Derzeit wird in der EU wieder um die Verfassung gerangelt. Der Verfassungsprozess hat durch die deutsche Präsidentschaft und das Engagement des neuen französischen Staatspräsidenten Auftrieb erhalten, aber die Polen sperren sich. Hier ein m. E. sehr interessanter, subjektiver Beitrag über die polnischen Verhältnisse, die dazu führen, dass die Brüder Kaczynski für die Quadratwurzel sterben wollen.
Die Ratlosigkeit, die derzeit in der EU herrscht, ist direkte Folge polnischer Sturheit – und zugleich das Ergebnisse der Versäumnisse von Jahrzehnten, meint FR-Leser Dietrich Puchstein aus Kronberg:
„Über welchen geistigen Horizont europäische Politiker verfügen, zeigen die polnischen Zwillinge. Sie befinden sich in bester internationaler Gesellschaft, denn wer hat die heutige desolate „Verfassung“ der EU zu verantworten? In der Vergrößerungseuphorie hat man ein unregierbares Konglomerat geschaffen. Bereits 1963 haben sich die zwölf Länder dem Druck Außenstehender (USA) gebeugt. In den folgenden vier Jahrzehnten waren sie nicht in der Lage, ihre gemeinsamen Wertevorstellungen in einer Verfassung zu formulieren, die von allen Aufnahme fordernden Ländern hätte anerkannt werden müssen. Jetzt ist es ein Leichtes für einen George W. Bush, jederzeit einen Willigen (Polen) zu finden, um die Entwicklung der EU zu torpedieren.“
Günther Freiheit aus Tachthyrida (Kreta) klingt grundsätzlich noch skeptischer:
„Wenn die EU auf die Forderung der Polen eingeht, ist sie es nicht wert, eine eigene Verfassung zu erhalten. Man sollte sowieso vorsichtig sein, denn mit einer EU-Verfassung wird der Bürger noch mehr gegängelt, als es die nationalen Regierungen eh schon tun.“
Was wenn die Verfassung nun wieder scheitert? Dann ist es wohl vorbei mit der europäischen Einigung, oder?
@ Polen
Wie hat neulich ein kluger Mann gesagt:
„Man solle doch bitteschön Geduld haben mit Staaten, die bis vor noch nicht mal 20 Jahren unter dem Deckel der Sowjets leiden mussten und nun erst einmal ihre Souveränität „genießen“ wollten und nicht in der Masse Europa als reine Regionen nur noch kenntlich seien“!
@ Polen zum zweiten;
Ja, das wundert mich nun aber doch; außer mir hat sich wohl niemand für dieses Thema interessiert.
Aber sei`s drum, da auch heute die FR groß die nun immer mehr in das Zentrum der Polenbeurteilung, besser der Polenzwillinge, sogar als Aufmacher auf der Titelseite rückt mit:
„Europa zwischen zwei Polen“;
mag ja sein, dass diese beiden polnischen Brüder, ganz offensichtlich eineiige Zwillinge, an der Spitze Polens, eine ganz eigene Sicht der Dinge haben.
Aber ganz so abwegig ist ehrlich gesagt deren Forderung nach einer anderen Version der Stimmengewichtung als im „Europa-Verfassungsvertrag“ vorgesehen nicht. Dies ist zwar nicht unbedingt vergleichbar mit der Stimmengewichtung unserer Bundesländer im Bundesrat, aber auch da haben wir keine „lineare“ Gewichtung, sondern etwas was auch den kleineren Ländern höheres Gewicht gibt.
Denn ginge es „linear“ oder im strengen Verhältnis zur Bevölkerungszahl, dann hätte im Vergleich Bremen zu NRW, dieses 10 mal soviele Stimmen wie Bremen, und dies ist meines Wissens nicht so.
Ja, wird man mir nun sagen: „In Europa geht es nicht nur danach, sondern wir haben hier dann eine doppelte Mehrheitsfindung“!
Dies ist richtig, aber auch dabei sollte man den Vorschlag Polens mit der „Quadratwurzel“ nicht vordergründig verteufeln; auch hier sollte untersucht, abgewogen und vorurteilsoffen verhandelt werden. Klar, wenn sich jemand wie der Polnische Präsident hin-, bzw. vor die Weltpresse „stellt“ und ausführt:
„Für die Quadratwurzel lohnt es sich zu sterben“!
Dann bekommt das alles einen zwar patetischen oder sogar dramatischen Tatsch und wird damit zu einem Politikum, fast so wie „Krieg oder Frieden“, und das ist sicher schlimm, für ungetrübten Blick der anderen Europäer!
Aber rein mathematisch und auch machbar ist die Lösung mit der QW schon! mfg,hjs
Die Sache mit der Quadratwurzel ist doch schon bereits bei der Reform der “Frankfurter Kehrverordnung“ seitens der Jutta Ebeling gescheitert. Daraus hätten Lolek und Bolek (die Zwillinge) lernen sollen, dafür stirbt man nicht, man erhält eben ein anderes Ressort und wird Bürgermeisterin.
Nein nein, vorbei sein wird es nicht mit der EU. Man wird sich in kleinem Kreis zusammenfinden und tri- oder mehrlaterale Absprachen treffen und die Polen und andere außen vor lassen. Die können sich dann bei ihren amerikanischen Freunden beschweren, die mMn diese ganze Chose wohl irgendwie hintenrum eingefädelt haben, um einerseits dem “alten Europa“ mal wieder eins auszuwischen und zudem die „Radar und Raketenpolitik“ zu unterstützen und den Mantel des Schweigens über die CIA-Gefängnisse zu verstärken.
Zur FR 21.6.20007, S. 3. EU-Stimmgewichte.
Eigentlich ist es traurig, dass in der Diskussion eines Landes wie Deutschland fast nie zur Sprache kommt, dass nicht Polen stur auf einer absurden Methode (Quadratwurzelmethode) besteht, sondern dass diese Methode schon 1946 als Beitrag zur Ländergewichtung der UN von Lionel Penrose entwickelt wurde. Ein Ergebnis von Penrose war damals, dass eine proportionale Stimmgewichtung paradoxerweise gerade keine gleiche Gewichtung der Einwohner ergibt, sondern dass statistisch begründet die Quadratwurzelmethode deutlich gerechtere Ergebnisse liefert.
Polen hat mit seiner Argumentation also durchaus nicht nur egoistische, sondern auch sachliche Motive.
Nach meiner Rechnung (allerdings nicht nach der Infographik – wo der Fehler liegt ist mir nicht klar, ich finde jedoch in meiner Rechnung keinen!) nimmt sogar noch für Polen das Gewicht beim Übergang zur Quadratwurzelmethode noch ab. Ich benutze dabei die in der Spalte links angegebenen Bevölkerungszahlen:
Land: Gewicht Bevölkerung Gewicht (Quadratwurzel) Wurzel aus Bev.
Germany : 17.02 ( 82.40 Mio) 9.53 ( 9077.44)
France : 12.31 ( 59.60 Mio) 8.10 ( 7720.10)
United Kingdom : 12.25 ( 59.30 Mio) 8.08 ( 7700.65)
Italy : 11.83 ( 57.30 Mio) 7.95 ( 7569.68)
Spain : 8.59 ( 41.60 Mio) 6.77 ( 6449.81)
Poland : 7.89 ( 38.20 Mio) 6.49 ( 6180.61)
Romania : 4.50 ( 21.80 Mio) 4.90 ( 4669.05)
Netherlands : 3.35 ( 16.20 Mio) 4.23 ( 4024.92)
Greece : 2.27 ( 11.00 Mio) 3.48 ( 3316.62)
Portugal : 2.15 ( 10.40 Mio) 3.39 ( 3224.90)
Belgium : 2.15 ( 10.40 Mio) 3.39 ( 3224.90)
Czech Republic : 2.11 ( 10.20 Mio) 3.35 ( 3193.74)
Hungary : 2.09 ( 10.10 Mio) 3.34 ( 3178.05)
Sweden : 1.84 ( 8.90 Mio) 3.13 ( 2983.29)
Austria : 1.67 ( 8.10 Mio) 2.99 ( 2846.05)
Bulgaria : 1.63 ( 7.90 Mio) 2.95 ( 2810.69)
Denmark : 1.12 ( 5.40 Mio) 2.44 ( 2323.79)
Slovak Republic: 1.12 ( 5.40 Mio) 2.44 ( 2323.79)
Finland : 1.07 ( 5.20 Mio) 2.39 ( 2280.35)
Ireland : 0.83 ( 4.00 Mio) 2.10 ( 2000.00)
Lithuania : 0.72 ( 3.50 Mio) 1.96 ( 1870.83)
Latvia : 0.48 ( 2.30 Mio) 1.59 ( 1516.58)
Slovenia : 0.41 ( 2.00 Mio) 1.48 ( 1414.21)
Estonia : 0.29 ( 1.40 Mio) 1.24 ( 1183.22)
Cyprus : 0.14 ( 0.70 Mio) 0.88 ( 836.66)
Luxembourg : 0.10 ( 0.50 Mio) 0.74 ( 707.11)
Malta : 0.08 ( 0.40 Mio) 0.66 ( 632.46)
Summe : 100.00 ( 484.20 Mio) 100.00 ( 95259.51)
Mich beschlich in den letzten Tagen bei Berichten über den Quadratwurzelvorschlag Polens häufig ein Unbehagen. Erst in der gestrigen FR las ich, woher diese Idee eigentlich kam, und dass sie wohl gerechter als die doppelte Mehrheit sei. Dass darauf nur in dem Infokasten eingegangen wurde, aber nicht im Artikel selbst, fand ich sehr schade.
Auch die Schlagzeile »Europa zwischen zwei Polen« fand ich nicht so gelungen, schlägt sie doch in die gleiche Kerbe, wie die vielen Berichte und Kommentare, die Polens Vorschlag schon deshalb für ungeeignet halten, weil er aus Polen kommt.
In Rober Zureks Artikel in der heutigen FR fasst er mein Unbehagen in sehr passende Worte: Warum wird ein Vorschlag aus Polen mit solcher Häme überzogen, einer aus Großbritannien jedoch nicht?
@Taggarts letzte Frage:
Wer meint, für die Quadratwurzel lohne es zu sterben, kann nun mal nicht ernst genommen werden.
Und wer dann noch mit Gefallenen und Kriegstoten argumentiert um “mehr Gewicht“ zu erhalten, ist mMn völlig daneben. Sorry, aber das haben sich die Zwillinge nun selbst zuzuschreiben.
@Walthor„>@Walthor
Da haben Sie recht, Walthor, ohne Frage. Aber: die hämische Ablehnung stand m.E. schon vor diesen absurden Äußerungen im Raum.