Die Hoffnung darauf, dass die SPD vielleicht irgendwann doch noch mal anfangen könnte, eine linke Politik zu machen, diese Hoffnung ist älter als dieses Blog. So diskutierten wir zum Beispiel im Jahr 2009 zu diesem Thema. Die SPD hatte gerade krachend die Bundestagswahl verloren und war zur Opposition verdammt, Schwarz-Gelb stand in den Startlöchern. Damals warnte der Wahlverlierer Frank-Walter Steinmeier im FR-Interview vor einem Linksschwenk der Partei, der nur sinnvoll wäre, wenn man eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ernsthaft in Erwägung ziehen würde. Diese aber „will raus aus der Nato, sie ist gegen den Lissabon-Vertrag, sie ist blind für finanzpolitische Verantwortung“, so Steinmeier damals.
An den Positionen der Linkspartei hat sich seitdem wenig verändert. Trotzdem scheint SPD-Parteichef Sigmar Gabriel eines begriffen zu haben: Opposition ist zwar Mist, wie einst Franz Müntefering auf die ihm eigene Weise pointiert zusammenfasste. Aber große Koalition — ist die nicht auch Mist? Als Juniorpartner von CDU/CSU hat die SPD durchaus einige Punkte in ihrem Sinne durchsetzen können, aber das wird von den Menschen anscheinend nicht anerkannt, auch wenn eine aktuelle Umfrage von Infratest/dimap die SPD nun doch wieder bei 22 Prozent sieht. Mitregieren, so scheint es, schadet der guten alten SPD womöglich sogar.
Also startete Gabriel eine Sonde und deutete in einem Gastbeitrag für den „Spiegel“ an, dass er sich offenbar ein Linksbündnis vorstellen kann, nicht zuletzt als Antwort auf die radikale Rechte, die immer selbstbewusster wird. „In Europa müssen progressive Parteien und Bewegungen füreinander bündnisbereit und miteinander regierungsfähig sein. Das gilt auch für Deutschland“, schrieb Gabriel. Kurz darauf ruderte er zurück: So konkret, wie diese beiden knackigen Sätze verstanden wurden, will er es wohl nicht gemeint haben. Man wird aus diesem Mann nicht recht schlau. Hat er nun begriffen, dass die SPD, wenn sie jemals wieder Kanzlerpartei sein will, dringend an Profil gewinnen muss, oder hat er es nicht begriffen? Und wenn er es begriffen hat — hat er dann auch verstanden, dass das traditionelle Kernthema der SPD, ihr „Markenkern“, seit zwanzig Jahren mehr oder weniger unbeackert geblieben ist und dass es nur darauf wartet, dass sich jemand seiner annimmt?
Soziale Gerechtigkeit ist das wichtigste Zukunftsthema Deutschlands, einem Land, dessen Mittelschicht Abstiegsängste hegt und dessen Unterschicht keine Chancen für sozialen Aufstieg sieht. Zugleich reiben sich die Reichen die Hände: Sie sind reicher denn je, und niemand will ihnen ans Geld, das sie eigentlich zu viel haben. Die sozialen Schichten Deutschlands sind heute wieder so undurchlässig wie in den Siebzigerjahren, denn bei der bedeutendsten Ressource des Landes, nämlich Bildung, wird gespart, gespart, gespart. Bildung ist das Vehikel, mit dem sich sozialer Aufstieg bewerkstelligen ließe. Doch das scheint nicht gewollt, denn stattdessen hat Deutschland den größten Niedriglohnsektor Europas. Immer mehr Kinder wachsen in Armut auf, und auch unter Rentnern geht die Angst vor der Altersarmut um, während die Reichen, die doch so sehr von diesem Land profitieren, nicht der Breite ihrer Schultern entsprechend an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt werden. Das Ganze ist himmelschreiend ungerecht.
Aber die SPD kann sich der sozialen Gerechtigkeit nicht annehmen, weil das bedeuten würde, dass sie zugeben müsste, Fehler gemacht zu haben. Es war die Politik des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, welche die sozialen Gegensätze verschärft hat und die insofern auch zum aktuellen Erstarken der Rechten beigetragen hat. Eine Politik zum Wohl der Wirtschaft ist noch lange keine Politik im Sinne des Gemeinwohls, auch wenn sie hilfreich sein mag, um Deutschland international wettbewerbsfähig zu machen. Dies war Schröders Intention, die für sich genommen aller Ehren wert sein mag, die aber leider die soziale Spaltung Deutschlands billigend in Kauf nahm — und damit auch die Zunahme von Spannungen, wie sie jeder heutzutage am eigenen Leib spürt.
So bleibt als Antwort auf die Frage, warum Gabriel die Frage eines Linksbündnisses im Spiegel-Gastbeitrag überhaupt aufgeworfen hat, wohl nur eine Antwort übrig: taktische Spielchen. Gabriel versucht mit seinen Manövern, das Profil der SPD von dem der CDU/CSU abzugrenzen. Auch die Themen Europa und Sparpolitik nutzt er in dieser Weise. Ob damit eine echte inhaltliche Wende verbunden ist, lässt sich nicht erkennen. Der Verdacht liegt nahe, dass sich diese taktischen Spiele auf Marketing-Aspekte beschränken, denn um sich glaubhaft von der Schröder-Ära abzugrenzen, also um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, müsste die SPD ihre Schröder-Vergangenheit aufarbeiten. Das zöge personelle Konsequenzen nach sich. Und diesen Prozess, der grundlegend nötig wäre, kann die SPD schwerlich einleiten, während sie in der Regierung ist.
Also ist der SPD zu wünschen, dass sie 2017 in der Opposition landet. Die mag Mist sein, aber es ist ein Neuanfang nötig, ein Neuanfang ohne die Schröder-Zöpfe. Dort, in der Opposition, kann die SPD dann entscheiden, ob sie endlich das tun will, wofür sie einmal angetreten ist: für soziale Gerechtigkeit kämpfen. Das wäre heute so wichtig wie zu den Zeiten, als die SPD gegründet wurde. Die nächste Bundesregierung könnte demnach Schwarz-Grün oder Schwarz-Grün-Gelb werden. Das gäbe der SPD zahlreiche Möglichkeiten, sich zu profilieren — inhaltlich, mit Argumenten, nicht mit taktischen Manövern.
Manfred Kirsch aus Neuwied meint:
„Es wäre in der Tat zu wünschen, dass Sigmar Gabriel die bisher beim ihm noch zu registrierende Zaghaftigkeit überwinden und als Vorsitzender der SPD und mutmaßlicher Kanzlerkandidat deutliche Zeichen einer linken Orientierung der Partei setzen würde. Gerade im Hinblick auf Europa ist das natürlich etwas ganz anderes als etwa der im Schröder/Blair-Papier aus dem Jahre 1999 erkennbare Versuch, sich mit neoliberalen Thesen bei den Mächtigen im Kapitalismus anzubiedern und damit die Identität der sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien in Europa zu zerstören. Die von Stephan Hebel an Sigmar Gabriel gerichteten Ratschläge kann ich alle gleich mehrfach unterschreiben. Es kommt gerade in diesem Zeiten, in denen sich die europäische Rechte auf den Weg macht, nach der Macht zu greifen, darauf an, die Menschen mit einer glaubwürdigen und ehrlichen Forderung nach einem Europa des demokratischen Sozialismus und damit wirklicher Freiheit wieder für Europa zu begeistern. Gabriel sollte damit sofort anfangen und hierbei auch einen Konflikt in der Regierung der Großen Koalition, etwa bei TTIP, nicht nur nicht scheuen, sondern bewusst im Interesse der europäischen Idee, einkalkulieren. Die SPD könnte sich mit einem deutlichen linken Akzent auch wieder bei denjenigen in angenehme Erinnerung bringen, die der Partei in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt haben, weil sie „ihre SPD“ nicht mehr wiedererkannten. Lasst uns die konkrete Utopie eines demokratisch sozialistischen Europa im Interesse der Menschen neu beleben.“
Peter Bläsing aus Bonn:
„Das Impulspapier wird an der kapitalismusfreundlichen Politik der SPD nicht nur nichts ändern, sondern sie noch weiter verfestigen, stehen darin doch die Sätze:
„Je stärker die Wirtschaft, desto stabiler der Sozialstaat. Unternehmen müssen Geld verdienen, damit Arbeitsplätze sicher sind.“ (Seite 3, Punkt 6)
„Kaum jemand bezweifelt heute noch, dass für diese beeindruckende Entwicklung unseres Landes die von der SPD vor zehn Jahren in schwierigen Zeiten durchgeführten Reformen eine der wesentlichen Voraussetzungen waren.“ (Seite 8, 2. Abs.)
Selbst wenn es der SPD gelänge, sich an die Spitze einer Bewegung gegen Rassismus, Intoleranz und Menschenverachtung zu setzen, so sind das Kampfziele, die die Macht der Kapitalisten kaum in Gefahr bringen werden. Dazu habe ich an zu vielen Ostermärschen teilgenommen, um das noch glauben zu können. Der Papst – von Amts wegen zur Rettung der Welt verpflichtet – sagt dagegen klar und deutlich:
„Das Wirtschaftssystem sollte im Dienst des Menschen stehen. Aber wir haben das Geld in den Mittelpunkt gerückt, das Geld als Gott.“
Das gilt es zu ändern. Doch eine antikapitalistische Politik wird nach den Erfahrungen mit dem Realsozialismus in absehbarer Zeit nicht mehrheitsfähig sein, so dass der Papst, Herr Gabriel und wir alle wie bisher in der freien Marktwirtschaft das Heil suchen müssen. Das „Weiter so“ wird anhalten, nicht nur in der SPD.“
Die Linkspartei hat aufgrund des Brexit klare Forderungen für ein friedliches und demokratisches Europa formuliert, ebenso gibt es klare Forderungen des früheren SPD-MdB Albrecht Müller zu diesem Thema.
Wenn die SPD wieder auf die Füße kommen und nach 2017 Regierungsverantwortung tragen will, ohne nur Appendix von Merkel, Schäuble & Co. zu sein, sollte sie die Gelegenheit nutzen und sich so bald als möglich von der neoliberalen Politik, wie sie zurzeit in Deutschland und in der EU betrieben wird, verabschieden.
Dazu gehören eine Abkehr von der Austerität sowohl in Europa wie auch in Deutschland, eine strikte Ablehnung von TTIP, Ceta, Tisa und ähnlichem Quatsch sowie vor allem endlich eine gerechte Steuerpolitik mit Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer, wirksame Bekämpfung von Steuerflucht, eine Erbschaftssteuer, die auch diesen Namen verdient. Diese Liste lässt sich noch beliebig fortsetzen.
Wenn die SPD-Führung diese Probleme wie bisher nur in Sonntagsreden benennt, in der Praxis aber das Gegenteil tut, wird die AfD sie auch bei Wahlen auf Bundesebene überrennen und ihre Mitgliederzahl wird weiter nach unten sinken. Für den Fall einer Zustimmung zu Ceta steht die nächste Austrittswelle bevor, nur wollen Gabriel, Oppermann u.a. es leider nicht wahrhaben.
@ Peter Boettel
Ein gewählter Politiker kennt nur ein Ziel: wiedergewählt werden! Da das, was Sie vorschlagen, nicht mehrheitsfähig ist, wird sich keiner trauen, die von Ihnen benannten heißen Eisen anzufassen.
Es ist meiner Meinung nach auch nicht richtig, wenn Sie der SPD angesichts dieser Tatsache einen Richtungswechsel mit der Aussicht schmackhaft machen wollen, Regierungsverantwortung tragen zu können, „ohne nur Appendix von Merkel, Schäuble & Co zu sein.“ Nicht nur die SPD, sondern die gesamte Linke in ganz Europa muss begreifen, dass das Schielen nach der Macht und die damit zwangsläufig verbundenen Kompromisse letzten Endes keinen wirklichen Politikwechsel, also die Abkehr von der, wie Sie es nennen, „neoliberalen Politik“, bringen können. Die Linke muss trotz der schwerwiegenden Last, die der Realsozialismus hinterlassen hat, erst sich und dann ihre Wähler davon überzeugen, dass es zu einer Politik, die die Macht der Wirtschaft konsequent demokratischer Kontrolle unterwirft, keine Alternative gibt. Das wird sie auf eine lange Durststrecke ohne „Regierungsverantwortung“ schicken, aber es wird nötig sein, damit für den Fall, dass Zocker und Spekulanten die kapitalistische Wirtschaft wie 1929 und fast 2008 wieder zusammenbrechen lassen, die dann mit Sicherheit auferstehenden Heilsbringer à la Hitler oder Trump nicht das Feld für sich haben.
Jene Kräfte , die derzeit in den sozialdemokratischen Parteien das Sagen haben , sollten ihre letzten Tage an der (Partei-)Macht genießen.
In den 90ern begann die Transformation der westlichen Sozialdemokratie in den angelsächsischen Ländern und ging ausnahmslos durch alle „SPDn“ des Westens.
Jetzt vollzieht sich dasselbe , nur in umgekehrter Richtung.
Einmal mehr schreiten die Angelsachsen voran , was mit Sanders , USA , und Corbyn , Großbritannien , begann , wird erneut hindurchfegen durch die westliche Sozialdemokratie , und es ist nicht die Frage , ob , sondern nur , wann das auch Deutschland erreichen wird.
Ich kann dem Eingangskommentar und den nachfolgenden Beiträgen zwar zustimmen, mir fehlt allerdings die Hoffnung, das die SPD sich mit dem derzeitigen Personal soweit berauppelt. (siehe dazu auch mein Kommentar im Nachbarblog). Da hilft auch das Auftragen von weißer Salbe durch Stegner & Co., also die restlichen verbliebenen SPD-Linken, nichts. Weil diese, wenn sie es ehrlich meinten, längst nicht mehr in dieser neoliberalen Partei tätig wären. Vielleicht gibt es die – geringe – Chance auf eine Häutung, wenn sich nach den Wahlen 2017 die SPD einer Koalition von a) schwarz-grün, b) schwarz-gelb-grün oder c) Gott bewahre, aber nicht unmöglich, schwarz-braun (ist die Haselnuss, schwarz-braun bist auch Du, Petri Heil) gegenüber sieht. Aber dazu bedürfte es einer Medikation gegen den jahrelangen Befall durch den neoliberalen, marktkonformen, Virus. Und da nützt weder weiße Salbe noch irgendwelche Placebos, sondern nur die Erkenntnis, das unser tolles Grundgesetz und die marktkonforme Demokratie einen Widerspruch in sich selbst bergen. Aber mit einem Bein im Lobbysumpf der Oligarchen und der Wirtschaft stehen, mit dem anderen Fuß im verotteten Rest der sozialen Demokratie, führt beim Zustand der derzeitigen SPD wohl nur dazu, das ein Fuß bzw. Bein abfault. Welches dies wäre, ist wohl unschwer zu raten.
Es ist für mich nicht albtraumhaft, mir irgendwann einen Zusammenschluß zwischen SPD und AfD vorzustellen. In unserem grandiosen Bauerntheater kann schließlich nicht nur das Gewissen an der Garderobe abgegeben werden, sondern auch gleich die Bewerbung um lukrative Pöstchen.
Und ich habe ein gewisses Verständnis für Rechts-Wähler, resultierend aus Frust und Enttäuschung über das erfahrene Verhalten der Pseudo-Linken. Unterm Strich ist es ja auch parteipolitisch egal, wer letztendlich zahlt, für die globalen Verwerfungen. Weil es sowieso immer die gleichen sind. Und Geld und Macht einfach untrennbar sind.
Kurze Frage an all die selbsternannten Wirtschaftsexperten:
Was wäre die Folge, wenn die „Reichen“ ihr virtuelles Geld vollständig in den Markt werfen würden?
Inflation und grenzenlose Geldentwertung.
Vielleicht sollte man als kleiner linker Arbeiterprophet ganz froh sei, daß die „Reichen“ auf ihren aufgeblasenen Geldballons sitzen, es könnte sonst leicht geschehen, daß Arbeit von heute auf morgen schlicht nichts mehr wert ist.
Der Sinn der Arbeit ist, etwas Wertvolles zu produzieren und einen Mehrwert hervorzubringen.
Wer könnte von sich sagen, daß er etwas produziert, das wirklich unverzichtbar ist?
Ich schätze, es werden kaum 10% sein. Die anderen sind ohne Kapitalismus schlichtweg überflüssig und der Armut preisgegeben.
Man sollte darüber nachdenken, daß die eigene Arbeit, wenn sie nicht der Bereicherung der Reichen dient, schlicht und einfach nichts mehr wert ist.
Für die meisten der Produzierenden ist der einzige Zweck der Arbeit, Reichtum zu produzieren, es ist eine naive Illusion, eine Gesellschaft könnte nur davon leben, Sinnvolles zu produzieren.
„Wertschöpfung“ mal ganz anders betrachtet…
Ic finde die derzeitige Kapitalismuskritik schlicht und undurchdacht.
Arbeiten kann jeder, aber man muß auch überlegen, wie man den Schaden auffängt, den das verursacht.
Die SPD hat im Bund ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem. Ich habe vor ein paar Wochen an einer Gesprächsrunde mit dem SPD MdB aus dem Wahlkreis in dem ich wohne teilgenommen. Der Mann hat einen sehr positiven Eindruck bei mir hinterlassen. Das was er z.B.. zum Thema Bürgerversicherung gesagt hat ist klar in die richtige Richtung gegangen. Wenn das Gleiche Gabriel im Fernsehen sagen würde gäbe es einfach, mich eingeschlossen, niemand der ihm das glaubt. Dieses Thema konnte ich ,obwohl ich es versucht habe, nicht mehr in der Runde platzieren. Vielleicht haben sie in Berlin schon erkannt das sie umsteuern müssen. Es glaubt ihnen aber keiner weil sie sich weigern die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten und zu benennen. Es ist doch völlig klar das es das Problem der Sozialversicherungen ist das die Lohnquote gefallen ist. Dann ist auch klar das die Riesterrente das falsche Rezept ist, weil sie sich auch aus der Lohnquote finanziert. Die Bürgerversicherung würde eine Lösung sein weil sie auch auf das Kapital zugreift. Da muss man halt auch klar sagen das die Regierung Schröder da einen Fehler gemacht hat um das vorsichtig nach den Bloogregeln auszudrücken.
Werter BvG,
soll das ein Versuchsballon sein, oder meinen Sie das wirklich ernst? Erst einmal scheinen Sie dem „alles oder nichts“-Prinzip anzuhängen, weil hier nie die Rede davon war, das die Reichen ihr „virtuelles Geld vollständig in den Markt werfen“. Wie kommen Sie eigentlich auf „virtuelles“ Geld? Wenn ich beobachte, was von manchem Gutverdiener in meiner Heimatstadt aus dem Automaten gezogen wird, und/oder im Geschäft hingeblättert, handelt es sich sehr wohl um richtige und nicht „virtuelle“ Scheine. Auch den Porsche Cayenne haben sie wohl nicht „virtuell“ gekauft.
Und es werden in unserem Lande nicht nur Produkte, sondern auch Dienstleistungen erzeugt – sollen diese unbezahlt bleiben? Das geht von der Polizei über Erzieher und Lehrer bis hin zu Sozialarbeitern, Krankenschwestern, Altenpflegern, Ärzten etc. pp. Im Nachbarhaus ist 3x täglich der Pflegedienst zugange, zusätzlich zu „Essen auf Rädern“. Reichtum produzieren? Oder ist bei vielen vielleicht doch ein Quentchen Sinnvolles-Tun dabei?
Nicht zu vergessen all die, welche Produkte nicht selbst produzieren – das tun meisten sowieso schon Automaten – sondern dies logistisch verwalten und für den Transport von A nach B sorgen. Produziert werden ja auch Medikamente, Windeln, Rollstühle, Rollatoren und vieles mehr. Vielleicht denken Sie dann nochmals über Ihre Worte nach.
zu @ BvG
Wenn die Reichen ihr ganzes Geld auf den Markt werfen ist nicht die Arbeit nichts mehr wert sondern das Geld. Der Euro würde einfach aufhören zu existieren. Es gäbe eine neue Währung und dann würde weiter gearbeitet. Es gibt ja die Theorie das die Verzinsung dieses Geldes, die Zinsen müssen ja von jemanden erarbeitet werden, auf Dauer so ansteigen das für Lohn nichts mehr übrig bleibt. Im Moment zeigt sich ja schon wie richtig diese Theorie ist. Oder warum glauben sie das die Zinsen so niedrig sind? Es ist so viel Geld vorhanden das die Volkswirtschaften nicht in der Lage sind eine höhere Verzinsung zu erwirtschaften. Man hat einfach in der Finanzkrise zu viel Geld gerettet das eigentlich weg war. Jetzt kann man dafür nicht auch noch Zinsen zahlen. Das ist das Problem aus dem ich gespannt bin wie die Herren Schäuble und co rauskommen wollen.
Um wieder zur SPD zu kommen. Steinbrück hatte in seinem Wahlprogramm schon Ansätze wie mit diesem Thema umgegangen werden soll. leider konnte er das nicht richtig rüberbringen. Dann wurde ein Koalitionsvertrag gemacht und die Steuerpolitik komplett der Union überlassen. Die dann einfach so viel Geld wie möglich gerettet hat. Wie es aber jetzt weiter gehen soll ist nach meiner Meinung beliebig unklar. Man hat das ja die Tage gesehen als sich die nächste Finanzkrise am Horizont gezeigt hat.
Vermutlich waren vor allem taktische Überlegungen im Spiel, als Sigmar Gabriel ein Linksbündnis in die politische Diskussion warf. Damit signalisierte er seinem derzeitigen Koalitionspartner, dass die SPD mehr Optionen besitzt als sie sie derzeit wahrnimmt. Kaum war dieser Warnschuss verklungen, folgte die Distanzierung. Das hat in der Partei Methode.
Lenin nahm im Jahr 1904 diese Haltung der Sozialdemokraten, die im Deutschland Wilhelms II zwischen den Polen Soziale Gerechtigkeit und Staatsräson schwammen, zum Anlass, ein Buch zu schreiben, dessen Titel lautete: „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“.
Seither hat es kein SPD-Politiker geschafft, sich von solchen beinahe schicksalhaften Fehlentscheidungen zu befreien. Erich Ollenhauer hat es hingenommen, dass Adenauer ihm 1956 den theoretisch möglichen Koalitionspartner KPD vom Verfassungsgericht verbieten ließ. Willy Brandt sah sich vorrangig als Außen- und Friedenspolitiker und setzte auf die Unterstützung des liberalen Flügels der FDP. Helmut Schmidt hinterließ als Bundeskanzler kaum sozialpolitische Konturen und Gerhard Schröder war fasziniert davon, am Tisch der Reichen sitzen und deren neoliberale Forderungen erfüllen zu dürfen.
So liegt die Frage nahe, ob die SPD mehr sein kann als eine Droge, durch deren Einnahme man sich in eine Gesellschaft träumt, die es nicht gibt und die es durch die SPD auch nicht geben wird.
Aber ich sehe auch bei der LINKEN wenig überzeugende Ansätze. Was vor allem eine Frage des Personals ist (vor allem in den Bundesländern).
Zustimmung, K.P. Mertens, für Ihren Beitrag. Nur stellt sich mir die Frage, warum ausgerechnet „die Linke“ besseres Personal aufbieten könnte oder sollte? Woher nehmen, weil die Pragmatiker und die Pöstchen-Streber schon längst zu anderen Parteien abgewandert sind, und die naiv-Zukunftsgläubigen keine Chancen zur Durchsetzung in den Kreisverbänden haben. Machen Sie doch einmal neben
Ihrer Kritik einen Vorschlag, wie man die „richtigen“ Leute an den „richtigen“ Platz bekommt, unter Berücksichtigung all ihrer normalen Lebensumstände. Schließlich gibt es ein Leben neben und nach der Partei. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Das „dicke Bretter bohren“ liegt nicht jedem Sensibelchen.
Hier wünsche ich mir oft, das all die klugen Schreiber und Mitarbeiter der Medien sich mal selbst auf den dornigen Weg durch die Institutionen machen würden. Aber da ist dann auch viel Feigheit vor dem Feind dabei. Oder was meinen Sie, welchen Angriffen mensch in manchen Betrieben ausgesetzt ist, wenn kundig wird, das man für die LINKE kandidiert? Schon Einsatz für die Gewerkschaft gibt ja bereits Minuspunkte in der Personalakte.
@ Wolfgang Fladung:
Ihre Meinung kann ich durchaus nachvollziehen. Dadurch, dass ich mich seit meiner Studentenzeit in Gewerkschaft und Partei engagiert habe, musste ich stets Nachteile in Kauf nehmen, aber auch innerhalb dieser Organisationen wurde ich als „schwarzes Schaf“ angesehen, so dass ich nie Karriere gemacht habe, jedoch dafür kann ich noch in den Spiegel schauen.