Ohne ihr Wissen, wie sie sagen, sind Martin Walser, Siegfried Lenz und Dieter Hildebrandt Mitglieder der NSDAP gewesen. Wie soll das gehen – ohne ihr Wissen? Im FR-Interview spricht Dieter Hildebrandt offen über jene Zeit. Er sagt auch: „Hätte ich vorher gewusst, dass ich noch irgendwie in die Partei aufgenommen worden bin, hätte ich das dem Publikum nicht vorenthalten. Dann hätte ich längst schon eine Satire daraus gemacht: Wie man unversehens in die NSDAP geriet. Das wäre doch ein wunderschönes, kleines Kapitel gewesen.“ Ein Bekenntnis, das man ihm abnehmen möchte. Denn „Wie ich von allem nichts gewusst habe“ ist eines der Leitmotive des Kabarettisten.
Jetzt sind die Moralisten moralisch diskreditiert, meint dagegen Thomas Diethelm aus Winterthur:
„Es geht nicht um die Mitgliedschaft. Es geht darum, dass Walser, Lenz und Hildebrandt sich Jahrzehnte lang als Gewissen der Nation aufgespielt haben. Dass sie sich gegen die ‚Kultur des Vergessens‘ wundgeschrieben haben. Dass sie sich auf dem hohen Podest einen runtergeholt und ihren Samen tantiementrächtig unters Volk gebracht haben. Dass sie anderen ihr Vergessen zum Vorwurf gemacht haben. Es geht um die Enttarnung dieser heuchlerischen, penetrant moralisierenden Intelligenzija. Nachdem sie ein Leben lang von und für Links moralisiert haben, sind sie nun in ihrem Kerngeschäft, der Moral, diskreditiert.“
Matthias Heim aus Frankfurt hingegen möchte ein halbes Jahrhundert des Kampfes gegen die Borniertheit gerecht bewertet haben:
„Es ist traurig, wie einem Dieter Hildebrandt, der wie kaum ein anderer für ein intelligentes, kritisches und in bestem Sinne liberales Deutschland steht, nun von selbsternannten Historienwächtern NSDAP-Formulare unter die Nase gehalten werden, die er vielleicht mit 15 Jahren unterschrieben haben könnte. Da kämpft der Mann ein halbes Jahrhundert gegen Borniertheit und latenten Faschismus und muss sich jetzt von einem kleinen Streber, der die Gelegenheit zur zeitgemäßen medienträchtigen Empörung beim Schopf ergriffen hat, der Lebenslüge bezichtigen lassen. Nein, das ist eigentlich nicht traurig, das ist widerwärtig.“
Wem ist damit eigentlich gedient?, fragt Uwe Hüttmann aus Varel:
„Ihre ausführliche Einlassung auf die angeblichen Mitgliedschaften von Walser, Lenz und Hildebrandt finde ich peinlich. Wem soll mit diesen Beiträgen eigentlich gedient sein? Da wird etwas, was selbst bei einer widerspruchsfreien Klärung „zu Lasten“ der Autoren doch nichts anderes als eine nachvollziehbare, sozialisationsbedingte Handlungsweise eines indoktrinierten Jahrganges wäre, pseusoaufklärerisch zu einem Fall aufgepustet, mit dem sich das Feuilleton Stoff verschafft. Eine Meldung hätte gereicht. Gerne hätte ich überdies einen Kommentar gelesen über eine Tageschau, die eine solche Neuigkeit in der Sendung um 20 Uhr unterbringt. Schade!“
Das Schlusswort überlasse ich Hans Mayer aus Leonberg, dem etwas Ähnliches passiert ist wie den drei Künstlern:
„Nun trifft es Personen, deren Nachkriegsvita erheblich dazu beitrug, der von den westlichen Allierten erzwungenen Demokratie einen glaubwürdigen Anstrich zu geben. Hildebrandt, Walser und Lenz sollen also als 17- bzw. 18-jährige Mitglied der NSDAP geworden sein.
Zurück aus der Kriegsgefangenschaft sollte ich als angeblicher Mitläufer Trümmer räumen. Grund: Mitglied in der NSDAP. Es stellte sich heraus, daß ein eifriger Ortsgruppenleiter zur Verbesserung der Statistik den gesamten Jahrgang 1923 ohne dessen Wissen zu Parteianwärtern gemacht hatte. Selbst bei rechtzeitiger Kenntnis dieser Maßnahme hätte ich nichts dagegen unternommen. Grund: Mein Vater wurde 1933 als ehemaliges SPD-Mitglied politisch gemaßregelt und entging nur durch einen gnädigen Zufall der Einlieferung in ein sogenanntes Schutzhaftlager.
Von viel größerer Tragweite wäre es, einmal darüber zu berichten, warum hoch belastete Nazis über Nacht zu Demokraten mutieren konnten und unbehelligt in höchste Staatsämter aufstiegen mit der in vollem Ernst geäußerten Überzeugung ‚Was damals rechtens war, kann heute nicht unrecht sein!'“
„hne ihr Wissen, wie sie sagen, sind Martin Walser, Siegfried Lenz und Dieter Hildebrandt Mitglieder der NSDAP gewesen. Wie soll das gehen“ Selbst wenn es mit deren Wissen geschehen wäre, was soll dann gewesen sein? Ein 17jähriger, wie Hildebrandt, der am 20.April 1944 (!) in die NSDAP aufgenommen wird, wofür ist der verantwortlich? Sind solche Rotzlöffel nun die Sündenböcke des Dritten Reichs. Ich würde mal woanders suchen. Eher bei den Eltern und bei den Lehrern, nicht bei denen, die wenig später als Kanonenfutter eines schon verlorenen Krieges verheizt wurden.
Dass ich das Interview mit Dieter Hildebrandt gerne gelesen habe – im Gegensatz zur Mehrzahl der in Fülle während der letzten sechs Wochen erschienen FR-Interviews – lag weniger am Interviewenden – der frug weniger nachhakend oder einfühlsam, als zumeist stur und einseitig den gängigen Fragen des „breiten Publikums“ nachgehend – , sondern an der Intelligenz, dem Geist und der moralischen Integrität des Interviewten. Weder gab Hildebrandt dem Affen Zucker noch erfüllte er niedere Erwartungen indem er sich auch nur Ansatzweise auf falsche Fragen einlies. Ein knappes „Ja“ oder „Nein“ konnte ihm an solchen Stellen genügen. Trotzdem hat er mehr an Herz und aufrechter Gesinnung von sich gegeben, und das schon ein ganzes Leben lang, als z.B. ein Globke, ein Filbinger, ein Strauss in deren ganzem Leben, vor und nach deren öffentlicher Überführung der Parteimitgliedschaft.
Und schließlich die aberwitzige These, jetzt seien die Moralisten moralisch diskreditiert des Thomas Diethelm aus Winterthur, der glaubt hier abwertend polemisierend von der „heuchlerischen, penetrant moralisierenden Intelligenzija“, die der „Enttarnung“ anheimgeführt werden müsse reden zu müssen.
Mit der Moral wird man nicht geboren, sondern sie ist das Ergebnis von Erziehung und Sozialisation. Statt Menschen, die die erste Sozialisation und oft auch Erziehung im Geiste des Nationalsozialismus erfahren haben, und sich selbst, ohne eigene Verbrechen begangen zu haben, schon mit 16 – 18 Jahren aus welcher Art Umklammerung des Unrechtstaates auch immer wieder lösten, um den Rest ihres Lebens den Kampf des „Nie Wieder“ zu führen, gebührt höchste Ehre und nicht solche Diffamierung.
Man Bedenke: Walser, Lenz und Hildebrandt mögen dem Staat und seinem Geist bewusst oder unbewusst sehr jung nahegetreten sein (einem Staat übrigens, der jedem seiner unterdrückten, incl. der wirklich ermordeten Bürger pausenlos in allen Lebensbereichen sehr, sehr „nahetrat“), aber sie sind nicht alt geworden während Sie ihm verfallen blieben.
Ich gehöre dieser Generation eines Dieter Hildebrandt nicht an.
Ich kann aber auch in keiner Weise verstehen wie ein Mann der so viel für dieses Land getan hat, plötzlich derart durch den Dreck gezogen wird.
Wenn sich hier jemand profilieren will sollte er vielleicht lieber einen 3-Akkord Song komponieren und gut isses!
Luxemburg, 7.07.07
Sehr geehrter Herr Bronski,
ich bin jahrzehntelanger Leser der FR und habe mit Entsetzen Zuschriften wie „Moralisten sind moralisch diskreditiert“ eines Herrn Diethelm aus Winterthur gelesen, wo sich abgrundtiefer Hass auf eine „linke“ kritische „Intelligenzija“ in der Projektion perverser sexueller Fantasien auf Autoren wie Walser, Lenz und Hildebrandt breit macht. Auch manche der Reaktionen unter der Rubrik „FR in der Schule“, etwa die eines Herrn Hoffmann aus Niedenstein („Wer kennt sie nicht, diese Lehrertypen?“, FR, 25.06.07) auf die oft von Selbstmitleid triefenden pubertären Ergüsse über den beamteten „Quälgeist“ in der Schule (FR,18.06.07) sprechen Bände: Wie befreiend, sich selbst zum Opfer zu stilisieren und sich den Frust über eigenes Versagen vom Leibe zu schreiben! Und wie erhebend, all denen gegen das Schienbein zu treten, denen man sich schon immer unterlegen fühlte, und die dem eigenen Ego Grenzen setzen – oder es zumindest tun sollten!
M.E. geht die Veröffentlichung solch erbärmlicher Zuschriften weit über die Frage des Geschmacks hinaus und hat durchaus politische Qualtät: Auch Faschismus, das weiß man heute, ist „Befreiung“ und Selbsterhebung – Befreiung dumpfer Bauchgefühle vom „Quälgeist“ des Intellekts und einer lästigen, weil einschränkenden „Moral“, Selbsterhebung mit Hilfe der Brandfackel gegen den Ausgegrenzten, unter dem Beifall des biederen Spießers.
Ich lese und schätze die FR gerade wegen ihrer intellektuellen Redlichkeit und ihrer Liberalität und habe ihr mit zahlreichen hier abgedruckten Zuschriften mein Vertrauen gezeigt.
Was aber, bitteschön, hat es mit intellektueller Redlichkeit und Liberalität zu tun, in der Rolle des naiven Biedermanns den Brandschatzern der Intellektuellenhatz die Lunte zu reichen?
Ich beobachte die angesprochenen Tendenzen in der FR mit großer Sorge. Sollten diese tatsächlich zum neuen „Format“ der FR gehören, wird es mir unmöglich sein, meine jahrzehntelange Treue zur FR auch weiterhin aufrecht zu erhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Engelmann, Luxemburg
@ 4. Kommentar von Werner Engelmann
Sehr geehrter Herr Engelmann,
für Ihre Zuschrift #4 kann Ihnen nur uneingeschränkt Dank ausgesprochen werden.
Mir jedenfalls haben Sie aus der Seele gesprochen.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Theel
(P.S.: Auf der Bronski-Seite in der Print-FR werden wir, wie ich annehme, Ihren Text wohl kaum lesen können, schade.)
@ Satiriker
was wird es eine freude sein, wenn im nächsten scheibenwischer dessen gründer Hildebrandt zur backhand ausholt und dann ein ass gegen den herrn aus der schweiz und die hysterischen anprangerer aus den medien – von den brettern die die welt bedeuten – in den äther drischt. Naja, es wird halt zur zeit in london dieses rasentennis gespielt; sorry
Ein Leserbriefautor schrieb:“Es stellte sich heraus, dass ein eifriger Ortsgruppenleiter zur Verbesserung der Statistik den gesamten Jahrgang 1923 ohne dessen Wissen zu Parteianwärtern gemacht hatte.“
Nun es wird endlich Zeit, derartige Vorgänge aufzuklären, die Zeitzeugen könnte es alsbald nicht länger geben. Profilierungssüchtige Beamte gab es immer und wird es auch nach wie vor geben. Mir wurde in den 1960er Jahren einmal unterstellt (mit Brief und Siegel seitens des Kreiswehrersatzamtes), ich hätte mich freiwillig für mehrere Jahre zum Bund verpflichtet. Dabei hatte ich bereits meinen Antrag auf KDV eingereicht. Man sollte Schriftstücken nicht blind vertrauen, Menschen tut man es ja auch nicht……..
Es stimmt, damals wurden Mitglieder der HJ ohne
ihr Wissen in die NSDAP eingewiesen. Mir ist ein
Fall bekannt bei dem der betroffene seine Stelle
als Beamtenanwärter nach dem Krieg verlor weil
er in seinem Fragebogen, die von ihm nicht be-
kannte Zugehörigkeit zur Partei nicht an-
gegeben hatte. Aber des war ja nichts ungewöhn-
liches in der Zeit in der diese Sippschaft den
Untergang eines ganzen Volkes beschloss.
Ich bin Jahrgang 1926, war also zu „Hitlers Geburtstag“ 1944 gerade 18 Jahre alt. Meine Eltern waren beide in der Partei, also wäre es ganz normal gewesen, mich 1944 auch zum Parteigenossen zu machen. Eine Unterschrift hätte es nicht bedurft, wäre auch nicht möglich gewesen, denn ich war Soldat irgendwo in Frankreich.
Der Ortsgruppenleiter Raede in Hosterwitz bei Dresden, meinem Heimatort, war ein Freund meines Vaters. Wie ich später in einem Feldpostbrief erfuhr, hatte er mich „vergessen“ – wie mir bald klar wurde, absichtlich. Raede wurde von Soldaten der Roten Armee ermordet. Ich bin ihm dankbar für sein „Vergessen“.
Denn wäre ich daheim gewesen, vielleicht auf Urlaub, hätte ich darauf bestanden, NSDAP-Mitglied zu werden, als dummer verblendeter Rotzlöffel.
Nach dem Krieg war mir das eine Lehre: Weder in der Ostzone/DDR noch später im Westen bin je wieder in eine Partei gegangen, hatte immer meinen damaligen Glücksfall als Ausrede, wenn mir das wieder einmal angetragen wurde.
Hildebrand, ein Jahr jünger als ich, ist es sicherlich ähnlich ergangen, Unterschrift oder nicht. Noch etwas: Junge Leute haben mich gefragt, warum ich damals Soldat wurde, nicht den Wehrdienst verweigert habe. Einige haben mir nicht geglaubt, dass eine solche Verweigerung tödlich gewesen wäre. Kann man ihnen ihre Unwissenheit übel nehmen?
Nina Hartwig (in: FR 13.07.07) glaubt die Reaktion Rolf Hochhuts (in FR 12.07.07) auf die Veröffentlichung der „NSDAP-Mitgliedschaften“ von Hildebrandt, Lenz und Walser im Namen der “Generation der heute 40-Jährigen“ zurückweisen zu müssen. Das kann Sie gerne tun
Wie aber tut sie das?
Da ist zunächst Ihre (moralische?) Aufregung darüber, daß Hochhut die Denunziation der drei bundesrepublikanischen Schriftsteller und Kabarettisten durch den Akt der Veröffentlichung ihrer Parteimitgliedschaft als von gleicher moralischer Qualität wie die der Denunziation, die einstens Menschen unter das Fallbeil brachte. Wer aber sagt, dass die Aussicht den Denunzierten den Tod erleiden zu lassen, den Denunzierenden zur Nazizeit ursächlich angetrieben hat? Ich glaube vielmehr es war das „blinde“, vorauseilende Gehorsamsbewusstsein, der unbedingte Wille, konform zu sein, sich vom „Anderssein“der „Anderen“ absetzen zu wollen, um zur „Mehrheit“ zu gehören, die die Quelle der Denunziation darstellte und mit Hochhut heute immer noch darstellt, virulent ist. Daß dieser „Bürgerakt“ im Nazideutschland ungleich grausamere Folgen hatte als heutzutage, spielt hier also allenfalls eine untergeordnete Rolle. Moralisch niederträchtig ist er in beiden historischen Fällen.
Wenn also heute ein Historiker (in diesem Falle Armin Nolzen (in FR 02.07.07) die Parteimitgliedschaft von ausgewiesenen Dichtern, demokratisch gesinnten Bürgern öffentlich in der FR diskutiert, deren Verdienste um die deutsche Demokratie nicht ausgelöscht werden können, warum tut er dies dann? Um eine „Leerstelle der Forschung“ zu schließen, wie er vorgibt, bestimmt nicht. Hier harrt auch kein „geschichtlicher Vorgang“ auf den Wiedergang als Farce. Es als Tragödie zu bezeichnen, dass Hildebrandt Walser und Lenz jetzt auf der Anklagebank der Öffentlichkeit sitzen, mag richtig geurteilt sein, was aber ist die Farce die dann erst als Wiederholung der Geschichte folgen müsste? Oder wollen Nolzen oder Hartwig insinuieren, es habe eine wie immer geartete Entscheidung der drei Benannten für die NSDAP gegeben (das wäre die Tragödie, in der man aber übrigens nicht nur nach Schiller immer nur tragisch, d..h. „falsch“ handeln kann!!!) , Die Farce wäre dann, ja was eigentlich? Herr Nolzen bleibt uns die Antwort schuldig. – Mit Marx sollte nicht jeder argumentieren wollen.
Gegen Marx argumentieren scheint da schon leichter zu fallen. Nina Hartwig mobilisiert dazu das zur Zeit seltsam gängige Anti-68er.Ressentiment. Wieder einmal müssen wir von einer heute 40-Jährigen hören, die 68er hätten ihre Väter (von Müttern ist nicht die Rede!) entweder nie nach deren Verbrechen gefragt, und wenn doch, dann in den meisten Fällen nur Schweigen geerntet. Ja war da überhaupt einmal etwas? Für Hartwig allenfalls ein Mythos. Geschichts- und bewußtseinsvergessen weiß sie nicht, dass es genau diese private Schweigeerfahrung war (Die Mitscherlichs entdeckten deren Quelle psychoanalytisch und sozialpsychologisch in der „Unfähigkeit zu Trauern“), die meine, die 68-Generation, diese Fragen, für deren Beantwortung die Forschung bis heute noch viel zu viele Leerstellen zu schließen hat, öffentlich an die Gesellschaft stellen ließ. Die Folgen waren mehr überlebensnotwendig für die Bundesrepublik, denn staatslebensbedrohlich.
Ihre Argumentation diesen Mythos zu entlarven, führt dann nur noch zu allenfalls lächerlich zu nennenden “Erzählsträngen“ der Geschichte: Zunächst. So schreibt sie, sei ihre eigene Großvatergeneration, die Generation gewesen, die die Generation der „Heute-40-Jährigen“ als solche erstmals unbefangen befragen konnte. Diese Großvätergeneration stellen die Jahrgänge 1923-1925 dar, die bei Kriegsende 18-20 Jahre alt war, so tatsächlich noch Hitlerjungen und Soldaten stellen konnte/mußte, heute Anfang 80 ist. Im nächsten Abschnitt hat Hartwig stellvertretend genauso entspannt ihre Elterngeneration zum selben Vorgang befragt, die plötzlich auch noch schon in der HJ gewesen war. Wie jemand der 1968 geboren wurde, dessen wirkliche Elterngeneration also etwa 1938, dessen wirkliche Großvatergeneration um1908 geboren worden ist, bei der tatsächlichen Elterngeneration der 68er, bzw. bei dieser selbst (als angeblicher Elterngeneration) die Fragen stellen konnte, die die wirklichen 68er angeblich nur vergeblich oder mit desaströsen Folgen gestellt haben, bleibt wohl Hartwigs Geheimnis.
Aber darum geht es Nina Hartwig auch gar nicht. Weder hat sie Verständnis für einen Hochhut, noch für Walser et al., geschweige denn für alle, von ihr genannten, vorgegebenen und tatsächlichen Eltern und Großeltern. Sie will auch nicht wirklich wissen, wie irgendjemand der Barbarei des Nazismus entkommen oder nicht entkommen ist, sondern ihr geht es einzig um das Vergessenmachen von Geschichte im Sinne der Fungesellschaft, die mit den Generationen der Nachachtunsechziger sich bis heute ausgebildet hat.
Sollte es noch eines Beweises dafür ermangeln, so betrachte man die (inzwischen FR-typische) Bildunterschrift „Wir sind doch nicht blind: Diese beiden von der „SS-Division Hitlerjugend“ sind nicht zu beneiden.“
Das ist nur noch Boulevard, wenn nicht reinster Zynismus.
Wer ist mit dem „Wir“ in „Wir sind doch nicht blind.“ gemeint? „Wir“, die Leser, oder „wir“, die beiden Jungen auf dem Bild? Der zweite Satz gibt die Auskunft: Da dort bestimmt nicht von Selbstmitleid die Rede ist, spricht hier der (heutige!) Leser durch Nina Hartwig, bzw. die Bildunterschriftenfabrikation der FR. Diese Fun- und Eventgeneration beneidet diese Kindersoldaten bestimmt nicht, dies allerdings ohne besonderen Grund, denn sie weiß nichts von ihr. Sie hat sich auch nie wirklich für ihre Väter und Großväter interessiert. An keiner Stelle sagt Hartwig, wie Sie mit dem Schweigen ihrer Väter und Großväter umgegangen ist, oder von welchem Inhalt diese unbefangen Gespräche andernfalls gewesen seien. Nur eines weiß sie: 68 ist ein Mythos.
Ich sage: Wenn so weitergemacht wird, dann werden spätestens die Enkel der heute 40-Jährigen ihren Enkeln erzählen, dass die Jahre 1933-45 ein Mythos gewesen wären und Leute wie Walser, Lenz und Hildebrandt verirrte Schreiberlinge von Unbedeutung.
Und dann ist da noch etwas wirklich unredlich an Nina Hartwigs Artikel. Sie schreibt, es gäbe keine „Debatte“ um Walser, Lenz und Hildebrandt, die diese beschädigen könnte. So etwas wäre zu hoffen. Tatsächlich aber fordert Nolzen genau diese Debatte, diese sei wissenschaftlich und an der Person (biographisch), nicht aber gesamtgesellschaftlich zu führen. Genau diese Ebene der gesellschaftspolitische Erklärung vor dem Hintergrund der persönlichen Vätererfahrung forderten die 68er, die gesellschaftliche Dimension der Denunziation unter den Deutschen spricht Hochhut an, während die Hartwigs zuerst sich und ihre Interessen (die sie nie benennen!!!) im Auge haben und immer einen Anlaß finden, dabei linke Positionen durch ganz persönliche Attacken gegen deren übliche Verdächtige zu führen. In einem Leserbrief der FR war dieser Tage sogar schon wieder unter anderem der Ausdruck von der „linken Intelligenzija“ mit allen ausgeführten Konnotationen wieder druckbar.
++++ Off-topic-Nachschrift: Daß ich heute solche Artikel wie die von Nolzen und Hartwig in der FR lesen muß, verdanke ich wohl allein dem äußerlichen Tabloidformat. Wie einfach könnte man das doch auf den Druckmaschinen der FR rückgängig machen. ++++
@ 10. Kommentar von: Uwe Theel
++++ Korrektur ++++
der erste Satz des dritten Absatzes muss natürlich heißen:
„Da ist zunächst Ihre (moralische?) Aufregung darüber, daß Hochhut die Denunziation der drei bundesrepublikanischen Schriftsteller und Kabarettisten durch den Akt der Veröffentlichung ihrer Parteimitgliedschaft als von gleicher moralischer Qualität darstellt, wie die, der Denunziation, die einstens Menschen unter das Fallbeil brachte. „
Man kann nur hoffen, dass Dieter Hildebrandt noch sehr lange seine Beiträge gegen das Vergessen unters Volk bringen kann. Der Leserbrief von Thomas Diethelm zeigt, dass es viele gibt, die gerne 12 Jahre „Drittes Reich“ vergessen würden. Diskretitiert ist „Gott sei Dank“ nur Thomas Diethelm, dem eine Besichtigung in einem KZ empfohlen werden muss.
@10/11: Sie sollten genauer lesen, bevor Sie schreiben – die Autorin heißt „Ina Hartwig“, nicht „Nina Hartwig“. Soviel Sorgfalt muss sein – besonders für Dauer-Kritikaster.
@ 13. Kommentar von: Aeryn
Werter Aeryn,
ich danke Ihnen sehr, für Ihre fürsorgliche Korrektur, die Sie wohl in Ihrer Eigenschaft als Kontrollleser vorgenommen haben und damit verhindern konnten, daß meine Kritik an Ina Hartwigs Artikel der nichtexistenten Nina Hartwig zugeordnet werden kann. Eine Befürchtung, die außer Ihnen offenbar sonst niemand hatte, dessen ungeachtet ich meinen Lese-/Schreibfehler natürlich, auch gegenüber Ina Hartwig bedauere.
Ach so, eine Frage hätte ich noch: Sonst ist ihnen zum Thema nichts eingefallen?
MfG
Uwe Theel
Wo schmerzt es denn eigentlich?
Jammern die Schüler, daß Lehrer Fehler machen?
Fällt ein moralisches System zusammen, weil die Vorbilder fehlbar sind?
Ich brauche keinen Hildebrandt oder sonstwen zur Begründung meiner moralischen Entscheidungen.
Auch das ist Teil der Problematik: Andere zum Erfüllungsgehilfen der eigenen Vorstellungen zu machen.
Bringt’s mal auf den Punkt: Rechthaberei ist das Problem.
Wenn man einfach bloß „Nein danke, ohne mich!“ sagen könnte, hätten wir den Großteil der Probleme gar nicht.
Dabei sein ist halt nicht alles.
Gruß M.Borck-Elsner
@14
a) Was läßt Sie annehmen, dass ich männlichen Geschlechts bin?
b) Zum Thema ist mir nichts anderes eingefallen. Ich rede ja auch nicht übers Thema. Sondern über jemanden, der zwar ellenlage Kritik-Elogen über mangelnde journalistische Qualitätsarbeit verfasst, aber in seinem Eifer nicht in der Lage ist, den Namen der Kritisierten korrekt zu erfassen.
Es scheint in unserer Republik einige interessante Reaktionsweisen zu geben: Da soll aus Anlass seines Ablebens Herr Filbinger zum Antifaschisten und Widerstandskämpfer umgemodelt werden. Nachdem das nicht geklappt hat, versuchen interessierte Menschen eine Art Retourkutsche. Wenn schon Filbinger kein Antigfaschist war, dann müssen natürlich Menschen, an deren demokratischer Integrität für mich kein Zweifel besteht, in den Dreck gezogen werden.
Erinnert sei jedoch daran, dass es für die Union nie ein Problem war alte Nazis in Spitzenpositionen zu bringen. Ein NS-Führungsoffizier war jahrelang Ministerpräsident, ein ehemaliger Reichswehroffizier jahrelang Oppositionsführer im hessischen Landtag, sollte sogar mal Ministerpräsident werden. (Was der Wähler verhinderte.) Legion sind die Kontakte von führenden Unionisten zur rechten/rechtsextremen Organisationen und Personen.
Und bis zur denkwürdigen Rede Richard von Weizäckers 1985 war der 8. Mai 1945 für diese Leute immer ein Tag der Niederlage und nicht der Tag der Befreiung. Also, hört auf Dreck auf untadelige Demokraten zu schmeissen, mistet lieber euren eigenen Sumpf aus
Noch ein Nachtrag zu meinem 9. Kommentar.
In der damaligen amerikanischen Zone, also in Westdeutschland, mussten wir alle einen mehrseitigen „Fragebogen“ ausfüllen. Ernst von Salomon hat ein vielgelesenes Buch mit diesem Titel geschrieben.
Später wurde alle nach Überprüfung und Gerichtsverfahren durch sogenannten „Spruchkammern“ eingeteilt in „Belastete“, „Minderbelastete“ und „Mitläufer“. Das hatte Auswirkung auf Haft und Berufsverbote,z.B.für Lehrer.
Wir Jugendlichen jedoch, Hitlerjungen und ehemalige jugendliche Parteigenossen, erhielten eine Postkarte mit dem Aufdruck „Jugendamnestie“. Ich habe diee Karte heute noch. Wir,auch Hildebrand, sind also „Amnestierte“, mit Segen der damaligen Besatzungsmacht. Dabei sollte es auch bleiben.
@ „Medien und Histori(e)/ker“
gerade bei diesem thema – meine ich, ist sehr gut zu sehen, bzw. zu merken, dass unsere medien oft nach dem prinzip verfahren „haltet den dieb“; irgend ein historiker – wegen mir auch ein doktorant, der glaubt mit seiner master- oder doktorarbeit (wieder oder zum zigstem Mal) einen meilenstein der weltgeschichte gefunden oder eine existentielle lücke des weltwissens entdeckt zu haben, gibt dies bekannt und die medien stürzen sich wie die sprichwörtlichen jagdhunde auf die beute, bzw. das thema und dann wird geschrieben, abgeschrieben, wieder geschrieben, getönt, getalkt usw.! das ist das neue an der zeit, den medien und den sensationeen aus der vergangenheit!
@ 16.
a) Was soll die Frage: Was hätte mich davon abhalten sollen? – Aber bitte ich ändere in „Kontrollleserin“ – Nebenbei: Versuchen Sie mal, „Aeryn“ als eindeutig weiblichen oder männlichen Vornamen beim Standesamt durchzubringen.
b) Blog-Regel 4: „Bleiben Sie … beim Thema“
@Aeryn:
Kritikaster: (gr.-lat.-nlat.): (abwertend) Nörgler, kleinlicher Kritiker
Also, ich empfinde Uwe Theel nicht als solchen.
Sein Beitrag entspricht voll ond ganz meiner Meinung, ich hätt’s wahrscheinlich nur einfacher formuliert.
Und nur auf dem falsch zitierten Namen herumreiten? Oh, heiliger Feminismus (gibt’s den?, steh mir bei!
P.S.: ich bin weiblich.