Jetzt ist es raus: Auch Andrea Ypsilanti kann nur mit Wasser kochen. Rot-grün hat einen Koalitionsvertrag ausgehandelt, der von den politischen Realitäten geprägt ist. Große Sprünge sind nicht möglich. Streitpunkt Frankfurter Flughafen: An den Betreiber ergeht die Aufforderung, mit den Bauarbeiten für die neue Startbahn noch ein Jahr zu warten; Rot-Grün will ein Nachtflugverbot erwirken. Ein „Wassercent“ soll eingeführt werden, den vor allem Kraftwerke für ihre Wassernutzung entrichten sollen. 40 Millionen Euro sollen zusätzlich für eine bessere Lehrerversorgung, kleinere Klassen und mehr Ganztagsschulen ausgegeben, zugleich müssen in den kommenden zwei Jahren 400 Millionen Euro im Landeshaushalt eingespart werden. Das klingt alles nicht gut. Zumindest ist es weit von dem entfernt, was politisch wünschenswert wäre. Schuld ist die Noch-Regierung von Roland Koch, die eine Haushaltslage hinterlässt, in der ein Loch von 1,5 Milliarden Euro klafft. Der Untergang des Abendlandes, wie Koch ihn beschreit, ist also vertagt. Ypsilanti wird erstmal einen Kassensturz machen müssen, wenn sie demnächst zur Ministerpräsidentin gewählt wird. Wenn!
Das aber ist noch lange nicht raus. Nicht wegen der sechs Stimmen der Linkspartei, die Ypsilanti für ihre Wahl benötigt, sondern wegen der eigenen Reihen. Ypsilanti hat es nämlich nicht geschafft, Jürgen Walter in die Regierung einzubinden, ihren parteiinternen Widersacher. Der verzichtet auf das Wirtschaftsressort, das um einige Kompetenzen beschnitten wurde; die kriegt der Umweltminister in spe, Grünenchef Tarek Al-Wazir. Damit ist der rechte Flügel des Hessen-SPD nicht in die Regierungsmannschaft eingebunden. Die „Netzwerker“ werden nichts zu sagen haben, sollen Ypsilantis Politik aber trotzdem unterstützen, zuerst mit der Wahl zur Ministerpräsidentin. Doch auch wenn Jürgen Walter sagt, er werde Ypsilanti natürlich wählen: Der Grat ist denkbar schmal. Nur eine einzige Stimme, die Ypsilanti verweigert wird, und das Projekt ist gescheitert. Und es brodelt in der hessischen SPD!
Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt ist dennoch optimistisch:
„‚Die Welt ist alles, was der Fall ist.‘ Mit diesen Worten leitete der Philosoph Wittgenstein seinen berühmten ‚Tractatus Logico-philosophicus‘ ein. In der ersten Novemberwoche könnte die Realität, also ein Element dessen, was der Fall ist, im hessischen Teil des Abendlands so aussehen: In Hessen regiert eine rot-grüne Koalition, die von der Linkspartei geduldet wird. Damit verändern sich die Verhältnisse im Bundesrat, wenn auch noch nicht entscheidend. Aber neue Realitäten bringen erfahrungsgemäß Mechanismen der Veränderung hervor. Auf der Agenda 2009 stehen das Saarland und der Bund.
Sollte es im Saarland zu einer rot-roten Koalition kommen, wird Müntefering zum zweiten Mal und diesmal endgültig die politische Arena verlassen, während sich Steinmeier, der geborene Diplomat ohne Eigenschaften, den neuen Verhältnissen anpassen wird. Das ist jedoch eine Mutmaßung und noch keine Realität.
Die Linkspartei, der sozialistische Königsmacher, repräsentiert sechs Prozent der bei der hessischen Landtagswahl abgegebenen Stimmen. Aus guten Gründen spielt in der Politik die Mitgliederzahl einer Partei keine Rolle. Entscheidend ist, wie viele Stimmbürger sie überzeugen kann. Und das ist Realität; es macht keinen Sinn, irgendwelche synthetischen Verhältnisse zu konstruieren. Ansonsten gilt auch in diesem Zusammenhang der abschließende Satz aus dem erwähnten Tractatus: ‚Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.'“
Rasmus Ph. Helt aus Hamburg meint zur Haltung der Bundes-SPD:
„Die Bärenruhe im Willy-Brandt-Haus ist richtig. Denn nicht die empörten konservativen Medien, sondern die Bevölkerung wird am Ende darüber entscheiden, ob das rot-rot-grüne Bündnis richtig war. Gelingt es Andrea Ypsilanti, ihren Laden zusammenzuhalten und die Akteure auf eine starke Sachpolitik einzuschwören, dann wird Roland Koch sehr schnell vergessen sein, es sei denn, er provoziert irgendwo anders einen neuen Skandal!“
Clemens Molinari aus Mainz rechnet mit Roland Koch ab:
„Eine tiefe Rezession steht bevor, und das bedeutet für die Finanzen von Stadt und Land nichts Gutes. Die Landesfinanzen sind in der Ära Koch ruiniert worden; wie gründlich, das überrascht sogar Kochs Kritiker. Dennoch wirft der im Glashaus Sitzende mit Steinen und spricht von Zukunftschancen, aber welche sind gemeint?
In diesen Zeiten rächt es sich, dass die Wirtschaftspolitik des ehemaligen Fraport-Aufsichtsrats Koch nur aus dem Punkt Flughafenausbau bestand und offenbar immer noch besteht, denn auch die Lufthansa fliegt in eine Sturmfront: Fluggastzahlen und Frachtaufkommen gehen deutlich zurück. Der offizielle Grund für den Ausbau ist die Kapazitätserweiterung, aber wer braucht sie noch? Wie soll der Ausbau finanziert werden, wenn die Kosten nicht durch einen starken Zuwachs beim operativen Gewinn gedeckt werden? Es sieht nicht danach aus, sondern nach einer milliardenschweren Fehlinvestition, deren Kosten ungebremst auf die Anteilseigner durchschlagen werden, überwiegend also auf den Steuerzahler. Das ist eine reale Gefahr.
Die Aussicht, zeitlich begrenzt mit einem nicht refinanzierten Bauprojekt Arbeitsplätze am Bau zu schaffen, trägt durchaus die Logik sozialistischer Planwirtschaft in sich. Es ist mehr als fahrlässig, auf so dünnem Eis stehend die Haushalte von Land und Stadt zu gefährden. Von der Landesverfassung ist die Übernahme milliardenschwerer Risiken für umstrittene Bauprojekte jedenfalls nicht gedeckt. Hoffen auf schönes Wetter und alte Prognosen der Flugwirtschaft sind, an dieser Anforderung gemessen, allenfalls Kaffeesatzleserei.“
Sachpolitik?
So richtig mit Maßnahmen, Lösungswegen und neutraler Erfolgskontrolle?
Diese Erwartung ist ja die Umkehrung des bisher üblichen Verhaltens der Landespolitik.
Zu schön um wahr zu sein, allein es fehlt der Glaube!
Gruß Karl
Wenn die beabsichtigte Wahl von Frau Ypsilanti auch durch den Sonderparteitag der Hessen-SPD geht, darf es keine Maulwürfe in der eigenen Fraktion mehr geben. Wem der Kurs nicht passt, rede jetzt – oder schweige für immer. Das gilt für Jürgen Walter wie für alle anderen konservativen Elemente in der SPD. Gegen Frau Metzger kann man sagen was man will. Sie hat ihre (als Aufsichtsrätin bei der HEAG durchaus verständliche) Position frühzeitig bekannt gemacht.
Durch den Schröderschen Neoliberalismus wurden schon zu viele Stammwähler vergrault. Die Linkspartei erfreut sich deren Zulaufs. Nur die konsequente Rückbesinnung auf die traditionellen Tugenden der SPD kann das Schiff wieder auf Kurs bringen. Und je eher der überalterte Kapitän Franz M. von Bord geht (und seine Hartz IV-Mannschaft mitnimmt), umso besser ist das. Für die Bundestagswahl ist es aber schon fast zu spät.
„Gründlich ruinierte Landesfinanzen“
Länderfinanzausgleich sagt Ihnen offenbar nix?!
Den Länderfinanzausgleich gabs schon vor dem Lügen-Koch. Also muss je wer für die zerrütteten Finanzen des Landes Hessen verantwortlich sein. Mitlerweile hats nämlich einen Aufschwung gegeben, der an dem Normalbürger allerdings vorbeigegangen ist. Sollte etwa derselbe Aufschwung auch am Land Hessen vrobeigegángen sein? Die FR hat da vor einigen Wochen eine schöne Karikaruer von Plaßmann veröffentlicht. Der Aufschwung wollte da nur tschüß sagen.