Die Aufklärung der Missbrauchs-Verbrechen in der katholischen Kirche kommt nicht voran. Wohl auch, weil der Schutz der Kirche schwerer wiegt als das Leid der Opfer. Geradezu verräterisch war in diesem Zusammenhang eine Formulierung in einer Predigt des Kölner Erzbischofs und Kardinals Woelki, der sagte:
„Nachdem in einem Gerichtsprozess der Staatsanwalt die Anklageschrift vorgetragen hat, bittet der Angeklagte das Hohe Gericht und das Publikum für den Fall um Verzeihung, dass deren Gefühle durch die Anklage-Erhebung verletzt sein sollten.“
Er bat also um Verzeihung für die Verletzung der Gefühle durch die Erhebung der Anklage, nicht für die Missbrauchsfälle. Ganz schön hartleibig, oder? Keinerlei Mitgefühl, Herr Kardinal? Wie mag es im Seelenleben eines Menschen aussehen, der so etwas zu sagen imstande ist und sich dabei offenkundig auch noch im Recht fühlt?
Im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen hielt der Kardinal ein Gutachten geheim, was auch innerhalb der Kirche scharf kritisiert wurde, unter anderem vom Münchner Kardinal Reinhard Marx. Doch in der Erzdiözese Köln ging es rund. Jüngst setzte sich, was es noch nic gegeben hat, der Kölner Stadtdechant von Woelki ab. Gläubige müssen sich immer häufiger die Frage gefallen lassen, warum sie denn überhaupt noch Mitglied „in diesem Verein“ seien – eine Frage, die auch in den folgenden Forum-Beiträgen auftaucht.
Während Teile der katholischen Kirche – vor allem um Kardinal Marx – das Tabuthema „Kindesmissbrauch innerhalb der Kirche“ einigermaßen beherzt angefasst hatten, sind andere Teile immer noch dem alten Denken verhaftet, dass vor allem Schaden von der Kirche selbst abwenden will. Also wird vertuscht und unter den Teppich gekehrt. Dass das Leiden der Missbrauchsopfer damit nicht aus der Welt ist, versteht diese ultrakonservative Strömung innerhalb der Kirche offenbar nicht. Als habe sie noch nie von den Möglichkeiten heutiger Online-Netzwerke gehört, die solchen Opfern plötzlich zu Gehör und Reichweite verhelfen. Doch noch immer ist die Aufklärung und Ahndung dieser Verbrechen vor allem eine innerkirchliche Angelegenheit. Der Rechtsstaat duckt sich weg. Das kommt einem Kniefall vor der Kirche gleich, meint der Autor Helmut Ortner. Damit muss Schluss sein!
Die Institution Kirche hat Schuld auf sich geladen
Wie lange soll es noch dauern, bis sich die katholische Kirche endlich nicht nur in vollem Umfange zu dem bekennt, was geschehen ist, sondern den Opfern auch so begegnet, wie sie es erwarten dürfen? Wie lange soll es noch dauern, bis die Verantwortlichen Verantwortung übernehmen für das, was viele Einzelne, vor allem aber auch die Institution als System an Schuld auf sich geladen hat? Wie lange soll es noch dauern, bis die Täter und die, die sie gedeckt haben, beim Namen genannt werden, ungeachtet ihres Ranges und ihrer Macht? Und wann werden sie zur Rechenschaft gezogen?
Helmut Ortner bringt es auf den Punkt, wenn er der Kirche mafiose Strukturen bescheinigt. Was in der ‚Ndrangheta die Omertà ist, die Schweigepflicht ihrer Mitglieder, scheint in der Kirche das stillschweigende Einverständnis zu sein, die Täter zu schützen und nicht die Opfer. Dass die Mafia eine eigene Moral hat, ist bekannt. Die Kirche hat sogar zwei davon, eine als Fassade aus Nächstenliebe und Barmherzigkeit nach außen und eine nach innen, orientiert an Machterhalt, politischem Einfluss und Disziplinierung derer, die sich ihr noch immer zugehörig fühlen, bis in deren Privatestes und Intimstes hinein. Dieses System aus Ideologie, Hybris und Doppelmoral funktioniert seit zwei Jahrtausenden.
Sich der Mafia zu entziehen, ist schwer und lebensgefährlich. Sich der Kirche und ihrem kranken System zu entziehen, ist einfach. Der Austritt kostet 30,- € und die Mühe, sich einen Termin beim zuständigen Amtsgericht zu buchen. Es hat etwas sehr Befreiendes, diesen Schritt zu tun. Je mehr ihn tun, desto eher wird die Kirche sich fragen müssen, mit welchem Recht, mit welchem Anspruch sie noch eine Rolle in der Gesellschaft spielen will. Doch leider ist Optimismus unangebracht. Diese Kirche würde auch noch den allerletzten Gläubigen in erster Linie verwalten und gängeln wollen und wenn auch der gegangen ist, kreist sich endgültig selbstgefällig nur noch um sich selbst.
Stephan Steinhoff, Bonn
Tretet endlich aus und gut is’!
Ich kann das Gejammer über die katholische Kirche nicht mehr hören und lesen. Tretet doch endlich aus und gut is’! Wenn wir alle „Probleme“ so einfach lösen könnten…paradiesisch.
Detlef Kaiser, Butzbach
Schweigen und Verschweigen als typische Merkmale der Kirche
Missbrauch scheint ein Wesenszug der katholischen Kirche geworden zu sein, der sich in vielerlei Formen äußert. Diese systemische Violation, begleitet von Schweigen und Verschweigen, ist die zwangsläufige Folge einer zielgerichtet betriebenen Abhängigkeit der Gläubigen. Ihre ideologische Ursache ist die Unterwerfung vor dem geglaubten, aber nie wirklich reflektierten Gott. Sie führt zu einer Aneignung des Laien durch den Klerus, der sich seinerseits auf eine ebenfalls nicht verifizierte göttliche Erwählung beruft.
Der bis heute nicht bewältigte sexuelle Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen ist in den Medien regelmäßig präsent. Was sowohl mit Entsetzen über das Abscheuliche als auch mit Voyeurismus zu tun hat. Dabei wird jedoch anderes Unrecht leicht übersehen.
Ein Kollege machte mich unlängst aufmerksam auf den Orden der Missionare von Mariannhill, der 1882 in Durban, Südafrika, gegründet worden war und insbesondere in Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, tätig wurde. Auf der Homepage dieser mittlerweile international verbreiteten Gemeinschaft (https://www.mariannhill.de/) wird neben der Schilderung aktueller Projekte auch ein Blick in die Vergangenheit geworfen. Ein Pater des Ordens, Adalbert Balling, veröffentlichte 1963 ein Erinnerungsbuch, aus dem u.a. diese Passagen zitiert werden:
„Ein seltsames Land, dieses Südrhodesien! In den Großstädten herrscht Überzivilisation und Luxus, und dicht daneben lungern Hunderttausende von schwarzen Industriearbeitern in ihren schmutzigen Slums. Damit sind wir bei einem der schwierigsten Probleme des modernen Afrika angelangt: bei den von Stammestum und Heimatboden entwurzelten Stadtnegern und Industriearbeitern.“
Und an anderer Stelle: „Die Moral der Eingeborenen ist in den Massenunterkünften der Bergwerke und Großindustriezentren nicht allzu hoch. Hier liegen die Brutstätten der Rebellionen und Laster. Fern von den einheimischen Kraldörfern, fern von Familie und Sippe, führen die Schwarzen nicht selten ein liederliches Leben. Daneben sind kommunistische Agenten am Werk, die Eingeborenen aufzuhetzen. Die großen Rassenaufstände in Afrika haben in den Slums der Städte ihren Ausgang genommen.“
Schweigen und Verschweigen scheinen typische Eigenschaften der katholischen Kirche zu sein. So findet man bei Pater Balling kein Wort darüber, dass die Afrikaner von den Kolonialherren ausgebeutet wurden, dass diese ihnen Behelfsunterkünfte am Rand der Städte zumuteten, anstatt menschenwürdige Wohnungen für die Arbeiter und ihre Familien zu bauen. Die Slums waren und sind bis heute die Folge einer sozialen Deklassierung. Und das so bezeichnete Herumlungern ist das unübersehbare Zeichen für die von den Herrschern verordnete Nichtteilhabe am Leben. Es war und ist eine bewusste Erniedrigung und es war und ist Rassismus.
Sorge bereiteten den Missionaren offensichtlich vor allem die „kommunistischen Agenten“. Der Satan offenbart sich anscheinend im Sex (der Untertanen!), in Alkoholsucht und im Kommunismus, so könnte man es verkürzt nennen. Anderes Elend, das eigene moralische Versagen eingeschlossen, scheint der katholische Teil der christlichen Welt nicht zu kennen.
57 Jahre nach dem Erscheinen von Pater Ballings Schrift sieht der Orden der Mariannhiller Missionare immer noch keine Notwendigkeit, sich von solchem Ungeist zu distanzieren. Denn der zitierte Text steht weiterhin unkommentiert auf der Homepage. Als ich weiterblätterte, fiel mir ein Spendenaufruf besonderer Art auf:
„Mein Name ist Maxima Wübbeling, ich bin 9 Jahre alt und lebe mit meinem Bruder Philipp und meinen Eltern Christian und Barbara in Reken im Münsterland. Ich lebe, obwohl in meinem Kopf ein bösartiger Krebstumor ist. Ich bin der Uniklinik Münster und unserem Gesundheitssystem sehr dankbar, weiß aber auch, dass es mich in ganz vielen Ländern unserer Welt nicht mehr gäbe.
Ich möchte nicht nur dankbar sein, ich will anderen Kindern Hoffnung spenden. Deshalb haben meine Eltern Kontakt zu den Mariannhiller Missionaren aus Maria Veen aufgenommen. Sie unterstützen schon lange die Menschen in Ostafrika, und wir haben zusammen drei Projekte ausgewählt, die unsere Hilfe wirklich dringend brauchen.
Allein schaffe Ich das nicht, aber mit Eurer Hilfe können wir diesen Kindern Zukunft geben. Eure Spende geht zu 100 Prozent in die Projekte, ohne Verwaltungskosten.“
Als ich das las, war ich erschüttert. Erschüttert vom Schicksal des Mädchens. Und erschüttert darüber, dass ein katholischer Missionsorden eine krebskranke Neunjährige instrumentalisiert, um Spenden für seine Afrikamission einzuwerben. Hier wurde auf subtile Weise Abhängigkeit erzeugt und anschließend ausgenutzt. Für mich ist auch das eine Form von Missbrauch.
Denn ein Kind dieses Alters und in dieser gesundheitlichen Situation kann nicht selbstständig entscheiden. So enthält der Spendenaufruf Formulierungen, die einer Neunjährigen wenig geläufig bis unbekannt sein dürften. Seine Eltern mit Vornamen zu nennen, ist in katholischen Familien, die zumeist die weltliche Hierarchie wiedergeben, ungewöhnlich. Mit dem Begriff „Gesundheitssystem“ haben selbst etwas ältere Schwierigkeiten. Ebenso fällt die Umschreibung des Todes aus dem Rahmen: “… dass es mich in vielen Ländern der Welt nicht mehr gäbe“. Eine Neunjährige würde üblicherweise schreiben: „Wenn ich in Ostafrika leben würde und Krebs hätte, wäre es schwierig, ein Krankenhaus zu finden, dass mich behandeln könnte. Vielleicht wäre ich längst tot“ oder so ähnlich.
Auch der Satz “… mit Eurer Hilfe können wir diesen Kindern Zukunft geben…“ ist unglaubwürdig. So völlig uneigennützig war selbst der legendäre Jesus nicht.
Zudem verfügt Maxima über keinerlei Kriterien, anhand derer sie die Missionsarbeit der Mariannhiller bewerten könnte. Und von ihren Eltern hat sie nichts Aufschlussreiches erfahren. Beispielsweise: Wem wird geholfen? Und warum werden afrikanische Staaten aus ihrer Verpflichtung zur Daseinsvorsorge entlassen? Warum ist soziale Sicherung auf milde Gaben aus der übervollen Geldbörse der Wohlhabenden angewiesen? Es widerspricht auch aller Lebenserfahrung, dass die Eltern eines so schwer erkrankten Mädchens ihr Kind als Werbesymbol offerieren. Vorstellbar wäre, dass sie nach besonderen Behandlungsmethoden suchen, die in Deutschland nicht verfügbar sind und für deren Finanzierung sie um Spenden bitten.
Dieser Aufruf fügt sich nahtlos ein in ein falsch verstandenes Verständnis von Mission, gar von Entwicklungshilfe. Vielmehr ist er eine Fortsetzung des hinlänglich bekannten Kolonialismus im Gewand christlicher Scheinheiligkeit. Für so etwas gibt es keine Rechtfertigung; keine christliche, keine katholische, keine säkulare.
Der Schriftsteller Heinrich Böll, der ein praktizierender Katholik war, verfasste 1958 eine Kurzgeschichte („Brief an einen jungen Katholiken“), in welcher er der katholischen Militärseelsorge Geschichtsvergessenheit (hinsichtlich der Gräuel des NS-Regimes) und die Setzung falscher ethischer Prioritäten (Alkoholverbot, kein Sex vor der Ehe etc.) vorwarf. Und er resümierte: „Die Theologie verweigert uns das Wort, von dem wir leben, und ob wir am nächsten Tag noch Brot haben, ist ohnehin fraglich. Unser Brot müssen wir uns selbst backen und das Wort uns selbst bereiten.“
Seit vielen Jahren wird immer wieder über sexuellen Missbrauch in der Kirche berichtet. Konsequenzen? Keine.
Ich denke, es ist überfällig, der Kirche ihre Privilegien endlich zu entziehen.
Abschaffung der Kirchensteuer, die Gesetze müssen auch für die Kirche gelten, Schluss mit den Sonderregelungen.Kriminelle in Soutane gehören vor Gericht und wenn ihre Schuld rechtskräftig festgestellt wird, gehören auch diese Herrschaften in den Knast, wie jeder andere Verbrecher auch.
Es ist absurd, dass während der Pandemie Restaurant- und Theaterbesuche untersagt sind, die Kirchen jedoch geöffnet bleiben.
Mir ist es egal, an was Menschen glauben, das ist Privatsache. Aber diese Privatsache darf nicht mehr von Steuergeldern finanziert werden
Ich bin Atheist, halte Religion für Humbug. Aber bezahlen muss ich dafür!
Grauenhafte Verbrechen wurden von der Kirche begangen.
Millionen zu Tode gefolterte Menschen; hauptsächlich Frauen. Begangen von der „allerheiligsten katholischen Inquisition“ in den „Hexenprozessen“.
Die Einrichtung gibt es noch heute. Sie heisst jetzt „Kongration für Glaubensfragen“.
Einer der prominensten Vertreter war Herr Ratzinger, bekannter als Papst Benedikt.
Der Völkermord an den Indigenen in Südamerika wurde von ihm gelobt; schließlich wurde diesen Menschen durch die Konquistatoren die „Liebe des Herrn Jesus gebracht, nach der sie sich gesehnt hätten“. Und so könnte ich weiterschreiben.
Es ist bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar, dass die Institution katholische Kirche eine gewisse Zeit braucht, die schwerwiegenden Vorwürfe des Mißbrauchsskandals zu recherieren und angemessen darauf zu reagieren. Dieser Zeitpunkt ist allerdings schon lange verstrichen. Jede/r verantwortungsvolles Mitglied dieser Glaubensgemeinschaft trägt spätestens jetzt eine moralische Mitverantwortung für den Mißbrauch, wenn er/sie nicht unmittelbar seinen/ihren Austritt erklärt. Eine Glaubensgemeinschaft ist eine Wertegemeinschaft. Und diese Werte werden seit Jahren in der katholischen Kirche für jeden sichtbar mit Füßen getreten. Einem Verein, dessen Vorstand sich versündigt hat und der aus formalen Gründen nicht abgewählt werden könnte, kehrt man den Rücken und zahlt nicht weiter seine Beiträge, die das System weiter stützen. Es ist doch offensichtlich, dass Kardinal Woelki erst dann die Botschaft der Kirchenmitglieder:innen versteht, wenn der Dom leer bleibt. Als gläubiger Christ bin ich nicht auf eine Institution angewiesen, um meinen Glauben auszuführen und schon gar auf eine Glaubensgemeinschaft, die die christlichen Grundsätze ausgerechnet bei den Schwächsten und Hilfslosesten aufs Verwerflichste mißachtet. Hier wird der Kirchenaustritt zur moralischen Pflicht. Wie heißt es sch treffend in der Bibel: Alles hat seine Zeit. Und die Zeit zum Kirchaustritt ist da. Es kann ja auch mal wieder andere Zeiten geben.
Man lese und staune: Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki kann sich also durchaus vorstellen zurückzutreten, falls ein neu bestelltes zweites Gutachten ihm ein pflichtwidriges Verhalten attestiert. Hat er kein eigenes Verantwortungsbewusstsein? Wie steht es um seine Glaubwürdigkeit? Kann ihn letztlich erst ein von ihm in Auftrag gegebenes neues Gutachten davon überzeugen? Armer Erzbischof. Arme katholische Kirche!