Aus Halle an der Saale kommen schlimme Nachrichten: Ein anscheinend rechtsextrem orientierter Attentäter hat versucht, an Jom Kippur in die Synagoge einzudringen, vermutlich um ein Massaker unter friedlich betenden Menschen anzurichten. Als es ihm nicht gelang, die Tür zu überwinden, suchte er sich andere Opfer: Eine junge Frau musste sterben, die er vor dem jüdischen Friedhof niederschoss, und ein Mann vor einem Döner-Imbiss. Stephan P. ist ein mutmaßlicher rechter Terrorist. Er filmte seine Tat, so wie der Attentäter von Christchurch es tat, stellte sie ins Netz und offenbarte sich dabei als Holocaust-Leugner. Er wurde gestellt, der Generalbundesanwalt ermittelt wegen staatsgefährdender Straftaten. Derweil kommt heraus, dass die jüdische Gemeinde in Halle wiederholt um Polizeischutz gebeten hatte, der ihr jedoch verwehrt wurde.
Jüdische Menschen können in Deutschland nicht mehr sicher leben
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Schreiben Sie es mir unten. Ich trauere um die Opfer. Ihr Tod war völlig sinnlos. Ein offenkundig verrannter Extremist hat sich angemaßt, ihnen das Leben nehmen zu dürfen. Dieser fürchterliche Gedanke lässt mich schaudern angesichts der Gefühlskälte des mutmaßlichen Täters. Dass der Anschlag noch viel schlimmer hätte enden können, wenn es Stephan P. gelungen wäre, in die Synagoge zu gelangen, bessert meine Niedergeschlagenheit nicht. Die Bundesrepublik Deutschland ist offenbar kein Land mehr, in dem friedliche Menschen dem Anderen mit Toleranz und Respekt begegnen. Wir sind auf dem Weg, ein Land des Hasses und der Gewalt zu werden. In unserer Fixierung auf islamistischen Terror, auf die muslimischen „Gefährder“, haben wir andere Gefahren übersehen, die nebenher ins Kraut geschossen sind. Der Mord am hessischen Kommunalpolitiker Walter Lübcke war eine Warnung: Wir müssen genauer hinschauen, was der rechte Rand treibt. Rechtsterrorismus ist mittlerweile eine Gefahr, die von Sicherheits-Experten mit islamistischem Terrorismus verglichen wird. Es ist gut, dass diese Experten diese Schlussfolgerung ziehen, aber nun müssen auch unsere Sicherheitsbehörden danach agieren.
Jüdisches Leben muss in Deutschland möglich sein, so wie jedes andere religiöse Leben auch. Es kann nicht sein, dass Menschen, egal bei welcher Gelegenheit und egal welcher Religion oder Minderheit, sich fürchten müssen, zum Beispiel an öffentlichen Festen teilzunehmen. Die Bundesrepublik ist ein liberales Land. Das war sie keineswegs immer, aber nun, da sie es geworden ist, gilt es, die errungenen Werte und Freiheiten gegen jene zu verteidigen, die diese Liberalität hassen. Davon gibt es anscheinend immer mehr, und sie sind gewaltbereit. Dieser physischen, rohen Gewalt, die in Halle zwei Menschenleben gekostet hat, ist mit Argumenten nicht beizukommen, aber das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Gewalt mit verbaler Gewalt der Weg bereitet wurde.
Ich habe vor zwei Wochen in „Bronskis Woche“ Beispiele dafür gegeben. Doch damit ist das Problem noch nicht erfasst. Es beginnt im Kleinen, im Wohnzimmer, beim Biedermann, bei dem sich die Grenzen des Sagbaren verschoben haben, so dass er zum Brandstifter geworden ist, vielleicht ohne es zu bemerken. Auch hier im FR-Blog wurde in nicht veröffentlichten Kommentaren die Rückkehr des „gesunden Volksempfindens“ begrüßt. Es wurde auch behauptet, dass eine diskriminierende, verzerrende Umdeutung der polizeilichen Kriminalstatistik dem entspreche, was die Menschen in Deutschland glauben (wollen), d.h. dass Falschdarstellungen ihre Berechtigung hätten. Offenbar besteht bei vielen Zeitgenossen – ich könnte weitere Beispiele zitieren – die Neigung, statt den Experten lieber windigen Exegeten zu folgen, die dem „gesunden Volksempfinden“ Ausdruck verleihen. Wenn gängige Definitionen verworfen werden, weil sie gerade nichts ins Konzept passen, ist der gesellschaftliche Konsens in Gefahr. Diskriminierung ist Gewalt, und sie ebnet weiterer Gewalt, auch expliziter, physischer Gewalt, den Weg.
All jenen, die beispielsweise Rassismus relativieren, muss klargemacht werden, dass sie sich auf einem Irrweg befinden. Es geht im Gegenteil darum, Rassismus klar zu benennen und so die Grenzen zur Menschenfeindlichkeit zu definieren. Jüdisches Leben muss in Deutschland ebenso möglich sein wie jedes andere Leben auch, das unsere Werte und Gesetze achtet. Menschen wie Stephan P., der mutmaßliche Täter von Halle, dürfen nicht glauben, für eine schweigende Mehrheit oder im Sinne eines „gesunden Volksempfindens“ zu handeln. Dies ist womöglich die Basis ihrer Motivation. Sollte dieser Gedanke zutreffen, muss ihnen diese Basis entzogen werden.
Nun sind alle Demokraten gefragt. Ich hoffe, dass sich die schweigende Mehrheit gegen den Irrweg ausspricht, den Stephan P. eingeschlagen hat, und frage einfach mal in die Runde: Was geht Ihnen durch den Kopf angesichts des Terrors von Halle?
*
Update: Die Passage über den Biedermann wurde konkretisiert, um klarzustellen, dass die angesprochenen Kommentare hier nicht nachgelesen werden können. Im Zuge von Moderation und Administration dieses Blogs werde ich häufig mit verbaler Gewalt konfrontiert. Solche Kommentare widersprechen den Regeln dieses Blogs und werden daher hier nicht veröffentlicht. Meine These und Befürchtung ist, dass diese Gewalt in der (bürgerlichen) Mitte angekommen ist. Diese Mitte ist jedoch der gesellschaftliche Ort, der solchen Tendenzen mit einer wirksamen Reaktion begegnen muss, statt ihnen die Tore zu öffnen.
Nach dem rechtsextremistischen Terroranschlag von Halle steht man voller Entsetzen vor dem Geschehenen und mir fehlen eigentlich die Worte, um zu beschreiben, was das Gefühl einem sagt. So fehlt mir das Verständnis für die Tatsache, dass es keinen Polizeischutz für die Synagoge gab und es bis zu einer Viertelstunde gedauert hatte, bis die Polizei am Tatort eintraf. Die bittere Realität ist, dass zwei Menschen durch Schüsse getötet wurden und die vollbesetzte Synagoge durch den Täter nicht getroffen werden konnte, weil ein glücklicher Umstand das verhinderte, der Täter bekam nämlich die Tür nicht auf. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn der Täter in das jüdische Gotteshaus eingedrungen wäre und seiner Mordlust freien Lauf gelassen hätte. Es ist grausig, dass Juden in Deutschland beim Feiern ihres größten Festtages, Jom Kippur, getötet hätten werden können und das über 70 Jahre nach dem Sieg über den Faschismus in Deutschland. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem es kroch, so warnte Bertolt Brecht und man fühlt sich an Paul Celans Todesfuge erinnert, wo es heißt, der Tod ist ein Meister in Deutschland. Es ist eine Schande und ruft auch bei mir Scham hervor, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass die alljährlichen Erinnerungen an die Verbrechen der Nazis noch keine entscheidenden Konsequenzen bei Behörden gefunden haben und viele Politiker sich offensichtlich nur in Sonntagsreden bereit erklären, verstärkt und verschärft gegen den rechten Terror vorzugehen. Der widerliche Terrorakt von Halle darf nicht vergessen werden und es ist jetzt die höchste Zeit zum Handeln. Angesichts der geistigen Wegbereiter des rechten Terrors, und in diesem Zusammenhang muss unbedingt die AfD genannt werden, muss diese Gesellschaft Konsequenzen ziehen und offen die geistigen Brandstifter benennen. Jahrzehntelang waren hierzulande Justiz und Sicherheitsbehörden von Blindheit auf dem rechten Auge geschlagen. Es müsste dem Letzten klar geworden sein, dass wir in einer Zeit leben, in der es um nichts weniger als die Demokratie in diesem Lande geht. Es kann und darf nicht hingenommen werden, dass Juden in der Bundesrepublik Deutschland wieder Angst um Leib und Leben haben müssen. Der Schutz jüdischer Einrichtungen wie Synagogen oder Friedhöfe muss erste Priorität für die Staatsgewalt haben.
Hallo Bronski, Herr Büge,
Ihre Einleitung zu diesem Thread verwundert mich sehr. Wenn Sie schreiben, dass die Rückkehr des „gesunden Volksempfindens begrüßt“ werde. Das können Sie so tun, wenn Sie es aber in sinngemäßer Verbindung eines kürzlich von mir gelieferten Kommentars bringen, weise ich das zurück.
Nur, weil ich die Diskriminierung und Verzerrungung in einer gelieferten Kriminalstatistik -von statista- nicht sehe, so wie Sie, sollten Sie sich nicht zu einer solchen Aussage versteigen.
Ihre Schlussfolgerung „begrüßt“ ist mehr als gewagt, ich habe eine Einstellung erwähnt, die ich REGISTRIERT habe und nannte auch die Gründe dafür.
Ergänzend noch, der Nazi-Ideologie stehe ich sooo fern, ich wünschte, alle Festtagsredner die bei entsprechenden Gedenktagen ihre Betroffenheit ausdrücken, wären wirklich so betroffen wie sie tun und hätten eine ähnliche Distanz.
Und diese Gründe liegen in der Vergangenheit meiner Familie und haben mich immunisiert.
Meine Meinung zur AfD habe ich ebenfalls in einem der letzten Kommentare dargelegt.
„Was geht Ihnen durch den Kopf angesichts des Terrors von Halle?“
Auf wenige Stichworte reduziert: Neben Trauer, Wut und Empörung vor allem ein Gefühl der Hilflosigkeit. Und ein klein wenig Erleichterung angesichts der Tatsache, dass ein Massaker geplant war und gerade noch verhindert wurde.
Unverständnis für die Dümmlichkeit einer Kanzlerkandidatin in spe, von „Warnsignal“ zu sprechen, während ein bombenbewaffneter Attentäter bereits im Haus steht.
Weit schlimmer freilich ein Zynismus, der Betroffenheit mimt.
Zu demonstrieren an Posts von Alice Weidel und Alexander Gauland.
Zunächst Erstaunen: Alice Weidel hat auf Facebook ihre „Bestürzung“ gepostet, daneben eine brennende Kerze.
– Was ist dran an dieser „Bestürzung“? – Man vergleiche ihre letzten Posts!
46 Minuten später, gemeinsam mit Alexander Gauland, ein Post mit folgender Beteuerung:
„Die Fraktionsvorsitzenden der AfD im Deutschen Bundestag verurteilen den antisemitischen Terroranschlag in Halle und weisen Versuche zurück, das Verbrechen tagespolitisch zu instrumentalisieren.“
Daneben ein großflächiges Poster mit folgender Aufschrift: „Antisemitischen Terror und extremistische Gewalt hart bekämpfen und bestrafen!“
Das wirft Fragen auf!
Stichwort „instrumentalisieren“:
Am 8. Okober postet Weidel zum Anschlag von Limburg (über dessen Hintergründe noch nichts bekannt ist) ein Plakat mit großen Lettern: „Syrer begeht Anschlag mit LKW: Seehofer muss die Bürger endlich schützen!“
Hat mit „Instrumentalisierung“ offenbar nicht das geringste zu tun.
Stichwort „extremistische Gewalt“:
Wen Weidel & Co. damit meinen, auf wen die geballte Terrorwut sich demnach nach deren Vorstellungen zu richten hat, das macht ein anderer Post mit Großplakat vom 7. Oktober deutlich: „Extinction Rebellion legt Berlin lahm! Keine Klimaschützer, sondern Extremisten!“
Ich verstehe, warum sich die Organisatoren des Trauermarsches in Paris nach dem Terroranschlag auf „Charlie Hebdo“ die Beteiligung des Front National strengstens verboten haben.
In Deutschland scheint es immer noch möglich, dass Schreibtischtäter sich als Trauergäste maskieren, ohne dass ein Aufschrei erfolgt. Eine makabre Vorstellung, die Erinnerung aus Szenarien einer weit übleren Zeit wach rufen.
Soviel zur „Wut“.
Als ich von den Morden in Halle las, war ich entsetzt. Doch dieses Entsetzen steigerte sich in große Wut. Mal wieder war es ein „Einzeltäter“. Diese Einzeltäter sind offenbar ein durchgängiges Merkmal aller faschistischen Mörder.
Und dann kommen wieder die immer gleichen Satzbausteine: Mit der ganzen Härte des Rechtsstaats, wir sind entsetzt, usw.
Ich kann es nicht mehr hören! Da redet Frau Widmann-Maunz , dass es nötig sei nicht nur gegen Antisemitismus, sondern auch gegen Muslimfeindlichkeit zu kämpfen. Recht hat sie, doch den Worten folgen keine Taten. Mal sehen, wie lange es dauert, bis es aus CDU/CSU-Kreisen wieder heißt, das der Islam nicht zu Deutschland gehört.
Die Ansammlung faschistischer Demagogen (AfD) heuchelt Empörung. Doch genau diese Partei hat doch den Massenmord an den Juden, Sinti, Roma und vielen anderen Menschen als „Mückenschiß“ in der Geschichte verharmlost. Höcke und seine Bande benutzen das gleiche Vokabular, wie die Hitlerpartei, dürfen ihre Propaganda in allen „Talkshows“ ungehindert bis wohlwollend verbreiten.
Das muß endlich die Konsequenz aus diesen Verbrechen sein: keine Tribüne für diese Partei, die immer offener in der Tradition der NSDAP steht. Konsequente Bekämpfung dieser Partei. Und alle Demokraten sind aufgefordert, diesen Kampf auf allen Ebenen zu führen.
Christchurch als Vorbild für Halle zog mir durch den Kopf. Dieser wiederum bezog sich auch auf Breivik. Der Wahn zum Töten scheint Kreise zu ziehen. Da drängt sich mir der Eindruck auf, dass es um die geistige Gesundheit schlecht bestellt ist.
Wie findet ein Mensch den Bogen von Ärger über was auch immer, von Unzufriedenheit hin zum Hass, zum Vorhaben des Tötens?
Wie findet man in seinem Leben, in sich selbst so wenig „positives“, dass die unmenschlichsten Taten zur Nachahmung führen?
Welche mit Hass verseuchten Glaubenssätze, die man nicht hinterfragt muss ein Mensch sich reinziehen, um solche Taten zu begehen?
War gestern an der Synagoge im Westend um Blumen als Zeichen für das existierende Gegenteil zu derartigen Taten zu hinterlassen.
In dem Stream, den der Attentäter von Halle quasi als Bekennerschreiben im Internet hinterließ, leugnet er den Holocaust. Damit ist er nicht allein. Denn im Netz präsentiert sich vor aller Augen und Ohren eine gewaltbereite rechtsextremistische Szene, die auf Anonymität kaum Wert legt und offensichtlich keine Angst vor Strafverfolgung hat. Besonders bekannt sind Kreise um die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, den mittlerweile verstorbenen Holocaust-Leugner Ernst Zündel oder den Verein „Gedächtnisstätte“ im Landkreis Sömmerda (Thüringen). Ganz zu schweigen von diversen Neonazi-Organisationen.
Teile der deutschen Justiz scheinen davon entweder noch nichts gehört oder aus den Dokumenten völlig falsche Schlüsse gezogen zu haben. Glaubt man denn wirklich, dass Leute, die unverhohlen die physische Vernichtung von Andersdenkenden proklamieren und aus eigener Machtvollkommenheit den politischen Mord legalisieren, lediglich geschmacklose Scherze posten? Jeder einzelne der bekannt gewordenen Mordfälle war prinzipiell vorhersehbar und er wäre vermeidbar gewesen. Dazu hätte es keines Überwachungsgeflechts bedurft, das die Grundrechte beschneidet. Sondern lediglich des juristischen Grundsatzes, dass Meinungsfreiheit nichts mit einer vermeintlichen Freiheit zur verbalen Diskriminierung (im Netz und anderswo) zu tun hat. Hätte man die Tausende von Verstößen gemäß § 130 StGB (Volksverhetzung) nicht lediglich als nichtöffentliche Provokation, sondern als Staatsgefährdung geahndet, wäre der blau-braune Sumpf längst ausgetrocknet.
Diese Unfähigkeit erinnert an den Umgang mit den Morden der Terrororganisation NSU, speziell durch die Verfassungsschutzbehörden. Der frühere Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, ist mittlerweile Fachanwalt in einer Kölner Kanzlei, die dafür bekannt ist, Mandantschaften von rechten Gruppen zu übernehmen. Es scheint zusammenzuwachsen, was zusammen gehört.
Ein Beispiel aus den Niederungen des Alltags: Im September 2017 sandte mir ein in der Rhein-Main-Region bekannter Rechtsradikaler einen Droh- und Hassbrief, einen von mittlerweile ca. 38 innerhalb drei Jahren. Unter dem handschriftlich eingefügten Titel „Holocaust Auschwitz“ befindet sich die Kopie eines jener typischen Artikel, die man in den Publikationen der Neo-Nazis findet. So über die angebliche tatsächliche Zahl der Opfer („nur“ 1,5 Millionen) und die vermeintlichen hauptsächlichen Gründe für deren Tod (Erschießungen, Epidemien wie Typhus). Der anonym auftretende, aber namentlich bekannte Verbreiter dieser Relativierungen und Leugnungen unterstrich seinen Zynismus noch, in dem er seinem Pamphlet die Bemerkung handschriftlich hinzufügte: »OLG FFM 2017. Die Negation des Holoc. in Privatbriefen ist keine strafbare Volksverhetzung, da es nicht Öffentlichkeit ist!«
Auf meinen schriftlichen Strafantrag vom 10. September 2017 an die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wegen des Verdachts der Volksverhetzung (Leugnung der NS-Gewaltverbrechen) habe ich bis heute keine Nachricht erhalten. Weder über die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens noch über die Einstellung eines solchen. In einem parallelen Verfahren, das in keinem Zusammenhang mit der erwähnten Holocaust-Leugnung stand, wurde der derselbe Täter wegen Beleidigung in zwei Fällen im Juni 2018 vom Amtsgericht Frankfurt zu einer Geldstrafe verurteilt (Aktenzeichen 6110 Js 236212/18).
In einem anderen Fall lehnte die Staatsanwaltschaft Limburg an der Lahn die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen eines im Internet platzierten Aufrufs zu einem „kleinen Holocaust“ gegen Randalierer beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 ab (Aktenzeichen 5 Js 11684/17). Zwar wurde die Formulierung als „sprachliche Entgleisung“ beanstandet, gleichzeitig aber darauf verwiesen, „dass das Bundesverfassungsgericht gerade in seiner jüngeren Rechtsprechung eine deutliche Stärkung der freien Meinungsäußerung vorgenommen“ habe. Hier seien „sowohl Entscheidungen aus dem Bereich des Ehrschutzes (Beleidigung) als auch aus den Bereich der politischen Äußerungen (Volksverhetzung) hervorzuheben.“
Exemplarisch erwähnt wurde ein veröffentlichter Text folgenden Wortlauts: „So seltsam es klingen mag, aber seit 1944 ist kein einziger Jude nach Auschwitz verschleppt worden. Und seit die Alliierten keine deutschen Städte mehr bombardieren, werden Synagogen nur noch gebaut und nicht gesprengt.“ Das Bundesverfassungsgericht habe anderslautende Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben, weil es in der Äußerung keine Volksverhetzung nach § 130 StGB erkannte.
Denn dessen Aufgabe sei im Wesentlichen der Schutz von Minderheiten vor grober Verunglimpfung, eines Schutzes, der jedoch nicht uneingeschränkt gelte. Wörtlich heißt es in dem Bescheid: „Nicht geschützt ist nach herrschender Meinung zum Beispiel die Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Geschützt sind auch nur Personenmehrheiten im Sinne von Bevölkerungsminderheiten, die als Teile der Bevölkerung Deutschlands hinreichend bestimmt, das heißt abgrenzbar sind. Als nicht hinreichend bestimmt hat die obergerichtliche Rechtsprechung z.B. angesehen: die Fangemeinde eines Fußballvereins, ebenso wenig die GSG 9. Im politischen Bereich wurde die Abgrenzbarkeit abgelehnt für den Begriff »Linke und Antifa-Brut«.
Und weiter: „Auch der Straftatbestand des § 130 Abs. 4, der Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus, liegt nicht vor. Dies ergibt sich schon deutlich aus den Folgesätzen der Veröffentlichung des Beschuldigten in denen er sich deutlich von nationalsozialistischen Gedanken distanziert.“
Ja, letzteres hat er formal getan (mutmaßlich, weil ihm klar war, zu was er aufgerufen hat), indem er darauf hinwies, dass in seiner Heimatgemeinde die Nazis nie hätten Fuß fassen können. Obwohl das englische Wort „Holocaust“ auf das Altgriechische „Holócaustos“ (vollständig verbrannt) zurückgeht und die planmäßige Ermordung der europäischen Juden durch den NS-Staat beschreibt, schien es dem Beschuldigten dennoch geeignet als Vorbild für einen staatlich durchzuführenden Racheakt. Schließlich proklamierte er durch dessen Gebrauch faktisch die physische Auslöschung einer politischen Gruppierung, die bis heute, zweieinhalb Jahre nach den Vorfällen, für die Hamburger Justiz immer noch nicht abschließend erfassbar ist.
Die Relativierung, Verharmlosung und Leugnung der NS-Gewalttaten einschließlich der Neubelebung von Begriffen aus dem „Wörterbuch des Unmenschen“ (Sternberger/Storz/Süskind) wird von ihren Verursachern mit dem Ziel betrieben, die Deutungshoheit über die politische Willensbildung dieses Landes zu erlangen. Im dem Maße, wie das bislang Unsägliche in breiten Schichten wieder als unanstößig empfunden wird, sinken die Hemmschwellen und der Terror der Rechten wird salonfähig.
Vor diesem Hintergrund bewerte ich sowohl den Mordanschlag in Halle als auch den an Regierungspräsident Walter Lübcke sowie andere Attentate aus ähnlichen Motiven als voraussehbare Folgen einer tiefgreifenden Strukturkrise des Rechtsstaats. Nicht zuletzt jene Politiker, die angesichts der Verbrechen jetzt öffentlich Unfassbarkeit äußern, hätten es in der Hand gehabt, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (GG-Artikel 5) im Kontext von GG-Artikel 1 (Würde des Menschen) eindeutig zu definieren. Und den Straftatbestand der Volksverhetzung nicht von juristischen Spitzfindigkeiten abhängig zu machen und jeden Staatsbürger als betroffen und klageberechtigt zu definieren.
Einstürzende Gewissheiten – europaweit, weltweit.
Wo sollen wir Halt finden, wenn das Anhäufen von Sachen keinen gibt?
Wo sollen wir hingehen, wenn einer nach dem anderen dicht macht?
Verlust, nicht Gewinn ist das bleibende Gefühl beim Konsumenten.
Verlust von Nähe, Verlust von Freunden, Verlust von Gewissheiten, Verlust von Perspektiven – besonders für Jugendliche.
Verlust von Sinn.
Wo können wir uns zuhause fühlen, wenn mehr und mehr Nachbarn lieber in der Wolke zum Stelldichein abdriften, als mit mir Skat zu spielen?
Warum ist (oder tut) man so überrascht?
Fast alle europäischen Hauptstädte können sich mit solchen Katastrophen wie in Halle problemlos messen, ja, sie bieten so gar mehr, viel mehr.
Und in der Wolke werden die Charts fleißig überarbeitet und neu justiert:
Wo waren es mehr, wo war wer schneller, besser, erfolgreicher?
So viele Klicks, so viele Freunde – endlich.
Hier werde ich sogar zum Helden, hier steife ich auf der Leiter der Anerkennung weiter und weiter nach oben. Und wenn es nicht so klappt, wie geplant, dann helfen die Netz-Mitdenker mir über die Krise: Du brauchst eben einen langen Atem.
Die da unten sind doch einfach zu blöd zu kapieren, wie der Hase läuft!
Und es gibt Applaus, Unterstützung, praktische Anleitungen, noch und noch.
Da ist wenigstens etwas los, da kann ich Tag und Nacht hin, da ist immer jemand für mich da. Cool oder?
Längst ist die Trennlinie zwischen analog und digitaler Wirklichkeit obsolet.
Das Digitale begeistert doch viel mehr, Tag und Nacht, weltweit, wow!
Nur in der analogen Welt der Behörden sind die Sachbearbeiter sowas von hinten dran – die notwendigen Fortbildungen müssten stündlich Tausende und Abertausende erfassen, damit sie nicht nur die Geräte besser und schneller handhaben können, sondern damit sie auch den Vorsprung der Jugendlichen verringern lernen.
Deshalb auch die Ratlosigkeit der Politiker und Beamten: Sie stecken noch viel zu sehr im alten Leben, das längst ausgehebelt ist von der internet-community, die sich eins ins Fäustchen lachen kann, weil die einfach noch nicht den Schuss gehört haben.
In den Interviews, den Statements wabert es ja nur so von Betroffenheit und wilder Entschlossenheit, endlich den Feind der Demokratie erkannt zu haben – aber es bleiben Lippenbekenntnisse, so lange nicht wirklich die fähigen Nerds und Könner flächendeckend eingebunden werden in das tägliche Recherchieren und Beobachten. Nur von denen können sie etwas lernen, nicht von Parteibonzen, Industriellen, Wissenschaftlern.
Auf dem Titelbild „Trauer vor der Synagoge in Halle“ ist die Fahne Israels abgebildet. War es in Halle ein Angriff auf Israel? Es ist eine jüdische Gemeinde und zwei unbeteiligte Passanten in Deutschland, die Opfer eines terroristischen Angriffs wurden. Es ist ein Angriff auf unsere demokratische multikulturelle Gesellschaft. Da wäre nur eine deutsche Fahne angebracht, aber dann bitte auf Halbmast mit Trauerflor.
Diesmal also Halle. Wieder so ein Einzeltäter. Wollte sich in die Synagoge schiessen und dort Menschen töten. Jahwe sei Dank, er hat es nicht geschafft. Trotzdem mussten zwei Menschen sterben.
Große Betroffenheit. Es gibt immer noch Leute, die bei rechtem Terror aufrichtig überrascht reagieren. Die sich nun an der AFD abarbeiten, deren neoliberal-oligarchisches Parteiprogramm leider kaum einer liest. Bernd -Denkmal der Schande- Höcke liefert genug Hassgeschrei, da muss keiner mehr längere Texte lesen. Außer vielleicht kurze Hetzkommentare im Netz. Dort, und nicht auf der Strasse, rekrutieren die Rechten ihre „Krieger des Odin“, all die frustrierten Kerle, die keiner lieb hat oder bewundert. Die Mittelmäßigen, die endlich wieder Bedeutung erlangen wollen. Jetzt, wo das Patriarchat an allen Ecken wackelt, die Welt brennt und die Weißen nicht mehr überall den kolonialen Ton angeben können.
Aber es sind eben nicht nur die Hassprediger der AFD, die mit toxischen Botschaften Frustration und Wut schüren. Es gibt viele rechte Gruppen, die ideologisch agieren. Allen voran die Identitäre Bewegung. Oder der III. Weg, die NPD, die Hammerskins, Pro NRW, rechte Verlage und Privatpersonen. Alle eint der Sprech von der weißen Vorherrschaft. Die man um jeden Preis verteidigen muss. Mit allen Mitteln. Da werden militärische Übungen veranstaltet, im Gelände, mit Schiesstraining. Etliche Herren von der Polizei oder der Bundeswehr steuern fachliche Kenntnisse und Equipment bei. Warum macht das keinen nervös?
Warum redet eigentlich kaum einer vom weiten Feld der rechten Umtriebe? Davon, dass eben nicht nur die AFD den Diskurs anführt?
Einerseits gibt es die harten Rechten, die alte Privilegien und neue Ressourcen erringen wollen. Denen ist alles egal.
Und es gibt die, die schimpfen und nicht wissen, wie sie auf die epochalen Umbrüche reagieren sollen, mit denen wir uns alle konfrontiert sehen. Die nicht fünf Fremdsprachen sprechen. Deren Medienkompetenz noch ausbaufähig ist. Die nicht wissen, welchen Rotwein man zum Kobe-Rinderfilet wählt. Ihnen mit Herablassung zu begegnen, vertieft nur die Gräben und bereitet den Faschisten das Feld.
Es ist dringend geboten miteinander zu sprechen, sich zu zu hören, auch wenn’s manchmal nervt. Es bringt nichts vom hohen Ross kultivierter Borniertheit herab denen, die wanken, mehr Niveau zu predigen. Aber miteinander reden hilft. Vernunft hilft. Die Ostdeutschen als Mitbürger zu begreifen -jetzt, 30 Jahre nach dem Mauerfall- hilft. Kommunikation ist der Knoblauch gegen den Faschismus.
Was sich in Halle erneut gezeigt hat, ist nichts anderes, als die hässlich-mörderische Fratze des Faschismus. Ich kann nur hoffen, dass die Politik in Deutschland endlich den Ernst der Lage erkennt. Es geht nicht um „besorgte Bürger“, mit denen man nur reden müsse. Es geht um die Unantastbarkeit der Würde, um die Gleichheit und die gleichen Rechte ALLER hier lebenden Menschen und um die Demokratie schlechthin! Die Parole: „Keinen Fuss breit den Faschisten“…fängt schon im Umgang mit den Wegbereitern aus sog. Bürgerwehren, Pegida und der AFD an!
Den von Hanning Voigts kritisierten Floskeln, die er nicht mehr hören oder lesen möchte, möchte ich eine hinzufügen: Antisemitismus, Fremdenhass etc. „haben in Deutschland keinen Platz“. Das fälscht, wie jeder und jede – nicht nur durch oder nach Halle – erkennen kann, die reale Situation, man könnte auch sagen, die Floskel sei eine Lüge.
Also, wie man in der FR hin und wieder lesen kann: Ab damit in das Phrasenschwein! Besonders aber: Raus aus den Politikersprüchen.
Hier noch ein Nachtrag zu meinem Blog-Eintrag vom 12. Oktober, 14:00 Uhr:
Was nützen die unverbindlichen Sonntagsreden (nach Attentaten), wenn die Politik das rechtsextremistische Übel nicht an seinen Wurzeln bekämpft? Sei es, dass Diskriminierung und Aufruf zum Hass nicht länger als Meinungsfreiheit durchgehen; sei es, dass rechte Schmierereien, die in manchen Orten mittlerweile zum Straßenbild gehören, konsequent verfolgt werden.
Denn wer Straßen- oder Verkehrsschilder mit NS- und anderen Hassparolen beschmiert, geht derzeit kaum ein Risiko ein, entdeckt und verfolgt zu werden. Doch wer diese verfassungsfeindlichen Symbole beseitigt und von selbsternannten Blockwarten dabei beobachtet wird, handelt sich Anzeigen wegen Sachbeschädigung ein und wird zu Geldstrafen verurteilt.
Als die engagierte Demokratin Irmela Mensah-Schramm im Dezember 2018 in Eisenach den Schriftzug „NS-Zone“ auf einem Straßenschild erblickte, übersprühte sie die Buchstaben „NS“ mit einem Herz. Wegen dieses Vorgangs und drei ähnlichen Fällen hat das Amtsgericht Eisenach sie Anfang Oktober dieses Jahres verurteilt. Jemand hatte die Aktionen fotografiert und der Polizei gemeldet. Die Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin wegen Sachbeschädigung in vier Fällen.
Irmela Mensah-Schramm beseitigt seit mehr als 30 Jahren Hass-Botschaften und Nazi-Symbole, die im öffentlichen Raum aufgemalt oder plakatiert wurden. Dabei ist sie wiederholt mit Polizei und Justiz in Konflikt geraten. Bei einer Demonstration gegen die AfD im Mai 2018 wurde die 73jährige Aktivistin sogar festgenommen. Die Verfahren wurden bisher aber stets eingestellt.
Auch dieses Mal bot der Richter in Eisenach an, gegen Zahlen einer Geldauflage von 500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung das Verfahren einzustellen. Die Rentnerin, die für ihre Zivilcourage und ihr Engagement unter anderem schon mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, lehnte das ab und wurde zu 300 Euro Geldstrafe verurteilt. Zusätzlich muss sie die Kosten des Verfahrens tragen.
Gegen das Urteil will sie Berufung einlegen. Und sie argumentiert (u.a. gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk): „Ich habe keinen Fehler gemacht“. Sachbeschädigung sei das, was diejenigen machten, die die Nazi-Parolen auf Mauern und Schilder sprühten. Sie entferne lediglich die menschenverachtenden Botschaften.
Ähnlich negative Erfahrungen mit den Behörden mussten die Brüder Ralf und Reiner Bender in Limburg an der Lahn machen, als sie im Umfeld zweier Schulen Nazi-Parolen von Verkehrsschildern und Mülltonnen abkratzten oder übermalten, weil die alarmierte Stadtverwaltung nicht tätig geworden war. Von März 2013 bis weit in das Jahr 2016 hinein zog sich das Verfahren hin. Es endete mit der Androhung von Zwangsvollstreckung. Letztere konnte nur abgewendet werden, weil eine Bürgerinitiative das Geld sammelte.
Kommunikation ist der Ventilator gegen den Knoblauch oder auch das Salz in der Suppe.
Eine solide Tür und der Spinner bleibt draußen.
Leider ist die Tür um Europa herum ziemlich
undicht und so manche Überraschung droht noch.
Solln mer se rinnlosse?-Besser nicht!
Das ist doch nur noch krank. Dass der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Stephan Brandner, die Nachricht eines anderen Nutzers verbreitet, die Opfer des Amokläufers in Halle seien eine Deutsche gewesen, die gerne Volksmusik gehört habe, sowie ein Biodeutscher, so dass sich die Frage stelle, warum Politiker in Moscheen und Synagogen mit Kerzen herumlungerten, ist an eiskaltem Zynismus nicht mehr zu überbieten. Diese beiden Zufallsopfer gab es doch nur, weil der antisemitisch ausgerichtete rechtsextreme Täter bei seinem eigentlichen Vorhaben scheiterte. Dieser AfD-Politiker muss als Vorsitzender des Rechtsausschusses sofort abgelöst werden, nachdem er definitiv eine Grenze überschritten hat. Solange diese Entgleisung zudem nicht mit einem Parteiausschluss und Ausschluss aus der AfD-Fraktion geahndet wird, sind Alexanders Gaulands Vorwürfe gegen berechtigte Kritiker wie den SPD-Politiker Michael Roth letztlich nur noch die Eseleien eines alten Mannes, der seine eventuellen Lebensleistungen als früherer CDU-Politiker damit endgültig entwertet.
Ja, es reicht: es reicht mit den „Sonntagsreden“ nach jedem Anschlag. Wann werden die braunen Täter endlich mit der gleichen Aufmerksamkeit und Energie verfolgt wie „Islamisten“ oder „Linksradikale“? Ja, es reicht: es reicht immer wieder auf das hohe Gut der Meinungsfreiheit und des Demonstrationsrechtes hinzuweisen, wenn gleichzeitig Demonstranten von der Polizei niedergeknüppelt und eingekesselt werden (Stuttgart 21, Attac, G20, Hambacher Forst, etc. pp), während der braune Mob von der Polizei unbehelligt seine abstoßenden, teils verfassungsfeindlichen Parolen grölend, mit verbotenen Symbolen feuchtfröhlich durch dt. Städte marschiert. Ja, es reicht: es reicht mit dem Palaver von „man wird ja wohl noch sagen dürfen …“ und ähnlichem Geschwafel. Wer jetzt noch meint die AfD wählen zu können, dem ist nicht mehr zu helfen: entweder ist er (und / oder auch sie) ein ausgewiesener Rassist, oder er ist nicht mehr ganz bei Sinnen. Ja, es reicht: es reicht mit dem Geschwätz von der „christlich-jüdischen Leitkultur“. Als hätten nicht die Christen fast 2000 Jahre lang die Juden verfolgt.
Und es reicht mit dem unsäglichen gegeneinander Ausspielen von Religionen, Ethnien und Lebensplanungen. Der jetzige Innenminister und seine (damaligen) Weggefährten haben zur bayerischen Landtagswahl alle Register gezogen, um am rechten Rand zu „fischen“. Sie dürfen sich mit den Nasen der AfD ebenfalls zu den „geistigen Brandstiftern“ zählen, die den Boden für den braunen Sumpf bereitet haben.
Man erinnere sich. In Tagen des RAF-Terrors war viel von den Sympathisanten die Rede. Man sprach gar von einer Armee von Sympathisanten und geistigen Unterstützern.
Die neuerlichen Morde in Halle, der Mord an Walter Lübke, die NSU-Morde und die unglaubliche Zahl von 13.000 rechten Straftaten allein im letzten Jahr machen deutlich, dass eine neue Saat von Terror in Deutschland aufgegangen ist.
Diese Zunahme von rechter Gewalt ist nicht plötzlich über Deutschland hereingebrochen. Sie korreliert eng mit dem Erstarken der Rechten und braucht ebenfalls Unterstützer und Sympathisanten. Es ist die AfD und ihr Wählerpotential, das weit in der Mitte unserer Gesellschaft verankert ist, welche den Nährboden für Hass und rechtsradikales Gedankengut bereitet hat.
Wer diese Ideologien fördert und geistig unterstützt, bereitet damit auch Gewalttaten vor, das muss jedem klar sein, der sein Kreuzchen bei der AfD macht oder der für Pegida auf die Straße geht.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bringt es auf den Punkt: „Ich bin es leid, dass Rechtsextremismus offen das Wort geredet wird und diese Borniertheit klammheimliche Zustimmung findet. Ich sage es deutlich: Wer dafür auch nur einen Funken Verständnis aufbringt, der macht sich schuldig.“
Eine Mitschuld tragen auch Politiker, welche aus reinem Machtkalkül heraus die AfD hoffähig gemacht haben – allen voran die CSU mit Seehofer. Aber auch ein Herr Gauck der für eine „Erweiterung der Toleranz ins rechte Lager“ hinein plädiert, festig die Ideologien der Rechten und gefährdet dadurch unsere Demokratie.
Dass es überhaupt so weit kommen musste, hat mit einem Politikversagen und der staatlichen Organe zu tun, die auf dem rechten Auge über viele Jahrzehnte blind waren. Das rächt sich jetzt.
Die Kundgebung am Sonntag an der Synagoge im Westend hatte für mich auch etwas tröstliches. Das Gefühl, nicht alleine zu sein im Andersdenken. Was mich auf den Gedanken brachte, daß die „schweigende Mehrheit“ zu sehr schweigt. Öffentlichkeit verschafft sich nur der Teil der Gesellschaft, der seinen Hass in die Welt trägt und bestärkt und infiziert Menschen, die bereit sind, ihre Menschlichkeit, ihre Empathie zu Grabe zu tragen. Im Falle von Halle, ein Grab für andere.
Ich habe noch keine Idee, aber die Bereitschaft, lauter zu werden und die Öffentlichkeit nicht der Menschenverachtung zu überlassen.
Liebes Deutschland,
nun bekommt dieses Land sein Erziehungsprodukt sowie die Folgen der „Vogel-Strauß-Politik“ der letzten Jahrzehnte seit der direkten Nachkriegszeit zurück. In der Pädagogik gibt es einen Spruch, der da lautet: „Den Grund der Fehler seiner Zöglinge sollte der Erzieher immer zu erst bei sich selbst suchen.“
Schon früh in den 60-er Jahren durften Presse-Organe in der BRD ungestraft behaupten, in Ausschwitz sei kein Jude vergast worden, hier in der BRD durfte von der reaktionären Presse während der gesamten Nachkriegszeit behauptet werden, Polen hätte den II. Weltkrieg angefangen, weiter behaupteten diese rechtsnationalen Zeitungen, Adolph Hitler sei der größte Feldherr aller Zeiten gewesen. Weiter sprach man hier im Westen nach dem II. Weltkrieg sehr schnell „Vom Russen“ und stellte die vermeintlichen Kriegsverbrechen Stalin`s sowie die Behandlung der großen Schar an Kriegsgefangenen heraus, ohne auch nur ansatzweise eine Ursachenforschung zu betreiben. Dabei wurden die Verbrechen der Regierung des III.Reiches regelrecht in die Subsidiarität verbannt. Bis weit in die 70-er Jahre hinein sprach man von der Sowjetisch besetzten Zone, SBZ und reaktionäre Vertriebenenverbände weigerten sich, anzuerkennen, daß die „Schuld“ für die Existenz von zwei deutschen Staaten alleine bei Deutschland und seiner Geschichte mit dem einseitigen Feindbild des „Kommunismus“ lag. Aber nicht nur in der früheren Vergangenheit der BRD liegt ein erhebliches Mitverschulden dafür, daß der Neo-Faschismus wieder salonfähig geworden ist. Die Politik, die Kommunalpolitik und vor allem die Verwaltungsgerichte sorgen dafür, daß den Neo-Nazis wieder eine Bühne geboten wird und sie durch ihre Grölerei auf der Straße große Teile unserer Mitmenschen regelrecht diffamieren können. Bedauerlich ist, daß die meisten Presseorgane der bürgerlichen Presse nicht bereit sind, die Mißstände bei der Politik sowie der Justiz und vor allem den Inhalt rechter Presse offen anzusprechen und darauf hinzuweisen, daß dem neuen Faschismus durch die laschen Genehmigungsverfahren eine erhebliche Legitimation verliehen wird. Anstatt, daß der Staat, dessen Aufgabe es ist, die Sicherheit zu garantieren, gegen die neo-faschistischen Umtriebe vorgeht, besteht die Nachbehandlung von Verbrechen derzeitig lediglich darin, daß der Inhaber der Polizei- und Staatsgewalt diese Exzesse ausschließlich verbal verurteilt und immer wieder schon phrasenhaft von sich und dem Volk fordert, was in vermehrter Form zu tun sei. Verantwortliche Stellen, Politiker und Organisationen beschränken sich ausschließlich darauf, vermehrt hinzuweisen daß man dies und das in verstärktem Maße tun müsse, um Rechtsradikalismus einzuschränken; fordert man jedoch mehr Aktionismus von ihnen ein, blocken sie sofort ab und beschwichtigen mit dem Argument, ihnen sei durch Recht und Gesetz die Hände gebunden. Nicht ein einziger Politiker, noch nicht einmal Bundestagsmitglieder der „Linken“ haben den Mut, die Verwaltungsgerichte für ihre regelrechte Kniefallpolitik vor Höcke zu kritisieren. Aber auch die angeblich demokratische Presse handelt nach dem Prinzip: “Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ und läßt sich nicht dazu bewegen, den total-reaktionären Inhalt ihrer Kollegen in den national-reaktionärer Presseorganen zu kritisieren.
Der türkische Staatspräsident und Düktatör vom Bosporus, Recep Tayyib Erdogan, will zwei Millionen Flüchtlinge von der Türkei nach Nordsyrien in eine sog. Flüchtlingssicherheitszone „umsiedeln“. Deshalb seine völkerrechtswidrige Invasion in Nordsyrien und weil er wahrscheinlich dort unter anderem ein „Kurden-Reservat“ oder „Kurden-Ghetto“ einrichten will, um so einen eigenen länderübergreifenden Kurden-Staat doch noch verhindern zu können.
Woran erinnert mich das? Richtig an die Hitlersche „Umsiedlung“ der Juden in die Ostgebiete – in Ghettos bzw. Konzentrationslager – um an ihnen eine Sonderbehandlung durchführen zu können.
In der Zwischenzeit solidarisieren sich die türkischen Fußballspieler gegen Albanien und Frankreich mit ihrem Führer Erdogan und unterstützen so seine Militäroffensive in Nordsyrien auch noch durch Salutieren. Unglaublich, sogar Ilkay Gündogan gefällt das. Und was sind die Konsequenzen daraus, lieber DFB, liebe NATO, EU und Deutschland? Ich sehe nicht ein, warum die deutsche Bundeswehr, falls der Aggressor Türkei angegriffen würde, Erdogan überhaupt im Rahmen des NATO-Bündnisses militärisch unterstützen sollte wie damals die Wehrmacht Hitler!
@ Siegfried Kowallek, 14. Oktober 2019 um 23:38
„Solange diese Entgleisung (von Stephan Bandner) zudem nicht mit einem Parteiausschluss und Ausschluss aus der AfD-Fraktion geahndet wird, sind Alexanders Gaulands Vorwürfe gegen berechtigte Kritiker wie den SPD-Politiker Michael Roth letztlich nur noch die Eseleien eines alten Mannes.“
Ach, wenn es doch nur „Eseleien“ wären!
Sie haben vermutlich gelesen, was ein Gauland zum Ausfall Brandners zu sagen hat:
„Solange ein Mitglied der Bundesregierung sagen kann, die AfD sei der politische Arm des Rechtsterrorismus, entschuldige ich mich hier für nichts.“
(https://www.fr.de/politik/a…
Kritik an der AfD erfolgt WEGEN der fehlenden Abgrenzung zu offen rechtsradikalen bis faschistoiden Tendenzen. Ein Gauland versucht, Ursache und Wirkung ins gerade Gegenteil zu verkehren.
Der gleiche Gauland, der eben noch von der „bürgerlichen“ AfD laverte, liefert nun selbst die Bestätigung für ihre rechtsradikale Ausrichtung!
Das lässt sich mit bloßem Altersstarrsinn nicht mehr erklären. Das ist unverblümte, bewusste Demagogie.
Zur Erinnerung:
Stephan Brandner benutzte die Anwesenheit von Politikern bei einer Gedenkstunde in der Synagoge zu deren Verhöhnung: „Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?“
Dies war kein einmaliger Ausrutscher des Berufszynikers Brandner, der Ordnungsrufe im Thüringer Landtag (32 alleine von insgesamt 42) wie Trophäen sammelte und sich selbst stolz als „Pöbler aus dem Landtag“ bezeichnete (Wikipedia).
Natürlich haben Sie Recht, dass so ein Berufsprovokateur nichts im Bundestag und schon gar nichts als Vorsitzender des Rechtsausschusses zu suchen hat.
Adressat für eine Ahndung wäre aber nicht die AfD und sicher nicht Herr Gauland.
Als Abgeordneter genießt und missbraucht Herr Brandner parlamentarische Immunität.
Diese definiert Wikipedia („Politische Immunität“) wie folgt:
„Ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages oder der Bundesversammlung hat parlamentarische Immunität, die ihn vor der Strafverfolgung, jedoch nicht vor zivilrechtlichen Ansprüchen schützt. Die Immunität (Art.46 Abs.2 GG) schützt aber nicht den Abgeordneten selbst vor Strafe (im Gegensatz zur Indemnität), sondern soll die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sicherstellen. Sie kann daher auch vom jeweiligen Parlament aufgehoben werden.“
Eine Petition auf Aufhebung der Immunität zur Ermöglichung von Strafverfolgung wäre also an den Parlamentspräsidenten zu richten, die auf Abwahl als Vorsitzender des Rechtsausschusses vermutlich an diesen.
Als Begründung wäre dabei auf die „Arbeitsfähigkeit des Parlaments“ zu verweisen.
Ich bin dabei!
Ja – das sind klare Worte von Hanning Voigts: Alarmzeichen? Unvorstellbar? Einzeltäter? Anfänge – wo wir seit langer Zeit mitten drin sind?
Die „fatale Blindheit fur die lange Geschichte des Rechtsterrorismus seit 1945“ betrifft Parteien (allen voran CDU und CSU, die in Sachsen und Sachsen -Anhalt stehen bereits auf dem Sprung zur Fraternisierung), die Polizei, den Verfassungsschutz …
Was mich nur immer wieder stort ist die Fokussierung auf den Antisemitismus und hier die Pauschalisierungen inklusive jedweder Kritik an der Besatzungspolitik Israels. Es geht bei den gewaltbereiten, völkischen Rechtsnationalisten um gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (Definition nach Wilhelm Heitmeyer), und wir sollten stets offene Augen für alle haben, auch wenn sich der Täter im Fall von Halle schließlich für die Synagoge statt fur eine Moschee oder ein linkes Zentrum entschieden hat. Und der Schutz muss auch allen gewährt werden, die gefährdet sind durch Hass(mails) und Drohungen. Auch mutigen und gegen Windmühlen kämpfenden Politikern, AnwältInnen, MigrantInnen, religiösen Einrichtungen.
Das Sicherheitssystem der Synagoge in Halle hat anscheinend bestens funktioniert, trotzdem sollen jetzt nicht nur sämtliche jüdischen Institutionen in Deutschland sicherheitsmäßig noch weiter nach- und aufgerüstet werden. Macht sich Deutschland nun langsam doch auf dem Weg zum „Rund-um-die-Uhr-Überwachungsstaat“?
Die Forderung der Verbände führt in die richtige Richtung. Denn gerade angesichts des Hasses im Internet, der sich vor allem an jüngere Menschen richtet, die immerhin die Zukunft dieser Gesellschaft darstellen, gehört in jedem Fall endlich ein konkreter Masterplan der Politik gegen Antisemitismus auf die Agenda. Schließlich ist bereits sehr viel Zeit ins Land gegangen, da das Szenario in der Regel in Deutschland nach der Wiedervereinigung so aussah, dass insbesondere bei der Bundesregierung wie bei einem pawlowschen Reflex nach jedem größeren antisemitischen Vorfall zunächst die öffentlich artikulierte Empörung äußerst groß war, während dann das Agenda-Setting sich wieder sehr schnell anderen Themen zugewandt hat. Deshalb sollte ebenfalls der Bundespräsident hier stärker der Politik auf die Finger schauen und auch zur Not unbequeme Worte wählen, zumal es angesichts der besonderen deutschen Vergangenheit eigentlich ohnehin schon unhaltbar ist, dass in sehr vielen Bundesländern der Geschichtsunterricht in den Schulen selbst beim Erwerb der Hochschulreife nur noch eine bescheidene Nebenrolle spielt!
Es ist gar nicht so lange her – 80 Jahre ist in der Geschichte keine lange Zeit –, als die Auswirkungen einer rechtsradikalen Partei in Deutschland noch sichtbar waren. Der Vergleich der AfD mit der Vorgängerpartei wird stets vermieden, aus Angst vor Repressionen. Sehen wir mal ein nicht so verfängliches Thema an, was die Menschen zurzeit umtreibt, den Wohnungs- und Städtebau: Wäre ein AfD-Mitglied Baudezernent: dann gäbe es keine „Mietskasernen“ und Hochhäuser für Luxuswohnungen, sondern ein mit der Scholle verbundenes Siedlungswesen, keinen verdichteten Wohnungsbau à la Gründerzeit, in der Josefstadt eher ein Riedberg-Westflügel oder eine Siedlung Goldstein. Keine Bankenhochhäuser, sondern nach Hugo Strasser „Brechung des Finanzkapitals“, dafür ein IG Farben Haus. Der Name „sozialistisch“ kam in der Vorgängerpartei vor, und „Arbeiterpartei“. Die Pendler allerdings kämen weiterhin mit den „Volkswagen“ in die Stadt, oder?
Die Gefahr ist nur, dass diese Vorstellungen einigen Mitbewohnern heute gar nicht so unrecht wären. Also zeigen wir die Folgen einer AfD-Regierung an ihrer Vorgängerpartei, solange wir uns noch erinnern wollen.
Man muss unsren regierenden Politikern schon Respekt zollen, wie sie den Fall Halle unisono der AfD als geistige Brandstifter unterjubeln. Wie in den Leserbriefen klar zu erkennen, ist die Botschaft angekommen,und der Hass kennt kaum noch Grenzen. Es zeigt sich mal wieder: der dumme Deutsche, das leicht manipulierbare Wesen.
Vergessen sind die Verfolgungspannen sowie Ermittlungsblockaden im NSU-Fall. Ich erinnere an den LKA-Beamten Mario Melzer: „Wer an die offizielle Version glaubt, glaubt auch an die Zahnfee“.
Es waren die unsichtbaren Wände, gegen die eine Handvoll aufrechter Polizisten aus Thüringen immer wieder liefen. Das kennen wir in Hessen allzu gut, mit der Zwangspensionierung von vier Finanzbeamten. Ministerpräsident Volker B. samt Vorgänger lassen grüßen. Bouffier: Wir lassen uns die Demokratie und Freiheit nicht nehmen. Wie bitte? Damals wurden zehn Menschen getötet, Aufklärung Fehlanzeige. Bei Mord und Totschlag ist von einer Aufklärungsquote weit über fünfundsiebzig Prozent auszugehen. Melzer, „Man kann fast alles aufklären – man muss nur dürfen“.
Der zutiefst traurige Vorfall hat leider wieder einmal gezeigt: Von den Opfern spricht kein Mensch mehr. Die Tat wird regelrecht als psychologische Kriegsführung gegen Andersdenkende genutzt. Und nicht zu vergessen, man brauchte einen schwarzen Peter.
Wie so oft offenbaren die Leserbriefe in der FR, wie leicht steuerbar große Teile des Volkes sind. Dabei sitzen die wahren Totengräber der Demokratie woanders. Einfach nur traurig und beschämend.
Mir stellt sich in Bezug auf rechte Hetze eine Frage: Wie sind die beiden folgenden Vorgänge miteinander zu vereinbaren?
Einerseits erhält in Darmstadt ein Bio-Deutscher, der ausländischen Nachbarn einen bösartigen, volksverhetzenden Brief geschrieben und in der Nachbarschaft verbreitet hat, eine Geldstrafe. Ich bin der Darmstädter Staatsanwaltschaft und dem Gericht sehr dankbar dafür, dass sie meinen Glauben an den Rechtsstaat gefestigt haben.
Andererseits werden in Chemnitz und anderswo von Rechtsradikalen mit hassverzerrten Gesichtern eindeutig strafrechtlich relevante Nazi-Parolen mit „offenen Visier“ in die Gegend gebrüllt. U. a. damit wird der Boden bereitet für Taten wie die in Halle.Diese Leute müssen doch identifizierbar sein. Sie scheinen davon auszugehen, dass sie mit ihrem Verhalten durchkommen. Mein Glaube an der Rechtsstaat erhält einen erheblichen Knacks.
Wie das erste Beispiel zeigt, wäre es möglich, einzuschreiten und Grenzen aufzuzeigen. Irgendwie beschleicht mich der Verdacht einer da und dort – bei weitem nicht überall, s.o. – vorhandenen klammheimlichen Komplizenschaft bei den staatlichen Organen. Ich würde so gerne eines Besseren belehrt.
Man darf den schrecklichen Antisemitismus nicht isoliert betrachten. Es geht den Neonazis nicht ausschließlich darum, schlimmstenfalls möglichst viele Juden zu töten. Es geht ihnen um ihre generelle Menschenfeindlichkeit, die sie ausleben wollen.
Angestachelt werden sie dabei auch durch menschenverachtende Entscheidungen des politischen Normalbetriebs.
Niemand sonst als die aktuell regierenden Politiker lässt Menschen für den Profit einiger Weniger verelenden, zerbomben und in Folterlager zurückschicken. Niemand sonst macht sich die Hände schmutzig als eine zu diesen Themen zu schweigsame Opposition. Und niemand sonst als eine nicht (angemessen) darüber berichtende vierte Gewalt vernachlässigt ihre so wichtige Kontrollfunktion (die Frankfurter Rundschau und manch anderes Medium davon ausgenommen, sonst hätte ich die FR nicht abonniert).
Politischer Normalbetrieb relativiert den Wert menschlichen Lebens, wenn Waffen rein aus Profit in Kriegs-und Bürgerkriegsgebiete und an folternde Dikatoren exportiert werden. Es sind keine Nazis, die diese Entscheidungen getroffen haben, die sind nämlich gar nicht an der Macht, sondern zum Beispiel die „sozialdemokratische“ Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig. Sie nämlich hält Arbeitsplätze in der militärischen Werftindustrie in Wolgast für wichtiger als unzerschossene Zivilisten.
Es zerstört die Moral, wenn Politiker meinen, die Verantwortung übernehmen zu können für weiter Atommüll produzierende Kernkraftwerke. Die Verantwortung übernehmen für etwas, was Millionen Jahre nach dem Ableben dieser Leute unterschiedslos alles Leben totstrahlt, was damit in Berührung kommt. Dieselben Politiker veranworten auch einfach so die weltzerstörerische Klimaerhitzung. Sie machen aus Show ein bisschen für den Klimaschutz, aber nicht genug. Das ist, wie wenn ein Fallschirmspringer „ein bisschen“ zu spät den Fallschirm auslöst. Sie veranworten mit ihren fatalen Entscheidungen den Tod unzähliger Menschen und anderer Lebewesen durch Überschwemmung, Dürre, Sturm. Sie tun das heute. Und für die fernste Zukunft.
Wie wichtig ist jemand, dem man für seine harte Arbeit nur einen Sklavenlohn bezahlt, von dem er kaum leben kann? Wie viel Mensch ist ein Afghane, der von Deutschland in einer Nacht-und Nebelaktion in einen laufenden Bürgerkrieg zurückgeschickt wird? Wie wichtig ist ein Mensch, der nicht genug zu essen hat? Den man verhungern lässt? Wie wichtig sind Menschen, die im Mittelmeer ertrinken? Obwohl man sie retten könnte?
Wie unwichtig ist unser Leben in Deutschland. Da tuckern Millionen Dieselmotoren in von Menschen bewohnte Gebiete, obwohl sie das gar nicht dürfen, weil sie lebenswichtige Abgasvorschriften nicht einhalten. Und die das in verbrecherischer Weise ausgetüftelt und durchgeführt habenden Manager und Ingenieure sitzen größtenteils nicht, wo sie hingehören: Im Gefängnis. Sondern geniessen ein Millionensalär. Die Tabakindustrie darf weiterhin (nicht eingeschränkt genug) für ihre Produkte werben, obwohl sie damit jeden Zweiten ihrer Konsumenten umbringt.
Dass unser Leben nicht wichtig ist, kann man auch an der miserablen Unterfinanzierung der Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge erkennen. Sogar Krankenhäuser können nicht mehr angemessen medizinisch versorgen, sondern müssen eigentlich nur Profit für ihre Besitzer bringen. Mein Kollege Dr. Hontschick wies vor kurzem in der Frankfurter Rundschau prägnant darauf hin, warum in der heutigen Zeit Babys auf der Straße und nicht mehr im Kreißsaal geboren werden. Kein Geld mehr da für Medizin. Wie krank ist das denn?
Es reicht nicht, isoliert Antisemitismus zu bekämpfen. Sondern man muss den dahinter steckenden Menschenhass bekämpfen. Indem man sich menschenfreundlich verhält. Judenhass ist Menschenhass. Er betrifft uns alle! Wir alle sind Juden. Wir alle sind Muslime. Schwarze. Schwule. Afghanen. Wir alle sind: Menschen. Jeder einzelne von uns mit dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und Würde ausgestattet.
Ein Angriff auf einen Juden (weil er Jude ist) ist ein Angriff auf uns alle. Mit jedem im Mittelmeer Ertrinkenden ertrinken wir mit. Jeder Zerbombte und Verhungerte zerreißt auch uns. Weil wir alle eines gemeinsam haben: Wir sind alle Menschen!
Philipp Ruch schreibt in seinem Buch „Schluss mit der Geduld“auf Seite 58(Ludwig-Verlag): „Deutschland kann jederzeit zur Ausgrenzungsgesellschaft mutieren. …es herrscht eine gefährliche politische Eiszeit. …Wir müssen uns angegriffen fühlen. Es handelt sich um Frontalangriffe auf die Menschenrechte. Wir alle sind gemeint.“
Stellen wir uns vor, uns wird zum ersten Mal bewusst: „Ich bin ja auch einer von denen, die zum Sondermüll gehören, die Geschäfte und Kirchen meinesgleichen werden zerstört, die Praxen geschlossen, die Firmen und Vermögen geraubt, alle meine Verwandten, alle, die genauso sind wie ich, werden in Güterzügen zum Vergasen gefahren.“ Frau Künast darf ungestraft „Sondermüll, Drecks Fotze… usw.“ genannt werden, so urteilen Richter am Berliner Landgericht am 9.9.2019, wenn ich den Berichten in den Medien Glauben schenken darf. Naiverweise ging ich davon aus, dass unser Grundgesetz die Würde des Menschen schützt. (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. Wie weit geht nun in der freiheitlich demokratischen BRD die Unabhängigkeit unserer Richter? Meiner Ansicht nach haben die Richter, die dieses Urteil gefällt haben, das Vertrauen, das in sie bei ihrer Amtsübernahme im Namen des Volkes gesetzt wurde, vollkommen zerstört. Eigentlich müssten sie sich bei Frau Künast entschuldigen und ihr Urteil zurücknehmen. Eine solche Sprache können wir weder in der sogenannten politischen Auseinandersetzung, noch auf der Straße, noch irgendwo sonst gebrauchen. Es ist unglaublich, dass diese Richter noch im Amt sind. Liest man den Leserbrief von H.P. Mertens wird klar, nicht nur Berliner Richter sind offensichtlich der Ansicht und urteilen auch danach: in der Meinungsfreiheit ist alles erlaubt und ebenso aus der Unabhängigkeit der Richter heraus solche Urteile zu fällen.
@Ralf-Michael Lübbers
Stimmt Herr Lübbers. Wir, der Mensch ist nicht wichtig! Wir sind eine Massenware. Austauschbar und überflüssig. Von der unantastbaren Würde ist schon sehr lange nichts mehr zu fühlen. Wir haben einen Gebrauchswert und wenn dieser verfällt, ob durch Krankheit oder Alter nicht mehr fähig zu „Höchstleistungen“ sind, werden wir aussortiert.
Die Achtung vor dem Leben, vor dem Anderen, ist uns abhanden gekommen.
Und ja Herr Lübbers, wir alle sind gemeint! Und deshalb schmerzt das alles auch so sehr.
Kann Ihre Worte nur unterschreiben.
@ Anna Hartl:
Danke!
Hallo Herr Lübbers und die anderen,
sie haben ja recht in dem was sie sagen, aber man muss an die Wurzeln der Probleme.Es ist ja nichts neues, dass sich Gruppen unterschiedlicher Religionen / Weltanschauungen und was es noch alles gibt, sich gegenseitig bekämpfen. Ein soziologisches Problem , Darwinismus eben. Das ist alles bekannt und wird durch das Grundgesetz geregelt. Wenn das eingehalten würde, gäbe es keine Probleme. Es wird aber nicht eingehalten und das ist die Wurzel allen Übels. Warum wird es nicht eingehalten? Weil unsere Justiz nicht dafür sorgt. Warum ? Es ist ein ausgesprochen rechtslastiges Unternehmen. Man muss sich nur die unterschiedliche Handhabung in der Beurteilung „rechter“ Handlungen und „linker“ Handlungen ansehen. Das Gleiche gilt für nennen wir sie mal staatsschützende Organisation, wie z.B.Verfassungsschutz und dessen Organe, da wird getrickst, verheimlicht, gelogen auf allen Ebenen. Man stelle sich vor, es handele sich um „linke“ Vorkommnisse. Da gibt es also eine erhebliche Ungleichheit. Insgesamt muss man also sagen, dass die Kontrolle der Durchführung des Grundgesetzes im Argen liegt. Diese fehlende Kontrolle führt dazu, dass Deutschland den Deutschen und Ausländer raus usw. von nicht nachdenkenden Mitbürgern rumgebrüllt wird.Einzelne drehen dann völlig durch, aber, wie gesagt, der rote Faden ist da. Der Fisch stinkt vom Kopf, wie man so schön sagt. Das soziologische Problem kann natürlich ein solcher Staat auch nicht lösen, ist er doch Teil davon, man muss sich nur die Neoliberale Wirtschaft und die Einkommensverteilung ansehen. Wundern muss man sich nicht, die wirklichen Profiteure des „reichen“ Deutschlands verhalten sich ganz stille, das haben sich im dritten Reich auch gemacht, nur nicht auffallen, wenn man sie zu mehreren auf dem Haufen sieht, denkt man , es ist eine Kaffeefahrt in den Schwarzwald.
@Ralf-Michael Lübbers, 25. Oktober 2019 um 9:54
„Es reicht nicht, isoliert Antisemitismus zu bekämpfen. Sondern man muss den dahinter steckenden Menschenhass bekämpfen. (…) Judenhass ist Menschenhass. Er betrifft uns alle! (…) Ein Angriff auf einen Juden (weil er Jude ist) ist ein Angriff auf uns alle.“
Lieber Herr Lübbers,
dieser Aussage von Ihnen kann ich mich voll und ganz anschließen. Schade nur, dass Sie die Bedeutung dieses wichtigen Grundgedankens durch andere Aussagen, die damit nur sehr entfernt zusammenhängen, wieder etwas verschüttet haben.
Ich habe im FR-Forum, als Entgegnung auf die Mystifizierung von „Antisemitismus“ als „Urfeuer“ durch Frau Kahane, auch ganz Ähnliches geäußert. U.a. Folgendes: „Opfer ist Opfer. Da spielt es keine Rolle, aus welchen Gründen, oder welcher Herkunft einer ist. Und Opfer gegeneinander auszuspielen verbietet schon die Pietät.“ (https://www.fr.de/meinung/nach-halle-antisemitismus-urfeuer-13134889.html#idAnchComments)
Im Folgenden daher der Versuch, historisch und sozialkritisch die Bedeutung dieses humanistischen Ansatzes aufzuzeigen:
Als historischen Kronzeugen für Humanismus und gegen Antisemitismus können wir uns auf keinen geringeren als Gotthold Ephraim Lessing berufen.
Der hatte nicht nur jüdische Freunde (darunter der Philosoph Moses Mendelssohn), hat nicht nur sein Leben lang einen Kampf gegen religiösen Dogmatismus („Anti-Goeze“) geführt, hat nicht nur mit „Nathan, der Weise“, der darin integrierten „Ringparabel“ die vielleicht bedeutendste literarische Hommage an das Prinzip der Toleranz hinterlassen.
Er hat darüber hinaus mit dem „bürgerlichen Trauerspiel“ (vor allem „Emilia Galotti“) ein auf humanistischem Denken basierendes Genre geschaffen, damit den Kerngedanken der „universalen Menschenrechte“ vorweggenommen.
Denn Lessing überwindet hier die auf feudalem Denken basierende Doktrin der „tragédie classique“ (Coreille, Racine), welche nur Menschen „von Stand“ als einer Tragödie „würdig“ ansieht, die auf deren „Bewunderung“ zielt, somit Sonderrechte von König und Adel verfestigt. Er setzt dem (in der „Hamburgischen Dramaturgie“) das Prinzip des „Mitleids“ – zu übersetzen mit „Empathie“ – entgegen, welches Menschen über soziale, religiöse u.a. Schranken hinweg zusammenschweißt.
Genau dies ist auch der Grundgedanke, der sich einer isolierten Betrachtung von „Antisemitismus“ entgegen stellt.
Sicherlich ist Antisemitismus historisch die mit Abstand älteste Form von Ausgrenzung durch einen Sündenbock-Mechanismus. Es gab wohl auch keine andere, bei welcher der Vernichtungswahn vergleichbare Ausmaße angenommen hat. Und natürlich erfordert die Einmaligkeit des Holocaust auch besondere Sensibilität, vor allem von Deutschen, im Umgang mit Juden.
Das rechtfertigt aber nicht, „Sonderrechte“ von Opfern, eine „Opfer-Hierarchie“ zu etablieren, das Leid anderer Opfer dadurch zu relativieren und so auch andere Gefahren zu verharmlosen.
Es gilt jedes Opfer zu respektieren. Und jeder Mensch, der in irgendeiner Weise von anderen bedroht wird oder Hilfe braucht, verdient unsere bedingungslose Solidarität. Da spielt es keine Rolle, ob Jude, Moslem, Flüchtling oder sonst wer. Das ist schon in der Bibel im Gleichnis vom barmherzigen Samariter enthalten.
Das Problem besteht freilich darin, dass diese an sich selbstverständliche moralische Grundeinstellung eingeschränkt oder gar bedroht wird durch Ressentiments (vorzugsweise gegen Minderheiten) und Ideologien, welche die Gleichheit der Menschen -und damit auch die Unteilbarkeit von Menschenrechten – in Frage stellen.
Und es kommt weiter hinzu, dass – in Abwehr dazu – eine Art Sonderbewusstsein beansprucht wird, die Abtrennung des Antisemitismus-Problems vom Prinzip der Unteilbarkeit der Menschenrechte getrennt wird. Was seinerseits wieder Instrumentalisierung zu politischen, sogar zu hegemonialen Zwecken ermöglicht. Und was auch fleißig betrieben wird.
Da stehen dann nicht mehr „die Juden“ als Opfer im Fokus, sondern „der Staat Israel“, genauer: die Einforderung von „Solidarität“ mit der Hegemonialpolitik eines Netanjahu.
Mittel dazu sind die Definitionshoheit über den Begriff „Antisemitismus“, insbesondere die Trennung in „klassischen“ und „israelbezogenen Antisemitismus“, sowie die willkürliche, politisch gelenkte Festlegung, wann dieser vorliege.
Ein Beispiel solchen Missbrauchs haben wir ja gerade im Thread „Die Angst vor dem möglichen Antisemitismus“, und hier sogar von einem „Antisemitismus-Beauftragten.
(http://frblog.de/voltaire/#comment-56240)
Solche Instrumentalisierung haben die Opfer – zum Beispiel des schrecklichen Geschehens von Halle – nicht verdient: Weder die jüdischen Menschen, die zum Glück gerade noch verschont wurden, noch die, welche an ihrer Stelle sterben mussten.
Sie alle haben unsere Solidarität und unser Mitgefühl verdient – als Menschen und nicht als Juden oder Deutsche.
Eben deshalb ist Ihre Unterscheidung so bedeutsam. Und dies ist völlig im Sinne Lessings, wie die folgende Passage belegt, bei der man ohne weiteres für „Könige“ auch „Juden“ einsetzen könnte:
„Das Unglück derjenigen, deren Umstände den unsrigen am nächsten kommen, muß natürlicherweise am tiefsten in unsere Seele dringen; und wenn wir mit Königen Mitleiden haben, so haben wir es mit ihnen als mit Menschen, und nicht als mit Königen.“
(Lessing, „Hamburgische Dramaturgie“, zitiert nach Lachmann-Muncker, „G.E.Lessings sämtliche Schriften“, Leipzig 1904, Bd.9, S.239)
@ Jürgen H. Winter:
„Eist ja nichts neues, dass sich Gruppen unterschiedlicher Religionen / Weltanschauungen und was es noch alles gibt, sich gegenseitig bekämpfen.“
Das ist in der Tat nicht neu. Die Frage ist, warum sich Gruppen gegenseitig bekämpfen. Kommen die einzelnen Mitglieder dieser Gruppen von selbst auf die Idee, Mitglieder einer anderen Gruppe oder sogar die ganze Gruppe zu bekämpfen? Gar auszumerzen? Oder werden sie dazu verführt? Wer bestimmt, wer zur Gruppe gehört und wer nicht?
Da ist meines Erachtens der springende Punkt.
Manche Menschen sind vielleicht von Natur aus rassistisch, destruktiv, psychopathisch, kanibalistisch. Ansonsten ist es eher eine Sache des politischen Systems, ob Konkurrenz bis auf’s Blut oder Kooperation gefördert wird.
Das aktuell weltweit dominierende System des Marktfundamentalismus (Neoliberalismus, freie Marktwirtschaft/Sie erwähnten es oben in Ihrem Beitrag) fördert meines Erachtens Antisemitismus, Rassismus, Terrorismus, Tod. Die Ideologen des Marktfundamentalismus sind nicht unbedingt selbst rassistisch. Sie sind aber auch keine Menschenfreunde. Menschen spielen in ihrem System schlicht so gut wie keine Rolle. Es geht ihnen rein um den Profit (für ganz wenige Superreiche). Geldgeldgeld. Sie bringen vielleicht niemanden selbst um oder lassen gezielt Menschen umbringen, aber sie nehmen den Tod und das Leiden von Menschen in Kauf. Sie gehen für Geld über Leichen. Das habe ich in meinem Leserbrief anzudeuten versucht. Ob es jetzt Lungenkrebs durch Feinstaub emittierende Diesel- und Benzindirekteinspritzer ist oder Verhungernlassen oder Waffenexport in Kriegs- und Bürgerkriegsgebiete und an Diktatoren. Milton Fridman hat seine ersten realpolitischen Experimente unter dem Schutz des folternden Diktators Augusto Pinochet in Chile durchgeführt.
Neoliberalismus ist nicht die einzige menschenverachtende Ideologie. Stalin, Mao und Pol Pot sind Beispiele dafür, daß die Diktatur des Proletariats als „Gegenpol“ massenweise Menschen umbrachte und deshalb auch keine Lösung ist.
Da liegt meines Erachtens auch der Ansatz, womit man menschenfreundliche Politik gestalten kann (menschenfreundlich ist immer auch antirassistisch und anti-antisemitisch, sonst ist sie nicht menschenfreundlich): Eine die Menschenrechte achtende schlagkräftige Verfassung (daß das Grundgesetz das momentan nicht leistet, stellen Sie oben richtigerweise fest). Und wirkliche Demokratie im Sinne von one man (woman) one vote, ohne Lobbyisten, ohne Intransparenz, aber wie oben erwähnt auf dem Boden einer die Menschenrechte (aller Menschen) achtenden Verfassung/Grundgesetz.
Ich habe schon häufiger das Buch „Warum schweigen die Lämmer“ von Werner Mausfeld empfohlen. Er zeigt darin brillant auf, warum Marktfundamentalismus so menschenfeindlich und tödlich ist. (Vielleicht mal eine Rezension in der FR, Herr Büge/“Bronski“, oder ein Interview?)
@ Werner Engelmann:
„Es reicht nicht, isoliert Antisemitismus zu bekämpfen. Sondern man muss den dahinter steckenden Menschenhass bekämpfen. (…) Judenhass ist Menschenhass. Er betrifft uns alle! (…) Ein Angriff auf einen Juden (weil er Jude ist) ist ein Angriff auf uns alle.“
Lieber Herr Lübbers,
dieser Aussage von Ihnen kann ich mich voll und ganz anschließen. Schade nur, dass Sie die Bedeutung dieses wichtigen Grundgedankens durch andere Aussagen, die damit nur sehr entfernt zusammenhängen, wieder etwas verschüttet haben.
Es gibt puren Antisemitismus und puren Rassismus, Leute, die Juden hassen, weil sie Juden sind (selbst wenn diese gar nicht religiös sind oder sogar zu anderen Religionen konvertriert sind) und die Schwarze hassen, weil sie schwarz sind. Und die vielleicht mal irgendwann Rothaarige verbrennen wollen. Daran wird man wohl nicht viel ändern können. Jeden Tag werden auf`s Neue Psychopathen und Serienmörder geboren. Das war in der Steinzeit so. Und das ist heute und morgen auch so. Worauf es aber ankommt ist, daß die „gesunde Mehrheit“ (die meisten Menschen sind psychisch gesund, sonst wäre die Menschheit schon ausgestorben) menschenfeindliches Verhalten so gut wie möglich verhindert.
Unser aktuelles politisches System des Marktfundamentalismus tut das nicht, wie ich oben ausgeführt habe. Manuela Schwesig will Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie in Wolgast schaffen oder erhalten. „SPD“.
Indem Politiker den Wert menschlichen Lebens relativieren (Profit für die Superreichen ist wichtiger als Menschenleben), fördern sie eine Atmosphäre, die auch Antisemitismus fördert. Malu Dreyer hat vor kurzem sinngemäß gefordert (wenn ich es noch richtig erinnere), man müsse den Bürgern mehr Wissen über Juden und jüdisches Leben beibringen, dann gäbe es auch weniger antisemitische Anschläge. Nein. Das reicht nicht. Ich muß spüren, daß jedes menschliche Leben wichtig ist (übrigens auch das der schlimmsten Verbrecher, weswegen ich zeitlebens gegen die Todesstrafe bin).
Zum Schluß ein Zitat von Elie Wiesel, das zeigt, daß nicht nur Extremisten gefährlich sind, sondern auch eine gleichgültige zuschauende „Masse“:
Ich habe immer daran geglaubt, daß das Gegenteil von Liebe nicht Haß ist, sondern Gleichgültigkeit. Das Gegenteil von Glaube ist nicht Überheblichkeit, sondern Gleichgültigkeit. Das Gegenteil von Hoffnung ist nicht Verzweiflung, es ist Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit ist nicht der Anfang eines Prozesses, es ist das Ende eines Prozesses.«
zum Kommentar von Herrn Lübbers 25.10.2019 zum Artikel vom 21.10.2019 „Was ist normal – nach Halle“
Dieser Kommentar von Herrn Lübbers bringt es zu 100% auf den Punkt. Normalerweise hätte diese Kommentierung auf die erste Seite der FR gehört. Hier wird alles schnörkelos und kompakt gesagt was es zum Thema Antisemitismus und Extremismus zu sagen gibt.
Chapeau
🙂