Zum elitären Statussymbol verkommen

Plagiatdebatte die dreihundertsiebenundvierzigste, Auftritt: Bundestagspräsident Norbert Lammert. Eigentlich die einzige Lichtgestalt in der CDU, da mitunter kritisch und schön kratzbürstig. Während die Uni Bochum die Plagiatsvorwürfe gegen ihn prüft, nehmen mehrere Wissenschaftler ihn in Schutz. Andererseits fällt ein Plagiatsexperte ein vernichtendes Urteil. Wir erleben ein Déjà-vu – zu Guttenberg, Koch-Mehrin, Schavan und jetzt der angesehene Bundestagspräsident … Die Vorwürfe wurden anonym erhoben, was den ersten Leserbriefautor zur Medienschelte veranlasst. Joachim Storck aus Kelsterbach meint:

„Es ist unerträglich, dass anonymen Denunzianten in der Presse derart Raum gegeben wird, ihrem Hobby nachzugehen. Für anonyme Anschuldigungen kann es nur einen Platz geben – und das ist der Papierkorb, gegebenenfalls eben auch der elektronische Papierkorb.“

Dagegen Dr. Peter Eckardt aus Goslar:

„Gibt es den Vorwurf, dass eine Doktorarbeit wissenschaftlich nicht rechtens verfasst wurde, dann ist es nicht von Belang, ob der Vorwurf anonym oder mit Namensangabe des „Plagiatsjägers“ erhoben wurde, sondern es ist allein von Belang, ob der Vorwurf berechtigt oder unberechtigt ist. Es ist auch ohne Belang, ob das Plagiat vor 40 Jahren oder erst letzte Woche angefertigt wurde. Es ist aber geradezu lächerlich, wenn einige Betroffene behaupten, die wissenschaftlichen Regeln seien früher anders als heute gewesen und die Verstöße aus heutiger Sicht – wenn überhaupt – nur „handwerkliche“ Fehler.
Es ist auch unerheblich, ob die Verstöße gegen wissenschaftliches Arbeiten absichtlich oder unabsichtlich geschehen sind. Verstoß ist Verstoß und muss geahndet werden, wenn denn schon die Gutachter der Doktorarbeit es nicht bemerkt haben.“

Rolf Rath aus Neuss:

„Der Plagiatismus greift um sich, und wieder einmal werden die falschen (nämlich moralischen) Fragen gestellt und die falschen (moralischen) Schlüsse gezogen! Wieso ist es überhaupt erforderlich, Dissertationen zu fälschen, zu plagiieren, abzukupfern? Weil die Systematik strukturell mindestens einen Doktortitel voraussetzt, um in Chefetagen, Think Tanks oder Parteien einen ansprechenden Posten zu bekommen.
Darum verkommt der Doktortitel zu nichts anderem als einem elitären Statussymbol, einer bloßen akademischen Insignie. Der Denkfabrik wird eine „Doktorfabrik“ vorgeschaltet, um die Voraussetzungen und den Zutritt zu geschlossenen Netzwerken und Organisationen zu ermöglichen. Dabei sagt eine erfolgreiche Dissertation oder ein Doktortitel nichts, aber auch gar nichts über die sozialen Fähigkeiten oder die kreative Intelligenz eines Menschen aus … Was im Übrigen die Reaktionen der Beschuldigten belegen.“

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7 Kommentare zu “Zum elitären Statussymbol verkommen

  1. Erst wenn ihr alle Datenbänke durchforstet,
    alle Suchmas der Welt ausgepresst,
    alle Comics verschlungen habt,
    werdet ihr feststellen,
    daß man Doktorarbeiten nicht lesen kann.

  2. Von dieser Bereitschaft lebten die Privatschulen. „Sie selbst nennen sich gern Schulen in freier Trägerschaft und provozieren den Eindruck, als sei öffentliche Schulträgerschaft unfrei“, schreibt der frühere niedersächsische SPD-Bildungsminister Rolf Wernstedt in seinem Vorwort. Bei den Privatschulen gebe es „gute und schlechte Schulen wie überall“, die immer wieder beschworenen Vorteile seien nur eine „behauptete Überlegenheit“. Für Wernstedt ist deshalb klar: Bedroht fühlen muss sich das öffentliche Schulwesen durch die private Konkurrenz eigentlich nicht – wenn die öffentlichen Bildungseinrichtungen für neue Unterrichtskonzepte offen sind.

  3. zu Rolf Rath

    „Darum verkommt der Doktortitel zu nichts anderem als einem elitären Statussymbol, einer bloßen akademischen Insignie.
    …,um die Voraussetzungen und den Zutritt zu den geschlossenen Netzwerken und Organisationen zu ermöglichen.“ So Rolf Rath.

    Diese etwas sehr eindimensionale Betrachtung wird jedoch all denjenigen, die ihren Doktortitel mit ehrlicher Arbeit und viel Fleiß erworben haben, in keiner Weise gerecht. Nur weil eine recht kleine Minderheit von Ehrgeizlingen und eiskalten Karrieristen ihre Doktorgrade mittels Plagiaten erschlichen haben, sollte man gerechtkeitshalber nicht alle Doktoranden in einen Topf schmeißen und vorverurteilen. Das ist zu simpel! Und vor allem ungerecht!

    Es ist schon bezeichnend für die sich abzeichnende Diskussion, dass ein promovierter Wissenschaftler in der Industrie berichtete, er sei doch allen Ernstes gefragt worden: „Und wo haben Sie abgeschrieben?“ So weit ist es bereits gekommen, alle und jeden unter einen Generalverdacht, Plagiator zu sein, zu stellen. Das sollte auch Herr Rath berücksichtigen. Nicht umsonst hatten sich mehrere tausend (ehrlich arbeitende)Doktoranden in einer Aktion an die Bundeskanzlerin gewandt, um auf ihre besondere Situation aufmerksam zu machen.

    Herr Dr. Peter Eckhardt ist beizupflichten. Es spielt keine Rolle, ob der Hinweis auf ein Plagiat anonym oder unter Preisgabe der eigenen Identität erfolgt. Es geht ausschließlich um den Sachverhalt. Liegt eine Plagiat vor oder nicht. Da der Doktorgrad auf Lebenszeit verliehen wird, kann es auch für Plagiatsvergehen keine Verjährung geben. Diebstahl geistigen Eigentums ist kein Kavaliersdelikt.

    Herrn Storck ist zu sagen, dass „anonyme Denunzianten“ Leute sind, die willentlich anderen Schaden zufügen wollen. Doch worin besteht der Schaden eines Plagiats? Wer hat das Plagiat zu verantworten? Der „Denunziant“? Oder etwa der Plagiator? Hat der „Denunziant“ das betrügerische Abschreiben zu verantworten oder der Betrüger, der als Plagiator abgeschrieben hat?
    Sollte der „Denunziant“ falsches Zeugnis abgelegt haben, so kommt das sofort ans Tageslicht. Wenn nicht, dann muss es Konsequenzen geben.
    Herr Storck sollte seine, ein wenig unüberlegten Äußerungen noch einmal überdenken. Es wurden hier nämlich Ursache und Wirkung in unzulässiger Weise verwechselt.

    Tippfehler werden nicht beantwortet.

  4. runeB hat es bereits angesprochen: Es ist beim Plagiatsvorwurf nicht sachdienlich, den Namen des Anzeigenden zu kennen, solange die Anzeige selbst die Daten enthält, sie zu überprüfen. Hier ist also zu unterscheiden von den Fällen, in denen die angezeigte Tat nur dann sinnvoll zu untersuchen ist, wenn der Anzeiger auch in der Rolle als Zeuge auftreten kann.

    Der einzige Grund, in diesem Fall die anonyme Anzeige zu verdammen, liegt im Schutz des Plagiators: Wer den Fall Guttenberg verfolgt hat, weiß, dass dieser Fall eigentlich ein Jahr früher hätte begonnen werden können. Da nämlich hatte ein Doktorand, der an diesem Thema arbeitete und Guttenberg zitieren wollte, bemerkt, dass da zu erheblichem Anteil Texte enthalten waren, die er zwar von woanders kannte, die aber nicht als Zitat gekennzeichnet waren. Im Gespräch hatte ihm sein Doktorvater abgeraten, das anzuzeigen, weil Guttenberg politisch bereits zu mächtig, ein Schaden für den Anzeigenden also zu erwarten war. Im Fall mächtiger Plagiatoren hat die Anonymität der Anzeige einfach die Funktion eines Zeugenschutzprogrammes.

  5. @ runeB,

    der „Generalverdacht“ kommt sehr sicher auch dadurch zustande, das die Masse der Menschen hierzulande weder versteht, noch offenbar verstehen kann oder will, was der Doktorgrad eigentlich aussagt.

    Eine entssprechend hochwertige Arbeit, ist kritisch gelesen durchaus selbsterklärend. Plagiate sind außerhalb jeder Diskussion und zu jedem Gebiet gibt es genügend Kenner der Materie die sehr genau erfassen ob es sich um selbst erarbeitete Resultate oder um bereits vorhanden Fakten handelt. Daher ist eine „Verjährung“ schon deshalb bei solchen Betrugsdelikten absurd, weil durch ein Plagiat nachgewiesen wurde das der Kandidat eben schon damals nicht in der Lage war in dem betreffenden Fachgebiet nach den „Regeln der Kunst“ selbstständig wissenschaftlich zu arbeiten.

    Aufgrund der undurchsichtigen Seilschaften im akademischen Bereich werden wir ohne „anonyme Denunzianten“ wohl leider nicht auskommen.

    KM

  6. @ Karl Müller #5
    „Daher ist eine “Verjährung” schon deshalb bei solchen Betrugsdelikten absurd, weil durch ein Plagiat nachgewiesen wurde das der Kandidat eben schon damals nicht in der Lage war in dem betreffenden Fachgebiet nach den “Regeln der Kunst” selbstständig wissenschaftlich zu arbeiten.“ (Karl Müller)

    Ihrem Fazit schließe ich mich ja gerne an, aber die Existenz eines Plagiats beweist nur, dass jemand nicht selbstständig nach den Regeln der Kunst wissenschaftlich gearbeitet hat, nicht, dass er es nicht konnte.

    Zur Verjährung noch ein anderer Gedanke, zu dem ein Jurist etwas sagen sollte: Es dürfte zu unterscheiden sein zwischen der Strafbarkeit einer betrügerischen Tat und denm Fortbestand Rechtmäßigkeit der Besitzverhältnisse der durch den Betrug erlangten Güter, hier dem Dr.-Titel. Dass ein Betrug nicht mehr belangt wird oder belangt werden kann, bedeutet für mich nicht zwangsläufig, dass sein Erfolg nach seiner Bekanntwerdung weiter fortdauert.

    Soweit zur formalen Logik, die idealerweise auch in der Rechtsprechung ihren Platz haben sollte.

  7. Dem Plagiator ist nicht automatisch zu unterstellen, nicht eigenständig wissenschaftlich arbeiten zu können, vielmehr ist davon auszugehen, dass er gar nicht eigenständig wissenschaftlich arbeiten wollte. Das ist das eigentlich Verwerfliche.

    Die Verjährung hat im Zivilrecht zur Folge, dass nach Ablauf einer vorgegebenen Frist der Verlust, einen bestehenden Anspruch durchzusetzen, bewirkt wird. Grund u.a. ist die Beweisbarkeit, die mit fortschreitender Zeit immer schwieriger bzw. unmöglich wird. Stichworte: Zeugenaussagen

    Der das Plagiat aufdeckende „Anonyme Denunziant“ hat jedoch gegen den Plagiator keinen bestehenden Anspruch auf Überprüfung des Plagiatsvorwurfs bzw.auf Entzug der Dr.-Titels.
    Wenn ein Anspruch auf Überprüfung bzw. auf Aberkennung des Dr.-Titels besteht, dann seitens der Universität bzw. des Fachbereichs, der den Titel verliehen hat.
    Die Verjährungsfrist beginnt allerdings erst zu laufen, ab dem Jahr, in dem derjenige, der einen Anspruch hat, Kenntnis von seinem Anspruch erlangt, also die Universität bzw. der betroffene Fachbereich.
    Der Grund, eine mit fortschreitender Zeit immer schwieriger werdende Beweisbarkeit anzunehmen, entfällt, da das Plagiat durch einfachen Textvergleich verschiedener Dokumente nachgewiesen werden kann und man nicht auf Zeugenaussagen angewiesen ist.

    Insofern wäre eine Verjährungslösung ein ungeeignetes Mittel der Rechtspflege.

    Der Plagiator begeht Diebstahl geistigen Eigentums, um sich einen akademischen Grad zu verschaffen. In der Absicht, sich dadurch einen Vorteil zu sichern, auf ausgesprochen unappetitliche Art und Weise.

    Es ist doch bezeichnend, dass – wie # 5 Frank Wohlgemuth ausgeführt hat – der Doktorand von seinem Doktorvater abgehalten wurde, den Plagiatsverdacht gegen Herrn Guttenberg publik werden zu lassen, weil dieser bereits zu mächtig sei.

    zu # 5 Karl Müller
    „Eine entsprechend hochwertige Arbeit, ist kritisch gelesen durchaus selbsterklärend“
    Leider ist das nicht ganz so einfach, es gibt nämlich ein Vertrauensverhältnis zwischen Doktorvater und Doktorand. Die Bezeichnung Doktorvater deutet auf ein Verhältnis Vater Sohn hin. Der Doktorvater wird seinen Doktoranden nicht unter einen Generalverdacht als Plagiator stellen. Das wäre auch in Anbetracht tausender ehrlich arbeitender Doktoranden in keiner Weise nicht berechtigt.
    Der Begriff „Anonymer Denunziant“ rückt denjenigen, der auf einen geistigen Diebstahl hinweist, in ein sehr schiefes Licht. Denn derjenige fügt dem Plagiator keinen unmittelbaren Schaden zu, er fordert lediglich die Universität zu einer Überprüfung von vorgelegten Beweismitteln auf.
    Er tritt nur als „Anonymer Plagiats-Berichterstatter“ auf. Und das ist keine Denunziation.

    Tippfehler dürfen die Leser behalten.

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