Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 297: Wünsche für 2021

Leben und Arbeiten in Zeiten der Pandemie

Ein schwieriges Jahr geht zu Ende. Ich habe Hoffnung, dass 2021 besser wird, aber wie das so ist mit der Hoffnung: Nichts Genaues weiß man nicht. Klappt’s mit dem Impfstoff? Wirkt der wie erhofft? Können wir dann vielleicht, nur mal so dahingedacht, um die Mitte des Jahres herum zur Normalität zurückkehren?

Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 297
Donnerstag, 31. Dezember 2020

Wünsche für 2021

Das wünschen sich viele, aber ehrlich gesagt: Normalität, wie wir sie hatten – ist die wirklich wünschenswert? In der Pandemie steckt ja auch eine (aufgezwungene) Chance. Die Frage, wie unser Leben danach weitergehen könnte, wurde in der FR früh gestellt, schon als die erste Welle gerade auf ihrem Höhepunkt war. Sie bleibt aktuell: Was brauchen wir zum Leben? Was brauchen wir zum Glücklichsein? Oder wenigstens zum Zufriedensein? Hat die frühere „Normalität“, zu der viele von uns nun schnellstmöglich zurück wollen, uns glücklich oder zufrieden gemacht? Wir konnten unsere Bedürfnisse erfüllen, aber hat da nicht etwas gefehlt?

Ich glaube, es hat eine Menge gefehlt – vor der Pandemie. Es liegt auf der Hand, dass unser Lebensstil – ja, gerade unserer, der von uns Menschen in den sogenannten entwickelten Ländern – nicht gut für uns alle ist, für die Menschheit. Denn er ist schlecht fürs Klima. Wir fliegen mehrmals im Jahr in ferne Länder, wir fahren unnötig große und schwere Autos, wir leisten uns immer noch zu guten Teilen eine Energiewirtschaft, die auf der Verstromung von fossilen Brennstoffen beruht – und damit auf der Freisetzung von Kohlendioxid, das der Atmosphäre vor Jahrmillionen entnommen wurde und ihr nun wieder zugeführt wird. „Wir“, damit meine ich das Kollektiv. Das Irrsinnige dabei: Dieses Kollektiv besteht aus lauter Individuen, von denen viele tatsächlich laut „Ich, ich, ich!“ rufen, sich aber in der Masse alle gleich unsinnig verhalten. Wer möchte da von „Schwarmintelligenz“ sprechen?

Wenn sich jeder Mensch selbst der Nächste ist, übersieht er möglicherweise, dass gleich neben ihm ein anderer Mensch steht, der vielleicht genauso denkt. Wenn die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse – eben das war ja die Normalität – im Vordergrund des Wollens steht, dann besteht die Gefahr, dass man das Gemeinwohl aus dem Blick verliert. Von einem funktionierenden Gemeinwesen profitiert jedoch jeder Mensch, der daran teilnimmt: Soziale, politische und gesellschaftliche Stabilität ist ein hoher Wert. Der deutsche Staat, die Bundesrepublik, steht für solche Stabilität, auch wenn es im Detail immer mal wieder im Getriebe knirscht. Es ist ja nicht so, dass alles herrlich rund liefe. Aber es läuft besser als in vielen anderen Ländern auf dieser Welt.

Ich verstehe die Unzufriedenheit mancher Zeitgenossen – etwa der „Querdenker“, aber auch vieler Ostdeutscher – mit den bundesdeutschen Zuständen nicht. Und ich gebe offen zu: Ich verstehe die Protestformen nicht, in denen sie ihre Unzufriedenheit ausdrücken. Hier im FR-Blog wurde viel darüber diskutiert, ob man das Gespräch suchen sollte. Die Erfahrung zeigt aber, dass das Gespräch etwa mit „Pegida“, aber auch mit „Querdenkern“ vielfach kaum möglich ist. Diese Menschen sind oft so eingegraben in dem, was sie als Realität wahrnehmen, dass die Verständigung nicht klappt. Das musste ich im Jahr 2020 in der Kommunikation, die ja ein Teil meines Jobs ist, oft erleben: Die wissenschaftlichen und medizinischen Fakten, mit denen ich etwa auf Mails reagiere, die Sars-CoV-2 zu „einem dieser Erkältungsviren“ erklären, nur weil es zu den Coronaviren zählt, diese Fakten werden von solchen Menschen schlicht negiert. Das war – und ist? – leider ebenfalls „Normalität“. Aber was ist die Konsequenz daraus, wenn man sich nicht einmal mehr auf Fakten verständigen kann? Wenn alle darauf beharren, recht zu haben? Gehen wir dann am Ende mit Fäusten aufeinander los?

In den USA passiert so was schon, und auch bei uns ging es in diese Richtung – aber dann kam die Pandemie. Und die hat vielen Menschen die Augen geöffnet: Wir sind nicht einfach nur ein Haufen von Ichs, sondern wir haben Verantwortung füreinander. Der Gedanke der Solidarität ist nicht tot in Deutschland, auch wenn die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik uns über mittlerweile fast vier Jahrzehnte hinweg – seit Otto Graf Lambsdorff unter Helmut Kohl Wirtschaftsminister wurde – Ellenbogendenken eingebleut und auch im Sozialwesen den Selektionsgedanken eingeführt hat (Stichwort Hartz IV). Aber dass wir Deutschen trotzdem immer noch solidarisch sein können, das hat sich schon im Herbst 2015 gezeigt, als so viele geflüchtete Menschen zu uns kamen, denen mit großer Hilfsbereitschaft begegnet wurde. Und es zeigt sich auch in der Corona-Krise, denn die Mehrheit der Menschen in diesem Land zieht aus Überzeugung mit bei den Maßnahmen, die gegen die Pandemie eingeleitet wurden. Das ist wohl ebenfalls ein Stück „Normalität“ bei uns, denn dieses mitfühlende, verantwortungsbewusste Verhalten konnte in den Jahren seit Lambsdorff nicht ausgerottet werden. Hier sollten wir anknüpfen. Davon haben wir alle was.

Ich wünsche mir und uns für das Jahr 2021, dass es gelingt, eben hier anzuknüpfen. Der wichtigste Schritt, der dafür nötig ist, liegt in der Regulierung der „sozialen Medien“, denn dort entsteht viel von dem unvernünftigen Verhalten (ich verweise erneut auf meine Rezension des Buches „Digitaler Faschismus“, die diesen Gedanken näher ausführt), das uns zu schaffen macht.

Ich wünsche mir und uns für das Jahr 2021, dass die Abwehrkräfte der Menschen stark genug sind, um nicht nur dem Sars-CoV-2-Virus Einhalt zu gebieten, sondern auch mentalen Viren wie Hass, Hetze, Antisemitismus und Diskriminierung. Die deutsche Lebenswirklichkeit bezieht ihre Kraft aus der Vielfalt der Menschen, die sich einbringen.

Und natürlich wünsche ich mir für das Jahr 2021, dass die Impfungen funktionieren, so dass Reisen wieder möglich werden. Ich persönlich werde nie wieder in ein Flugzeug steigen. Das letzte Mal war 2015, eine Reise nach Rom. Davor in all den Jahren seit 1993 insgesamt sechs Flüge, die ich alle aufzählen kann: USA, Ägypten, Barcelona, noch einmal Ägypten (inkl. zweier Inlandsflüge), Lissabon und Kreta. Sieben Flüge insgesamt in meinem Leben. Das genügt. Ich bin noch nie gern geflogen. Aber ich möchte gern wieder mit meinem Campingbus nach Frankreich fahren dürfen. Vielleicht wird das in der zweiten Jahreshälfte ja wieder möglich.

Kommen Sie gut ins neue Jahr und bleiben (oder werden) Sie gesund!

Naoned!

Ihr Bronski

***

Worldometer  +++ SafetyDetectives

Balken 4Weiter zu Tag „Mal schau’n“
Zurück zur Übersicht

Verwandte Themen

3 Kommentare zu “Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 297: Wünsche für 2021

  1. https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/energie-deutschland-importiert-mehr-strom-als-im-vorjahr-a-7de47e48-8b54-49f1-83fe-acddc740bf13
    Zum Jahreswechsel werden immer interessante Vergleiche mit früheren Jahren gemacht. In dem Link kann man sehen wie die Voraussetzungen geschaffen werden den AKW Ausstieg 2022 nicht zu machen. Wir werden in dem Jahr massiven Strommangel in D. haben. Das wird schon seit Jahren vorgeplant. Die letzten 3 AKW werden unter diesen Umständen mit Sicherheit nicht abgeschaltet. Man kann nicht aussteigen ohne irgendwo einzusteigen. Schon gar nicht bei dem Thema.
    Trotzdem allen Mitschreibern und Lesern einen guten Rutsch ins neue Jahr und alles Gute für 2021.

  2. Nach DIE STILLE von Don deLillo (2020) habe ich das Buch „Digitaler Faschismus“ schon zum Lesen zu liegen.

    Eine Stelle auf S. 155: „In jeden Fall zieht die extreme Rechte aus der Interaktionsökonomie der sozialen Medien einen besonderen metrischen Vorteil, weil ihre Botschaften vor allem bei Menschen mit einem intuitiven Denkstil verfangen, die auf Informationen eher affektiv reagieren. Und damit auch stärker reagieren, also viele Interaktionen generieren.“

    Ich habe in Wiesbaden (Fußgängerbereich) das eine oder andere Mal einer überschaubaren Gruppe von „Querdenkern“ kurz zugeschaut und ihre Parolen gelesen. Abstrus. Ich bin froh, dass ich mich auf kein einziges Gesprächswort mit diesen Leuten eingelassen habe und bin wieder meines Weges weitergegangen. Es ist so verrückt, was sich in diesen Menschen an Gedankengut abgelagert ist!

    Lieber Bronski, ich frage nochmal nach, ob das Rezensionsexemplar „Wohnungslose“ mit der Post gekommen ist?

    Guten Rutsch! Kommen Sie gesund und mit guter Stimmung ins neue Jahr!

    Beste Grüße
    J.Malyssek

  3. Lieber Jürgen Malyssek,

    das Buch ist angekommen. Ich hatte Ihnen deswegen auch schon geantwortet, aber offenbar haben Sie meine Reaktion nicht gesehen. Macht ja nichts. Ich habe schon Pläne, Ihr Buch betreffend. Aber dazu bei anderer Gelegenheit mehr.

    Guten Rutsch in aller Ruhe Ihnen allen!

Kommentarfunktion geschlossen