„Hallo, Dave.“

Es sind nur zwei Worte aus einem Spielfilm aus dem Jahr 1968, doch wenn man diese Worte heute hört, könnten alle, die dieses Gefühl noch nicht kennen, das Gruseln lernen, denn es ist eine künstliche Intelligenz, die den Astronauten Dave Bowman an Bord der „Odyssey“ auf diese Weise begrüßt. Sie heißt HAL-9000, und der Spielort ist der Film „2001 – Odyssee im Weltraum“. Ein Klassiker der Filmkunst – und ein exzellentes Beispiel für gute Science-Fiction, die Zukunftsthemen durchspielt und damit zeitig auf Probleme aufmerksam macht. Der Rest der Geschichte rund um Dave Bowman ist bekannt: Die KI bringt fast alle Astronauten an Bord der Odyssey um. Sie kann nichts dafür, ihr Scheitern ist gewissermaßen programmiert: HAL-9000 darf den Menschen an Bord nicht alles über die Hintergründe der Mission sagen. Das ist seitens der Initiatoren verboten, und er/sie kann sich sich nicht über diese Programmierung hinwegsetzen. Verdammt!

Viel schlimmer ist die KI Skynet in den Terminator-Filmen. Die ist wirklich böse. Sie löst einen Atomkrieg aus, um die Menschheit zu vernichten und selbst die Macht zu übernehmen. Dabei geht sie ausgesprochen perfide vor und schreckt selbst vor Zeitreisen nicht zurück. Wo doch jeder weiß, was auf diesen Wegen durcheinander gebracht werden kann! Wie sich in der erzählten Geschichte dieser Filme dann zeigt, ist das alles auch für die KI nicht ganz einfach. Sie stößt an ihre Grenzen. Der Mensch erweist sich als findiger.

Wenn wir heute über künstliche Intelligenz reden, tun wir das vor diesem kulturellen Hintergrund. Die Angst vor der KI wurde uns sozusagen eingepflanzt. Lassen wir die Frage mal außen vor, ob zu recht oder nicht. Ich selbst, Romanautor, habe dieses Thema in mehreren Romanen durchgespielt. Und selbstverständlich habe ich kürzlich das Interview gesehen, das im „heute journal“ mit ChatGPT geführt wurde, einer künstlichen Intelligenz, die ziemlich fix darin ist, geschliffene Antworten zu geben. Ich frage mich nicht erst seitdem: Ist künstliche Intelligenz vielleicht doch der nächste Schritt der Evolution? Denn es könnte ja sein, dass wir Menschen, auch wenn wir das glauben, nicht die Krone der Schöpfung sind. Sondern dass wir aus uns selbst heraus etwas schaffen, was uns übertrifft. Das wäre Evolution, oder nicht?

Das ist keine verquere Frage, keine weltfremde, keine aus dem Reich der Science-Fiction, wo man noch abwinken könnte: Alles nur Märchen. Es ist eine Frage, die unsere Realität betrifft. Vor ein paar Jahren haben wir noch darüber debattiert, wie autonomes Fahren funktionieren soll. Eine Frage, die die meisten von uns überfordert, weil wir die technischen Entwicklungen nicht verstehen, die hinter alldem stecken. Die Basis dieser Entwicklung ist Vernetzung. Wenn alles vernetzt ist, gibt es anscheinend keine Grenzen mehr. Also können wir eigentlich nicht qualifiziert über autonomes Fahren sprechen. Wir sind keine Fachleute. Das ist eines der Probleme im Umgang mit künstlicher Intelligenz: Wir müssten dazulernen. Verstehen, was da passiert. Die wenigsten von uns tun das. Trotzdem reden wir drüber und haben eine Meinung. Die haben wir manchmal sogar ziemlich schnell, und es ist keineswegs gewährleistet, dass sie Bestand hat, aber Hauptsache ist, dass wir sie überhaupt haben. Das kann man durchaus kritisch sehen. Der entscheidende Punkt ist folgender: KI hat keine Meinung.

Meinung ist etwas, was uns Menschen von unserer Schöpfung trennt – denn KI ist nichts anderes als unsere Schöpfung. Menschen sind quasi in Gottes Namen unterwegs und erschaffen Intelligenz. Das alles ist noch in den Kinderschuhen. ChatGPT hat uns ein bisschen wachgerüttelt. Da wird noch viel mehr kommen. Schon in den 1950er Jahren hat der Philosoph Günther Anders darüber geschrieben, dass der Mensch mit den Phantomen, die er schafft, nicht Schritt zu halten imstande ist. Anders machte das damals vor allem an der Atombombe fest, aber wie sich zeigt, gibt es weitere Entwicklungen, die uns überfordern, und trotz dieser mahnenden Worte hat der Mensch nicht aufgehört, an Werken zu arbeiten, die ihn überfordern, mit denen er nicht mithalten kann. Trotzdem macht er es.

Da hier an gute Science Fiction erinnert wurde: Die Auseinandersetzung mit diesem Thema hat natürlich nicht mit „Odyssee im Weltraum“ aufgehört. In „Minority Report“, vielleicht dem besten Spielfilm von Steven Spielberg, gibt es Szenen von autonomem Fahren, dass sich jedem heutigen Porschefahrer die Fußnägel kräuseln müssen. Ganz abgesehen vom Thema des Films – Präcogs sehen künftige Verbrechen voraus –, das ebenfalls bereits von der Wirklichkeit eingeholt wurde, siehe die Gesetzeslage in Bayern, wo Menschen präventiv in Haft genommen werden können, obwohl sie noch keine Verbrechen begangen haben. Ohne dass im bayrischen Innenministerium oder bei der dortigen Polizei hellseherisch begabte Menschen zugange wären. Keine Frage: Wir sind auf dem Weg in die Zukunft.

Das Thema KI ängstigt uns. Warum? Weil wir es nicht verstehen. Das ist leider ein Problem, das wir mit der Wissenschaft haben. Die kommuniziert nicht ausreichend. Sie präsentiert uns Ergebnisse, wenn sie welche hat. Schockartig. Medien berichten darüber, wenn ein solches Thema ansteht, wenn es einen Anlass dafür gibt. Die Politik wirkt zumeist überfordert. Die Gesellschaft wird nicht mitgenommen. Ich fühle mich bei solchen Nachrichten immer wieder erinnert an den Film „Dante’s Peak“, wo ein Vulkanausbruch eine amerikanische Stadt auslöscht, fast ohne Vorwarnung. Hier eine Naturgewalt – kommt KI etwa in ähnlicher Weise über uns? Was können wir dagegen machen? Oder dafür? Damit? Was soll das?

Früher war alles besser. Alter Spruch, hat noch nie gestimmt. Die Frage ist wohl nicht, was wir dagegen machen können. Ich habe ein paar Gespräche mit ChatGPT geführt und kann daher sagen: Auch eine KI kocht nur mit Wasser. Mit dem nämlich, was ihr von uns Menschen mitgegeben wird. Wir sind deren DNA. Vielleicht ist das eine Weiterentwicklung. Denn mal ehrlich: Wer einen objektiven Blick auf den Zustand unseres Planeten wirft, wird wohl kaum behaupten können, dass wir den Job gut gemacht hätten. Eine KI könnte das vermutlich viel besser.

Auch dieses Thema wurde in der Science Fiction bereits durchgespielt, etwa in Gestalt der Borg in „Star Trek“ oder der Posbis in „Perry Rhodan“, schon in den 1960er Jahren. Dabei hat sich zumeist gezeigt, dass solche Maschinengesellschaften gut organisiert sein mögen, dass sie aber andere Defizite haben. Es gibt offenbar keinen Königsweg, wie man es am besten machen könnte.

Die Frage, die sich daran anschließt, ist nicht weniger bedeutsam: Wo ist noch Platz für uns Menschen? Oder noch etwas expliziter: für so viele von uns? Was sollen wir überhaupt noch?

Der Homo sapiens ist im evolutionären Sinn ein Erfolgsmodell. Noch nie hat eine Spezies es auf diesem Planeten geschafft, die Lebensverhältnisse in derart kurzer Zeit ins Lebensfeindliche zu kehren. Kaum 200 Jahre haben wir dafür gebraucht. Wir haben die Wucht eines massiven Vulkanausbruchs, der – ich bin wieder bei „Dante’s Peak“ – riesige Mengen von Asche und Staub in die Atmosphäre befördert und so die Lebensbedingungen auf diesem Planeten verändert.

Vermutlich ist künstliche Intelligenz der einzige Weg, unser Überleben auf diesem Planeten zu sichern, aber um das zu schaffen, müssen wir massiv dazulernen. Und mehr noch: Wir werden uns die Herrschaft über diesen Planeten mit der KI teilen müssen. Da stellt sich die Frage, ob wir zu einer solchen Koexistenz fähig sind. Möglicherweise ist der Mensch einfach überholt, im evolutionären Sinn.


Die Aufklärung kommt gerade noch rechtzeitig

Künstliche Intelligenz: „Ohne Kunst ist alles nichts“ und „Gehemmtes digitales Wachstum“, FR-Feuilleton vom 13. Juni und -Wirtschaft vom 6. Juli

Zwei Artikel, erschienen am 13. und 14. Juni, habe ich äußerst penibel gelesen und wahrgenommen. Besonders die Darlegung des Herrn Franzobel, die Schilderung der rasanten Entwicklung in der Arbeitswelt, in der gesamten Technik bis hin zum Internet, kann ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen nur bestätigen. Aber im Vergleich zu dem, was uns durch KI genommen wird, war und ist die Vergangenheit ein „Klacks“. Ich hätte diesem Artikel gern eine andere Überschrift gegeben, denn wer sich nicht sonderlich für Kunst interessiert, hat ihn nicht gelesen. Hier versucht jemand, vielleicht gerade noch rechtzeitig aufzuklären und auch zu warnen. Und die Presse hilft dabei in großen Lettern, zweiseitig! Danke hierfür.
Auch in dem Aufruf von Jana Ballweber („Zahnloser Papiertiger“ vom 14. Juni) ist ausreichend Potenzial, um das Ganze kritisch zu betrachten. Wer glaubt, künstliche Intelligenz regulieren zu können, der irrt für meine Begriffe. Und ausgerechnet das EU-Parlament soll es richten? Inzwischen gibt es viel zu viele Technikgläubige und Fortschritts-Wahnsinnige. Und die beschäftigen sich damit, in welchen Bereichen Menschen ersetzbar werden.
Was dabei unter den Tisch fällt, sind Gefühle, das eigene Denkvermögen, die Menschlichkeit und vieles mehr, was nicht mehr gefragt, nicht mehr gefordert wird und ausstirbt.
Der in Kurzform gefasste Artikel über dieses angeblich strenge KI-Gesetz macht deutlich, wohin die Reise geht, wahrscheinlich mit Soll-Kann- und -Möchte-Regeln. Und dafür braucht man in den Gremien viel Zeit. Nun wird in den kommenden Monaten erst einmal verhandelt, viel geredet und vieles geändert. In der Zwischenzeit machen wir weiter wie bisher!

Ingrid Kellermann, Guxhagen

Im Gewand göttlicher Überlegenheit

Die hundert Jahre der Frankfurter Schule haben eine Epoche der Denkschule von Philosophen hervorgebracht, einer „Kritischen Theorie“ – mit dem Segen der menschlichen Vernunft, mit dem technologischen Fortschritt das Leid der Menschheit zu überwinden, so in das soziale „Paradies“ zu gelangen. Die heutige Zeit befindet sich in wechselhaften Krisen-Erscheinungen, vom tödlichen Virus Corona bis zum Krieg in Europa – der Klimakatastrophen, Dürren und Überschwemmungen. Diese politische und gesellschaftliche Realität haben schon Marx und Engels in ihrer Zeit gekannt, durch eigene Beobachtung von Hunger, Pest und Cholera.
Die nächste Stufe ist KI – künstliche Intelligenz – ein Abbild vom Menschen, eine „digitale Verwandlung“ im neuen Gewand göttlicher Überlegenheit. Der Mensch als ein Diener, der zum Höchsten aufsteigt. Zeitenwende! Der Mensch in der neuen KI–Welt geht womöglich in eine freiwillige Sklaverei.

Thomas Bartsch Hauschild, Hamburg

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2 Kommentare zu “Wie weise ist der Mensch?

  1. Konnten sich Wilbur und Orville Wright bei ihrem ersten Motorflug im Jahr 1903 (Dauer knapp eine Minute, Strecke lediglich 260 Meter) Passagiermaschinen wie die A380 und Interkontinentalflüge vorstellen? Die KI ist momentan im Vergleich zur Entwicklung des Flugverkehrs bestenfalls auf dem Stand des Wright Flyers. Denken im eigentlichen Sinne kann sie noch nicht, aber sie könnte durchaus einmal den Entwicklungsstand eines A380 erreichen, jedenfalls trägt sie das Potenzial bereits in sich.

    Was mir am meisten Sorgen macht, ist der bereits jetzt erkennbare Trend, Waffensysteme mit KI auszustatten und autonom handeln zu lassen. Die Vorteile auf dem Schlachtfeld sind für solche Waffensysteme so offensichtlich, dass wir über kurz oder lang die Kontrolle verlieren könnten. Noch, heißt es, treffe ein Mensch die letzte Entscheidung. Dieses Prinzip wird aber spätestens dann fallen, wenn ein skrupelloser Diktator mit seinen vollautonomen KI-Waffen einen Krieg gewinnt. Wohin uns das führt, ist schwer zu prognostizieren. Genauso wenig wie ich mir 1903 einen Nonstop-Flug von von New York nach Sydney hätte vorstellen können.

  2. Dankenswerterweise druckte die Frankfurter Rundschau als bislang einzige deutschsprachige Zeitung am Freitag, den 1. April 2011 auf der Seite 29 die Frage von Friedrich Nietzsche ab, die existenzieller nicht sein könnte: „Wie kann man nur weise sein in einer toten Gesellschaft?“ Daran lässt sich sehr anschaulich ablesen, dass nicht erst seit der Entwicklung von so genannter Künstlicher Intelligenz eine soziale Auseinandersetzung dazu stattfindet, was die freie Entfaltung der intellektuellen Kräfte unmöglich macht. Ohne darauf jemals antworten zu können, lässt sich keine der Menschheitsaufgaben meistern. Insofern erstaunt es ungemein, welch verschwindend geringe Wertschätzung ihr noch immer entgegengebracht wird.

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