehmer im eigenen Interesse Forderungen in Richtung Nachhaltigkeit zu stellen und die eigene Wertschöpfungskette zu bereinigen? (So viel zum Stichwort „ökologischer Schrott“, siehe unten).
Skowronowski schreibt weiter:
„Deutsche Manager müssen sich einmischen und endlich mehr soziale Verantwortung zeigen. Das sollten sie nicht nur in Appellen, sondern auch aktiv tun.“
Bingo. Stimmt doch, oder?
FR-Leser Sigurd Schmitt aus Bad Homburg schreibt:
„Leider muss Christine Skowronowski widersprochen werden. Manager haben n i c h t die Aufgabe, sich in internationale Streitfragen einzumischen, es sei denn, dass es um im engeren Sinne wirtschaftliche und rechtliche Sachverhalte geht. Natürlich können sich Manager – gewissermaßen als Privatpersonen – zu Menschenrechtsfragen gegenüber ihren ausländischen Handelspartnern äußern, aber eben nicht in Ausübung ihrer Funktion als für den Gewinn ihrer Unternehmen Verantwortliche. Es ist ja schon keineswegs unumstritten, ob Manager ausschließlich dem shareholder-value Prinzip zu dienen haben (also nur den Aktionären Rechenschaft schuldig) oder auch stake-holder Verpflichtungen , z.Bsp. gegenüber Kommunen, dem Fiskus, der Kultur und der Gesellschaft insgesamt wahrzunehmen haben. Unsere hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaften weisen nun einmal den einzelnen Akteuren spezifische Verantwortungsfelder zu. Das Verhältnis zu China gehört aber doch wohl eindeutig in die Verantwortung der Politik! Wir akzeptieren ja auch in der Regel nicht, dass sich zum Beispiel die Kirchen unmittelbar in die Politik einmischen, es sei denn, dass es sich, wie bei der Embryonenforschung, um eminent sittlich-ethische Grundprobleme handelt.“
FR-Leser Oskar Voigt aus Frankfurt schreibt:
„Das machen sie aber bewusst nicht, weil eine demokratische Entwicklung in diesen Ländern den Menschen dort zu sehr die Augen öffnen würde und die fragwürdigen Produkte unserer Unternehmer ins rechte Licht rücken könnte. So dass in besagten Ländern schnell deutlich würde, wie vieles, was (unsere) Unternehmer herstellen, ökologisch Schrott wert ist.“
China hat riesige Außenhandelsüberschüsse, ist also ebenfalls stark vom Export abhängig. Wären sich die westlichen Industriestaaten einig, könnte China wegen dieser Abhängigkeit wenig ausrichten. Angst haben müssen wir bloß, weil es, sobald es ums Geschäft geht, schon von jeher keine Solidarität gibt. Jeder ist sich selbst der Nächste. Oder anders ausgedrückt: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. (Bert Brecht)
Verlagern wir doch mal das Problem vom Makro- in den Mikrokosmos. Nehmen wir an, mein Nachbar verkloppt seine Frau. Alle Fälle die Polizei und die Gerichte einzuschalten verliefen negativ, ich weiß aber durch ihre Berichte und weil ich es hören kann, dass er nicht mit den Misshandlungen aufhört.
Jetzt könnte ich dem Typ, weil er gerne liest, meine sämtlichen nicht mehr von mir benötigten Bücher verkaufen und zudem könnte ich seine Hilfe als Installateur gebrauchen, da versteht er was von. Zudem bin ich knapp bei Kasse und muss die Familie und die Kinder versorgen, bin also auf Kohle und billige “Nachbarschaftshilfe“ angewiesen. Und er will die Literatur unbedingt, die braucht er für seine wissensdurstige arme Verwandtschaft.
Was tun ? Frau und Kinder weigern sich diesen Typen ins Haus zu lassen und meinen, sie redeten kein Wort mehr mit mir, wenn ich dem A…. Bücher verticken würde.
Tja, da helfen doch nur Verhandlungen mit der Vorgabe: Einstellung der Misshandlungen gegen Geschäfte mit ihm. Alle wären zufrieden.
Man muss es nur versuchen, aber die Wirtschaftsmanager haben noch zu wenig “Ehefrauen und Kinder“ die nicht mehr mit ihnen reden würden. Wir sollten uns in diese verwandeln und Firmen und Politiker boykottieren, die weiterhin mit menschenrechtsverachtenden Staaten Geschäfte machen. Und dazu gehört nicht nur China, auch Onkel Sam schlägt seine Kinder……
Der Kommentar von Frau Skowronowski ist genauso zahnlos, wie der Raubtierkapitalismus, der sowohl von den chinesischen und den deutschen, als auch aller anderen Rudelangehörigen praktiziert wird, umgekehrt reziprok bissig ist.
Liest man Frau Skowronowskis zweiten Artikel „Die Wirtschaft bittet um Vorsicht“ (FR vom 20.04.2008) so wird dort durch wohlgesetzte Worte erklärbar, warum Frau Skowronowski in ihrem FR-Kommentar nur Krokodilstränen weint und keine Vorschläge macht, was es denn heißen soll, wenn Sie schreibt: „Deutsche Manager müssen sich einmischen und endlich mehr soziale Verantwortung zeigen. Das sollten sie nicht nur in Appellen, sondern auch aktiv tun. Alles andere sind verantwortungslose Worthülsen.“ Die davor im Text geäußerten Hoffnungen, „Mit ihnen (= „nicht linientreuen chinesischen Unternehmern“, die Skowronowski nicht einmal an Beispielen benennnen kann!!!; U.T.) ins Gespräch zu kommen, sie in ihrer vielleicht (sic) sogar kritischen Haltung zu bestärken, wäre eine Möglichkeit, den Dialog zu suchen“ sind ideologisches Wortgeklingel. Glaubt Skowronowski wirklich, dass eine – was immer das wieder heißen sollte – „marktwirtschaftliche“ Meinung eines Privatkapitalisten, als „kritische Haltung“ gegenüber den Staatskapitalisten Chinas bezeichnet werden könnte? In welcher Weise sollte soetwas die chinesischen Verhältnisse ändern, die bei einem Lohnniveau, das den europäischen Kapitalisten sehnsüchtiges Stöhnen entlocken muss, wenn die chinesische Wirtschaft zudem in 2008 den deutschen „Exportweltmeister“ (Titel 2007) auf den zweiten Rang verweisen wird? – Schließlich von einem Land, in dem die Ärmen zwar keine Steuern zahlen müssen, vom Staat aber auch keinerlei Leistungen zu erwarten haben, als einem kommunistischen zu sprechen, bloß weil er sich so nennt, ist allenfalls ideologisch erklärbar: Wenn der Kapitalismus in China beißt, dann verantworten dies systematisch die dortigen „kommunistischen“ Politiker in der Staatsführung, bei uns sind das höchstens Auswüchse bei einzelnen „raffgierigen Privatunternehmern“, von denen Skowronowski auch noch verlangt, sie sollen ihren chinesischen Pedants ins Gewissen reden. – So pflegt man den Beelzebub mit dem Teufel auszutreiben.
FR, Du warst schon mal besser!
„Können und sollen Manager sich einmischen?“ Was für eine Frage! Manager mischen sich immer ein, wenn ihre Interessen und die ihres Unternehmens berührt sind. Alle größeren Unternehmen haben ihre Lobbyisten in Berlin, in Brüssel oder sonstwo stationiert, sogar schon innerhalb der Administrationen, um Gesetze mitzuschreiben.
Russland und China haben eine enorme Fläche und verfügen daher über ein riesiges Potenzial an Rohstoffen, im Gegensatz etwa zu Deutschland. Da ist doch zwingend, dass diese Staaten, die jeweils ein kapitalistisches System in Reinkultur vorbereiten, nur dadurch geschwächt werden können, indem Teilstaatsgebiete herausgebrochen werden. Stichwort Tibet. Mit derart kleinen und schwachen staatlichen Einheiten fiele es den westlichen Kapitalisten leichter, durch bilaterale Verträge, neue Rohstoffreserven zu erschließen.
Inzwischen darf doch als gesichert gelten, wäre die Übernahme eines großen chinesischen Unternehmens durch ein dt. Konsortium im Bereich des Möglichen, dass der wiedergeborene Führer der Tibeter vor der Tür der Bundeskanzlerin zu warten hätte, bis das Geschäft abgeschlossen ist. Wahrscheinlich würde er gar keinen Zugang mehr finden, wenn chinesische Rohstofflieferungen in Aussicht gestellt werden würden.
Die in der FR aufgestellte Forderung Skowronowskis, deutsche Manager müssten sich einmischen und endlich mehr soziale Verantwortung zeigen, wenn es um China gehe, ist der Vorstellung einer Betschwester gleich, die in der Kirchenbank kniend in Richtung Himmel fleht, Gott möge die Welt retten.
„Sollen Manager sich einmischen?“
Eine seltsame Frage. Sie impliziert, daß moralische Ziele nur vermittels wirtschaftlicher Macht durchgesetzt werden können.
Geschäfte machen doch anständige Menschen mit ebenso anständigen Menschen, oder irre ich mich da?
Eine verkehrte Welt!