Blubb blubb, autoritäres Deutschland!

Der Bundestagswahlkampf tritt in die heiße Phase ein. Kann Angela Merkel ihren Kuschel-Wahlkampf durchhalten? Mit welchen Konsequenzen für das Ergebnis der CDU und die Identität dieser Partei? Gerade waren Landtagswahlen, bei denen die Wählerinnen und Wähler die CDU ganz schön gerupft haben. Verluste auf der ganzen Linie. Immerhin kann in Sachsen Merkels Wunschkoalition entstehen: Die FDP ist nämlich bei allen drei Wahlen, auch in Thüringen und im Saarland, erstarkt – allerdings auf Kosten der CDU-Stimmen. Wie heißt es so schön – Lagerwahlkampf? Ach nee, das bedeutet etwas anderes. Nicht Wettbewerb um Wählerstimmen im eigenen Lager, so wie CSU und FDP es ja schön zelebriert haben. Aber es ist ja ohnehin nicht gut bestellt um das schwarz-gelbe „Projekt“, wie es 2005 noch existierte. Im Grunde muss man mit der Lupe suchen, was die beiden Parteien da eigentlich Visionäres machen wollen nach der Wahl. Ja, eigentlich existiert da gar nichts. 

Und das andere Lager? Sonnt sich im politischen Erfolg. Alle können zufrieden sein. Heiko Maas verliert im Saarland Stimmen und ist trotzdem Wahlsieger, weil er Ministerpräsident werden kann. Christoph Matschie freut sich, dass seine Partei in Thüringen die gleiche Rolle spielt wie die Grünen im Saarland. Die Grünen freuen sich sowieso, weil sie in alle Parlamente reingewählt wurden, und die Linke hat ja ihren Sonnen-Oskar, der im Saarland aus dem Stand ein hochrespektables Ergebnis erzielte. Die Linke wird dort wohl mit Maas regieren, falls die Grünen mitmachen. Und in Thüringen gibt es Gezicke, weil Bodo Ramelow, dortselbst Wahlsieger, gern selbst Ministerpräsident werden würde – wer will es ihm verdenken -, die SPD aber sagt: Nicht unter der Linken.

Unterschied bemerkt? Nicht unter der Linken. Das klingt anders als das wohlbekannte und -verhasste „Niemals mit der Linken“ einer hessischen SPD-Spitzenkandidatin, die als erste den Tabubruch im Westen wagte und mit der Linken zusammenarbeiten wollte. Jetzt wird es dergleichen im Saarland wahrscheinlich in einer festen Koalition geben, und niemand regt sich auf. Heiko Maas hat diese Zusammenarbeit allerdings auch nie ausgeschlossen. Und Matschie? Wird er vielleicht doch unter Ramelow in die Regierungskiste steigen? Oder bevorzugt er eine große Koalition mit der thüringischen CDU, nachdem die ihren Althaus abgesägt hat? Jedenfalls sind zwei CDU-Alleinregierungen weg vom Fenster.

Das läuft also alles etwas anders, als Kuschel-Merkel es wohl geplant hat. Jetzt müsste sie eigentlich Dampf im Wahlkampfkessel machen, zumal ihr Gegenkandidat Frank-Walter Steinmeier sie gerade massiv herausgefordert hat. Doch sie argumentiert lieber – vielleicht mit dem Kalkül, sich nur keine Koalitionsoption für die Zeit nach der Wahl zu verbauen, nicht einmal die mit den Grünen? Für den Fall, dass es mit der FDP allein nicht reicht und keine große Koalition angestrebt werden soll? Dabei hatte man doch eigentlich den Eindruck, dass Merkel sich in der großen Koalition recht wohlgefühlt hat. Sie persönlich. Ihre Partei hingegen weniger.

Manfred Kirsch aus Neuwied meint, eine Neuauflage der großen Koalition wäre brandgefährlich für dieses Land:

„Ob sich das erwartete Ergebnis der Bundestagswahl nach den Landtagswahlen noch verändern wird, ist derzeit nicht einschätzbar. Mit Sicherheit wird jedoch der Wahlkampf an Schwung und Triebkraft gewinnen. Angela Merkel kann jetzt nicht mehr so leicht ihre wirklichen politischen Absichten nach der Bundestagswahl verschweigen und ihren sicher geglaubten Sieg erwarten.
Für die Sozialdemokraten ergeben sich auf Bundesebene leider keine neuen Koalitionsoptionen. Es wäre jedoch sowohl für die SPD als auch für das Land brandgefährlich, wenn die SPD weiterhin auf eine Neuauflage der großen Koalition hin operieren würde. Die von den Wählerinnen und Wählern in Thüringen und im Saarland ausgesendeten Signale sind eindeutig. Die Menschen dort wollen eine klare linke Reformalternative. Sie fürchten keine Linksregierungen, sondern sie wollen eindeutig das, wovor Strukturkonservative und Wirtschaftsliberale ständig warnen, nämlich linke Regierungen.
Auch ich will eindeutig eine linke Regierung, auch im Bund. Und das unter Führung der SPD. Sozialdemokraten und Linkspartei müssen  jedoch noch einige schwierige Aufgaben bewältigen. Die SPD muss nach der verheerenden Agenda-2010-Politik  ihre linke Identität wiederfinden, und die Linkspartei muss noch einigen Ballast abwerfen und in vielen Regionen des Landes Abschied von ihrer Rolle als Chaostruppe nehmen.“

„Fantastisch, was ein Genuss“, jubelt Eric Pade aus Frankfurt: „Was im Programm schon längst geschehen ist, kommt endlich im Bewusstsein der Bürger an: Die Linke beerbt die SPD, und was die SPD ist, weiß keiner so genau, nicht einmal die SPD selber. Genauso stirbt das reaktionäre autoritäre Milieu aus, das hier bis in die 70er indoktriniert wurde und das aus Neid auf die Jungen soziale Demokratie ablehnt. Die Sozialdemokratie ist das Modell für morgen, das Programm der Aufklärung selbst. Was von der CDU übriggeblieben ist, ist nichts als ein Haufen  ewiger Lobbyisten und ein Wählerkreis, der in den Altersheimen seinem Ende entgegensieht oder selber von einer asozialen Politik profitiert. Blubb, blubb, autoritäres Deutschland, willkommen Demokratie!“

Dieter Beck aus Köln:

„Was soll das Geeiere? Entweder die Partei „Die Linke“ ist eine verfassungsmäßige Partei, dann kann jeder mit dieser demokratisch gewählten Partei koalieren. Oder aber nicht, dann muss sie verboten werden. Die Rechten hätten gerne eine permanente Regierungshoheit, ob sie von der Mehrheit bestätigt ist oder nicht. Eine Tabuisierung der Linken nützt allein den Rechten. Die SPD soll sich nicht blenden lassen. Sie muss aber auch die Verantwortung dafür tragen, wenn die Wähler bei weiteren Wahlen, aufgehetzt von schäumenden Rechten in Gemeinschaft mit interessierten Presseorganen, sie abstrafen. Einen Versuch ist es wert. Man kann den Rechten nicht immerwährende Verwaltung unseres Staates zubilligen.“

Stefan Otto aus Rodgau erfindet gar ein neues Wort, um die Befindlichkeit zu beschreiben: Mimositäten der Wahlstrategen. Sein Leserbrief:

„Auch der Suppenkasper sagte stets: „Nein meine Suppe ess’ ich nicht.“ Eines Tages war er tot. Die Mimositäten der Wahlstrategen, Bodo Ramelow in Thüringen nicht zum Ministerpräsidenten wählen zu wollen, entbehren jeglicher politischer Tradition und sind mit der Geschichte des Suppenkaspers zu vergleichen. Wenn die Linke in Thüringen stärker als die SPD und die Grünen geworden ist, dann muss das doch irgendwie  an ihrer Überzeugungskraft  gelegen haben. Anders formuliert: Da haben SPD und Grüne eben nicht so gut überzeugt. Und jetzt darf man nicht so tun, als gäbe es die Linken nicht. Einer großen Koalition wurde durch das Wählervotum eine eindeutige Absage erteilt. Sie dennoch zu versuchen wäre Wahlbetrug.“

Klaus D. Richter aus Barsinghausen hat einen Hinweis:

„Es gibt keine Regel, wonach die stärkste Fraktion in einer Koalitionsregierung den Regierungschef stellen muss, also gibt es auch keinen Regelverstoß. Es steht in keiner Verfassung und es entspricht nicht der historischen Wirklichkeit in der Bundesrepublik. Die FR  sollte sich vielleicht mal die Zeit nehmen, die Landesregierungen der  Bundesrepublik in den letzten 60 Jahren anzuschauen, insbesondere Bayern, Südweststaat (Baden-Württemberg) und Niedersachsen. Ich selbst bin von 1955 bis 1959 in Niedersachsen von einer Landesregierung unter Heinrich Hellwege regiert worden. Hellwege war DP, drittstärkste Fraktion damals nach CDU und SPD. Seine Regierung hat dem Land und der Parteienlandschaft nicht geschadet, sie war auch nicht verfassungswidrig. Das ist eine Erfindung derjenigen, die sich zur Herrschaft berufen fühlen, und ihrer Hilfstruppen.“

Joachim Bovier aus Frankfurt:

„Angesichts der massiven Verluste der CDU bei den Landtagswahlen muss es der CDU endlich gelingen, die Stammwähler wieder zu mobilisieren. Mit einem Wahlkampf nach Art Frau Merkels, die sich alle Türen auch zur SPD offen hält und deren Aussagen zugunsten der FDP bestenfalls als Lippenbekenntnis taugen, wird das nicht gelingen. Wer bürgerliche Politik will, muss das auch deutlich formulieren. So wie die FDP das macht und damit ihre Stimmergebnisse verdoppelt. Die CDU hat immer entschlossen gegen jede Form des Sozialismus gekämpft, das war und ist der Kitt, der die Partei zusammenschweißt. Nicht umsonst waren die erfolgreichsten Wahlkämpfe diejenigen, in denen klar die Alternative gestellt wurde: Hier Freiheit, Demokratie und Recht, dort Sozialismus, Diktatur und Willkür. Das reicht von Adenauers „Alle Wege des Sozialismus führen nach Moskau“ bis zur Kampagne von Roland Koch gegen eine „rot-rote Volksfrontregierung“. Wer – wie die linksgestrickte Kanzlerin – diese Auseinandersetzung verweigert, positioniert die Union im Ungefähren, quasi als dritte sozialistische Partei, die niemand braucht. Auch klassisch-konservative Wähler könnten  zu Hause bleiben und der Links-CDU Merkels die Stimme verweigern.“

Jürgen Sieler aus Bad Breisig:

„Die Zeit von Lafontaine werde vorbeigehen, kommentierte SPD-Bundesvorsitzender Müntefering am Montag das Saar-Ergebnis. Die Zeit von Münte und seinem Kanzlerkandidaten Steinmeier ist bereits abgelaufen. Die desaströsen Ergebnisse in allen drei Ländern sowie auch bei den Kommunalwahlen in NRW  unterstreichen dies nachdrücklich. Sie beide sind die immer noch ganz vorne agierenden Sozialdemokraten, die ihrer Partei die Seele genommen, dafür gesorgt haben, dass die einst verbindlichen Prinzipien soziale Gerechtigkeit und soziale Verantwortung auf dem Altar des Neoliberalismus geopfert wurden. Die Wähler haben reagiert und werden sich am 27. September genauso ablehnend verhalten. Das ist sicher. Müntefering und Steinmeier lügen sich schlicht in die Tasche, wenn sie im Ausgang der Landtagswahlen zuversichtliche Siegeszeichen auf Bundesebene auszumachen glauben.
Wer jetzt immer noch Möglichkeiten von Regierungsbeteiligung oder gar Regierungsbildung auch nur diskutiert, der verkennt die Dramatik der Situation. Glaubwürdige Rehabilitierung wird dieser einst so stolzen und erfolgreichen Partei nur von den weniger komfortablen Oppositionsbänken aus gelingen. Den Kampf um die soziale Gerechtigkeit, engagiert und ehrlich geführt, wird nur eine runderneuerte SPD bestehen können – mit frischen, unbelasteten und dazu jungen Kräften.“

Und Bernfried Kleinsorge aus Egelsbach klagt:

„Rot-rot-grün ist als Option in der Realität angekommen und wird normal, und das hätte auch in Hessen schon so sein können. Stattdessen haben wir weiter Roland Koch. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie absurd das Gerede der Viererbande um Jürgen Walter zur  „Gewissensentscheidung“ gewesen ist – jetzt ist er endgültig erbracht.“

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7 Kommentare zu “Blubb blubb, autoritäres Deutschland!

  1. Ach Herr Bronski, was will mer da erzählen. Da im Regionalteil der FR-Leserzuschriften, da präsierts. Jetzt noch die FDP-Heinzel dazugepackt, die Verbrecher, die Oberbanditen, die Lüschemäuler… Schade daß hier so wenige aus dem Frankfurter Eck (Rhein-Main)sind. Wer ist dann Althaus?

  2. Matschie ist entweder ein genialer Stratege oder ein größenwahnsinniger Dilettant. Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich nah beieinander. Um politische Inhalte geht es allerdings nur am Rande.

  3. Was hat der unberechenbare, böse Wähler da wieder angestellt ?
    Im Saarland müssen die kleinen Grünen ihre Basis fragen – nach der BT-Wahl !
    Im schönen Thüringen will die 18% Partei als dritte Kraft sich durchsetzen mit : „Mit dem nicht – aber mit diesem auch nicht“.
    Politische Programme und deren Übereinstimmungen sind nicht gefragt.
    Freue mich schon jetzt auf das Ergebnis am 27. September!

  4. Zitat #3: Freue mich schon jetzt auf das Ergebnis am 27. September!

    Ich mich vor allem auf die Karikatur des Haus- und Hofzeichners der FR. Die letzte als Titel war wieder unschlagbar. 😀 Der Mann ist seit Jahren ein Highlight in der FR.

    Wie heißt der gute Mann denn?

  5. Lieber Bronski,

    ich verzweifle. auch in meiner kommune gibt es eine
    rot-rot-grüne mehrheit, wie in thüringen, wie in hessen, wie vielleicht auch im bund, aber was passiert?
    demokratische entscheidungen werden nicht respektiert,
    wahlen und demokratie zurechtinterpretiert. kein wunder, dass wir afganistan nicht von unserer überlegenen demokratiekultur überzeugen können. münte und steinmeier…ruhet in frieden. lasst der zukunft eine chance.
    johanna blume

  6. @ johanna blume

    Liebe Frau Blume, Demokratie ist ja kein Zustand, sondern ein Prozess, an dem immer wieder gearbeitet werden nuss. Gerade in kleinen Kommunen müsste doch eine direkte Mitwirkung möglich sein?

    Freundliche Grüße

  7. Wie Recht sie doch haben I. Werner.

    auf der Kundgebung in Biblis, wo RWE der Belegschaft „frei“ gab, um für die Atomkraft zu demonstrieren, rissen diese Anti-Atomkraftplakate nieder.

    mir persönlich gibt so etwas immer zu denken, Demokratie ja, aber nur…
    Ein Plakat reicht und schon hat die Demokratie verloren.

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