In eigener Sache: Freiheit nicht antasten

In der Frankfurter Rundschau sollte eine Recherche des Ippen-Investigativ-Teams erscheinen: Es geht um Vorwürfe wie Machtmissbrauch im Umgang mit Frauen und weitere Missstände bei Axel Springer SE. Im Mittelpunkt steht „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt. Verleger Dirk Ippen untersagte dem Investigativ-Team die Veröffentlichung. Die FR hätte den Text gern gedruckt und würde dies auch weiterhin tun.
Wir, die Redaktion der Frankfurter Rundschau, halten fest: Das Verbot widerspricht allen Regeln der unabhängigen Berichterstattung. Die Entscheidung verletzt den Grundsatz der Trennung von Redaktion und Verlag.
Wir unterstützen den Protestbrief des Investigativ-Teams an Verleger Dirk Ippen. Redaktionelle Unabhängigkeit ist die unabdingbare Grundlage für Qualitätsjournalismus, Vertrauen ist ihr wertvollstes Gut. Dieses darf niemals verletzt werden.
Das Investigativ-Team nennt es seine Aufgabe, „die Öffentlichkeit über Missstände zu informieren und damit zu einem gesellschaftlichen und politischen Willensbildungsprozess beizutragen“. Diesem Anspruch sind auch wir uneingeschränkt verpflichtet – vor allem gegenüber Ihnen, den Leserinnen und Lesern.
Wir fordern unseren Verleger auf, die redaktionelle Unabhängigkeit nicht anzutasten.

Die Redaktion der FR

Hier gibt es die Seite 1 der FR vom 19.10.21 als pdf-Dokument.

Balken 4Dazu brachte die FR auf Seite 5 derselben Ausgabe diesen Artikel:

Bericht in der FR verhindert

Verleger Dirk Ippen hat die Veröffentlichung einer Recherche des Ippen-Investigativ-Teams über möglichen Machtmissbrauch im Verlagshaus Axel Springer verhindert. Während das Investigativ-Team ausschließlich auf Onlineportalen publiziert, druckt die FR – oft als einzige Zeitung in der Ippen-Gruppe – die Texte auf Papier. Auch diese rechtlich geprüfte Recherche hätte die FR gerne veröffentlicht.
Die Entscheidung gegen die Veröffentlichung sei den Redaktionsleiterinnen und -leitern im Unternehmen vom Chefredakteur der Ippen-Digital-Zentralredaktion, Markus Knall, mitgeteilt worden, heißt es in einem Protestbrief des Teams von Ippen Investigativ. Die Berichterstattung zum Umgang mit Mitarbeiterinnen insbesondere durch den „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt und zu weiteren Missständen bei Axel Springer war online für den Sonntag und die Montagsausgabe der FR geplant.
Das Rechercheteam sei „schockiert von dieser Entscheidung“, heißt es in dem Protestbrief, dem sich die Redaktion der FR vollständig anschließt (Erklärung auf Seite 1 dieser Ausgabe). Die Recherche sei redaktionell und juristisch über Monate abgestimmt worden, so der Brief weiter. Die Journalistinnen und Journalisten hätten „nach allen Standards der investigativen Recherche gearbeitet und wasserdichte, zur Veröffentlichung geeignete, neue und exklusive Informationen recherchiert“. Die Entscheidung des Verlegers Dirk Ippen widerspreche „allen Regeln der unabhängigen Berichterstattung“ und sei „eine absolute Verletzung des Grundsatzes der Trennung von Redaktion und Verlag. Wir fühlen uns dadurch in unserer Arbeit als Investigativ-Team beschnitten“.
In dem Protestbrief heißt es weiter: „Unsere Recherche-Ergebnisse deuten auf Missstände und Machtmissbrauch im Hause Axel Springer und durch den mächtigsten Chefredakteur Deutschlands hin. An diesen Recherche-Ergebnissen besteht ohne jeden Zweifel ein hohes öffentliches Interesse.“ Die Entscheidung gegen die Veröffentlichung „bedeutet für uns einen Vertrauensbruch in der Zusammenarbeit zwischen dem Investigativ-Team und dem Verlag. Wir sind von dieser Entscheidung zutiefst enttäuscht.“
Dirk Ippen selbst äußerte sich am Montag im Gespräch mit dem Fachportal „Meedia“ zu den Vorwürfen gegen ihn: „Es gehört für mich zu den ältesten Grundsätzen des Journalismus, dass bei Berichten über Wettbewerber auch der Anschein vermieden werden muss, es könnten neben publizistischen auch wirtschaftliche Motive hinter einer Kritik am Wettbewerber stehen“, sagte er dem Mediendienst und fügt hinzu: „Im vorliegenden Fall gilt das ganz besonders, weil es nicht allgemein um das Haus Springer, sondern speziell um die mit der ‚TZ‘ im täglichen Wettbewerb stehende ‚Bild‘-Redaktion geht.“
Dafür wirbt er jetzt bei dem Investigativ-Team für Verständnis. Wörtlich sagt er: „Ich bin mit dem ‚BuzzFeed‘-Team im Kontakt und hoffe natürlich, dort Verständnis zu finden für unsere Haltung.“ Die Mediengruppe Ippen, zu der auch die FR gehört, betonte: Es sei keine leichte oder schnelle Entscheidung gewesen, und „es gab eine intensive Diskussion. Am Ende ist es aber klar das Recht eines Verlegers, Richtlinien für seine Medien vorzugeben.“
Kritik an dem Vorgehen von Dirk Ippen kam vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV). „Sollten die Vorwürfe des Ippen-Investigativ-Teams zutreffen, dass Herr Ippen persönlich die Berichterstattung verhindert hat, dann wäre das ein massiver Eingriff in die redaktionelle Unabhängigkeit und die innere Pressefreiheit der Redaktion bei der Ippen-Gruppe“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall: „Ein solcher Eingriff nach Gutsherrenart wäre völlig inakzeptabel.“ Verleger:innen dürften sich grundsätzlich nicht in redaktionelle Entscheidungen einmischen.
Auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (DJU) in Verdi kritisiert die Entscheidung der Ippen-Verlagsgruppe. „Ein solches Vorgehen ist unerhört und stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit dar“, sagte die Bundesvorsitzende der DJU in Verdi, Tina Groll.

FR/epd/dpa

Hier gibt es die Seite 5 der FR vom 19.10.21 als pdf-Dokument.

Balken 4Inzwischen hat der Springer-Verlag „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt „mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden“.

Das Ippen-Investigativ-Team im Interview mit Valerie Eiseler und Viktor Funk: „Machtmissbrauch bei ‚Bild‘: Das Ippen-Rechercheteam berichtet

Chefredakteur Markus Knall von Ippen Digital nimmt Stellung und bittet die Betroffenen um Entschuldigung

Im FR-Forum wurden eine Reihe von Zuschriften von Leserinnen und Lesern veröffentlicht (wie auch hier im FR-Blog), die in pdf-Dokumenten online zur Verfügung stehen: vom 21. Oktober, vom 22. Oktober …

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Liebe Leserinnen und Leser,

in unzähligen Zuschriften haben Sie uns den Rücken gestärkt und unseren Protest gegen den Eingriff in die journalistische Unabhängigkeit unterstützt. Eine erste Auswahl der Reaktionen lesen Sie heute auf unserem Forum (Seite 32).
Inzwischen hat Verleger Dirk Ippen sein Veto gegen die Veröffentlichung der Recherchen von Ippen Investigativ zu den Vorwürfen gegen Julian Reichelt und Axel Springer SE zurückgenommen. Der Schaden ist jedoch angerichtet, der Text wird in seiner ursprünglichen Form nicht mehr erscheinen. Die Causa Reichelt hat aber viel bewegt. In Deutschland beginnt eine neue #MeToo-Debatte. Zudem hat mit der Freistellung von Julian Reichelt ein bis dahin scheinbar unangreifbarer „Bild“-Journalist seine Machtposition verloren.
Springer-Chef Mathias Döpfner bestätigte am Mittwoch in einem Video an die Springer-Mitarbeitenden, dass die unveröffentlichten Recherchen des Teams um Juliane Löffler von Ippen Investigativ berechtigt waren. Döpfner versuchte in seiner Ansprache, das Ausmaß des sexuellen Machtmissbrauchs bei „Bild“ und durch den Ex-Chef Reichelt herunterzuspielen. Gleichzeitig bestätigte er, dass ein neuer Fall aufgedeckt wurde. Julian Reichelt habe diese zugegeben, was zur Trennung geführt habe.
Markus Knall, Chefredakteur von Ippen Digital, dem auch das Team von Ippen Investigativ zugeordnet ist, hat sich inzwischen öffentlich bei den betroffenen Frauen dafür entschuldigt, dass die Recherche nicht erschienen ist. „Wir haben zugesagt, unter Wahrung der Anonymität, über ihre persönlichen Schicksale zu berichten. Dieses Versprechen konnten wir nicht einlösen. Das bedauere ich zutiefst.“
Vertrauen ist das wertvollste Gut für Qualitätsjournalismus. Ihre Frankfurter Rundschau wird stets dafür kämpfen.

Die Redaktion der FR

Hier gibt es die Seite 1 der FR vom 21.10.21 als pdf-Dokument.

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29 Kommentare zu “In eigener Sache: Freiheit nicht antasten

  1. Die Solidarität mit der Redaktion der FR sollte eigentlich selbstverständlich sein. Insbesondere, da die Begründung von Herrn Ippen alles andere als glaubwürdig erscheint.

  2. Chapeau! Begeistert las ich Ihre Stellungnahme und ebenso begeistert las ich den offenen Brief Ihres Investigativ-Teams, den Jan Böhmermann auf seinem Social-Media-Kanal verbreitet hat. Und ich war stolz, Leser der Rundschau zu sein!
    Berichte mit scharfer Feder, die investigativ Dinge aufklären und einem breiten Publikum öffentlich machen, werden immer gewollt – sie bringen Reichweite und Verkaufszahlen. Das ist das, was Verleger:innen interessiert. Die Leser:innenschaft interessiert aber der Inhalt. Und den Inhalt wollen Sie präsentieren. Und daran werden Sie gehindert – von einem Verleger, der seine Machtposition ausübt, um eine sachliche und offenbar lang recherchierte und juristisch wasserdichte Berichterstattung zu verhindern. Warum auch immer? Auch das interessiert die Leser:innenschaft. Warum beschränkt Herr Dr. Ippen Ihre journalistische Arbeit, Ihren Job, Ihre Leidenschaft? Und warum wird überhaupt ein Investigativ-Team finanziert, wenn es am Ende des Tages doch nicht alles herausfinden und veröffentlichen darf?
    Nichtsdestotrotz erfüllen Sie Ihren Auftrag hervorragend. Sie zeigen mit Rückgrat, was journalistische Arbeit bedeutet. Und Sie machen Missstände deutlich – wie es investigativer Journalismus tun soll. Und mit großem Respekt erkenne ich, dass Sie auch Missstände im eigenen Verlag nicht aussparen.

  3. Als langjährige Abonnentin (seit 40 Jahren) habe ich schon einige Wechsel in Redaktion und Verlag der FR miterlebt und jedesmal um die Unabhängigkeit und Qualität dieser Zeitung gefürchtet. Erfreulicherweise umsonst. Wenn nun ein Verleger, Herr Dirk Ippen, höchstpersönlich und selbstherrlich entscheidet, was in der FR erscheinen darf, kann oder soll, ist mein Vertrauen in die redaktionelle Unabhängigkeit, Seriösität und „Wahrhaftigkeit“ – nach bestem Wissen und Gewissen der Redaktion – sehr erschüttert. Die von Ihnen zitierten Erklärungsversuche des Verlegers würde ich in der Alltagssprache mit „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ oder eventuell auch „Eine Hand wäscht die andere“ übersetzen. Wenn so as in der FR Schule macht, kann ich auf eine überregionale Zeitung verzichten und nur noch auf die örtlichen „Käseblättchen“ zurückgreifen.
    Ich hoffe, Sie dürfen Ihre Leserinnen und Leser wenigstens weiterhin über der Verlauf dieses Verlags-Skandals informieren und die Redaktion kann ihre Unabhängigkeit verteidigen.

  4. An das Redaktionsteam der Frankfurter Rundschau, ich bin seit über 40 Jahren treuer Leser der Frankfurter Rundschau und kann das ganze Redaktionsteam darin nur unterstützen, immer unabhängig vom Verleger zu recherchieren und zu veröffentlichen. Ich finde das Verhalten von Herrn Ippen gegenüber dem Investigativ-eam völlig in akzeptabel.

  5. Mit Ihrem Protest auf der Titelseite der FR gegen den eigenen Verleger, der den geplanten, vom Ippen-Investigativ-Team recherchierten Beitrag über die Vorgänge im Axel Springer-Verlag untersagte, haben Sie, liebe Rundschau-Redaktion, meine volle Bewunderung errungen. Mit etwas Pathos könnte man diese Haltung auch als „Mannesmut vor Königsthronen“ bezeichnen. Ich fühle mich nachträglich bestätigt, dass ich seit etwa 50 Jahren bis heute die Rundschau abonniert habe. Dass der Verleger seiner eigenen Zeitung schadet, weil die Rundschau über die Vorgänge nur „mit angezogener Handbremse“ und einer Agenturmeldung berichtet und damit in Konkurrenz zu anderen Medien nach außen als wenig informiert gilt, während andere Blätter, darunter die Süddeutsche Zeitung, die Hintergründe beleuchtet , sei hier nur am Rande erwähnt.

  6. Liebe Redaktion, wie gut, dass ihr das „In eigener Sache“ geschrieben habt. Lasst euch nicht unterkriegen, eure Leser*innen stehen hinter euch!

  7. Ich habe u.a. deswegen die FR abonniert, weil sie gut recherchierte Hintergrundberichte bringt; auch unabhängig davon, ob diese ihr Quoten bringen oder nicht.
    Wenn ich es richtig verstanden habe, hat der Verleger die Veröffentlichung eines oder mehrerer Beiträge, die sich mit der Situation der „Bild“-Zeitung und ihres Chefredakteurs befassen, verhindert.
    Bitte teilen Sie Ihrem Verleger mit, dass ich das auf das Schärfste verachte; dass ich ihn bitte, mit sofortiger Wirkung seine Tätigkeit ruhen zu lassen, und für jede Zukunft zu versichern, dass er solch eine Einflussnahme auf die Redaktion nie wieder ausüben wird. Er sollte sich ein persönliches Strafgeld von – nur – einer Million Euro, zu zahlen an gemeinnützige Organisationen, für diesen Gang ins Fettnäpfchen auferlegen; und für eventuelle weitere Fälle jeweils eine Zehnerpotenz mehr.
    Ich lese online auch – z.B. – Al Jazeera, die NZZ, die Washington Post und noch drei, vier weitere Zeitungen: Ich habe noch nie davon gelesen, dass ein Herausgeber sich einer solchen Entscheidung erfrecht hat. Er soll sich in die Ecke stellen und sich schämen!
    Es ist unglaublich – die Redaktion hat meine volle Unterstützung.

  8. Es ist mir wichtig, auch meine Unterstützung zu formulieren. Doch weil ich es nicht besser kann als meine Vorgänger:Innen, schließe ich mich denen an – und empfehle wärmstens den aktuellen Kinofilm „Hinter den Schlagzeilen“!

  9. Ich kann mich an ein Gespräch mit Peter Scholl-Latour das ich irgendwo gelesen habe erinnern. Er sagte damals er wollte heute kein junger Journalist mehr sein weil nur noch veröffentlicht wird was eine Hand voll Leute zulassen. Damals habe ich noch gedacht das wäre vielleicht übertrieben aber es scheint doch was dran zu sein. Wenn es eine Redaktion gibt die sich dem entgegenstellt dann hat sie meine volle Solidarität.

  10. Was Herr Ippen mit einer lächerlichen Begründung (tz vs. BILD) hier dem sog. Qualitätsjournalismus an Schaden zugefügt hat wird lange nachwirken. in vielen Jahrzehnten als FR-Leser ist mir eine solche Vertrauensschädigung einer solide recherchierenden Zeitung bzw. eines Rechercheteams durch einen Verleger noch nicht untergekommen. Respekt und Solidarität mit Rechercheteam und FR-Redaktion!

  11. Als ich die „offizielle Mitteilung“ über die Freistellung des Herrn von der Bildzeitung in der FR gelesen habe, hat nur noch die Würdigung seiner journalistischen Arbeit gefehlt. Danach habe ich in der NZZ gelesen, dass etwas mehr passiert ist. Daraufhin habe ich nach ca. 30 Jahren an eine Kündigung gedacht. Ich hoffe, dass ich es mir nie wieder überlegen muss.

  12. Selbstverständlich schließe ich mich den Worten der Vorredner wie z.B. Jürgen Malyssek voll an.
    Die Redaktion soll wissen, dass die Leser zu ihr stehen.

  13. Passend dazu gab es in Literatur-Rundschau auf Seite L8 zwei Buchtitel, die die Situation der- meistens – unabhängigen Presse kennzeichnen: „Haltung zählt “ (Richard Meng) und „Hessische Skandale“ (Alexander Jehn, Andreas Hedwig, Rouwen Pons). Fortsetzung ist seit Montag sichergestellt.

  14. Sehr geehrter Herr Ippen, in der Frankfurter Rundschau vom 19. Oktober 2021 sollte eine Recherche des Ippen-Investigativ-Teams über Missbrauchsvorwürfe bei Axel Springer SE erscheinen. Sie als Verleger haben dem Team die Veröffentlichung strikt untersagt.
    Ich unterstütze ausdrücklich den Protestbrief des Investigativ-Teams. Redaktionelle Unabhängigkeit ist die unabdingbare Grundlage für Qualitätsjournalismus. Ich muss mich als Leser in einer demokratisch verfassten Gesellschaft absolut darauf verlassen können, dass verlegerische und redaktionelle Arbeit mit ihren ganz unterschiedlichen Interessen streng getrennt bleiben.

  15. Dankeschön für die Berichterstattung über die Verhinderung einer Berichterstattung. Ein Verleger, der sich derart gegen die Pressefreiheit wendet,stellt sich selbst ins Abseits. Es ist zu hoffen, dass Herr Ippen seinen „Fehltritt“ inzwischen eingesehen hat und sich wieder zu einem der wichtigsten Güter einer demokratischen Gesellschaft bekennt, ohne wenn und aber. Ich möchte, wenn ich die Zeitung aufschlage, schon sicher sein, dass keine Zensur stattgefunden hat. Wenn nicht, sehe ich das als sehr schlechtes Zeichen für den unabhängigen Journalismus.

  16. Als langjähriger Abonnent der FR habe ich heut mit großer Empörung die Entscheidung von Herrn Ippen zur Kenntnis genommen, die Veröffentlichung der Recherche zu BILD zu untersagen. Den Protest der Redakteure Ihres Hauses unterstütze ich nachdrücklich! Herr Ippen hat offenbar keinerlei Gespür dafür, welchen Wert gerade in dieser Zeit redaktionelle Unabhängigkeit hat. Sein Begründung halte sicherlich nicht nur ich schlicht für eine faule Ausrede. Je mehr man zur Kenntnis nehmen muß, daß Manipulation in manchen Medien leider kein Fremdwort ist, um so größer ist das Interesse gerade der Leser der FR daran,“ faule Stellen im Apfel“ deutlich sichtbar zu machen. Wer als Verleger so mit seiner Zeitung umspringt, hinterlässt nicht nur ein besonders trauriges BILD, sondern macht sich m.E. verdächtig.

  17. Meinen ausdrücklichen Dank an die ganze Redaktion der FR für ihre Standfestigkeit in der Sache Reichelt !

  18. Danke, liebe und geschätzte Redaktion der FR! Danke für Ihren Einwurf in eigener Sache und die Unterstützung des Protestbriefs des Investigativ-Teams an Verleger Dirk Ippen. Weiter so, auf dass Sie sich von verlegerischen Großinteressen (welcher Art auch immer) nicht einschüchtern lassen!

  19. Es bedarf also eines amerikanischen Blattes, um Zustände in einer deutschen Zeitung zu schildern, die der Verleger eines anderen deutschen Zeitungsverlags selbst nicht abdrucken will. Dabei haben doch seine eigenen Leute die Sache recherchiert. So etwas nennt sich hierzulande dann Pressefreiheit. Im Volksmund sagt man wohl dazu, dass eine Krähe der anderen nicht das Auge aushackt. Ippen hat sich selbst disqualifiziert und der hiesigen Medienlandschaft einen Bärendienst erwiesen. Was will er denn den Brüllern von “ Lügenpresse “ noch entgegenhalten?

  20. Liebes Redaktionsteam, Ihr habt alles richtig gemacht, die Leserbriefe von heute entsprechen voll meiner Stimmung und Meinung! „Frankfurter Rundschau‘: mein Abo seit ca. 50 Jahren? Ich bleibe Euch treu, Euer Engagement in Sachen Investigativrecherche ist sensationell! Herzlichen Dank!

  21. Auch ich möchte meine volle und in der Tat uneingeschränkte Solidarität mit der Redaktion der FR zum Ausdruck bringen. Der Mut und die aufrechte Haltung der Redakteurinnen und Redakteure der Rundschau, die ich seit 1968 lese, sind geradezu vorbildlich. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass im Journalismus und gerade im lokalen Journalismus bei vielen Medienschaffenden die innere Pressefreiheit so hochgehalten wird wie bei der FR: Ich möchte Dirk Ippen daran erinnern, dass der große Publizist Paul Sethe schon im Jahre 1965 im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in einer Zuschrift schrieb, „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“. Sethe schrieb dies aus eigener Erfahrung, als er nämlich als damaliger Mitherausgeber der FAZ das Blatt verlassen musste, weil er Kritik an der Westpolitik Konrad Adenauers übte. Ähnlich ging es Jahre später dem FAZ-Herausgeber Jürgen Tern, als dieser in der gleichen Funktion Willy Brandts Friedens- und Entspannungspolitik in seinen Kommentaren positiv würdigte. Nun, die Zahl derjenigen, die sich aufgrund ihres Kapitals erlauben können, ihre Meinung zu verbreiten, ist inzwischen mit Sicherheit sehr viel geringer. Doch leider sind die Abhängigkeiten heute so stark, dass viele Journalistinnen und Journalisten, die meistens nicht reich sind, oft das schreiben müssen, was der Verleger für richtig hält und nicht, was sie für richtig halten. Und hierbei kommt es zu der Konfrontation zwischen der in Artikel 5 des Grundgesetzes verbrieften Meinungs- und Pressefreiheit und dem in Artikel 14 GG verbrieften Recht auf Eigentum.Weil die Meinungsfreiheit konstitutiv für eine Demokratie ist, ist es schon seit Jahrzehnten höchste Zeit dafür, dass etwa durch ein Presserechtsrahmengesetz endlich die Kompetenzen des Verlegers von denen der Redaktion, also der Journalistinnen und Journalisten, abgegrenzt werden. Übrigens ein Thema, dem sich eine eventuelle Ampelkoalition auch mal widmen sollte. Es kann und darf nicht sein, dass diejenigen Journalistinnen und Journalisten des Ippen-Investigativteams, die über die ungeheuerlichen Praktiken des sogenannten Journalisten Julian Reichelt, übrigens rechtlich abgesichert, berichten wollten, daran gehindert werden sollten. Die Presse ist frei und es darf im Journalismus keine fragwürdige Kumpanei zwischen Verlegern geben. Nochmals meine Hochachtung für die FR-Redaktion.

  22. Ein Bravo für das Protestschreiben der Redaktion der Frankfurter Rundschau, ein Blatt des Mehrheitseigentümers Ippen von vielen anderen regionalen und überregionalen. Das fünftgrößte Presseimperium Deutschlands inzwischen. Die FR hat zum Konflikt zwischen investigativer und publizistischer Arbeit einerseits und unternehmerischer Intervention andererseits nicht geschwiegen. Kleinere Zeitungen wie z.B. der Hanauer Anzeiger aber sehr wohl. Aus Sicht deren Redakteure verständlich. Wer angewiesen ist, auf diesem schwierigen Gelände eine Familie zu ernähren, muss sich eine Protesthaltung – wie es dennoch die Redakteure der FR getan haben, wohl weil sich die Kollegen kollektiv einig werden konnten und eine Massenkündigung insofern für den Presseunternehmer Ippen auch wirtschaftlich nicht in Frage kam – solch eine Haltung muss sich eine kleine Redaktion mit einer Reihe von nicht fest angestellten und freien Redakteuren dreimal überlegen. „Pressefreiheit“, das schrieb der eigentlich konservative Publizist Paul Sethe vor Jahrzehnten, „ist die Freiheit von 200 reichen Leuten ihre Meinung zu verbreiten.“ Inzwischen gehört Ippen zu den 500 reichsten Deutschen, hat durch Zukäufe lokaler Zeitungen und überregionaler Medien, durch Zusammenlegungen, durch gemeinsamen politischen Mantel und personellen Abbau v.a. hauptberuflicher Redakteure, nicht nur enorme Gewinne erzielen können, sondern auch in unserer Region, dem Rhein -Main-Gebiet eine monopolartige Stellung eingenommen. Selbst sehr konservativ und den Unternehmerverbänden wohlgefällig (siehe seine ‚Worte zum Sonntag‘ in einigen Blättern) reichen ihm, wie es scheint, seine Kolumnen nicht aus, er hat nun auch in der Durchsetzung seiner politischen Haltung zum Veröffentlichungsverbot gegriffen und Mitbestimmungsrechte der Redaktion beschädigt. So viel zur sogenannten Unabhängigkeit des Journalismus. Eine völlige Trennung der verlegerischen und redaktionellen Interessen wäre überfällig. Denn wahrlich steht Herr Ippen mit seiner Haltung nicht alleine da. Die Mehrzahl der Pressezaren wird sich so verhalten. Es ist die ja auch keine Frage des Charakters, sondern eine der Struktur und der Verfügung über die Produktionsmittel. Sie, die Eigentümer schlagen die politischen Planken ein, besetzen, oft ohne Mitwirkung der Angestellten v.a. wenn es kein fortschrittliches Mitbestimmungs- und Redaktionsstatut gibt, die leitenden Positionen und regieren durch. Dabei: Publizierte Nachrichten und Kommentare sind keine Waren wie Eisschränke oder Wurstpressen. Die Informationen schaffen Bewusstsein, auch die vorenthaltenen. Transparenz und öffentliche Kontrolle wären Voraussetzungen für eine demokratische Entwicklung. Im Modell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten finden sich Spuren davon. Die gänzliche Veröffentlichung des Investigationsteams bringt ja nicht nur die Macht der Verleger zutage, sondern auch deren marktradikale und illiberale Grundhaltung. Sicher nicht nur die des Springerverlags und der Boulevardpresse.

  23. Die Einschränkung der Informationsfreiheit scheint um sich zu greifen.

    Gestern berichtete der SWR von einem CDU-Parteitag in Mannheim, bei dem die Reporterin massiv durch Funktionäre der Mannheimer CDU an der Berichterstattung gehindert wurde, weil es u.a. um Geheimhaltung eines Gutachtens zur Maskenaffäre des Ex-MdB Löbel ging.

    So geht eine sich christlich und demokratisch nennende Partei mit Grundrechten um.

  24. Die uneingeschränkte Solidarität mit der Redaktion der Frankfurter Rundschau ist für mich selbstverständlich. Zeigt die Veröffentlichung „In eigener Sache“ doch wie unwichtig dem Zeitungsverleger Dirk Ippen die Pressefreiheit ist.

  25. die gesellschaftliche Auseinandersetzung über sexuellen Machtmissbrauch am Arbeitsplatz wird bislang nur knapp oberhalb der Öffentlichkeitsschwelle geführt. Es scheint so, als scheuten die Opfer eindeutige Reaktionen, nämlich die unverzügliche Meldung eines Vergehens. Ja, als hätten sie sogar Angst davor, durch eine Offenlegung das gesamtgesellschaftliche Miteinander, speziell die vermeintlichen Rollen von Frauen und Männern, ins Wanken zu bringen. Das Verhalten des BILD-Sexmaniaks Julian Reichert, das vom Ippen-Investigativ-Team recherchiert und dokumentiert wurde, fügt sich in diese Klischees, weil er mit dem Verhalten der von ihm bedrängten Frauen fest gerechnet hat. Deswegen verwundert der verklemmte Umgang mit solchen Straftaten nicht. Die Verkrampfung würde mutmaßlich noch zunehmen, wenn lediglich Debatten nach #MeToo-Muster entstünden.
    Typischerweise ist diese Bewegung in den USA entstanden. Dort, wo die puritanische Prüderie samt deren Scheinheiligkeit zum Selbstverständnis einer Nation zu gehören scheint und Übergriffe vielfach verschwiegen werden. Denn die Täter sind vor allem Vorgesetzte, aber auch Ehemänner oder einflussreiche Freunde, die mit übernatürlicher Autorität ausgestattet scheinen und darum nicht angeschuldigt werden dürfen. Da bleiben als Ausweg lediglich PR-Kampagnen übrig, die viele Jahre nach den Vorfällen von Prominenten inszeniert werden. Manche der Initiatorinnen erwecken den Eindruck, dass sie sich nach Schlagzeilen sehnen, weil sie solche längere Zeit entbehren mussten.
    Auf der Frankfurter Buchmesse äußerte sich dazu auch die diesjährige Trägerin des Deutschen Buchpreises, Antje Rávik Strubel. Das Thema ihres Romans „Blaue Frau“, der sehr konstruiert wirkt und mit sprachlichen Manierismen durchsetzt ist, sind die Folgen einer Vergewaltigung. Es sei erschreckend, so die Autorin, wie wenige Fälle überhaupt zur Anzeige kämen. Noch viel seltener würden die Täter verurteilt. Ein Grund dafür sei, dass den Frauen nicht geglaubt werde.
    Soweit ich die Tatsachenlage übersehen kann, gewinne ich einen anderen Eindruck. Zu viele Frauen stellen offenbar keine Strafanträge. Ohne solche kann nicht ermittelt werden. Ob bei den vergleichsweise wenigen Anzeigen die Frauen als nicht glaubwürdig erschienen waren, weil sie Frauen sind, erschließt sich mir nicht. Ich kann mir allenfalls vorstellen, dass Beweise nicht gesichert wurden. Beispielsweise medizinische Untersuchungen nicht rechtzeitig durchgeführt wurden und auch verspätet vorgenommene kriminaltechnische Erhebungen erfolglos verliefen. Nach Meinung von Frau Rávik Strubel läge die geringe Verurteilungsquote auch daran, dass die Opfer vor Gericht erscheinen müssten. Diese Korrelation überzeugt mich nicht. Ich halte die Behauptung sogar für schlecht recherchiert.
    Es ist höchste Zeit, dass sexueller Machtmissbrauch als elementarer Eingriff in Persönlichkeitsrechte empfunden wird und bei den Betroffenen zu unverzüglichen und klaren Reaktionen führt. #MeToo-artige Kampagnen hingegen können lediglich den Boulevardmedien zu Schlagzeilen verhelfen.

  26. Zunächst ist die breite Unterstützung der FR-Redaktion in dieser Angelegenheit durch ihre Leser sehr erfreulich. Es kann jedoch nicht hinreichend sein, es bei bloßem Protest und Solidaritätsbekundungen bewenden zu lassen. Entscheidend sind die politischen Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind.
    Dazu beziehe ich mich im Folgenden in zweifacher Hinsicht auf den Beitrag von Manfred Kirsch (23. Oktober 2021 um 9:01).

    1) Seinen historischen Hinweisen seien zwei weitere Beispiele über das unheilvolle Wirken von Pressezaren hinzugefügt:

    a) Zur Hugenberg-Presse und seiner Rolle beim Aufstieg des Nationalsozialismus sind folgende Artikel aufschlussreich:
    – Stern-Artikel von 2003:
    https://www.stern.de/politik/geschichte/alfred-hugenberg-hitlers–steigbuegelhalter–3342658.html
    – Artikel aus „Die Sonntagszeitung“ von 1928:
    ://erich-schairer.de/hugenberg/

    b) Der Wikipedia-Artikel über Rupert Murdoch und seine verheerenden manipulativen Wirkungen insbesondere auf die Öffentlichkeit in GB (The Sun, Times) und den USA (Fox News).

    Aufschlussreich und erschreckend zugleich ist der Vergleich, der sich hieraus bezüglich des Aufbaus eines Presse-Imperiums über den Aufkauf von Regionalzeitungen und möglichen daraus folgenden politischen Konsequenzen ergibt.

    2) Manfred Kirsch verweist zu Recht auf das Spannungsverhältnis zwischen „Meinungs- und Pressefreiheit“ nach Art.5, GG und dem „Recht auf Eigentum“ nach Art.14, GG.
    Dabei ist hier auch der Hinweis auf Absatz 2 von Art.14 von Bedeutung: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
    Dies bezieht sich ja nicht nur auf die Eigentumsfrage im engeren Sinn, etwa beim Problem von Enteignungen. Es ist sehr wohl auch zur Klärung dieses Spannungsverhältnisses heranzuziehen, in dem Sinne, dass die Verpflichtung gegenüber „dem Wohle der Allgemeinheit“ auch auf das Verhältnis zwischen Verleger und Redaktion anwendbar ist. Dieses „Wohl“ wird von der Redaktion repräsentiert, das ja seinerseits über das Presserecht den Leserinnen und Lesern, also der „Allgemeinheit“ verpflichtet ist.

    Schlussfolgerung:
    Die richtige Forderung von Manfred Kirsch, dass „durch ein Presserechtsrahmengesetz endlich die Kompetenzen des Verlegers von denen der Redaktion, also der Journalistinnen und Journalisten, abgegrenzt werden“, kann auf diese Weise mit dem Verweis auf die Grundrechtsartikel des Grundgesetzes eindeutig begründet und gestützt werden.

  27. Die Kritik an Mathias Döpfner verdient leider ihre Berechtigung. Zum einen beinhalten jegliche DDR-Vergleiche mit der Moderne, selbst wenn sie nur salopp und im privaten Umfeld geäußert werden, im Umkehrschluss auch immer keine geringe Relativierung einer echten Diktatur, unter der sehr viele Menschen, selbst wenn sie nicht erklärte Gegner des damaligen Systems gewesen sind, gelitten haben. Zum anderen bleibt es, auch wenn man sich manchmal durchaus eine vielschichtigere Corona-Berichterstattung wünschen würde, wie zum Beispiel in Dänemark, wo insbesondere in den öffentlich-rechtlichen Medien viel mehr positive Meldungen vorkommen, die den Menschen die gerade in einer Krise zum Durchhalten so wichtige Zuversicht vermitteln, trotzdem ein Foul, andere Journalisten und Journalistinnen in eine zu starke staatliche Nähe bei ihrer täglichen Berufsausübung zu rücken. Zumal man damit ebenfalls Wasser auf die Mühlen derjenigen gießt, die in den sogenannten sozialen Medien seit jeher die freiheitlich-demokratische Grundordnung über die Diskreditierung von deren elementaren Säulen untergraben.
    Deshalb gibt es hier auch nach der Freistellung von Julian Reichelt noch sehr viel aufzuarbeiten, wobei der Axel-Springer-Verlag sehr gut daran täte, eine hausinterne Wertedebatte zu initiieren, bei der sich gegenwärtige und künftige Führungskräfte vor allem durch keineswegs überlebte, sondern mehr denn je aktuelle Tugenden wie Demut und Bescheidenheit auszeichnen müssen!

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