Neulich flatterte eine Leserzuschrift bei mir herein, die mich aufhorchen ließ. Barbara Siehring aus Hamburg berichtete, Ihre Tochter habe auf einmal akute Symptome einer Multiple Sklerose-Erkrankung aufgewiesen. Ein Heilpraktiker habe daraufhin eine Belastung ihres Körpers mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat diagnostiziert und dieses mithilfe der so genannten Bioresonanztherapie ausgeleitet. Der jungen Frau geht es zum Glück wieder besser.
Was mich daran aufhorchen lässt, ist, dass sich allmählich der Kreis schließt. Jahrelang haben wir hin und wieder die Schreckensberichte aus ärmeren Ländern gehört, wo Gifte wie das Insektizid DDT und andere gesundheitsschädliche Substanzen noch in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Wir waren dann immer froh, dass wir in Breiten leben, wo die zuständigen Stellen so fortschrittlich, vernünftig etc. sind, solche Gifte zu verbannen.
Doch die Wahrheit ist, dass es bei uns zwar Grenzwerte für Umweltgifte gibt, aber dass mit ihnen leider Schindluder getrieben wird. Das wird bei den Verhandlungen zum Abschluss des Transatlantischen Freihandelsabkommens sichtbar. Die Kritiker mahnen an, dass europäische Gesundheits- und Umweltstandards untergraben werden sollen zugunsten der Produkte von amerikanischen Konzernen, die eben diesen Standards nicht gerecht werden. Wie sicher sind wir heute noch vor den in der modernen Industrie und Landwirtschaft eingesetzten Umweltgiften, wie sicher werden wir in Zukunft vor ihnen sein? Meine persönlichen Prognosen fallen eher düster aus.
Jedenfalls habe ich diesen Leserbrief abgedruckt und die Antworten darauf in der Folge auch.
Barbara Siehring aus Hamburg schreibt:
Am Ostermontag wurde unsere 22-jährige Tochter Hanna ins Uniklinikum Hamburg wegen folgender Beschwerden eingeliefert: Schwindel, Sehen von Doppelbildern, massive Kopfschmerzen, Wegsacken des linken Beines beim Gehen, sowie Taubheitsgefühl von Füßen, Fingern und Haut.
Die Symptome waren innerhalb von zwei Tagen aufgetreten und hatten sich schnell verschlimmert. Nach mehreren Untersuchungen, wie Lumbalpunktion und MRT wurde Multiple Sklerose (MS) diagnostiziert und eine Cortison-Stoßtherapie empfohlen, die wir jedoch ablehnten, da wir trotz aller Angst um die Gesundheit und das Leben unseres Kindes Zweifel hatten.
Ein naturheilkundiger Therapeut stellte bei Hanna über die Bioresonanztherapie das Pestizid Glyphosat im Nervensystem und im Hirnstamm fest, was zu dem oben beschriebenen Krankheitsbild geführt hatte. Nach einer medikamentösen Behandlung der Leber und einer Glyphosatausleitung mit Hilfe der Bioresonanztherapie verschwanden alle Symptome innerhalb von zwei Wochen.
Glyphosat ist ein Unkrautvernichter, den der Konzern Monsanto herstellt. Er wird seit 1974 unter anderem unter dem Namen Roundup auf dem Markt und wird als Pestizid zu tausenden von Tonnen in der Landwirtschaft eingesetzt. Die Chemikalie gilt unter anderem als Verursacher für Krebs, Schädigungen des Erbgutes, der Leber und des Nervensystems sowie für das Auftreten von Multiple Sklerose.
Wir fordern ein endgültiges Verbot von Roundup und Glyphosat! Die Bundesregierung soll sich endlich für den Schutz der Verbraucher stark machen und sich ein für alle Mal gegen die Agrar-Lobby durchsetzen, die mit den Ackergiften Milliarden verdient und zwar auf Kosten von Mensch und Natur.
Joachim Diesner aus Frankfurt schreibt:
Wie wirkt Glyphosat? Glyphosat ist ein „Totalherbizid“, was sich erst einmal furchterregend anhört. Weshalb werden solche Stoffe überhaupt in der Landwirtschaft (und bei Hobbygärtnern auf Pflasterflächen) angewandt?
Generell stehen Kulturpflanzen (als Getreide etc.) im Wettbewerb mit Unkräutern um Wasser, Nährstoffe und Licht. Dichter Unkrautbewuchs kann die Ernte sehr erschweren und deutlich vermindern. Unkräuter können manuell, mit Maschinen oder mit Herbiziden dezimiert werden. Glyphosat wirkt nun nicht über die Wurzel einer Pflanze, sondern hindert nach besprühen der Blattmasse diese an der Photosynthese, die Pflanze stirbt ab. Die Wirkung von Glyphosat auf Nichtzielorganismen (dazu zählt auch und insbesondere der Mensch) wurde umfangreich untersucht, unter anderem durch die EPA, die WHO, die EU.
Der wissenschaftliche Konsens ist, dass die bestimmungsgemäße Anwendung von Glyphosat keine Gesundheitsrisiken birgt. Dem stehen Nichtregierungsorganisationen wie der Naturschutzbund Deutschland, Greenpeace oder Friends of the Earth gegenüber, die unter Berufung auf wissenschaftliche Studien den Standpunkt, dass Glyphosat erhebliche Gesundheits- und Umweltrisiken berge. Die nicht bestimmungsgemäße Anwendung wie „Sikkation“, also Einsatz von Glyphosat zum gleichmäßigen Abreifen von erntefähigen Beständen, ist mittlerweile in Deutschland nicht mehr gestattet.
Es wäre natürlich für eine genaue Ursachenbewertung hilfreich zu wissen, wo die erkrankte Person eine solch große Menge Glyphosat aufgenommen haben soll, die zu einem solchen beschriebenen schlimmen Krankheitsbild führen könnte. Aus den im Leserbrief angegebenen Lebensmitteln können sie meiner Ansicht nach nicht stammen.
Fakt ist, dass bei Menschen, die öfters mit diesem Wirkstoff zu tun haben, nämlich betroffenen Landwirten, in detaillierten wissenschaftlichen Untersuchungen eine maximale systemische Exposition von 0,004 mg Glyphosat je kg Körpergewicht ermittelt wurde. Gesundheitliche Beeintröächtigungen sind aber erst ab 175 mg/kg zu befürchten.
Ich bin immer wieder erstaunt, was Teile unserer kritischen Verbraucher (es ist gut, dass es sie gibt!) den zuständigen Lebensmittel-, Gesundheits- und Verbraucherschutzbehörden in Deutschland und der Europäischen Union alles zutrauen!
Cornelis Vellenga aus Endeholz schreibt:
Ja es ist erstaunlich, dass es Menschen gibt, die sich berufen fühlen, zu landwirtschaftliche Fragen Stellung zu beziehen, ohne dass sie auch nur einigermaßen über landwirtschaftliche Grundkenntnisse verfügen. Allein schon der Begriff einer vielfältigen, ausgewogenen Fruchtfolge – wie diese in vielen ökologischen Betrieben gehandhabt wird – würde ausreichen um die Angst vor einer Überwucherung mit Unkraut zu nehmen.
Wenn also ein landwirtschaftlicher Betrieb auf seinen Flächen Getreide, Hackfrüchte und Futterbau (insbesondere Kleegras, Luzerne) in einem ausgewogenen Verhältnis anbaut und diese auch noch sinnvoll aufeinander folgen lässt, dann ist die Unkrautfrage schon zu 90 Prozent gelöst. Wie kommt das?
Die Unkrautsamen die sich zum Beispiel im Getreidebau im Boden vermehrt haben, werden durch die intensive Durchwurzelung durch das Kleegras geschwächt bzw. zerstört. Es finden ja im Futterbau mehrere Ernteschnitte in einem Jahr statt und bei jedem neuen Austreiben vom Kleegras wird der Boden intensiv durchwurzelt: Das schwächt die Keimkraft der Unkrautsamen, umso so mehr, wenn die Rotteprozesse im Boden durch Kuhmist gefördert werden.
Eine reichhaltige Fruchtfolge könnte zum Beispiel so aussehen: Hafer, Kleegras, Weizen, Hackfrucht (also Kartoffeln, Futterrüben oder Möhren), Sommerweizen/ Erbsen Gemenge, Roggen. Erst nach sechs Jahren würde sich wieder eine Frucht in dieser Abfolge wiederholen.
Eine Überdüngung wäre praktisch unmöglich, wenn dieser Betrieb sich auf die Düngemenge von den eigenen Kühen beschränken würde, und wenn kein Futter zugekauft wird. Die Tiere würden nicht zu ungesunden Leistungen hochgetrieben und die daraus erzeugten Nahrungsmittel würden dieses Prädikat auch verdienen. Eine Anreicherung mit Nitrat im Grundwasser wäre nicht zu befürchten. Durch die Vielfalt im Anbau, durch die Weidehaltung könnten sich wieder Landschaften bilden statt Agrarsteppen.
Diese Art von Landwirtschaft wird seit vielen, vielen Jahre als alternative zur Industrielle Agrarproduktion praktiziert: Die ökologische Landwirtschaft. Die von Monsanto, Bayer und BASF erzielten Milliardengewinne gehen letzten Endes auf Kosten der Allgemeinheit. Und die durch die Agrar-Lobby unterstützen aufwendig erzeugten Überschüsse werden dann mit Exportbeihilfen in arme Länder verschleudert, womit die dort ansässige Landwirtschaft zerstört wird. So wirkt Glyphosat sich aus.
Also bei so viel Aberglauben:
„Ein Heilpraktiker habe daraufhin eine Belastung ihres Körpers mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat diagnostiziert und dieses mithilfe der so genannten Bioresonanztherapie ausgeleitet“
frag ich mich als Naturwissenschaftler schon, was man dazu noch sagen soll!
Dafür möchte ich noch einigen Anmerkungen zur Kernfrage der Überschrift loswerden.
Nein, erfahrungsgemäß sind pauschale Grenzwerte oft nur wenig zweckmäßig.
Die Problematik der Beurteilung liegt nämlich nie in der aufgenommenen Dosis allein. Nur zu oft werden die „Randbedingungen“ der Aufnahme vernachlässigt, synergistische Begleiterscheinungen ignoriert und letztlich sind sehr schwache Effekte entspechend geringer Dosen nur äußerst schwierig auf kausale Wirkung zu untersuchen.
On es tatsächlich geboten ist, im derzeitigen Umfang solche kritischen Stoffgruppen in der Masse oder überhaupt einzusetzten, kann auch niemand plausibel darlegen. Zumal man bei toxikologischen Fragestellungen in der Umwelt die Betrachtung nie auf eine Einzelsubstanz reduzieren darf…..
Vorwissenschaftlicher Stuss wie „Bioresonanztherapie“ gehört hier sicher nicht zu den validen Methoden!
Solche „Theorien“ sind unter jedem sachlichen Niveau!
KM
@Karl Müller
Nun ja, eben dort verstolpert sich die Naturwissenschaft:
„Die Problematik der Beurteilung liegt nämlich nie in der aufgenommenen Dosis allein. Nur zu oft werden die “Randbedingungen” der Aufnahme vernachlässigt, synergistische Begleiterscheinungen ignoriert und letztlich sind sehr schwache Effekte entsprechend geringer Dosen nur äußerst schwierig auf kausale Wirkung zu untersuchen.“ (KM)
„Kausale“ Wirkungen sind eben nicht mehr durch wissenschaftliche Methoden zu entdecken, da die Gesamtheit der aufgenommen Stoffe und deren Wechselwirkungen inklusive der individuellen Reaktionen nicht mehr verifizierbar sind. Behauptungen über Wirksamkeit oder Unwirksamkeit und Grenzen der Wirksamkeit (Grenzwerte) können daher nicht mehr aufgestellt werden.
Da haben die phantasierten Therapien denselben Stellenwert, wie die wissenschaftlichen: „Jo mei, wenn’s hülft!“
Eine Lösung des Dilemmas mag sein, die Minimallösung zu suchen, angedeutet im Beitrag von Cornelis Vellenga: Je natürlicher, umso natürlicher!
Leider ist „Natur“ auch nicht die Antwort auf alle Probleme. Aber entscheiden sollte der Mensch sich schon dürfen, was er auf den Teller, in die Atemluft und in den Boden verabreicht bekommt. Da liegt der Hase im Pfeffer: Wer etwas ausbringt, sollte in der Lage sein, es in seinen eigenen Grenzen zu halten. Wenn er das nicht kann, muss er natürlich bleiben.
@ Matthias Borck-Elsner,
ist Ihre forsche Gleichsetzung ein Provokationsversuch, oder im Mangel an Methodenverständnis begründet?
Können Sie das gar belegen, oder darf eine solche Aussage unter „Meinung“ abgelegt werden?
KM
@Karl Müller
Nein, provozierend sollte das nicht sein.
Zur Klarstellung: Ich beziehe hier keine „Stellung“ Pro oder Contra einer Ansicht. Grundsätzlich neige ich auch der naturwissenschaftlichen Sicht zu, aber heute weiß man auch schon eine Menge Dinge, die Einstein noch für bunte Magie gehalten hätte.
Zur Sachlichkeit gehört, daß „die Wissenschaft“ zurückhaltend auftreten muss, solange sie nicht von sich behaupten kann, alles zu wissen.
Aber wenn Sie nochmal nachlesen, werden sie feststellen, daß sich unsere Meinungen nicht sehr unterscheiden.
@ Matthias Borck-Elsner ,
dann habe ich Sie genau falsch herum verstanden, was ich zu entschuldigen bitte.
Mir geht es auch darum die Möglichkeiten und Grenzen von Wissenschaft zu zeigen, und natürlich dem „Voodoo“ die dadurch verursachten zusätzlichen Probleme vorzuhalten.
KM
Die Frontlinien sind nicht immer so eindeutig wie sie in der Einleitung dargestellt werden. Seit 1992 versucht die EU den Einsatz von Kupfer (Wikipedia: Kupfersulfat besitzt die Wassergefährdungsklasse 2, ist sehr giftig für Wasserorganismen und kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben) als Pflanzenschutzmittel zu verbieten. Dies wird von der Öko-Lobby verhindert. Da die Öko-Weinbauern den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ablehnen, bleibt ihnen nur das umweltschädliche Kupfersulfat. Ohne Umweltschäden gibt es eben keinen Biowein.
@Karl Müller
Schade, es könnten schon ein paar mehr Teilnehmer sein, die sich zu diesem Thema äussern.
In meinem vorigen Beitrag wollte ich noch schreiben, daß es „im Erfolgsfalle“ ganz egal ist, welche Diagnose man stellt, Hauptsache, die Therapie hilft. Ich habe das gelassen, und prompt bringen Sie das Argument dazu: Die alternativen Heilmethoden bergen das Risiko in sich, daß Erkrankungen, die nach offiziellen Regelungen nicht mehr in ihren Kompetenzbereich fallen, nicht oder zu spät erkannt werden und nicht der richtigen Therapie zugeführt werden. Meine Erfahrung ist, daß die mir bekannten Heilpraktiker verantwortungsvoll abwägen, was sie leisten können und was nicht. Diese Dinge sind extrem schwer zu beurteilen und zu jedem Argument gibt es immer auch ein Kontra. Was eine „richtige Therapie“ ist, wissen leider weder die einen, noch die anderen zu sagen. Das geben auch „Schulmediziner“,“Alternativmediziner“ und die Pharmaindustrie zu. Einen Glaubensstreit brauchen wir hier wohl nicht. (Dies alles zu „belegen“ ist mir zu mühsam, man findet die Information leicht im Netz und in den Mediatheken, ich vertraue auf das Vertrauen darauf, daß ich hier nicht bloss so daherrede. Ansonsten wäre der Rest sowieso nur Schweigen.)
Aber Thema sind ja die „Umweltgifte“. Dazu muß man sagen, daß ja die „Natur“ selbst an allen Ecken und Enden mit „Giften“ gegen „Krankheiten“ vorgeht. Um es aber nun wieder mehr wissenschaftlich auszudrücken: Wo wären denn die Grenzen der Giftanwendung durch den Menschen zu ziehen?
Die Natur hat ja eine Tendenz zur „Monokultur“ in sich, die dort ihre Grenzen findet, wo eine erfolgreiche Monokultur das Ökosystem so schädigt, daß sie ihr eigenes Überleben gefährdet. Eine erfolgreiche Art verstirbt also letztlich am eigenen Erfolg, bzw an ihrer einseitigen Übernutzung der Ressourcen. Dies liegt immer daran, daß eine einzelne Art nicht in der Lage ist, das Gesamtsystem zu gestalten. Dies gilt auch für den Menschen, und da wird es dann unvermeidlich philosophisch und politisch.
Ein besonderer Aspekt wären dann noch die „unnatürlichen Gifte“, die nicht evolutionär entstanden sind, sondern vom Menschen konstruiert worden sind. Gerade bei diesen kommt ja Ihr Argument der Synergie und der unbekannten Wirkungen zum Tragen.
PS: Ich hoffe, die Diskussion damit anzuregen, nicht zu emotionalisieren!
In einer Gesellschaft wie der unseren sollte es keine Grenzwerte geben sondern alles seinen Preis haben. Wer Gifte in die Umwelt einbringen will sollte dafür einen gerechten Preis zahlen. Wie könnte sich ein solcher Preis bilden? Bestimmt nicht in dem man Verschmutzungsrechte verschenkt. Damit sind wir dann hoch politisch.
@ Hans
Sie sprechen wohl die von einigen Umweltökonomen präferierten „marktwirtschaftliche Instrumente“ zur Reduzierung der Umweltbelastungen an, wie sie z.B. in Teilen der USA erfolgreich zur Senkung von SO2- und Stickoxide-Emissionen eingesetzt wurden. Diese Instrumente ergänzen aber nur die nach wie vor gültigen lokalen Immissionsgrenzwerte, die zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung notwendig sind. Im europäischen CO2-Handelssystem (auf das Sie sich wohl beziehen) gibt es nur deshalb keine Grenzwerte, weil CO2 für den Menschen nicht gesundheitsschädigend wirkt. Im Übrigen werden die CO2-Zertifikate inzwischen nicht verschenkt (das gab es nur in der ersten Einführungsphase sozusagen zur Probe), sondern werden überwiegend versteigert. Dass der CO2-Preis im Keller ist, liegt zu einem daran, dass die zulässigen Emissionsmengen zu großzügig bemessen waren, zum anderen daran, dass der europäische CO2-Ausstoß (auch durch den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland) erfolgreich reduziert wurde.
Hallo JaM,
Ihr Kommentar ist ein gutes Beispiel für die Komplexität der Problematik: „Was ist schädlich“?
CO2 z.B. ist wegen seiner Stabilität zwar nicht humantoxisch, abder bodennah ab gewissen Konzentrationsbereichen definitv schädlich, da es die atemnützlichen Anteile der Luft verdrängt..
Ein Vorgang den man beim Entlüften entsprechender Löschanlagen in die Umgebung immer mal wieder beobachten kann.
Und „Steuerungsfunktionen“ mögen zwar Wirkung haben, aber ob damit auch eine nachweisbare Wirkung lokal erzielt wird, ist keinesfalls als gegeben anzusehen.
Beispielsweise kommt es sehr auf die Topografie einer betrachteten Landfläche an, um eine Aussage über die „Wirksamkeit“ eines reduzierten anthropogenen NOx – Beitrages zu machen. Z.B. hat das im „Stuttgarter Loch“ kaum Auswirkungen auf die Tatsächlich gemessenen Luftkonzentrationen, in Hannover aber sehr wohl.
Es ist daher nicht unzweckmäßig sich nicht nur Gedanken über „was ist schädlich“, sondern auch „unter welchen Randebdingungen“ zu machen; sonst wird das Ergebnis mancher Betrachtungen schnell absurd bis kurios.
KM
@ Karl Müller
Sie machen die Diskussion mutwillig komplizierter, als sie ist. Ihr Hinweis auf die Gefährlichkeit örtlicher CO2-Konzentrationen trägt zur Diskussion des vorgegebenen Themas, wie sinnvoll Grenzwerte zum Schutz der Bevölkerung sind, nichts bei. Zu einer lebensbedrohender CO2-Ansammlung kann es nur durch Fehlfunktionen von Anlagen (z.B. eines Holzofens), Fehlbedienungen (das von Ihnen angesprochene unsachgemäße Entlüften von Löschanlagen) oder durch Unfälle (Leckagen in einem CO2-Lagertank) kommen, die man selbstverständlich nicht durch Emissionsgrenzwerte, sondern durch Sicherheitsvorschriften zu verhindern sucht. Für Holzöfen oder Kamine sind es Auflagen zur Frischluftzufuhr und ausreichende Abführung der Rauchgase, die von Kaminkehrern überwacht werden. Die für Pflanzenschutzmittel geltende Grenzwerte für Bodenbelastung bzw. für den Schadstoffgehalt im Wasser oder in Lebensmitteln sollen eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher verhindern, um auch die Beschäftigte bei beruflichem Umgang mit den „Giften“ zu schützen, gibt es Vorkehrungen im Arbeitsschutzrecht (z.B. MAK-Grenzwerte).
Auch Ihr zweites Beispiel der „Komplexität“, der Einfluss von Topografie, leitet die Diskussion auf unnötige Abwege. Das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) und die dazugehörigem Verordnungen (wie die TA Luft) beschränken nicht nur den Schadstoffausstoßes von Anlagen (Emissionsgrenzwerte), sondern auch die lokale Schadstoffbelastung der Luft (Immissionsgrenzwerte) fest. Bei der Genehmigung von industriellen Feuerungen oder Kraftwerken wird deshalb auch die von den lokalen Gegebenheiten (z.B. dem von Topologie und Klima abhängigen Luftaustausch) bedingte Schadstoffausbreitung begutachtet und die Vorbelastung der Wohngebiete berücksichtigt. Dies kann dazu führen, dass eine Anlage in Stuttgart nur mit strengeren Emissionsbeschränkungen als in Hannover genehmigt (oder sogar gar nicht genehmigt) wird.
Die tatsächliche Komplexität der Grenzwertfestlegung besteht darin, dass zum einen die Wirkungen sehr kleinen Dosen von „Giften“ kaum „objektiv“ nachweisbar sind und zum anderen wenig Wissen über die Wechselwirkung unterschiedlicher Stoffe vorhanden ist. Darauf hat Matthias Borck-Elsner unter #2 bereits hingewiesen. Ein noch größeres Problem als die „wissenschaftliche“ Grenzwertdiskussion ist aber die subjektive Wahrnehmung durch die breite Öffentlichkeit, was sowohl die Einleitung von Natalie Soondrum als auch der Leserbrief von Barbara Siehring zeigen. Dazu vielleicht später mehr.
Grenzwerte können auf verschiedene Weise definiert werden.
Eine Möglichkeit ist die Dosis, ab der es mit extrem geringer Wahrscheinlichkeit zu Schädigungen kommen kann.
Weil die Schäden extrem wenig häufig vorkommen, ist die Bestimmung sehr schwierig und es wird sehr selten eine einheitliche Meinung geben.
Eine andere Möglichkeit ist das technisch machbare.
Dies führt manchmal zu absurden Ergebnissen, da das technisch Machbare nicht vom Umweltgift abhängt, sondern vom Prozess, der das Umweltgift emittiert. Um den Nitrat-Eintrag in die Umwelt zu begrenzen, wurden Milliarden investiert, um die Emissionen von Kraftwerken und Industriebetrieben zu begrenzen. Fast der ganze Nitrat-Eintrag stammt jedoch aus der Landwirtschaft.
Ein Betrieb muss hohe Investionen tätigen für den Schallschutz (Lärm ist auch ein Umweltgift.). Der Besitzer darf jedoch den ganzen Tag mit seinem knatterndem Motorrad um den Betrieb fahren.
Aus den Gründen die alle angeführt worden sind ist es nicht richtig das Gifte Grenzwerte und keinen Preis haben. Der Preis sollte so hoch sein das Grenzwerte nie überschritten würden.Wenn die derzeitigen Grenzwerte ein gehalten werden ist der Preis für das abgeben von Giftstoffen 0 Euro. Das gibt immer die falschen Signale in den Markt.
@ hans
Sie mißverstehen das System der Preisregulierung, die nur die Schadstofffrachen begrenzt, nicht aber die lokal unterschiedliche Schadstoffkonzentration. Ein „Giftstoffpreis“ würde zwar theoretisch dazu führen, dass die Landwirte die Gesamtmenge an Dünger entsprechend ihrer finanziellen Möglichkeiten begrenzen. Er kann aber nicht verhindern, dass Felder mit hochpreisigen „Produkten“ mehr gedüngt werden, sodass das dort gezogene Gemüse für die Verbraucher gesundheitsgefährdend wird.
Auch die marktgläubigsten Ökonomen treten nicht dafür ein, Ordnungsrecht (zu dem auch die Festlegung von Grenzwerten gehört) abzuschaffen.
Was in der Diskussion und in der Realität fehlt, sind wirklich beherrschbare „Gifte“, die, nachdem sie ihre lokale Wirkung dort entfaltet haben, wo sie es sollen, schnell und rückstandslos organisch abgebaut werden und ab dann unschädlich sind.
Wer Gifte anwendet, die dies nicht erfüllen, ist in vollem Umfang dafür verantwortlich, wohin diese in welchen Mengen gelangen, was sie dort anrichten und wie etwaige Schäden zu vermeiden, zu behandeln und auszugleichen sind.
Die Preisregulierung würde da schon einen Beitrag leisten, der zumindest die Verschwendung, Auswaschung und Abdrift teurer machen würde,
Link zum Thema: http://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenschutzmittel
Grenzwerte für Umweltgifte können nicht verhindern, dass unsere Gesundheit gefährdet wird, so lässt sich Natalie Soondrums Einleitung des Threads zusammenfassen. Als Beleg dient ihr die Erkrankung der 22-jährigen Hanna, über die ihre Mutter im Leserbrief berichtet.
Die Position der Mutter ist verständlich, doch meiner Meinung nach nicht durch Fakten belegt. Es kann sein, dass das Uniklinikum Hamburg trotz der umfassenden Untersuchungen eine falsche Diagnose gestellt hat. Doch das gleiche Misstrauen ist auch gegenüber dem „naturheilkundigen Therapeuten“ angebracht, der mit der umstrittenen Bioresonanzmessung „das Pestizid Glyphosat im Nervensystem und im Hirnstamm“ festgestellt haben will. Vermutlich wäre ein anderer „naturheilkundiger Therapeut“, der andere „alternative“ Behandlungsmethoden pflegt, zu einer anderen – genauso „überzeugenden“ – Diagnose gekommen. Auch das Verschwinden der Symptome nach zwei Wochen ist kein Beweis für die Richtigkeit der Diagnose und der Therapie: Auch ein erster Schub der Multiplen Sklerose kann ohne Behandlung nach einigen Tagen abklingen.
Damit will ich keineswegs behaupten, dass die Belastungen der Umwelt und der Nahrungskette durch Schadstoffe harmlos wäre. Nur ist es deutlich schwieriger, die tatsächliche Exposition einzelner Personen festzustellen. Noch schwieriger ist es, den kausalen Zusammenhang zwischen Belastungen durch kleine Dosen und Erkrankungen zu belegen. In der Regel ist man auf statistische Auswertungen angewiesen, bei denen Erkrankungshäufigkeit belasteter und unbelasteter Gruppen verglichen wird. Das Problem besteht aber darin, dass es für Erkrankungen wie Allergien, Krebs oder Multiple Sklerose kein „Normalmaß“ gibt, sondern deren Häufigkeit sehr stark streut. Die durch Schadstoffbelastungen verursachten zusätzlichen Erkrankungen lassen sich daher kaum herausfiltern.
zu @ JaM
Ich denke ich missverstehe nichts . Mir ist das schon klar was sie schreiben, es behält aber den Nachteil das die erlaubten Schadstoffmengen mit dem Wert 0 in jede Kalkulation eingehen. Das ist in einer Marktwirtschaft ein Fehler der zu einer Fehlsteuerung führen muss. Wer einen Teil meiner Beiträge die letzten Jahre hier gelesen hat wird sich vielleicht wundern weil ich schon oft der Regulierung des Marktes das Wort geredet habe. Das schließt sich aber nicht aus. Der Markt richtig eingesetzt ist schon ein sehr gutes Instrument, er muss nur Rahmenbedingungen gesetzt bekommen. Ein negativ Beispiel ist das Quecksilber bei Kohlekraftwerken. Das ausbringen von Quecksilber ist innerhalb der Grenzwerte einfach viel zu billig und andere Grenzwerte werden von der Kohlelobby verhindert. Das ist in Wirklichkeit Planwirtschaft und funktioniert nicht.
Was nun wieder untergeht ist die legitime Forderung, keine Stoffe aufnehmen zu müssen, die man nicht aufnehmen will. Für jegliche Produktion muss deshalb eine Nulltoleranz gelten, also keine Grenzwerte, keine ungewollte Verbreitung und auch keine undeklarierten Beimischungen und ggf, wo möglich, eine Ausfilterung natürlicher Beimengungen, die als gesundheitsschädlich oder unerwünscht erkannt sind.
Das wäre der Mindeststandard.
@ hans
Sie irren, wenn Sie meinen, dass „die erlaubten Schadstoffmengen mit dem Wert 0 in jede Kalkulation eingehen“. Das Einhalten von Grenzwerten ist durchaus mit Kosten verbunden, weil z.B. bei einem reduzierten Einsatz von Kunstdünger oder Pestiziden der Landwirt Ertragseinbußen hinnehmen oder diese durch teuerere Maßnahmen kompensieren muss. Das gilt auch für die von Ihnen angesprochenen Quecksilber-Grenzwerte. Deren Einhaltung erfordert bei Kohle- und Müllkraftwerken aufwendige Filter, die zusätzliche Kosten verursachen und damit die Investitionsentscheidung sowie die Produktionskosten mit beeinflussen.
Wie in dem von Ihnen erwünschten alternativen System Quecksilberemissionen „bepreist“ werden sollten, damit es einen weitergehenderen Anreiz zur Vermeidung gibt, müssten Sie mir noch erklären. Nach welchen objektiven Kriterien sollte eine Mengenbegrenzung gefunden werden, ohne die keine Preisfindung stattfinden kann? Warum sollte es in dem politischen Entscheidungsprozess einfacher sein, gegen die von Ihnen gefürchtete „Kohlelobby“ geringere Quecksilber-Frachten durchzusetzen, als den gleichen Effekt über die Reduzierung der Grenzwerte zu erreichen? Wie sollte ein solches Handelssystem bei einer Vielzahl von Schadstoffen praktisch funktionieren?
@ Matthias Borck-Elsner
Ihre Forderung, „keine Stoffe aufnehmen zu müssen, die man nicht aufnehmen will“, mag zwar legitim sein, ist aber nicht umsetzbar. Es ist eine Tatsache, dass alle Lebewesen mit Flüssigkeit und Nahrung ständig Fremdstoffe aufnehmen. Ob diese nützlich oder schädlich sind, hängt von deren Konzentration und Kombination ab. Das Wissen darüber, wann der Nutzen den Schaden übersteigt (oder umgekehrt: der Schaden den Nutzen), ist recht begrenzt. Das gilt genauso für natürliche wie für „künstliche“ Stoffe.
Sicher kann man sich darum bemühen, für noch mehr (verzichtbare) Stoffe mit hohem Schadenspotenzial den Einsatz generell zu verbieten und die Grenzwerte für Belastung zu verschärfen. Es bleibt aber die Frage; was technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. die nur politisch entschieden werden kann.
Im Übrigen wird der Einfluss der Schadstoffbelastung der Lebensmittel auf die Gesundheit der Menschen überschätzt. Weit mehr gesundheitsgefährdend sind Fehlernehrung, Bewegungsmangel und Suchtmittel.
zu @JaM
Ich habe nie gesagt das ich ein ausgereiftes Konzept habe wie die Preisbildung von Schadstoffen erfolgen soll. Das ändert aber nichts an der Tatsache das Kosten grundsätzlich verursachergerecht zugeordnet werden sollten. Das passiert bei Grenzwerten ganz offensichtlich bestenfalls ungenügend. Das bei dem Bau einer Anlage Einmalkosten für eine Filteranlage anfallen und das ein Argument sein soll das die Kosten richtig zugeordnet werden beweißt wohl eher das Gegenteil. Einmalkosten haben den Nachteil das sie mit steigender Produktionsmenge pro Mengeneinheit sinken also eher einen Anreiz bieten im erlaubten Rahmen möglichst viele Schadstoffe zu erzeugen. Das kann es wohl kaum sein.
@JaM
Biologisch funktioniert das Ganze ja schon, durch geeignete Nahrungsmittel, geeignete Nahrungsverwertung und -vermeidung, Dosis und Überdosis, optimale Nutzung, Übernutzung und Standortwechsel etc.
Wesentliche Faktoren zu Schutz wären die Wahrnehmbarkeit von Giften, also durch Geruchs- und Bitterstoffe etc, oder die oben angesprochene lokale Wirksamkeit, beispielsweise ein Insektizid, daß nur im Kontakt mit einer bestimmten Pflanze ein solches ist, bzw erst dann aktiviert wird, wenn der entsprechende Schädling es aufnimmt. (Idee hiermit zum Patent vorgemerkt, falls es sowas noch nicht gibt!).
Da ist man wohl noch lange nicht am Ende der Umsetzbarkeit oder am Ende der Möglichkeiten angelangt.
Die Frage nach der technischen und wirtschaftlichen Umsetzbarkeit muß genau andersherum gestellt werden: Wenn man nicht in der Lage ist, ein Produkt vollständig zu beherrschen, dann ist es technisch und wirtschaftlich nicht umsetzungsreif. Selbstverständlich gibt es immer unbekannte Faktoren, aber es gilt, diese zu erkennen, nicht sie zu ignorieren.
Ihr letzter Satz über Risikofaktoren etc ist berechtigt, aber kein Argument. Schlimmer geht immer.