Der hessische Ministerpräsident Roland Koch hat angekündigt, dass er sich noch in diesem Jahr von seinen Ämtern zurückziehen wolle. Am 11. Juni findet ein Landesparteitag der Hessen-CDU statt; da will er sich nicht zur Wiederwahl als Vorsitzender der Landes-CDU stellen. Den Posten als stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU wird er im November abgeben, wenn seine reguläre Amtszeit dort endet. Und in nächster Zeit wird er das Ministerpräsidentenamt abgeben, wahrscheinlich an den hessischen Innenminister Volker Bouffier, der allerdings gerade einen Untersuchungsausschuss am Hals hat. Die deutsche Politik verliert damit einen gewieften Machtpolitiker und geschickten Strategen, der es immer wieder schaffte, die Menschen zu polarisieren, und der auch vor populistischen Kampagnen nicht zurückschreckte.
Was macht so ein Vollblutpolitiker, wenn er nicht mehr Politik macht? Politik sei immer ein faszinierendes Element in seinem Leben gewesen, sagt Koch. Aber: „Politik ist nicht mein Leben“. Sein Ziel, eine langfristige bürgerliche Mehrheit in Hessen zu erhalten, habe er erreicht. Er will sich jetzt „im Bereich von Wirtschaft und unternehmerischen Entscheidungen betätigen“, wo er sich als selbstständiger Anwalt gut auskenne. Doch auch politisch wolle er sich weiter von der Seitenlinie aus zu Wort melden. Mit ihm geht Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Silke Lautenschläger.
Anm. Bronski: Zu diesem Thema laufen jetzt erst vereinzelt Leserbriefe ein. Ich eröffne diese Diskussion daher ausnahmsweise ohne Leserbriefe.
Es gibt auch an diesem Tag gute Nachrichten. Der Schuldenberg den H. Koch in Hessen angehäuft hat dürfte nur schwer zu toppen sein.
Der Rückzug von Roland Koch hat mich total überrascht. Er ist als hessischer Ministerpräsident ein Urgestein in der Regierung. Ich bin wirklich gespannt, wie sein Nachfolger die Lücke füllt, die er zweifellos hinterlassen wird. Man kann zu ihm stehen wie man will, auf jeden Fall ist er noch zu jung um sich zur Ruhe zu setzen. Wir werden sicher noch von ihm hören.
@ hans,
die Vergangenheit hat gezeigt, daß jeder Schuldenberg, der laut politischem Gegner schwer zu toppen wäre, ein wenig später ganz einfach zu toppen war…
Nicht nur klammheimliche Freude, offene Genugtuung dass dieser Arturo Ui verschwindet. Und gleichzeitig wie entlarvend für diese Schicht der Politik. Schmiere bis unter die Haarwurzeln. Jetzt hat auch diese Partei ihren Lafontaine.
Nur gut, dass es immer um Demokratie und die Menschen geht! Wie solche und alle anderen Figuren doch beliebig austauschbar sind. Welch eine miese Story, welch ein mieses Beispiel für die Jugend. Wie verkommen sind die sogenannten demokratischen Volksparteien, wenn über sie Lügner wie Kohl, Kanter, Koch in höchste Ämter gelangen können.
Zehn Jahre zu spät!
Zur Erinnerung: Anfang 2000 muss Roland Koch als hessischer Ministerpräsident eingestehen, in der CDU-Spendenaffäre gelogen zu haben. Schwarzgelder wurden von ihm als „jüdische Vermächtnisse“ benannt; Koch schrieb nahezu Sprachgeschichte, als er während des Spendenskandals von „brutalstmöglicher Aufklärung“ sprach. Auch ein Aufruf zahlreicher Professoren an den Universitäten Deutschlands, sie könnten den Studenten nach Kochs Auftritten wohl kaum mehr die gesetzlichen Normen in Form des „Rechts“ nahebringen, ließ ihn und seine Partei offensichtlich kalt. Anstatt der nun erfolgten „Nachrufe“ der CDU/CSU-„Oberen“ (Merkel, Gröhe,Schröder und Stoiber) schlage ich vor, 1 Tag Beflaggung in der Bundesrepublik anzuordnen. Seine letzten Worte am vergangenen Donnerstag im hessischen Landtag sprechen für sich: „Eine Sauerei“ sei es, wenn die Opposition seinem nunmehrigen Nachfolger Bouffier Vetternwirtschaft unterstelle.
Die CDU hat irgendetwas mit den postkommusistischen Partein des Ostblocks gemeinsam: Eine starre Führungsriege und der Mangel an Erneuerung. Spätestens jetzt hätte die CDU die Chance, sich von innen zu reformieren und sich einer breiten Wählerschaft zu öffnen. Doch Althergebrachtes – also jener überflüssige Konservatismus – hat obsiegt.
Es mag durchaus zutreffen, dass Volker Bouffier ein „alter“ Politiker ist,
der den Verwaltungs- und Politikalltag glänzend beherrscht. Doch wie sollen dersartige Strukturen jemals aufgelöst werden, wenn ständig die sogenannten „Erfahrenen“ dass bisherige nur fortsetzen. Ich sehe zumindest mit der anstehenden Personalentscheidung um
Volker bouffier für die CDU schwarz.
Wenn in vielen Kommentaren immer wieder erwähnt wird, dass Roland Koch als Stimme der finanzpolitischen Vernunft gilt, die ihn für eine Tätigkeit in der Wirtschaft qualifiziere, dann frage ich mich, wo bei 40 Milliarden Schulden in Hessen diese Vernunft gewaltet hat. Koch hinterlässt nicht weniger als ein Desaster im Haushalt, für das wir Hessen noch jahrelang zur Kasse gebeten werden. Koch hat das Land an den Punkt geführt, wo die finanziellen Zwänge des Schuldenabbaus künftig keine positiven Gestaltungsmöglichkeiten mehr zulassen. Erst den Haushalt mit Millionenausgaben für private Fachhochschulen, Flughäfen (Kassel, Umsiedlung Chemiewerk), Steuererleichterungen für Hoteliers, Verdoppelung der Schulbürokratie etc. an die Wand zu fahren und dann von der Fahne zu gehen zeugt von Schläue und Gerissenheit, aber nicht von Verantwortung und Integrität. Wer wird so jemanden vermissen?
R. Kochs selbst inszenierter Abgang von der politischen Bühne ist auch ein weiterer und sehr deutlicher Beweis für die allgemein beklagte Politikverdrossenheit, die in unserem Land herrscht. Anstatt sich in sinnlosen Spekulationen und Kommentaren über R. Kochs Motivation für seinen Schritt zu verlieren, sollten wir uns lieber Gedanken darüber machen, warum in unserer Demokratie das Gestalten auf politischer Ebene für Machtmenschen wie R. Koch weniger attraktiv zu sein scheint als Tätigkeiten in der freien Wirtschaft oder Finanzwelt. Die Schadenfreude und teils hämischen Kommentare, insbesondere aus dem linken Lager, kann ich nicht teilen, denn sie zeugen mitunter auch von engstirniger Kurzsichtigkeit. Für unser Staatswesen ist es nämlich besser, wenn Machtmenschen wie R. Koch, die es in jeder Gesellschaft nun einmal gibt, in einer vom Wähler abhängigen Politik agieren als dass sie im Verborgenen unkontrolliert in der freien Wirtschaft oder Finanzwelt ihre Strippen ziehen, was oftmals, wie bei der Finanzkrise, fatale Folgen für die Allgemeinheit nach sich ziehen kann.
Das einzig Bemerkenswerte an diesem Abgang:
„auf jeden Fall ist er noch zu jung um sich zur Ruhe zu setzen.“
zu @9 BvG
soll das eine Drohung sein?
Neinnein,
es soll ein arbeitmarktpolitischer Präzedenzfall sein.
Wenn Koch mit 52 noch zu jung für’s Ruhesetzen ist, dann sind es auch alle anderen.
Soll er sich mit auf den Weg nehmen, in die Wirtschaft…