Der Bundesrechnungshof hat der Bundesagentur für Arbeit (BA) einem Bericht des „Spiegel“ zufolge „Fehlsteuerungen“ bei der Vermittlung von Arbeitslosen und „Manipulationen“ bei der Statistik vorgeworfen. Letzteres, werden Sie jetzt denken, ist nicht neu; die Arbeitslosenstatistik galt schon lange als geschönt, unter anderem weil Arbeitslose, die in „Maßnahmen“ gesteckt werden, aus der Statistik herausgerechnet werden. Das ist ein alter Hut. Man kann darüber streiten, ob man das als Manipulation werten möchten. Hier geht es jedoch um etwas anderes: Offenbar konzentrieren sich die Jobcenter auf Arbeitsuchende, die auch ohne Hilfe der Jobcenter wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten – auf leicht vermittelbare Arbeitskräfte also. Das ist natürlich gut für die Statistik. Um schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose dagegen kümmerten sich die Jobcenter in der Stichprobe, die der Rechnungshof nahm, sehr viel weniger – so wenig zum Teil, dass für 50 Prozent dieser Arbeitsuchenden über drei Monate hinweg kein „Stellensuchlauf“ durchgeführt worden ist. Mit dem Ergebnis, dass den Arbeitsuchenden natürlich keine ernsthaften Vermittlungsangebote gemacht wurden. Offenbar bekommen die Jobcenter Druck aus Nürnberg, unbedingt gute Zahlen vorzulegen.
Der Kunde ist König? Von wegen! Die FR-Leser haben Interessantes zu berichten. So schreibt mir beispielsweise Ralf Schummer-Hofmann aus Offenbach:
„Was erwartet man eigentlich von einem kompetenten Arbeitsvermittler? Doch dass er die Kompetenzen seiner Kunden/-innen kennt und dementsprechend ein Vermittlungsprofil erstellt, damit er möglicherweise eine passende Arbeit oder Ausbildung vermitteln kann. Dies um menschliche Ressourcen zu sparen bzw. sinnvoll einzusetzen und für alle Beteiligten (Gesellschaft/Staat und Betroffene) einen Gewinn zu erzielen.
Leider mussten wir bei der BA Offenbach hier eher gegenteilige Erfahrungen machen, welche die Vorwürfe des Bundesrechnungshofes in o.g. Artikel untermauern: Unser Schwiegersohn (33) stellte sich bei der BA vor mit Hochschulabschluss und einem anerkannten Bachelor in BWL, Fremdsprachenkenntnissen in Spanisch und Englisch und Deutschkenntnissen auf dem Niveau B1 des Europäischen Referenzrahmens. Da er aus einem anderen Kulturkreis kommt und von Deutschland schon viel Positives gehört hatte, ging er davon aus, dass die entsprechende Behörde alles tun würde, um ihm eine seinen Kompetenzen entsprechende Arbeit zu vermitteln.
Doch weit gefehlt. So landete er durch eine Zeitarbeitsfirma in drei Zeitarbeitjobs. Beim ersten musste er Verpackungen für Parfümflacons herstellen, beim zweiten musste er, der noch nie körperlich schwer gearbeitet hatte, Bahnschwellen herstellen und beim dritten sollte er auf Zeitdruck bei einem Paketversandservice Autos beladen. Leider ging dies soweit, dass er davon körperliche Beschwerden zurückbehalten hatte, so dass er arbeitsunfähig geschrieben werden musste. Nur durch eigene bzw. Familieninitiative und ohne jegliche Unterstützung von Seiten der BA Offenbach gelang es ihm schließlich, selbst einen angemessenen Ausbildungsplatz entsprechend seiner Kompetenzen zu finden.
Er und die ganze Familie haben dazugelernt. Nämlich genau das, was in o.g. Artikel über die Vermittlungstätigkeit der Bundesanstalt für Arbeit geschildert wird. Dass es ohne Rücksicht auf die Gesundheit, geschweige denn die Kompetenzen der Betroffenen nur um das Bereinigen der Statistiken geht. Es bleibt bemerkenswert, dass ausgerechnet der Bundesrechnungshof auf das aufmerksam machen musste, was die meisten Menschen im Lande schon immer geahnt hatten! Schade eigentlich. Denn das wird unser Schwiegersohn nun natürlich in seinem Heimatland auch so erzählen: Dass eben in unserem reichen Lande auch nicht alles Gold ist, was durch die Statistik glänzt.“
Wolfgang Aland aus Willingshausen :
„In meiner über 20-jährigen Tätigkeit als Sozialarbeiter für sozial benachteiligte Erwachsene habe ich noch nie erlebt, dass jemand vom Jobcenter erfolgreich in einen regulären Job vermittelt wurde. Die Jobcenter scheinen nur Jobs bei Zeitarbeitsfirmen (7,50 Euro Stundenlohn brutto) oder sinnfreie Bewerbungstrainings zur Verfügung zu haben.
Einem arbeitslosen Zierpflanzengärtner, der eine Weiterbildung im Landschaftsgartenbau machen wollte, um seine Berufsaussichten zu verbessern, wurde eine Maßnahme zur Erlangung des Gabelstaplerscheins angeboten. Einer arbeitslosen Sozialpädagogin, die eine Fortbildung in Gesprächsführung für notwendig erachtete, wurde beschieden: „So was gibt’s hier nicht!“ Sie musste erst eine Gerichtsentscheidung herbeiführen, durch die das Jobcenter gezwungen wurde die Maßnahme zu finanzieren. Danach fand sie selbstständig recht schnell eine neue Stelle. Ein Mann der sich selbst ein Praktikum gesucht und bereits angetreten hatte, wollte dies nachträglich vom Jobcenter genehmigen lassen. Er wurde unter Androhung von Sperrung des Arbeitslosengeldes gezwungen, diesen Platz wieder aufzugeben, da er ja nicht durch die Behörde vermittelt wurde.
Ein langzeitarbeitsloser Kfz-Mechaniker, dessen Ausbildung mehr als 20 Jahre zurücklag, wollte eine Weiterbildungsmaßnahme beantragen. Er wurde bereits mündlich abgewiesen, obwohl er sämtliche Voraussetzungen erfüllte. Ein Analphabet, der noch nie gearbeitet hatte, musste ein Bewerbungstraining absolvieren. Erst nach drei Tagen wurde bemerkt, dass er nicht lesen und schreiben konnte. Ein arbeitsloser Computerexperte der früher selbst bei einem Bildungsträger unterrichtet hatte, sollte vor den Augen der Jobvermittlerin eine schriftliche Bewerbung formulieren. Nach seiner Weigerung erhielt er eine Sperre des Arbeitslosengeldes und war sechs Monate ohne Einkommen.
Man gewinnt den Eindruck, dass die Mitarbeiter der Jobcenter schlecht ausgebildet und nicht in der Lage sind, die sozialen und psychischen Probleme mancher Arbeitslosen zu erkennen oder gar zu bearbeiten. Die Hemmnisse zur Aufnahme einer Arbeit werden nicht erkannt. Die Mitarbeiter scheinen außerdem selbst massiv unter Druck zu stehen. Erfolgreiche Arbeitsvermittlung geht anders.“
Brigitte Kleinod aus Waldems:
„Bereits vor 30 Jahren wurden die Zahlen gefälscht! So wurde in meiner Abteilung eine Vertretungsvermittlung für Apotheker angeboten. Die Herren fuhren ins Wochenende und die Arbeitsagentur organisierte ihnen umsonst eine approbierte Vertretung dafür. Jede „Vermittlung“ eines arbeitslos gemeldeten Apothekers ging dann in die Statistik ein, auch wenn es nur für einen Nachtdienst war. So stand die Abteilung statistisch gesehen richtig gut da. Auf meinen Hinweis, dass ich das für Betrug halte, zuckte der Abteilungsleiter nur mit den Schultern.“
In Zeiten in denen alles ist nur kein Arbeitskräftemangel, in fast allen Bereichen, sollte man auch keine Wunder erwarten. Es wird zwar durch die Politik etwas anderes vorgegaukelt und deshalb werden Erwartungen geweckt die nicht eingehalten werden können. Wenn Fachkräfte fehlen sollte man mit Qualifikation die Arbeitslosigkeit senken können. Das ist aber nicht so. Es fehlen keine Fachkräfte zumindest derzeit.