In Lörrach gab es einen sehr seltenen Fall von Amoklauf, dessen Hintergründe schwer aufzuklären sein werden. Die Tat wurde von einer Frau begangen – allermeistens sind Amokläufer männlich -, die Juristin war gebildet und intergriert und damit keine Außenseiterin. Allerdings war ihre Situation wohl angespannt bis verzweifelt: Ihre Kanzlei lief schlecht, sie lebte von Mann und Sohn getrennt und wird in der Nachbetrachtung als „psychisch angespannt“ bezeichnet. Es gibt keine Hinweise auf eine psychische Erkrankung. Die Frau erschoss den Mann mit einer Sportwaffe, schlug ihren Sohn nieder, erstickte ihn mit einer Plastiktüte – das hat inzwischen die Obduktion ergeben -, schoss dann in der Gynäkologie der Lörracher Klinik um sich, wo sie vor sechs Jahren in der 16. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erlitten hatte, und tötete einen 57-jährigen Krankenpfleger mit drei Schüssen. Die Polizei tötete die Amokläuferin mit 17 Schüssen.

Die Tat ist unfassbar. Was muss im Kopf dieser Frau vorgegangen sein? Die Amokläufe von Winnenden und Erfurt folgten immerhin insofern noch einer gewissen Logik, als man unterstellen konnte, dass der Täter sich an der Umgebung rächen wollte, die ihn ausgegrenzt hatte. Aber eine Mutter, die ihren eigenen Sohn erstickt? Liegt die Logik hier darin, dass sie niemand anderem das Sorgerecht überlassen wollte, wenn sie selbst es nicht haben konnte?

Und natürlich gibt es jetzt wieder eine Diskussion um Waffenbesitz in Deutschland. Grünen-Chefin Claudia Roth fordert eine Verbannung von Sportwaffen, doch 12 von 100 Deutschen besitzen Waffen und bilden damit eine mächtige Wählergruppe, vor der die Koalition zurückschrecken dürfte. Kurz vor der Amoktat brachte die FR das im „Thema des Tages“ – mit einem Interview mit Cem Özdemir, der überall Bremser am Werk sieht, sogar bei den Linken. Mit diesem Interview geht Oliver Weiss aus Fürth ins Gericht:

„Die von Herrn Özdemir gemachten Aussagen und aufgestellten Forderungen sind nicht nur sachlich falsch, sie sind auch dazu geeignet in einer populistischen Weise Ressentiments gegen legale Waffenbesitzer in Deutschland zu schüren. Das von Herrn Özdemir geforderte Verbot von Waffen in Privathaushalten ist nicht praktikabel. Diese Forderung zeigt deutlich, dass Herrn Özdemirs Wissen um Waffen, Gesetzeslage und deliktischer Relevanz von keinerlei Sachkenntnis getrübt ist.
Eine zentrale Aufbewahrung von Waffen z.B. in Schützenvereinen oder Depots von Hegeringen bergen neue und größere Gefahren als die derzeitige individuelle dezentrale Aufbewahrung in normierten Waffentresoren, wie sie schon lange Zeit Pflicht sind. Zentrale Waffenlager müssten streng geschützt werden. Wenn in diesen Lagern ein Überfall stattfände, könnten mit einem Schlag tausende von Waffen erbeutet werden. Es müsste also mit einem enormen Aufwand an Personal und Technik für Schutz gesorgt werden und das ist praktisch nicht leistbar.
Insofern zielt die Forderung Özdemirs auf etwas ganz anderes ab, denn er weiß um diese Faktenlage sehr genau. Es geht den Grünen hier in erster Linie um ein totales Waffenverbot nach dem negativen Vorbild Großbritanniens. Die Auswirkungen vor allem auf die Waffenkriminalität sind bekannt. Schusswaffendelikte, vor allem Raubüberfälle und Einbrüche mit schwerster Körperverletzung stiegen dramatisch an. Groß Britannien wurde von einer Welle illegaler Waffen geradezu überflutet. Davon abgesehen wäre ein Totalverbot grundgesetzwidrig, da es das Recht auf freie Entfaltung und auf privaten Besitz unverhältnismäßig einschränkt.
Denn man darf angesichts aller Trauer und Betroffenheit über die grausamen Ereignisse in Erfurt oder Winnenden zwei Dinge nicht vergessen:
1. Der Anteil legaler Schusswaffen an Tötungsdelikten beträgt nur 0,0003 % und
2. es sind immer die Menschen, die töten. Die Waffe selber ist ein lebloser Gegenstand.
Özdemir führt weiter aus, dass die „vorgeschriebenen Kontrollen“ kaum stattfänden. Richtigerweise hätte er dazu ergänzen müssen, dass die vom Gesetzgeber in aller Eile zusammengeschusterte gesetzliche Grundlage derzeit für solche Kontrollen mehr als fragwürdig ist und sich die Behörden bei der Umsetzung auf sehr dünnes Eis begeben. Es ist in diesem Zusammenhang auch zu erwähnen, dass zu diesem Gesetz eine Rechtsverfassungsbeschwerde anhängig ist, da die geltende Regelung einen klaren Verstoß gegen Artikel 13 GG darstellt.
Die von Özdemir „bei Stichproben“ genannten „ein Drittel bis zur Hälfte“ gefundenen Fälle von Beanstandungen sind schlichtweg falsch. Richtig ist vielmehr, dass flächendeckend alle Besitzer legaler Waffen schriftlich zum Nachweis der sicheren Aufbewahrung aufgefordert wurden. Bei denen, die sich nicht äußerten wurde nachgefasst und erst bei denen, die sich auch daraufhin nicht meldeten und einen Nachweis erbrachten, wurde kontrolliert. Lediglich bei dieser Personengruppe wurden Aufbewahrungsverstöße in der genannten Größenordnung festgestellt. Ein wichtiger Umstand dabei ist jedoch: es handelte sich hierbei nur und ausschließlich um Erben und Altbesitzer von Waffen, die weder Munition noch eine Erwerbsberechtigung für Munition besitzen. Also typischerweise die „nette Omi von nebenan“, die noch Opas Karabiner im Schrank hatte und weder Winnenden, Erfurt oder Herrn Özdemir kennt.
Nach der Auffassung von Herrn Özdemir sei es dann außerdem noch „nach wie vor zu leicht, an einen Waffenschein und an Schusswaffen zu gelangen.“. Mit dieser Aussage bestätigt er seine Unbedarftheit, welche ich eingangs vermutete mit amtlichem Siegel. Es ist in Deutschland mitnichten so, dass ein Bürger/Bürgerin einen Waffenschein bekommt. Dieser berechtigt zum verdeckten Führen einer Waffe, also zum Tragen einer feuerbereiten Schusswaffe in der Öffentlichkeit. Jäger und Sportschützen, sowie Sammler, Sachverständige oder Büchsenmacher erhalten i.d.R. lediglich sog. Waffenbesitzkarten in unterschiedlicher Ausprägung. Diese berechtigen nur zum nicht zugriffsbereiten Transport zwischen z.B. Wohnort und Schießstand/Revier. Munition und Waffe müssen dabei getrennt und verschlossen (i.S.v. abgeschlossen) transportiert werden. Die Möglichkeit eine Waffe zu besitzen haben nach dem geltenden Recht nur Menschen, die aus diesen Tätigkeiten abgeleitete Bedürfnisse nachweisen können. Als da wären:
1. Sportschützen, 18 Jahre, einwandfreies Führungszeugnis ohne jegliche Vorstrafen, mindestens 1-jährige Vereins- UND Verbandszugehörigkeit mit mind. Nachweis von 18 Trainingseinheiten in 12 Monaten, Nachweise der bestandenen Sachkundeprüfung, Nachweis von Teilnahme an Wettkämpfen, nur Waffen nach den geltenden vom Bundesverwaltungsamt genehmigten Sportordnungen in Bezug auf die Art der Waffe (Feuermodus, Lauflänge, Munitionsart, Geschoßart usw.) und in der Quantität nach Waffengesetz (Grundkontingent), unter 25 Jahren ist für Waffen über Kaliber .22lfb ein MPU-Gutachten erforderlich. Die genannten Anforderungen werden regelmäßig (mind. alle 36 Monate) überprüft; kleinste Verstöße wie Verkehrsdelikte nach StVO, Steuerdelikte, Straftaten wie Körperverletzungen, Trunkenheit usw. führen zum sofortigen Verlust des waffenrechtlichen Bedürfnisses.
2. Jäger können nach bestandener Jagdausbildung und Prüfung (Durchfallquote rund 85%, Kosten ca. 3-5.000 EUR) einen Jahresjagdschein erwerben, mit der alle Arten von jagdlichen Langwaffen erworben werden dürfen. Hierbei ist die Magazinkapazität jedoch auf 2 Schuss begrenzt. Kurzwaffen als Fangschussgeber dürfen nur 2 Stück erworben werden. Die sonstigen Anforderungen entsprechen dem des Sportschützen (Waffensachkunde) und ebenso der Verlust des Bedürfnisses bei kleinsten Verstößen.
3. Sammeltätigkeit und/oder Arbeit als Waffensachverständiger dürften die schwierigste Art sein, legal Waffen zu besitzen. Hier ist ein umfangreiches wissenschaftliches Gutachten erforderlich, welches genau
definiert und die zu erwerbenden Waffen auf das Sachgebiet einschränkt. Sachkunde und Unbescholtenheit sind obligatorisch und gleichlautend.
Wenn uns Herr Özdemir also weismachen will, dass es in Deutschland „einfach ist“ an Waffen zu kommen, so meint er damit sicherlich illegale Schusswaffen. Und für eben diese hat weder er noch seine Partei ein Rezept genannt. Dem bleibt nur hinzuzufügen, dass seit Winnenden in Deutschland rund 289 Menschen ermordet wurden, 34 von Ihnen mit illegalen Schusswaffen binnen Jahresfrist.
Die Ausführungen des grünen Parteivorsitzenden sind also nicht mehr und nicht weniger als billiger Populismus in einer Zeit, in der die Politik auf die brennenden Fragen der Gesellschaft keine Antworten weiß.“

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8 Kommentare zu “0,0003 Prozent

  1. Der von den Grünen vorgeschlagene Maßnahmenkatalog ist weder von Fachkenntnis getrübt noch irgendwie glaubwürdig. Deren Modell würde, entgegen allen Behauptungen die Zahl der in D. im Umlauf befindlichen Waffen um maximal 1/3, wohl eher nur um 1/4, reduzieren können, wenn wie in UK, alle gemeldeten Kurzwaffen eingezogen würden. Über 10 Jahre nach Dunblane hat sich auch die „britische Lösung“ als untauglich erwiesen, nach wenigen Jahren der Stagnation
    steigt die Zahl der SW-Delikte wieder an, trotz Totalverbot….

    Auffällig ist dabei aber das es, möglicherweise inselbedingt, einmal eine Zunahme des Waffenschmuggels mit professionellen SW gibt, und dann quasi die „Hartz IV-Lösungen“ in Form selbstgabauter Schrotflinten, Bündelpistolen etc; dazu gibt es soagr schon etwas Fachliteratur denn mit dieser gefährlichen Entwicklung hatte niemand gerechnet. Und natürlich wird eine solche Billiglösung von Straftätern mit Geldmangel verstärkt aufgegriffen.

    Wie problematisch eine verantwortungsgerechte Zentrallagerung ist habe ich in meiner Militärzeit gesehen, auch so „weggekommen ist“ trotzdem an sich jeder Schuss und jede Hgr. nach dem Mehraugenprinzip abgerechnet wurde!

    Zudem darf man immer den Vorschlagenden einer Maßnahme fragen wie denn der dadurch behauptete Sicherheitsgewinn quantifiziert und ggf. überprüft werden kann.

    Betrachte man nun die Tat in Lörrach, so drängt sich der Verdacht auf das hier auf politischer Ebene wieder nur Stimmenfang betrieben wird und niemand eingestehen kann das es für solche Gewalttaten keine Verhinderungsmöglichkeit gibt.

    Ntürlich hat Herr Özdemir in einem Punkt Recht, in einem Industrieland an gefährliche, als Waffe geeignete Gegenstände zu kommen ist erschreckend leicht.

    MfG Karl Müller

  2. „Die Polizei tötete die Amokläuferin mit 17 Schüssen.“

    Da haben die Gesetzeshüter ja ordentlich in die Frau reingeballert! Ob da noch von „Gefahrenabwehr“ die Rede sein kann? Ach so – „Putativnotwehr“. So eine vorsorgliche Hinrichtung ist natürlich was anderes.

    Das Problem ist wohl nicht die Waffe, sondern die Mentalität, die hinter ihrem Gebrauch steht.

  3. Sehr geehrter Schnippsel,

    es ist kein Geheimnis das sich seit WN die Polizeitaktik bei Amok-Lagen geändert hat. Nun wird schon versucht mit Kräften die zuerst am TO sind den Täter handlungsunfähig zu machen. Das läuft eingeden der vorhandenen Einsatzmittel i.d.R. auf Schusswaffengebrach hinaus.
    Dazu wird, und so wird es auch zutreffend gelehrt, der Täter solange beschossen bis dieser handlungsunfähig geworden ist. Und zwar nach Beobachtung durch die Einsatzkräfte und nicht nachher vom „grünen Tisch“!

    Waffeneinsatz ist, da haben Sie Recht, immer eine Mentalitäts- und Ausbildungsfrage, eine weitere Limitierung stellt die begrenzte Wirksamkeit der Einsatzmittel des Streifendienstes dar.

    MfG Karl Müller

  4. Ich stimme den Argumenten, die Cem Özdemir vorbringt, vollkommen zu.
    Abgesehen davon: Diese taten sind nicht logisch. Gerade bezogen auf die Amoktäter der Schulen. Es muss noch nicht mal sein, dass die Betreffenden tatsächlich schlecht behandelt wurden oder von den Mitschülern ausgegrenzt wurden. Es reicht aus, dass sie sich selbst so wahrnehmen. Deshalb ist es ja so schwer, im vornherein eine Prognose zu stellen.

  5. Sehr geehrte Maat,

    die Herr Ö. ist leider nicht in der Position sich fachlich qualifiziert zum Problem zu äußern. Seine Einlassungen die als Gefährdungsanalyse verpackt daherkommen sind letzlich verantwortungslos. Und demaskieren auch Ihn als Person die sich nicht zu schade ist auch noch Tote für ihre politischen Spiele zu instrumentalisieren.

    Auch läßt er uns völlig im Unklaren dass seine Forderungen weder mit rechtsstaatlichen Mitteln durchzusetzten sind
    noch läßt er erkennen wie er den behaupteten Sicherheitsgewinn nachzuweisen gedenkt.
    Was er so, wohl auch mies gebrieft, in die Diskussion geworfen hat ist auch schon lange geprüft und verworfen worden.

    Zudem bietet die Fallanalyse der bisher untersuchten Amok-Lagen in der Bundesrepublik nur wenig Hoffnung derart determinierte Täter von ihrem Vorhaben abzubringen. Es wird von diesen offenbar langfristig Informationssammlung und eigentliche Tatvorbereitung betrieben. Spontanes Handeln tritt so nicht hervor.

    Auch zeigen die mitgeführten Tatmittel auf, dass jeweils eine Kombination von Einzelmitteln in einer Art Choreografie zur Wirkung kommen sollte. Primärer Hinderungsgrund ist die bisher! mangelnde technische Kompetenz der Täter sowie deren vorzeitiges Ableben. Meist umfasst die Fülle der Tatmittel Unkonventionelle Spreng-& Brand – Vorrichtungen sowie SW.

    In Littleton bzw. Emstetten wurden größere Opferzahlen nur vermieden weil Sprengkörper nicht detonierten. Amerikanische Schätzungen gehen dabei (nach Rekonstruktionsversuchen) von 200-300 zusätzlichen Opfern aus. In Fall Emstetten führte der Täter sogar mehr USBV-Kampfmittel mit als er bei einmaligem Transport hat tragen können.
    Im Lörrach-Fall war die versuchte Gebäudezerstörung nur aufgrund mangelder Fachkenntis nicht erfolgreich.
    Anhand der aufgezeigten Ansätze möchte ich vor vermeintlich wohlfeilen „Patentlösungen“ die keine sind warnen; es handelt sich lediglich um einen grausemen Selbstbetrug.

    Bei der Prognoseproblematik ist Ihnen vorbehaltlos zuzustimmen. Menschen mit entsprechendem Potenzial scheinen für ihre Lagebeurteilung mit gefühlter Ablehnung auszukommen. Zudem, dafür spricht ja auch die extrem lange Anlaufphase, scheinen positive Ereignisse die eigentlich einen gegenteiligen Effekt haben sollten, garnicht anzukommen.
    Bedauerlicherweise wurden bei den bisherigen forensischen Untersuchungen neurochemische Problematiken eher vernachlässigt so dass dazu wenig gesicherte Erkenntnisse vorliegen.

    Die Frage nach brauchbaren Erkennungsmustern ähnelt der Suche nach terroristischen Schläfern und bisher gibt es keine befriedigende Antwort. Die einzigehalbwegs Wirksamen Maßnahmen sind leider reaktiver Natur in Form zweckmäßiger Pol.-Reaktionen; präventiv ist das noch sehr mangelhaft.

    MfG Karl Müller

  6. Wieviele Opfer (Tote und Hinterbliebene) fordern „normale“ Morde, der Straßenverkehr, politische und rassistische Übergriffe, Drogen- und Alkoholmissbrauch? Nicht zu vergessen die 12.000 Menschen, die sich jedes Jahr in der BRD das Leben nehmen. Manche Amokläufe fallen übrigens auch in letztere Kategorie als sog. „suicide by cop“.

  7. Schon wieder ein Amoklauf, und wieder war die Person Mitglied in einem Sportschützenverein und hatte legal Schusswaffen im Hause. Es wird also allerhöchste Zeit, eine Verordnung oder ein Gesetz zu erlassen, das die Verantwortlichen verpflichtet, ihre Waffen in sicheren Tresoren des Vereinsheims aufzubewahren und nicht mit nach Hause zu nehmen, was durch strenge Ausgangskontrollen auf dem Vereinsgrundstück sichergestellt werden muss.

  8. Sehr geehrter Herr Eikel,

    der Vorschlag wurde schon vor langer Zeit von Schverständigen zurecht als unbrauchbar verworfen auch in direkter Folge auch von der IMK abgelehnt.

    MfG Karl Müller

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