Über den Tod eines Soldaten darf man nicht witzeln

Es kommt nicht oft vor, aber hin und wieder erreichen mich dennoch Leserbriefe zu den Werken des FR-Karikaturisten Thomas Plaßmann – der übrigens eine hübsche Website hat: hier. Zuspitzen kann er ja ganz wunderbar, doch nicht immer sind alle mit ihm d’accord. Wäre ja auch schlimm, wenn es anders wäre. Nehmen wir folgendes Werk, erschienen in der FR vom 7. Mai:

Dazu meint FR-Leser Dr. Thomas Bergeest aus Hamburg:

„Sehr geehrter Herr Plaßmann, seit Jahren freue ich mich täglich auf Ihre Karikaturen, sind sie doch stets aktuell am Geschehen, erfrischend respektlos und von Zeichnung und Colorierung unverwechselbar gut mit treffsicherem Witz im Text. Heute aber sind Sie entschieden zu weit gegangen. Über den tragischen Tod eines Soldaten darf man keine Witze machen. Der Text fällt aber auch Allem in den Rücken, was in den letzten Jahren als Konsens der demokratischen Parteien galt.
In Afganistan herrscht Krieg und Peter Struck hatte Recht. Dieser junge Soldat hat den Terrorismus bekämpft und geholfen die Welt ein Stück sicherer zu machen. Auch unser Leben hier und Ihre Freiheit Karikaturen zu veröffentlichen. Vielleicht denken Sie auch einmal an die Angehörigen und Kameraden des Gefallenen.
Man kann wohl der Ansicht sein, alles dort – Leid, Tod und Steuergelder – sei am Ende vergebens, aber darf man es öffentlich und in dieser Form äußern angesichts des Opfers? Ich denke unseren Soldaten fehlt vielmehr die öffentliche Anerkennung für ihr Tun.
Diese Jungs und auch Frauen natürlich im Dienst der BW halten, wenn auch freiwillig, ihren A…. hin für unser aller gutes Leben hier in Deutschland. Die Entsendung hat die Politik zu verantworten und damit wir als Volk insgesamt. Denen, die die Arbeit machen gehört der allergrößte Respekt.“

Ganz anders Dr. Ingeborg Gerlach aus Braunschweig:

„Die Karikatur (aufgebahrter toter Kamerad, stockende Leichenrede eines Vorgesetzten) deutet in dankenswerter Weise auf die sich langsam anbahnende Einsicht hin, dass der Afghanistan-Krieg „quasi so irgendwie für nix“ geführt, d.h. auf der ganzen Linie verloren wurde. Stellt man aber die Frage nach der Begründung dieses Krieges, so stößt man neben George W. Bushs vorgeschobenen Gründen auf geostrategische Fakten wie die Lage Afghanistans in Zentralasien, angrenzend an China, Iran und andere asiatische Staaten. Damals, 2001, bestand auch noch das Projekt einer zentralasiatischen Ölleitung, die durch das Land zum Persischen Golf hätte führen sollen. Dass deutsche Soldaten ihr Leben für Öl und andere Ressourcen riskieren müssen, ist schon im Weißbuch des Verteidigungsministeriums von 2006 nachzulesen. Es ist an der Zeit, dass Klartext über diesen Krieg geredet wird.“

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7 Kommentare zu “Über den Tod eines Soldaten darf man nicht witzeln

  1. Als „überzeugter“ Ex-Soldat kann ich leider Herrn Plassmann nur loben; hier bringt er die Problematik brilliant auf den Punkt!

    Da frage ich mich schon aus welchem Paralelluniversum (Irrenhaus?) dann solche Komnmentare oder Leserbriefe zustandekommen wie der von Herrn Dr. Bergeest.

    Denn es verhält sich doch gegenteilig, mit der Darstellung hat Herr Plassmann sich der Wirklichkeit weitestmöglich genähert und versucht so dem Leser Zugang zu den immer wieder schöngelogenen Einsatzumständen zu ermöglichen. Der Bote welcher auf die ganze Problematik hinweist gehört nicht geköpft sondern ausdrücklich belobigt!

    Und Menschen die den damaligen Einlassungen von Herrn Struck irgendwelchen Wahrheitsgehalt beimessen, ohne dies begründen zu können, brauchen nicht geköpft zu werden, denn diser teil des Körpers befindet sich offenkundig im Winterschlaf?

    Mein Respekt gilt den Kameradinne und Kamerade im aktiven Dienst, besonders den vor dem Feind geblieben!

    KM

  2. „Stellt man aber die Frage nach der Begründung dieses Krieges, so stößt man neben George W. Bushs vorgeschobenen Gründen auf geostrategische Fakten wie die Lage Afghanistans in Zentralasien, angrenzend an China, Iran und andere asiatische Staaten.“ (Dr. Ingeborg Gerlach)

    Das ist mit Sicherheit ein Teil der Wahrheit. Aber ich würde nicht unterschlagen, dass es tatsächlich einen Anschlag militärischen Ausmaßes gegeben hatte, dessen saudischer Auftraggeber in Afghanistan verortet werden konnte, und auf dessen Auslieferungsbegehren durch die USA Afghanistan feststellte, dass sich dieser Mann unter ihrem Schutz befände. Das war ein handfester Grund für den Einmarsch. Die Dummheit bestand darin, aus der russischen Erfahrung vorher nichts gelernt zu haben, obwohl man selbst an der Installation der Taliban, die die Russen letztendlich vertrieben hatten, beteiligt war – bin Laden war schließlich mit amerikanischem Auftrag in dem Land; Rambo III ist eine Verfilmung der dümmlichen Klischees zu dieser Aktion, in der die Taliban noch als Freiheitskämpfer auftreten.

    Was sie aus dieser Geschichte hätten lernen können, dass sie sich auf eine begrenzten Aktion hätten beschränken müssen, in der es nur darum gegangen wäre, Taliban zu zeigen, mit welchen Kosten ein weiterer Schutz bin Ladens verbunden wäre.

    Ein derartiger Einsatz hätte allerdings auch Entrüstungsstürme ausgelöst, wobei immer wieder gern vergessen wird, dass auch die Taliban im größten Teil Afghanistans gewaltsame Besetzer sind, und das mit einer Brutalität, gegen die sich die Maßnahmen der Nato als Kinderscherze ausnehmen. Die weit überwiegende Mehrzahl der Opfer auch bei der zivilen Bevölkerung Afghanistans sind Talibanofper. Wenn die Zivilbevölkerung diese „Gotteskrieger“ unterstützt, liegt das zum größten Teil daran, dass sie vor denen berechtigterweise mehr Angst haben.

    Die Karikatur ist übrigens keine Verhöhnung gefallener Soldaten, als die sie Dr. Thomas Bergeest offensichtlich wahrnimmt, sondern im Gegenteil ein Tritt in den Hintern unserer Politiker, die unsere Soldaten in einen nicht gewinnbaren Krieg geschickt haben, noch dazu, ohne ihnen die rechtliche (und Versorgungs-) Sicherheit zu geben, diesen Einmarsch und die Besetzung offiziell als Krieg zu erklären. Dass die Bundeswehrführung das in dieser Form mitmacht, betrachte ich übrigens als einen Verstoß gegen ihre Fürsorgepflicht gegenüber der kämpfenden Truppe. Und bei dieser militärischen Unentschiedenheit handelt es sich im Effekt eher um eine Terrorunterstützungsmaßnahme als um einen Kampf gegen den Terror. Dass das von einem Konsens im Bundestag getragen wird, spricht nicht gerade für unsere gewählten Vertreter. Dass unsere Soldaten da ziemlich sinnlos sterben, darf nicht nur gesagt werden, es muss sogar gesagt werden. Sterben wird nicht dadurch besser, dass man seine Sinnlosigkeit nicht erwähnt. Das ist eigentlich eine der kleinen Nebenerfahrungen, die „wir“ historisch mit den Ende des 2. Weltkrieges gemacht haben sollten, wobei ich zugeben muss, dass es auch da genau dieser Punkt war, der da wohl einigen hier Schwierigkeiten gemacht hat, denn „Diese Opfer können doch nicht völlig sinnlos gewesen sein!“ O-Ton meines Vaters, Jahrgang 1916).

  3. Die Infragestellung des Krieges muß auch mit Mitteln solcher Karikaturen möglich sein , soldatischer „Heldenmut“ darf auf keinen Fall unkritisierbar sein , die Einstellung zum Krieg geht uns alle an und ist keine Frage der persönlichen Pietät .

    Gleichzeitig aber wäre es wichtig , die tatsächlich in den Einsatz geschickten Soldaten nach ihrer Rückkehr anständig zu behandeln , wir sollten das anders machen als so manch anderes Land in der westlichen Hemisphäre , es ist beispielsweise unerträglich , wenn sich psychisch belastete Heimkehrer noch herumschlagen müssen mit der Bundeswehr , was die Anerkennung ihrer Problematik angeht.

    Es gibt Experten , die den Amoklauf eines Ex-Soldaten nicht mehr als eine Frage des ob , sondern nur noch als Frage der Zeit betrachten.

  4. Wie weit man schon vom Ziel abgekommen ist!

    Das Ziel jedes Krieges sollte sein, daß niemand zu Schaden kommt.

  5. Ach, Herr Dr. Thomas Bergeest, Sie sind wohl auch einer, der nicht hinterfragt, der den Konsens schluckt und wiederkäut, und ansonsten noch immer „dulce et decorum est pro patria mori“ an der Wand hängen hat. Kriegstheoretiker und Stammtischhelden in der Etappe hat’s schon im ersten Weltkrieg gegeben. Lesen Sie einfach noch mal in Remarques „Im Westen nicht Neues“ die Szene nach, in der Paul Bäumer während seines Urlaubs in der Heimatstadt sich angesichts solcher Leute nur noch ekelt und sich an die Front zurück wünscht. Und diejenigen, die 1918 auf dem Weg zurück aus dem Schützengräben an den Gräbern von 1914 vorbeikamen, sagten nur „Denen ist wohl, die da unten liegen.“ Die Überlebenden werden die Toten beneiden.

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a6/Zille_jarnich_dr%C3%BCber_nachdenken.jpg

    An Plaßmanns Karikatur kann ich nichts Witzelndes oder Witziges erkennen, das ist ein sarkastischer und schmerzlicher Kommentar, der mehr als jeder Wortschwall das immer neue alte Thema ausdrückt, wenn die Parteien im Konsens mal wieder Menschen in bewaffneten Konflikten verheizen – um des Vorteils einiger weniger willen, doch vordergründig wird das Interesse des Volkes herbeigelogen. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Ja, Karikatur darf das thematisieren, sie darf es auch so thematisieren.

    Als ich die Nachricht des damaligen Bundestags-Beschlusses einer deutschen militärischen Beteiligung am Afghanistan-Krieg samt den markigen Worten und Rechtfertigungsreden las, wußte ich nur eins: Sobald die ersten Zinksärge zurück kommen, werden sie alle nicht hindenken wollen, die das entschieden haben oder die das Lügenmärchen vom Freiheitskampf am Hindukusch wiederkäuen. Sie werden was von Heldenmut, Vaterland und Ehre hinsudeln, wie sie es immer schon getan haben, postum Orden verleihen, weinenden Kriegerwitwen und Halbwaisen mit schwerem Kopfnicken die Hand drücken und Schwamm drüber.

    Noch schlimmer geht’s denen, die traumatisiert nach Hause kommen, vielleicht noch mit abgefetzten Gliedmaßen. Denen wird ein „Alles was uns nicht umbringt, macht uns nur härter“ gesagt“, ebenfalls Schwamm drüber. Das Thema der Traumatisierten, der durch den Krieg zu Zombies gewordenen, wird vollends totgeschwiegen, denn die leben ja noch irgendwie und sind nicht plakativ und unübersehbar in einer Kiste in Deutschland gelandet.

    Haben Sie schon mal an diese Leute gedacht, Her Dr. Thomas Bergeest? Ich möchte jedenfalls nicht, nicht mehr, daß in meinem Namen Menschen dort verheizt werden, wo ich keine Interessen habe. Da kann ich Plaßmanns Karikatur nur begrüßen und gutheißen.

  6. „Ich möchte jedenfalls nicht, nicht mehr, daß in meinem Namen Menschen dort verheizt werden, wo ich keine Interessen habe.“

    Tja, da liegt der Hase im Pfeffer, denn welche Interessen sind das eventuell , die ein militärisches Auftreten rechtfertigen? Und ist es nicht die gewählte Regierung, die darüber entscheidet, wo wir welche Interessen haben?

    Aus meiner Sicht sollte die Bundeswehr eine reine Verteidigungsarmee sein, aber für die Erkenntnis, daß die Verfassung auch eine Verteidigung weit ausserhalb der Grenzen Deutschlands zuläßt, haben wir ja schon mal einen Präsidenten zurücktreten lassen.
    Realistisch gesehen haben wir aber eine Menge Interessen „da draussen“, da wir kein autarkes Land sind, und da es Umstände gibt, die ein Eingreifen notwendig machen.

    Man darf sich aber auch nicht in der Falle gefangennehmen lassen, daß die Trauer um den Einzelnen gleichzeitig zum Pfand dafür wird, sich mit dem ganzen Krieg einverstanden zu erklären.

  7. Auch ich finde Plassmanns Aussage und die der meisten Kommentare überzeugend. Mich (Jahrg. 22) erinnert die Diskussion über den Sinn militärischer Auslandseinsätze an die Zeit vor der Wiederbewaffnung. Damals wahren die meisten Menschen und fast alle Parteien überzeugt, dass es nie mehr deutsche Soldaten geben dürfe. Franz-Joseph Strauß meinte sinngemäß, „die Hand, die wieder ein Gewehr ergreift, solle verdorren“. Später war Adenauer gegen diese Sonderrolle Deutschlands, ich dafür,- und bin es heute noch. Sind wir vor dem Hintergrund unserer Geschichte nicht berechtigt, ja, verpflichtet, diese Sonderrolle einzunehmen, etwa für eine Entmilitarisierung internationaler Politik? Ist der Gedanke so abwegig, dass das Bedenken unserer Geschichte bei uns Lernprozesse in Gang gesetzt hat, die zu ganz neuen, von der Staatengemeinschaft nicht erwarteten Perspektiven führten? Etwa Deutschland als entmilitarisiertes Land in der Mitte Europas, als Land, das die bisher für das Militär verschwendeten Milliarden nun für Kindertagesstätten, Schulen,…, allgemein für zukunftssichere Arbeitsplätze verwendet. Man stelle sich die positive Signalwirkung einer solchen Zivilisierung der Politik auf die Menschen in der Staatengemeinschaft vor. Mein Traum, besser: Fernziel ist immer noch eine Bundesrepublik ohne Armee. Leider gibt es in unserer Regierung nur eine Partei, die dieses erstrebenswerte Ziel vertritt.

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