Wozu gibt es eigentlich Religionsunterricht?

Ist die Bundesrepublik Deutschland wirklich ein säkularer Staat? Wie ist es denn mit der Trennung von Staat und Kirche bei uns? Wenn die Trennung so sauber wäre, wie gern behauptet wird, warum ziehen dann die staatlichen Finanzämter die Kirchensteuer für die Kirchen ein? Okay, sie behalten davon eine Aufwandsentschädigung. Der Staat als Dienstleister für die Kirchen? Nach Paragraph 140 Grundgesetz dürfen Religionsgemeinschaften, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, Steuern erheben. Warum kann eine Religionsgemeinschaft eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sein? Hier wird es juristisch heikel.

Stichwort Religionsunterricht. Wozu gibt es den überhaupt? Um den Kindern Ethik und Moral nahezubringen, täte es auch ein weltanschaulich neutraler Ethik-Unterricht wie der LER-Unterricht, den es in Brandenburg gibt. LER steht für Lebensgestaltung, Ethik und Religionskunde, wurde von den Kirchen abgelehnt und dennoch eingeführt. Doch die Grundlage für eine religiöse „Bildung“ – manche nennen es auch Indoktrination – werden häufig schon im Kindergarten gelegt, wenn den Kleinen und Kleinsten die Geschichten der Bibel nahegebracht werden. Solche Kindergärten befinden sich vielfach in christlicher Trägerschaft und werden meist vom Staat bezuschusst. Und noch ein kribbeliger Punkt: In Deutschland werden Bischöfe beider großen christlichen Konfessionen vom Staat bzw. den Bundesländern bezahlt – bis auf Hamburg und Bremen. Ein bischöfliches Grundgehalt liegt bei ca. 8000 Euro, ein Kardinal landet gern bei 12.000 Euro.

So wird klar: Staat und Religion sind nicht klar getrennt. Die größte politische Partei Deutschlands, die CDU, trägt das „christlich“ sogar in ihrem Namen. Auch wenn die Parteien nicht der Staat sind – ihre Bereitschaft, zu besserer Trennung beizutragen, ist angesichts einer solchen Grundhaltung schwer erkennbar.

Da kann einem schon mal der Kragen platzen. FR-Kolumnist Michael Herl hat in seiner Kolumne „Kinder im Gottesstaat“ vom 22. April, die online nicht verfügbar ist und daher hier nicht verlinkt werden kann, deutliche Worte gewählt. Zu deutliche für manche Leserinnen und Leser. Ich persönlich dachte beim Lesen: Fein, das gibt wieder Leserbriefe. Wie schön, dass unsere Kolumnisten nicht nur frei in der Wahl ihrer Themen, sondern auch weitgehend frei in der Wahl ihrer Worte sind. Dieses Privileg hat auch Mely Kiyak in manchmal sehr kantiger Form genutzt. Michael Herl tat dies nun ebenfalls. Sein Anliegen ist dabei absolut nachvollziehbar. Vielleicht braucht es manchmal den Holzhammer, um so ein Thema voranzubringen?

„Lieber Michi Herrl“, schreibt Frank Dillmann aus Frankfurt, „jetzt haben Sie’s aber diesen Christen mal ganz schön gezeigt. Sie trauen sich ja was, einen Tag nach Ostern… Heidewitzka! Blöd nur, dass „die“ Kirche, von der Sie reden, ganz anders ist. Die meine, die EKHN, traut mich (und andere homosexuelle Paare) ganz normal in einem regulären Traugottesdienst.
Sie bietet Flüchtlingen eine ihrer leerstehenden Kichen als Obdach an, bietet Wohnsitzlosen Essen, betreibt Hospize für Sterbende und weitere unsägliche Dinge – mitten in dieser Stadt. Grund dafür ist die bedingslose Zuwendung der Kirche zu den Menschen, besonders zu den Schwachen und Hilflosen. Das ist eine Geisteshaltung, die man vor allem Kindern nicht zumuten kann und darf. Chapeau! Endlich sagt das mal jemand.
Vielleicht aber hätten Sie über den Tellerrand Ihrer verstaubten österreichisch-katholischen Erziehung hinausblicken sollen, bevor Sie unter der Fahne des bedingungslosen Laizismus den FR-Lesen Ihren albernen und beleidigenden Kreuzzug zumuten.“

Bendix Balke aus Frankfurt:

„Was Michael Herl über „Kinder im Gottesstaat“ schreibt, übersteigt die Schmerzgrenze. Seine Darstellung des Religionsunterrichts ist keine Satire mehr, sondern manipulative Agitation. Religionsunterricht ist keine Indoktrinierung a la „Selbstbefriedigung ist Teufelszeug“ und keine „Betbeschulung“, sondern trägt zur selbstständigen Meinungs- und Urteilsbildung der Schüler in religiösen und ethischen Fragen bei und hat dadurch einen humanisierenden Einfluss. Er wird in der Regel von Religionslehrern gegeben, auch von Pfarrern, die mit der von Herl gezeichneten Karrikatur schlichtweg nichts zu tun haben.
Ein „unbändiger Missionswahn“ allerdings bedroht die nötige Diskussion, welche Rolle Religion im pluralistischen Staat spielen kann: Der Missionswahn militanter Atheisten, die ihr Zerrbild von Kirche zum einzigen Maßstab von „Vernünftigkeit“ machen wollen. Wenn solche billige Polemik das neue Profil einer meinungsstarken FR sein soll, ertrage ich als Christ diese Zumutung nicht mehr!“

Joachim Heirich aus Frankfurt:

„Standing Ovations für diesen Beitrag! Michael Herl, dessen Beiträge ich immer wieder gern wegen seiner griffigen Formulierungen lese, bringt hier das Elend auf den Punkt. Mir fällt dazu auch ein Zitat des amerikanischen Autors und Philosophen Robert M. Pirsig ein, das ich vor Jahren im „stern“ gelesen habe: „Leidet ein Mensch an einer Wahnvorstellung, so nennt man es Geisteskrankheit. Leiden viele Menschen an einer Wahnvorstellung, dann nennt man es Religion.“ Sollen unsere Kinder alle zum Wahnsinn erzogen werden?“

Erwin Hasselbach aus Königstein:

„Die Kolumnen von Herrn Michael Herl sind in der Regel von groben Sarkasmus und Spott geprägt. Wenn er dem Volk aufs Maul schaut, ist witzige Ironie nur selten sein Ding. Mit seinem Beitrag „Kinder im Gottesstaat“ geht er für Menschen, die sich mit Glaubensfragen und den letzten Dingen unserer Existenz beschäftigen, unter die Gürtellinie. In nihilistischer Besserwisserei möchte er die Kinder in der Schule vor all den Glaubensmärchen bewahren und am besten dazu gleich unsere Verfassung ändern. Es ist ihm ein großes Anliegen, unsere Gesellschaft ein Stück weit aus der Zwangsjacke des Gottesstaat, in dem wir leben, zu befreien.
Einen solchen Mist habe ich von einem Autor und Theatermacher noch selten oder gar nicht gelesen.“

Georg Pape aus Ginsheim-Gustavsburg

„Er nun wieder! Mit missionarischem Eifer und (beinahe) heiligem Zorn zieht Michael Herl wieder mal gegen Religion und Religionsunterricht zu Felde. Der arme Kerl hat ganz offensichtlich und bedauerlicherweise in früher Jugend eine schwere Gottesvergiftung erlitten, die er nun seit einiger Zeit in der FR selbsttherapeutisch zu heilen versucht. Dieser Versuch muss als wenig erfolgversprechend angesehen werden, solange Herr Herl dabei in der geschützten Deckung seiner Schreibstube verharrt, anstatt sich der direkten Konfrontation mit dem Feind auszusetzen. Mindestens würde er dann vielleicht in seinen Pamphleten auf den allergrößten Schwachsinn verzichten, der den ganzen ersten Abschnitt und damit fast ein Drittel seiner Kolumne füllt und nur erklärbar ist als Ergebnis völlig unkontrollierter Wut oder als Zeugnis totaler Ahnungslosigkeit. Im Übrigen aber sollte man seinen Vorschlag weiterdenken: den Mathematikunterricht abschaffen, weil es neben vielen guten auch manche schlechte Mathematiklehrer gibt. Oder den Deutsch- und den Geschichtsunterricht canceln, weil ein Großteil der deutschen Schüler bis heute nicht verstanden hat, was – sagen wir – Heines Wintermärchen oder Bismarcks Sozialgesetzgebung mit unserer Gegenwart zu tun haben – ganz zu schweigen von Fächern wie Kunst oder Musik, von denen man nicht den Eindruck hat, dass sie die Entwicklung einer Mehrheit unserer Kinder nachhaltig zu frei denkenden und gebildeten Menschen fördern. Was den „armen sechsjährigen Wurm in der osthessischen oder niederbayerischen Diaspora“ betrifft, so könnte ich Herrn Herl als Bestandteil seiner Selbsttherapie den regelmäßigen Besuch in bestimmten Schulen empfehlen: ich kenne da nicht nur vereinzelte arme Würmer, die in Mathe oder Deutsch nicht mitkommen und deshalb von ihren Mitschülern – Kindern „vernünftiger“ Eltern – gehänselt und gemobbt werden. Die Schule ist für diese Kinder die Hölle, die Herr Herl für eine Erfindung der Religion hält. Ich als christlicher Spinner will mich mit dieser und den vielen anderen Höllen in unserer Welt nicht abfinden. Ich weiß aber auch, dass ich dafür den Mut und die Kraft eines Jesus von Nazareth brauche, über das Wasser von Ignoranz und Zynismus zu gehen, ohne darin zu versinken. Herrn Herl wird dazu außer blöden und sarkastischen Bemerkungen nichts einfallen. Aber das ist mir ziemlich wumpe.“

Dr. Alexander von Oettingen, em. Pfarrer, aus Bad Homburg

„Ich gehöre zu jenen Pfarrern, die Religions- und Kirchenkritik für eine notwendige Übung intellektueller Redlichkeit halten. Die Kolumne „Kinder im Gottesstaat“ (FR v. 22.4.2014) aber ist eine intellektuelle Beleidigung und insoweit eine Zumutung. Wenn Michael Herl in seiner religiösen Unterweisung Jesus als „Troll“ vorgestellt bekam, der Wasser in Fanta verwandelte und aus einem Fischstäbchen deren Tausend werden ließ, so ist er zu bedauern. Wenn er aber sagen will, das werde heute nach wie vor so verbreitet, so zeigt er sich von keiner Kenntnis getrübt. Seine Sorge, Kirche schüre mit dem Vorzeigen eines blutrünstigen Cruzifix Ängste bei Kindern, hat offenbar niemals recherchiert, wie es tatsächlich zugeht in der religiösen Sozialisation. Seine Unterstellung, nur solche Eltern seinen vernünftig, die ihr Kind vom Religionsunterricht fernhalten, zeugt von unerträglicher Arroganz. Seine Aversion gegen traditionelle Sexualmoral ist nachvollziehbar. Aber er hält es nicht für nötig zu differenzieren – zwischen den Kirchen, zwischen Lehramt und Gläubigen, zwischen offizieller Lehre und religionspädagogischer Praxis. Wir leben in einem Gottesstaat, konstatiert Herl. Spätestens jetzt erweist sich die Kolumne, die vielleicht als Karikatur gedacht war, als Zerrbild. Sie unterbietet alle journalistischen Qualitätsmaßstäbe, für die die FR sonst steht. Das sollte die FR aufgeklärten Lesern ersparen.“

Roland Sander aus Seeheim-Jugenheim

„In einem Punkt stimme ich dem Autor zu: Ethikunterricht gehört auch an die Grundschule. Über das Thema des Ethikunterrichts an Grundschulen möchte ich mich hier aber nicht auslassen, vielmehr geht es mir um das, was der Autor generell zum Religionsunterricht zu sagen hat.
Ich wundere mich über die Beleidigungen, die hier ausgestoßen werden. Ich unterrichte als Schulpfarrer seit 20 Jahren und kann nur sagen, dass ich keines der Klischees, die in der Kolumne aneinandergereiht werden, jemals erlebt habe.
Es geht dem Autor anscheinend auch nicht um Argumente, also um eine Auseinandersetzung um die Sache, es geht um Denunziation, um Beleidigung Andersdenkender. „Die Kirchen“ werden zum Feindbild gemacht, denen alles Schlechte zugetraut wird. „Die Kirchen“ verseuchen arme Kinderhirne mit Unfug und Religionsunterricht ist schlicht „Kokolores“. „Vernünftig“ sind Atheisten, religiöse Menschen sind Vollidioten. Schön, so eine einfache Sicht der Dinge zu haben. Dabei sprechen doch Religionssoziologen gerne von der Komplexitätsreduktion als einer Aufgabe der Religion. Nett, dass der Atheismus von Herrn Herl dies so elegant erledigt.
Dass es seit mehr als zwei Jahrhunderten auch eine kritische Bibelwissenschaft gibt, die selbstverständlich auch Basis des Religionsunterrichts ist, wird ignoriert. Dass der Religionsunterricht nicht plumpe Kirchenwerbung ist („Betbeschulung“), sondern auch Ort heftiger Auseinandersetzung und Kirchenkritik, braucht man ja nicht zur Kenntnis zu nehmen. Das stört nur das eigene beschränkte Weltbild. Und wieso sollte man sich auch informieren, das behindert ja nur die Pflege der eigenen Vorurteile. Insgesamt kann man sagen: was den Leserinnen und Lesern von Herrn Herl dargeboten wird, ist eigentlich nicht mehr als ein billiger Aufguss der billigen Thesen von Richard Dawkins.
Im Grunde erscheint die Ideologie der Ausführungen des Autors als nichts anderes als das, was Fundamentalisten anderer Couleur auch absondern: nur das, was wir denken ist gut und richtig, wir sind die Elite der Menschheit, die anderen sind bösartige Schwachköpfe usw, usw.
Dass sich die FR, eine angeblich „unabhängige Tageszeitung“, zum Fürsprecher eines atheistischen Fundamentalismus macht, indem sie dieses dumpfe Stammtischgeblubber vom „Gottesstaat“ auf ihrer Meinungsseite adelt, mutet schon bedenklich an und trägt zu einer sachgerechten Auseinandersetzung über den Sinn des Religionsunterrichts nichts, aber auch gar nichts bei.“

Tim van de Griend, niederländischer Auslandspfarrer in Frankfurt:

„Es ist sehr schön in Deutschland zu sein. Ich genieße die sachlichen Diskussionen über ernsthafte Themen und eine politische und gesellschaftliche Debatte auf hohem Niveau. Dabei habe ich mich mittlerweile daran gewohnt, korrigiert zu werden, wenn ich uninformiert oder undurchdacht Meinungen von mir gebe. Das ist einer der Gründe, warum ich mit Freude evangelischer Pfarrer für Niederländer in Frankfurt bin.
Es geht aber offenbar auch anders. Die Kolumne „Kinder im Gottesstaat“ zeugt von einem Unwissen, einer Ungenauigkeit und einer Ignoranz, die sogar einem Ausländer auffallen, der nicht in einem medial so gesegneten Land aufgewachsen ist. Offenbar geht Michael Herl davon aus, dass Pfarrer aller Kirchen zwangsunverheiratet sind. Offenbar geht Michael Herl davon aus, dass Religionsunterricht nur von Pfarrern gegeben wird. Offenbar geht er davon aus, dass die katholische Sexuallehre auch evangelischerseits unterschrieben wird. Offenbar geht er davon aus, dass diese Sexuallehre das fast ausschließliche Thema kirchlicher Verkündigung ist. Offenbar ist er nicht im Stande, einen Staatskirchenvertrag von den religiösen und gesellschaftlichen Bedingungen in Saudi-Arabien und im Iran zu unterscheiden.
Über Sinn und Zweck von Religionsunterricht an Schulen kann man streiten. Dass die deutschen Großkirchen große Vorrechte haben, die einem niederländischen evangelischen Pfarrer auch wundern, sei unbestritten. Dass man diese Vorrechte in einer aufgeklärten Gesellschaft ständig diskutieren darf und soll, leuchtet mir als Pfarrer, ja sogar als Vertreter dieser Institution mit einem angeblich „unbändigen Missionswahn“, ein. Eine solche Diskussion soll dann aber auf eine einigermaßen sachliche und informierte Grundlage stattfinden. Informiertheit und Sachlichkeit – eine gute deutsche Sitte, die vielleicht auch während der Reli-Stunden erlernt wird.“

Oliver August aus Rödermark

Nun möchte ich doch noch zu Michi Herls „Kinder im Gottesstaat“ schreiben, da die abgedruckten Leserbriefe doch sehr einseitig waren. Ich lese seine Kolumne sehr gerne, er bringt oft die Dinge des Lebens auf den Punkt, und das meist ganz herrlich ohne Weichspüler. Auch wenn ich Nichtraucher bin, liebe ich seine Artikel bzw. Schreibweise. Dass sich diesmal einige engstirnige Christen echauffieren würden, war klar. Ich hatte aber auch Lob erwartet…
Nun halte ich die christliche Kirche nicht per se für etwas Böses, ganz im Gegenteil. Aber ich frage mich schon lange, ob insbesondere die Katholische Kirche jemals im 21. Jahrhundert ankommen wird.
Den Geistlichen ist Liebe und Heirat verboten, der Missbrauch von Kindern scheint aber in Ordnung.
Verhütung ist verboten – selbstverständlich auch in den ärmsten und überbevölkerten Ländern.
Die Leier von der masslosen Geldverschwendung (z.B. Tebatrz van Elst) will ich erst gar nicht aufgreifen.
Sicher tut die Kirche viel Gutes, betreibt Kindergärten, Pflegeeinrichtungen, gibt manchen vielleicht Halt. Gleichzeitig ist es aber der einzige Verein, der seinen Mitgliedsbeitrag direkt vom Lohn und Gehalt der Mitglieder einbehalten kann, ohne dass diese Einfluss auf den Betrag hätten.
Wobei: Wer viel verdient, kann Kirchensteuerkappung beantragen. Also, wer viel hat, muss weniger abgeben. Ein perverses System wie ich finde.
Und richtig gelesen, für mich ist die Kirche ein Verein, wenn auch ein Verein mit sehr langer Tradition. Aber wenn es dort so ungerecht zugeht, dann muss ich dort nicht Mitglied sein und dafür bezahlen, dass ich an etwas glaube oder auch nicht. Für mich ist Glaube zu jeder Zeit und für jeden kostenlos, mit oder ohne Kirche, völlig unabhängig von der Religion. Und ich finde, das sollte man auch den Kindern vermitteln. Was natürlich nicht im Sinne der Kirche sein kann. Auch wenn diese neben der Kirchensteuer sicher noch Einiges an anderen Steuermitteln erhält – würde man die Kinder so erziehen, brächen sicherlich viele Kirchensteuerzahler weg.
Wie gesagt, Kirche ist für mich nicht rundum schlecht – es liegt nur vieles sehr im Argen,  insbesondere bei der katholischen Kirche, das Steuersystem ist sehr ungerecht, es gehört eben alles einmal modern und fair reformiert. Aber ich finde dass Religionsunterricht nicht in die Grundschule gehört, in diesem Alter sind Kinder noch viel zu sehr zu beeinflussen. Später mag dieser Unterricht als Wahlfach in Ordnung sein, und ich finde, mit 15 oder 18 Jahren kann man sich überlegen, ob man sich taufen lassen will und wie man es mit Kommunion oder Konfirmation halten möchte. Aber wie gesagt, das ist meine persönliche Meinung, die meisten Kirchenvertreter dürften darüber wenig erfreut sein.
Ich selbst war übrigens viele Jahre evangelisch.
Nachdem ich noch einmal persönlich mit dem Pfarrer (er war übrigens ein sehr netter Mann) darüber gesprochen habe, bin ich jedoch vor vielen Jahren ausgetreten. Insbesondere die Ungerechtigkeit der Kirchensteuerkappung hat mich überzeugt, dieses System nicht weiter explizit zu unterstützen.
Wäre ich katholisch gewesen, hätte ich noch deutlich mehr Gründe für einen Austritt gehabt – und diese wären mit den Jahren mehr statt weniger geworden.
Auch wenn der aktuelle Papst durchaus ein Hoffnungsschimmer für mich ist, zweifle ich doch sehr daran dass ich noch erleben werde dass ich noch erlebe dass diese Kirche in dieser Welt ankommt und wirklich dem Menschen dient – und nicht umgekehrt.
Deshalb – wer erwachsen ist, kann selbst entscheiden, aber ich bin gegen Religionsunterricht für die Kleinsten, dort sollte man Allgemeinbildung vermitteln.
Vielen Dank an Michi Herl!“

Hagen Stieper aus Frankfurt:

„Nach Ansicht einiger Leserbriefschreiber stellt der Religionsunterricht nicht eine einseitige Indoktrination und Glaubensvermittlung dar, sondern bietet Orientierung bei der Lebensgestaltung und Auseinandersetzung mit Werten hinsichtlich des gesellschaftlichen Miteinanders und Anregungen zum Umgang mit dem Unbegreiflichem ( wie z. B. dem eigenen Tod).
Das Grundgesetz schränkte dies vorn vorneherein ein: Es war in der Schule nur möglich, sich für die evangelische oder für die katholische Sicht auf diese Themen zu entscheiden. Inzwischen sind vereinzelt jüdische und muslimische Unterrichte dazugekommen. Die Trennung und Aufteilung der Schülerinnen und Schüler bei der Auseinandersetzung mit ethischen Themen wird zunehmend verstärkt. Dabei gibt es nicht einmal die einzige und alleinige Sichtweise einer Religion – selbst innerhalb der Religionen und dort innerhalb der Konfessionen gibt es zahlreiche Varianten. Selbst die Aufteilung „evangelisch“ und „katholisch“ ist schon ein künstliches Konstrukt.
Es erscheint seltsam, welches Misstrauen die Befürworter des konfessionell getrennten Religionsunterrichts der Kraft ihrer eigenen Wertesysteme entgegenbringen. Schülerinnen und Schülern einer Konfession soll die Möglichkeit, andere religiöse oder nicht-religiöse Sichtweisen kennenzulernen, gar nicht erst eröffnet werden. Begründet wird dies mit der „Erfahrung von Spiritualität“, die wohl nur mit der Vermittlung der jeweils einzig wahren und wahrhaftigen Religion möglich sein soll.
Ein religionsübergreifender Ethik-Unterricht steht ja nicht im luftleeren Raum. Seine Inhalte speisen sich auch aus den Wertvorstellungen, wie sie im Laufe der Jahrhunderte von Religionsgemeinschaften entwickelt, gepflegt und verändert worden sind. Aber eben auch aus Quellen, die außerhalb des religiösen Diskurses liegen – und von diesem zum Teil dann assimiliert wurden.Mit dem Ethik-Unterricht würde allerdings auch die Bestimmungsgewalt der Eliten von Religionsgemeinschaften über Einstellung, Entlassung und Ausbildung von Religionslehrern entfallen.
Nachsatz: Ich habe seinerzeit die Kommentare von Matthias Horx in der Frankfurter Rundschau gehasst. Aber in einem Punkt fand ich sie doch sehr bedenkenswert: Herr Horx hat mehrmals darauf hingewiesen, dass wir uns lieber aufregen, empören und wütend drauflos schlagen als uns sachlich mit den Argumenten des Gegenüber auseinanderzusetzen.“

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38 Kommentare zu “Wozu gibt es eigentlich Religionsunterricht?

  1. Auch ich gehöre zu denen, die sich über diese Kolumne von Michael Herl gefreut haben. Endlich mal etwas „Kyiakliches“, dachte ich spontan und war mir sicher, dass es ausser (wenigem) Beifall vorwiegend Aufschrei- und -Empörungsleserbriefe geben würde.
    Nicht unbedingt meine eindeutige Sichtweise teilenden Freunden habe ich Herls Kolumne weitergeleitet. „ungehörig“, „respektlos“, „beleidigend“… aber auch Zustimmung (manche mit Zähneknirschen) trotz der provozierenden „Verpackung“.
    Kurzum – für mich offensichtlich, dass auch hier bei manchem die früh angelegte „Indoktrination“ gefusst hat.

    Wie mehrfach vorgeschlagen: Ethikunterricht, Aufklärung über soziale Werte. Gleichberechtigte (und undogmatische) Information über a l l e Weltreligionen! Strikte Trennung von Staat und Kirche!
    Alles Wunschdenken, vor allem solange Eltern, Kindergärten, Schulen meinen ein Recht zu haben, den noch unbeeinflussten Kindern das eigene, kritische Denken als später Heranwachsender schwerer zu machen.

  2. Herr Pfarrer em. von Oettingen schreibt:

    „Wenn Michael Herl in seiner religiösen Unterweisung Jesus als „Troll“ vorgestellt bekam, der Wasser in Fanta verwandelte und aus einem Fischstäbchen deren Tausend werden ließ, so ist er zu bedauern. Wenn er aber sagen will, das werde heute nach wie vor so verbreitet, so zeigt er sich von keiner Kenntnis getrübt.“

    Hier betreibt jemand Camouflage. Einerseits gesteht Herr von Oettingen zu, dass Religion so verbreitet worden sei wie von Herrn Herl beschrieben, andererseits sagt er, dass die religiöse Indoktrination heute anders ausgeübt werde. Gibt es da einen qualitativen inhaltlichen Unterschied? Ich denke nicht, weil Herr Oettingen nur Rhetorik betreibt. Rhetorik wie sie auch heute im Religionsunterricht betrieben wird, um sich ein wenig der Zeit anzupassen.

    Der Kulturkampf der Kirchen geht weiter. Die kürzlich stattgefundenen Heiligsprechungen zweier Päpste stehen dafür exemplarisch. Üblicherweise ist die Heiligsprechung, wenn sie nicht durch ein vorausgegangenes Martyrium zustandegekommen ist, durch zwei Wunder zu erlangen. Bei Papst Johannes Paul II. genügte eines. Dieses hat er nach Feststellung der Kirchenoberen sechs Jahre nach seinem Tod bewirkt, weil eine todkranke Frau (Aneurysma im Gehirn) sich durch ihn geheilt sah.

    Das katholische Nachrichtenportal ‚kathnet‘ beschreibt den Wunder-Vorgang so:

    Wegen dieser Diagnose habe sie zu Hause verzweifelt in ihrem Bett geweint, „weil ich Angst hatte zu sterben und meine Kinder allein zu lassen“. Sie hatte sich sogar schon von ihrer Familie verabschiedet, doch „am 1. Mai hat mich Johannes Paul II. gesund gemacht“, erzählte die jetzt 56-jährige Mutter von fünf fast erwachsenen Kinder bereits im vergangenen Jahr.

    Mora Díaz hatte den verstorbenen Papst Johannes Paul II. am 1. Mai 2011 – dem Tag der seiner Seligsprechung – um Hilfe angefleht. Danach sei sie eingeschlafen und habe im Traum die Stimme von Papst Johannes Paul II. gehört, die energisch zu ihr sagte: „Steh auf. Hab keine Angst!“.

    Der Arzt Alejandro Vargas erläuterte, wie überrascht er gewesen sei, als er feststellte, dass das Aneurysma tatsächlich verschwunden war. „So etwas hat es noch nie gegeben. Gott vollbrachte ein Wunder, damit wir an seine Existenz glauben, … wir sollen nie den Glauben verlieren“.

    Da wird doch, wie Herr Herl treffend beschreibt, Wasser in Fanta verwandelt.

    Zur Quelle kathnet: http://www.kath.net/news/45689

  3. Gut gemacht, Michael Herl!

    Die Wahrheit schmerzt. Das erfahren wir oft in unserem Leben. Deshalb ist es gut, wenn einige Mutige den Finger auf eine schmerzliche Wahrheit legen: Glauben ist das Gegenteil von Wissen und hat deshalb in einer Bildungseinrichtung nichts verloren. Der beste Beweis für diese einfache Wahrheit ist die Entrüstung – ja, ich möchte fast sagen, der Hass –, mit dem Michael Herl von einigen Lesern für seinen Durchblick angefeindet wird.
    Es ist allerdings durchaus amüsant zu verfolgen, wie hier protestantische Gläubige auf ihre katholischen Brüder und Schwestern eindreschen (so was Verstaubtes gibt’s doch nur bei denen) und wie die lieben Christen dem (bösen) Atheisten „Missionswahn“, Hass, Aggression oder gar Angst unterstellen. Nein, ich erlaub mir, für Herrn Herl zu sprechen: er hat keine Angst. Und dass er genervt davon ist, wenn Bildungsplänen erlauben, Grundschulkinder einem Bekenntnis orientierten Unterricht auszusetzen, ist nur allzu verständlich. Recht hat er. Es ist nämlich ein Skandal. Und zwar aus der Liebe zur Wahrheit.
    Liebe Protestanten, eure Pfarrer wissen alle, dass die Geschichten der Bibel einen verschwindend geringen Wahrheitsgehalt haben, dass die Wunder erfunden sind, die Geburtslegende abgeschrieben, die Kreuzigung eine politische Hinrichtung war und natürlich kein Mensch von den Toten wieder aufersteht, nein auch Jesus nicht. Denn er war ein Mensch, ein jüdischer Wanderprediger. Das einzige, was man ihm historisch zugute hält ist, dass es keinen wirklich Grund gibt anzunehmen, dass er gar nicht gelebt hat. Das wird den Kindern aber nicht erzählt!
    Kinder dürfen in einer Bildungseinrichtung nicht wissentlich belogen werden! Schlimm genug, wenn es in der Kirche geschieht.

  4. Anmerkungen zu Michi Herls “Kolumne” über die “Kinder im Gottesstaat” in der FR vom 22.4.2014

    Michi Herl ist ohne Zweifel ein sehr verdienstvoller Theatermacher, er ist wirklich gut wenn es ums Essen geht und manchmal richtig lustig, wenn er auf neumodischen Quatsch schimpft. Wenn es dagegen bei ihm um Religion und Kirche geht, ist er auf peinliche Weise armselig. Bei Bratkartoffeln ist er ein echter Experte, beim Religionsunterricht, hat er kaum mehr als eine leise Ahnung, aber das bisschen verbreitet er dafür aber um so lauter. Kirche kann bei ihm nichts anderes sein als dumpfkatholische Provinz und sexuell reaktionäres Voraufklärungssoziotop. Leider: Das was er beschreibt, gab es und gibt es wirklich. Aber er erfasst damit nicht annähernd die Wirklichkeit in der wir leben sondern er traktiert zuallererst eine von ihm verhätschelte Subkultur.

    Vielleicht hilft ihm und seinen Fans ein Beispiel: Es gibt bei uns – wie ich finde: Gott sei Dank! – nicht wenige Menschen die sich in den Gewerkschaften, in der Linkspartei, am Rand der SPD und in vielen anderen Organisationen für eine bessere Gesellschaft einsetzen und denen dabei u.a. die Theorien des Karl Marx eine wichtige Inspiration bieten. Und es gibt die sich selbst so nennende „kommunistische“ Partei in Nordkorea, die große bunte Bilder von Karl Marx bei ihren Paraden hoch hält. Ist das also alles das Gleiche? Gibt es zwischen Frank Bsirske und Kim Jong Il wirklich keinen Unterschied? In den siebziger Jahren hatten wir Sozialkundelehrer, die uns so etwas in der Art weismachen wollten. Wir haben sie damals ausgelacht, weil ihre “Argumente” eben so dumm wie durchsichtig waren.

    Unter Linken treffe ich – Gott sei’s geklagt! – seit Jahren immer wieder auf sendungsbewußte, leider aber auch teilzeitschlaue Menschen, die ebenso unterbegabt sind, wenn es um religiösen Fragen geht. Für sie ist alles Papst und Pius und Stellvertreter und damit Schluß! Ihr Blickfeld reicht nicht weiter als bis an den Rand ihrer Vorurteile, und der liegt etwa auf Höhe der Gürtellinie. Manchmal leider auch darunter. Sie dumpfen nach dem Motto: “Das bisschen, was ich halb begriffen habe möchte ich mir durch Argumente nicht nehmen lassen.” War da nicht noch was? Ernst Bloch? Albert Schweitzer? Martin Luther King? Ernesto Cardenal? Helmut Gollwitzer? Dorothee Sölle? „Kenne ich nicht! Will ich auch gar nicht kennen lernen! Lieber behalte ich meine Lefebvre/Dypa/Tebartz-Voodoopuppe in die ich mit Aplomb meine Nadeln stecken kann.“

    Denkfaule Atheisten-Philister können einem genauso auf die Nerven gehen wie verlogene US-Fernsehprediger! Dumm kann man von mehreren Seiten aus um den Berg der Erkenntnius herumschleichen. Oben ankommen wird man damit nie!

    Arme „Frankfurter Rundschau!“ Das Geschwumsel von Michi Herl soll meinungsstark sein? Das ist allerhöchstens lautstark. Krawall ist ein Geräusch, aber noch längst keine Haltung.

    Früher war nicht alles schlechter. In den siebziger Jahren gab es z.B. nicht nur ideologisch verbohrte Sozialkundelehrer, es gab auch interessante Diskussionen zwischen Marxisten und Christen, die niveau- und respektvoll geführt worden sind. Es wäre besser für uns alle, wenn wir dieses Level wieder erreichen könnten. Aber diese Zeilen von Michi Herl, der da wohl wieder mal „den Toner nicht halten konnte“? So ein „Aufkläricht“ (E.Bloch)? Och, nö! Wenn der Horizont nur so weit reicht, wie man spucken kann, bekleckert man sich auch schon mal selbst. Schade um die Druckerschwärze!

    Hans-Joachim Greifenstein
    Pfarrer und Kabarettist

  5. Unter Linken treffe ich – Gott sei’s geklagt! – seit Jahren immer wieder auf sendungsbewußte, leider aber auch teilzeitschlaue Menschen, die ebenso unterbegabt sind, wenn es um religiösen Fragen geht.

    Lieber Herr Greifenstein,

    Argumente, die die Herl’sche Einschätzung widerlegten, finde ich bei Ihnen keine. Stattdessen ziehen Sie es vor, sich in Polemik (siehe Zitat und andere Stellen Ihres Textes) zu ergehen. Kritiker werden einfach zu „teilzeitschlauen Menschen“ oder „Unterbegabten“ deklariert. Mit kabarettistischen Einlagen hat das nix zu tun. Aber: So leicht kann ein Pfarrer es sich machen, der in einer übersubventionierten Institution sein Geld verdient und dabei fürs Predigen noch bezahlt wird, der eine vom Staat geschützte und privilegierte Glaubensgemeinde vertritt, die durch allerlei Kurioses von sich Reden macht und insbesondere eine „Theorie“ verbreitet, die sich durch eine zentrale Eigenschaft auszeichnet, nämlich Dogmatismus. Dass Sie meinen, der Kritik entrinnen zu können, wenn Sie einige sehr spärlich vertretene eher nichtkonforme theologische Brüder und Schwestern aufzählen, rettet diese Institution in keiner Weise. Im Gegenteil: Es ist doch kein Zufall, dass Ihnen bei der Nennung Ihrer Gewährleute nur Verstorbene eingefallen sind.

    Die katholische und die evangelische Kirche verstehen, wenn es um ihre Privilegien geht, keinen Spaß. Wer ein wenig verfolgt, wie mit ausgefahrenen Ellenbogen die Konkordate, die Verträge zu Lasten der Steuerzahler einschließlich der Nichtchristen, verteidigt werden, weiß, dass es bei Ihren Funktionären nur um politische Einflussnahme und Macht geht. Dass Kinder schon ab der ersten Klasse in dieser antiaufklärerischen Denkweise, und zwar fein säuberlich getrennt nach rk und ev, geschult werden, halte ich pädagogisch nicht für sinnvoll.

  6. Ach schön, es geht wieder um Heinrich und Gretchen!

    Laut Greifenstein muß man man ja mindestens bewandert, besser noch studiert oder gar erleuchtet sein, um die religiösen Fragen zu verstehen und kritisieren zu dürfen. Seltsam genug, daß diese Kriterien nicht auch für den Glauben (oder das Glauben) gefordert werden, denn auch „unter“ Gläubigen trifft auf den ein oder anderen Unterinformierten. Denen müsste man ja den Glauben rundheraus verbieten, bis sie sich schlauer gemacht haben. Leider macht man ja häufig die Erfahrung, daß gerade die, die sich schlauer machen, vom Glauben abfallen. Ein schnödes Dilemma!

    Schön ist aber der Seitenhieb „Schade um die Druckerschwärze“ http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Kunst

  7. an BvG…leider kenne ich gerade solche, die sich schlauer gemacht haben und n i c h t vom glauben abgefallen sind, sondern ihn aufgrund natürlicher schicksalsschläge wieder an land gezogen haben. für mich ist diese „ersatztröstung“ nicht überzeugend. s aber die brüske reaktion auf herls kolumne zeigt, wie sie / er ins mark trifft…
    last but not least meine ich, dass gerade die „wissenschaftlich belegten äusserungen“ von theologen – so tolerant sie auch meinen zu sein – keinerlei konstruktiven beitrag dazu bringen, junge menschen, die noch fragen haben/ hätten, mit solchen erklärungen an land zu ziehen… sorry, ihr lieben besserwissererklärenden!

  8. @ maiillimi

    „Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott.“
    Werner Heisenberg (1901-1976), deutscher Physiker

    Eigentlich ist diese Äusserung bloss das Eingeständnis, daß man als Mensch nicht alle Fragen in seiner Zeit beantworten kann. Warum dann aber eine Instanz benötigt wird, der man die Lösung aller Fragen überantwortet, ist rätselhaft. Man postuliert eine „Kraft“, die dem Bedürfnis nach „Sinn“ entsprechen soll und zwar sofort.

    Es sollte jedoch genügen, sich der Erkenntnis zu beugen, daß man nicht alles wissen kann und nicht alles einer persönlichen Antwort oder eines persönlichen Sinnes bedarf. Das Bedürfnis nach einem „allwissenden Wesen“ scheint mir nur darin begründet zu sein, daß man als Mensch nicht ohne Antworten leben will. Die scheinbaren Alternativen zwischen Wissen und Glauben gehen für mich aber am Kern der Aufklärung vorbei. Jedermann darf glauben, aber nicht wider besseren Wissens.

  9. Eine ehrliche Trennung von staatlichen Strukturen und allen „Glaubensgemeinschaften“ existiert bisher in Deutschland nicht, und das ist wohl das Kernproblem. Zumal hier offenkundig eine Ungleichebhandlung der diversen Gemeinschaften vorliegt. Welche Rechtfertigungsgründe nun von Teilen der Politik wie auch von Vertretern einzelner Gemeinschften erhoben werden, müsste wirklich dringend überprüft werden!
    Schon die Zueignung einer Religionsgemeisnschaft als Körperschaft öff. Rechts steht auf mehr als weichen Fundamenten.

    Selbstverständlich ist auch das entsprechende Konkordat soweit aufzukündigen. Die Gemeinshcaften sollen Ihre Amtsträger selbst bezahlen. Wie sie das organisieren ist ihnen überlassen. Ein Anspruch auf staatliche Unterstützung dagegen mehr als grotesk.

    Zudem ist beim „Religionsunterricht“ natürlich zu differenzieren, zwischen Unterricht über Religionen und dem von Interessenvertretern durchgeführten Veranstaltungen. Letztere können und dürfen nicht als Zwangsveranstalungen auf dem Lehrplan stehen. Gern können Interessierte außerhalb des Schulunterrichts dort ihre Bedürfnisse stillen.

    Dagegen kann und darf es nicht darum gehen den angeblichen oder tatsächlichen Unhalt von Glaubenskonstrukten/ Weltanschauungen irgendwie staatlich werten zu wollen; jede Form von Gesinnungsjustiz ist aus gutem Grund abgeschafft (auch wenn neulich ein SPD-Minister meinte dies in Frage stellen zu müssen)!
    Natürlich kann man Inhalte zweifelhaft oder gar lächerlich, eventuell sogar als staatsschutzrechtlich relevant betrachten, aber solange es lediglich um Meinung geht muss sich jeder auch mit anderen Meinungen abfinden!

    Inhalt oder dagegen eine Rechtsstellung zu kritisieren und gar verändern zu wollen, sind ganz verschiedene Arbeitsfelder!

    Und gerade bei der Rechtsstellung ist Handlungsbedarf gegeben!

    KM

  10. Das Vorwort („Vorspruch“) zur Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz geht so:

    Im Bewußtsein der Verantwortung vor Gott, dem Urgrund des Rechts und Schöpfer aller menschlichen Gemeinschaft, von dem Willen beseelt, die Freiheit und Würde des Menschen zu sichern, das Gemeinschaftsleben nach dem Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit zu ordnen, den wirtschaftlichen Fortschritt aller zu fördern und ein neues demokratisches Deutschland als lebendiges Glied der Völkergemeinschaft zu formen, hat sich das Volk von Rheinland-Pfalz diese Verfassung gegeben…

    Es wird deutlich, wohin die gesetzgeberische Versammlung geblickt hat, als sie die Verfassung verabschiedete: nach oben, Richtung Schöpfer. Die einzige Richtung, in der vom Gläubigen aus betrachtet sein Aufenthaltsort sein kann. Denn unten, dort, wo es dunkel ist, sitzt sein Antidot. Wahrscheinlich ist aber auch, dass die gottesfrömmlerischen Politiker den Einflüsterungen der irdischen Vertretung des Gottesstaates erlegen sind. Eine Änderung der Verfassung bedarf üblicherweise einer Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten. Die ist heute nicht zu kriegen und wird auch in fernerer Zukunft nicht zu haben sein. Kaum ein Politiker wagt es, an den religiösen bzw. politischen Besitzständen der Gemeinden der Gläubigen herumzukritteln. Ein Abbau der Privilegien bleibt undenkbar, weil ein potenzieller Abgeordneter auf ein möglichst breites Wählerreservoir schielt. CDU, SPD und Grüne sind Parteien mit christlichem Habitus, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt. Die kirchenkritische Haltung, die es in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in der FDP gab, ist weitestgehend zugunsten der theologischen Mächte eingehegt. Auf der staatlichen Seite haben die beiden christlichen Kirchen ihre stärksten Verbündeten. Und damit bleibt der unversiegbare Zustrom an Macht in Form pekuniärer Mittel, verbaler Hilfe und flankierender Gesetzgebung gewahrt.

    Als einzige Gegenmaßnahme bleibt vox populi. Mit leisen und bescheidenen Auftritten, wie die mächtigen Kirchen sie sich leisten können, kommen die Kritiker dieser Zustände nicht weiter. Das ist der Unterschied, den es festzuhalten gilt. Die hier auftretenden Berufschristen spielen natürlich auf dieser Klaviatur: „Das Geschwumsel von Michi Herl soll meinungsstark sein? Das ist allerhöchstens lautstark. Krawall ist ein Geräusch, aber noch längst keine Haltung.“ Klar, Haltung haben nur die Besitzstandswahrer, denn sie entspringt ihrer Fantasie, dem christlichen Glauben.

  11. @ Rudi,

    etwas drastisch formuliert, aber durchaus zutreffend. Mit dieser zweifelhaften Präambel zeigt sich eben auch der Versuch der verantwortlichen Parteivertreter sich Einflussnahmemöglichkeiten über das den Parteien im GG zugebilligte Maß hinaus zu verschaffen („die Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit“).
    Heute versuchen die Parteien über ganze Netzwerke von Einflussfaktoren die Meinungsbildung im Sinn der eigenen Interessen, nicht so sehr in Sinn der Wähler, zu dominieren. Dazu zählt eben auch das Konstrukt der „Anstalt öff. Rechts“, man sieht ja was bei solchen Institutionen für ein gesellschaftlich retadierendes Moment geschaffen und verteidigt wird. Ob nun ÖR oder „Religionsgemeinschaften“ ist dann fast sekundär.

    Hier ist eine Entflechtung dringend geboten, allein schom um der sinnlosen Kapitalversickerung eine wirksame Grenze setzten zu können; gerne strafbewehrt.

    CM

  12. Da ich die Meinung der Kritiker am Religionsunterricht weitgehend teile, möchte ich mich nicht in Wiederholungen verzetteln.
    Religionnsunterricht zielt ja bewußt in die den Kirchen genehme Richtung. Die wissbegierigen jungen Schüler nehmen das Gelehrte genau so wahr an, wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Darin liegt die Gefahr.

    Zugegeben, Herr Herrl war auch für meine Begriffe etwas zu derb im Ausdruck. Aber hätten wir ohne seine „Derbheit“ hier diese Debatte ? Ich denke, nein.

    Zu den Religionen allgemein finde ich die Aussage von
    SENECA, römicher Philosoph,1.Jahrhundert unserer Zeitrechnung, auch heute noch gültg :

    RELIGION GILT DEM GEMEINEN MANNE ALS WAHR,
    DEM WEISEN ALS FALSCH,
    DEM HERRSCHENDEN ALS NÜTZLICH

    Das Nützliche wird von unseren Parteien und Regierungen noch fleissig erkannt.

  13. @ richard michalski

    Wenn die Redaktion der Debatte ausweichen wollte, warum habe ich diese dann hier im FR-Blog eröffnet?

    Sollte es gewünscht werden, stelle ich oben einen Scan des Textes ein.

  14. Den Glaubensgemeinschaften laufen die Mitglieder davon. Ihre Wahrheiten überzeugen immer weniger. Wenn sie überleben wollen, müssen sie schon die Kinder auf ihre Seite ziehen. Daher ihr Interesse am Religionsunterricht und Kindergärten.
    Dass sie dabei denken, dass nur Gutes zu tun, nehme ich ihnen ab.
    Aber ich bin als einziger evangelischer Schüler auf eine Volksschule in einen katholischen Dorf gegangen. Jeder Tag begann und endete damit, dass man sich zur Madonnenstatue drehen musste und sich bekreuzigen. Was ausser mir alle taten. 50 Jahre später ist das die einzige Erinnerung an die Volksschule. Das sollte man heute keinem Kind mehr antun.

  15. Auweia, da fühlen sich einige gläubige und ungläubige Mitmenschen ja ganz schön ans Bein gepinkelt….Was lernen wir draus? Glaubenswächter gibt’s hüben wie drüben.
    Die Forderung, Religion als Privatsache zu betreiben und Kinder möglichst in keiner Richtung zu beeinflussen, sondern sie als Erwachsene über ihre religiöse Identität entscheiden zu lassen, verkennt folgende Tatsache: die wirklich radikalen Religiösen sind in aller Regel Konvertiten, Spätberufene und „Bekehrte“, also Menschen, denen erst im Erwachsenenalter die Bedeutung von Religion in ihrem Leben klar geworden ist.
    Religiöse Identitätssuche aufs Erwachsenenalter zu verschieben, verhindert also Radikalisierung nicht, sondern leistet ihr eher Vorschub (ich komme aus christlich-fundamentalistischen Kreisen, ich weiß also, wovon ich schreibe).
    Wird Religion als Teil der Identität schon im Kindesalter wahrgenommen, ist die Auseinandersetzung mit ihren negativen und positiven Aspekten selbstverständlicher Teil des Erwachsenwerdens – man kann sich distanzieren oder identifizieren – kurz all das machen, was Voraussetzung für aufgeklärte Religionsausübung ist.
    So ganz nebenbei: Der islamische Religionslehrer an der Schule, an der ich arbeite, hat seine liebe Not damit, den Kindern die Angst vorm Teufel zu nehmen, die sie von wo auch immer mitbringen. So kann’s auch gehen.

  16. Der HR berichtete über die Kirchen als Arbeitgeber: „In Deutschland dürfen Arbeitnehmer nicht wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt werden. So will es das Antidiskriminierungsgesetz. Es sei denn, der Arbeitgeber heißt Kirche. So wird der Leiterin eines katholischen Kindergartens in Königswinter gekündigt, weil sie sich hat scheiden lassen. Kündigungsgrund: ‚Ehebruch‘.“

    Alle, die bei den Kirchen arbeiten, ob Gärtner oder Koch, müssen Mitglied der jeweiligen Kirche sein und nach deren Vorstellungen auch das Privatleben entsprechend den religiösen Vorgaben ausrichten. Die Angelegenheit wäre noch tolerabel, wenn die Kirchen ihre Mitarbeiter/innen bezahlten. Das ist mitnichten so. Alle sozialen Einrichtungen, ob Kita, Krankenhaus, Schule, werden von Steuermitteln finanziert. Damit wird bei der Beschäftigungspraxis eindeutig gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Ein „Gebot“ der EU, diese Praxis nur bei Geistlichen und Führungspersonen anzuwenden, wird in Deutschland nicht umgesetzt. Dieser Zustand ist Symptom für den Gleichschritt der christlichen Kirchen mit den herrschenden Politikern.

    Siehe dazu den Film des HR, Länge 5.47 Minuten.

    http://www.ardmediathek.de/hr-fernsehen/defacto/religioese-diskriminierung-am-arbeitsplatz-erlaubt-warum?documentId=17687016

  17. Der FR sei Dank, dass hier solche Debatten möglich sind!
    Michael Herls vorige und auch heutige Kolumne hat mir aus dem Herzen gesprochem. Freundlicherweise druckte die FR auch dazu meinen bescheidenen Leserbrief ab. Das Thema ist spannend und in meiner Biografie sehr dominant.Durchaus nicht immer mit angenehmen Folgen.
    Es gibt also keinen Gott. Dann bringt man also wissentlich Kindern märchenhafte Dinge bei, über’s Wasser laufende, vom Tode auferweckte Menschen, sprechende Schlangen usw.Das sollen diese Kinder einfach glauben. Leider kann man als Erwachsener Kinder leicht täuschen. Die Frage, welcher Gott einen erwachsenen Menschen dazu auffordert, erübrigt sich, denn : s.o. Kein Gott! Warum also, wenn nicht um Macht auszuüben unter dem Deckmantel der Religion. Diese Antwort springt einem doch geradezu ins Auge. Wie soll ein Kind, das im Grundschulalter gelernt hat, dass freche Kinder gern mal von Bären gefressen werden, sich zu einem kritischen,selbstbewussten Erwachsenen entwickeln? Zum mündigen Bürger? “ Betet für die Obrigkeit…“1. Tim. Kap.2 ist eine bequeme Lösung. Und wer hat’s erfunden?

  18. Auch heute, zwei Wochen danach, wieder eine Kolumne von Michael Herl – einfach köstlich ! Wie klar er mit einfachen, verständlichen Worten seinen Standpunkt nochmals erläutert und richtig stellt.

    Es ist an der Zeit, sich mit den Religionen öffentlich auseinder zu setzen. Sie haben schon zuviel Unheil angerichtet in der Welt. Es wird auch Zeit, dass sich die Parteien mit diesem Thema beschäftigen.
    Denn : Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben…Gilt auch hier.

  19. Es ist immer wieder interessant mit welcher Überzeugung Menschen Meinungen vertreten können von Dingen von denen sie überhaupt keine Ahnung haben. Ein Beispiel dafür ist „Kinder im Gottesstaat“ von Michael Herl. Da er (und die meisten Leserbriefschreiber) offenbar die Wirklichkeit eines Religionsunterrichtes überhaupt nicht kennen will ich als Schüler darauf reagieren und einmal sagen wie ich diese „Indoktrination“ erlebe. Offenbar ist nämlich vorher niemand auf die Idee gekommen Schüler/innen zu fragen.

    In meinem Religionskurs bzw. in allen Religionskursen, die ich je besucht habe (12 Jahre Reli-Unterricht [man muss ich indoktriniert sein!!!]), sitzen völlig unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Ansichten. Da sitzen nicht nur Katholiken und Orthodoxe, auch Zweifler, Agnostiker, Atheisten. Da sitzen die „strengen“, „konservativen“ und „liberalen“ Katholiken wie die kämpferischen Atheisten und Wissenschaftsgläubige (Paul Affemann). Da kommt es mitunter zu spannenden Diskussionen und Gesprächen und ich habe noch nie erlebt, dass einer seine Meinung nicht hätte sagen dürfen.

    Dabei lernen wir nicht nur die anderen Sichtweisen kennen, sondern wir lernen auch die Wichtigkeit von Toleranz gegenüber anderen Vorstellungen. Wer einmal die Lehrpläne für den Religionsunterricht durchsieht, dem fällt außerdem auf, dass man sich durch alle Jahrgangsstufen auch mit anderen Religionen beschäftigt: Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus werden behandelt. Man lernt so, was verbindet und was trennt.

    Und es sei hier auch noch an unsere Verfassung erinnert: Der Religionsunterricht ist das einzige Fach auf das ein Grundrecht besteht (Art. 7, Abs. 3 GG). Dabei wird den Religionsgemeinschaften (dazu gehören die Kirchen, aber nicht nur) das Recht eingeräumt diesen nach ihren Grundsätzen zu erteilen. Es ist jedem freigestellt den Religionsunterricht aus Gewissensgründen nicht zu besuchen.

    Wir leben in einem freien Land, eine Staatskirche besteht nicht (Art. 137 GG). Aber uns Gläubigen sollte man schon dieses Recht zuerkennen an staatlichen Schulen Religionsunterricht zu erhalten.

    Was mich jedoch noch mehr ärgert sind die verschiedenen Themen, die in Bronskis Einleitung ineinander geworfen werden. Der Religionsunterricht ist ein Thema. Die Kirchensteuer ist ein anderes Fass. Und wieder etwas anderes sind die Dotationen und die Gehälter für Bischöfe, die der Staat bezahlt. Alles zu seiner Zeit. Wir können nicht alle Debatten auf einmal führen, sonst wird es unsachlich(er).

    Im Übrigen ist die „CDU“ keine christliche Partei mehr! Sie hat jeden christlichen Anspruch verloren und der Name ist eigentlich Verbrauchertäuschung, das ist aber wieder ein anderes Thema.

    Johannes B. Köhler (Schüler der Oberprima Lessing-Gymnasium FFM; Jugendsprecher St. Peter und Paul)

  20. Herl hat klar und souverain auf die Leserbriefe reagiert. Ist es danach noch nötig, weiteren Statements Platz einzuräumen?
    Wie kann es gelingen, diesem Thema endlich in der breiten Öffentlichkeit Aufmersamkeit zu verschaffen, solange es kaum breitenwirksame Medien gibt, die den heissen Brei anrühren? Wieviel Prozent der Bevölkerung liest, sieht und hört „kritische Medien“ oder schaut sich gar die teils glasklaren Kabarett-Sendungen zu arbeitnehmer-unfreundlichen Zeiten an? Und vor allem: wie kann man die Mächtigen in Kirche, Politik, (feste-verschwendungs-zwangs-orientierter Geschenke-)Industrie zwingen, sich der Kritik zu öffnen und – vor allem – zu handeln? Naja, alles nur Utopie…

  21. @ Johannes B.Köhler,

    Deine Schilderung war auch für mich aufschlussreich, da ich zugeben muss, meine „Schuleindrücke“ liegen etliche Jahrzehnte zurück. Aber, deine stammen aus Frankfurt, einer schon immer als offenen und liberalen Stadt bekannt. Doch wie sieht es wohl in Gegenden wie z.B. dem Bayrischen Wald oder dem Sauerland aus ?

  22. @ werner.h

    Muss die Frage nicht eher lauten: Warum muss das im Rahmen eines von den Glaubensgemeinschaften besorgten Unterrichts passieren? Was Johannes B. Köhler da so lebhaft schildert, ginge doch auch im Rahmen eines Ethik-Unterrichts, der weltanschaulich neutral wäre.

  23. @ Johannes

    „In meinem Religionskurs bzw. in allen Religionskursen, die ich je besucht habe (12 Jahre Reli-Unterricht [man muss ich indoktriniert sein!!!]), sitzen völlig unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Ansichten. Da sitzen nicht nur Katholiken und Orthodoxe, auch Zweifler, Agnostiker, Atheisten. Da sitzen die „strengen“, „konservativen“ und „liberalen“ Katholiken wie die kämpferischen Atheisten und Wissenschaftsgläubige (Paul Affemann). Da kommt es mitunter zu spannenden Diskussionen und Gesprächen und ich habe noch nie erlebt, dass einer seine Meinung nicht hätte sagen dürfen.“

    Schön für dich. Übertrage deine Erlebnisse mal auf die Grundschule oder sog. weiterführende Schulen (Haupt-, Förder- oder Realschule) bis Klasse zehn. Wer von den Schülern ist im Stande, mit den Religionslehrern, die teilweise staatlich bestallt sind, über diese Themen zu diskutieren? Wer von einem christlichen Kindergarten – das sind die am weitest verbreiteten – in eine öffentliche Schule wechselt und damit der Fortsetzung dessen ausgesetzt ist, was die Kirchen unter religiöser Sozialisation verstehen, hat kaum eine Möglichkeit, über schmalspurige Welterklärungsversuche hinauszukommen. Das ist so gewollt. Nicht umsonst heißt der Schein, der zur katholischen Lehrbefugnis an Schulen befähigt, Missio canonica. Auch staatlich bezahlte Lehrer müssen sich dieser erzbischöflichen Erlaubnis unterwerfen und erklären, „in der persönlichen Lebensführung die Grundsätze der katholischen Kirche (zu) beachten.“ Alles spricht dafür, Menschen, die nicht religionsmündig sind, das ist man ab vierzehn, von dieser Indoktrination freizustellen.

    P.S.: Dein Name scheint Programm. Katholische Alltagsrealität ist das:

    „Wir dürfen Gott Vater nennen, denn durch die Taufe und durch den Glauben an Jesus Christus sind wir zu Kindern Gottes geworden. Gott, unser Vater, kennt uns von Mutterleib an, er hat uns geformt, uns ins Leben gerufen. Und in der Taufe hat er uns zugesagt: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“ (Jesaja 43,1)

    Quelle: http://www.katholisch.de/de/katholisch/glaube/4_unsere_gebete/3_vater_unser.php

  24. @ Johannes: vergessen wir nicht, dass es in dieser Dikussion auch um das Fach Religion an Grundschulen gegangen ist. Alter der Kinder ca. 6-10 Jahre. Schwerpunkte durchaus biblische Geschichten. Unterrichtet von Pfarrern , bezahlt von Steuergeldern. Ethikunterricht oder Religionskunde in der Oberstufe ,kein Thema.
    Und zur Verfassung: das war genau M.Herls Aufhänger: dann sollte die Verfassung geändert werden! Privilegierung von Religion in einem säkularen Staat. Das passt keineswegs zueinander.

  25. … der Nachfolge-Beitrag von Herl zu seiner Kolumne zeigt nur eines: Er hat nicht kapiert, um was es geht und deshalb hat er auch nichts dazugelernt!

  26. In anderen Ländern (z. B. bei unseren französichen Nachbarn) ist Religionsunterricht an staatlichen Schulen ein Unding. Ich sehe nicht, dass sie deshalb schlechtere Menschen sind.

  27. Sehr geehrter Herr Köhler,

    mangelnde Normenklarheit ist kein Freibrief für religiöse Partikularinteressen die dem Allgemeinwohl zuwider laufen.

    Ihre Frage nach dme eigenen Indoktrinationsgrad wird bei nochmaliger Lektüre Ihres Kommentars ausreichend beantwortet.

    Zudem haben an statalichen Schulen ausgesuchte Vertreter einzelner Weltanschauungen nichts verloren, wenn es un staatlich getragenen Unterricht geht, es sein denn als Beispiel für die inneren Widersprüche des GG.

    Außerdem verstößt ein so selektiver Förderungsanspruch einzelner Weltanschauungen fundamental gegen das Gleichbehandlungsgebot sowie die negative Religionsfreiheit.

    AUch das nominelle Nichtbestehen einer Staatskirche wird durch die absurde Rechtlage ad absurdumg geführt.

    Aber das ist, da haben Sie Recht, eine ganz andere Baustelle; eigentlich die wichtigere.

    Denn für die Einstufung als AÖR besteht bei Weltanschauungsgemeinschaften eigentlich kein Rechtsanspruch, der hat sich bisher -rechtswidrig- aus politischer Protektion hergeleitet.

    Höchste Zeit hier juristische Korrekturen anzubringen.

    Mit freundlichem ruß

    KM

  28. Bratkartoffeln statt Jesus

    Na so was, am Ende war alles gar nicht so bös gemeint, der Herr Herrl hat gar nichts gegen das Christentum. Er will es bloß aus der Öffentlichkeit verbannen. Toll, das haben schon ganz andere vor ihm versucht und in dieser Ahnenreihe gibt es ein paar ganz schön peinliche Figuren…..

    Nun ist es aber mal Fakt, dass nach 1945 in unserem Land ein gesellschaftlicher Konsens darin bestanden hat, in Folge der auch moralischen Katastrophe des Faschismus den beiden großen Kirchen eine vergleichsweise komfortable Position im CDU-dominierten Nachkriegsdeutschland zuzubilligen. Dass dieser Konsens nach über 60 Jahren bröckelt und neue Lagen entstehen ist völlig normal und dem trägt meine Kirche auch Rechnung indem sie für Pluralität im Bereich der öffentlich verantworteten Religion eintritt: islamischer Religionsunterricht, Ethikunterricht, das finden wir alles gut und richtig. Alle sollen die gleichen Chancen haben für ihre Überzeugung einzutreten. Was wir anderen zubilligen nehmen wir allerdings aber auch für uns selbst in Anspruch. Fairness ist nicht dasselbe wie Blödheit. Und darum, nein: kirchliche Einflussnahme ist nicht das Gleiche wie Machtgeilheit.

    Jede soziale und religiöse Idee, die nicht nach einer gewisse Zeit verdunsten will braucht eine institutionelle Form. Darum zahle ich auch gerne meine Kirchensteuer, meinen Gewerkschaftsbeitrag, meine vier Zeitungs-Abonnements, meinen Mitgliedsbeitrag beim BUND, bei Slow Food und der Freiwilligen Feuerwehr. Wer was machen will braucht halt auch Macht.
    Ich habe ein Interesse daran, dass bestimmte Institutionen Einfluss auf unser gesellschaftliches Zusammenleben nehmen. Und wenn die beiden großen Kirchen in Deutschland 2013 über 57% der Bevölkerung unseres Landes als Mitglieder haben, dann haben auch sie das Recht, dies in angemessener Weise zu tun.

    Natürlich wäre es schlimm wenn dabei dieser Horror-Comicstrip heraus käme, der Herrn Herl und seine Fans so fasziniert: Die Kirche als eine Art Marcel Lefebrve-Club auf Weihrauch-Speed. Sollten wir jemals so werden wie er denkt dass wir sind, dann wäre es in der Tat nicht schade um uns.

    Gott sei Dank ist es ja meistens ganz anders und auch sehr viel besser. Das kann man tatsächlich heraus finden, wenn man das macht, was Qualitätszeitungen von ihrer schreibenden Zunft normaler Weise erwarten (und ich als Abonnent der FR von meiner Zeitung auch): Recherche! Und: Es gibt sie wirklich: Lehrpläne, Religionsbücher, die Grundschule um die Ecke und – wer es wirklich genau wissen will – auch pädagogische Forschung zum Thema.

    Ich unterrichte seit über 25 Jahren evangelischen Religionsunterricht in der 3. und 4. Klasse, mit meiner katholischen Kollegin tausche ich Material und Freundlichkeiten aus, wir besuchen mit den Kindern gegenseitig unsere Kirchen, wir fahren mit ihnen auch in die Synagoge, mein muslimischer Schüler in der 4. hat eine 1 weil er die Bibel besser kennt als seine christlichen Mitschüler. Er bringt stolz seinen Koran mit in die Klasse, küsst ihn vorm Aufschlagen wie er es von seiner Oma gelernt hat und liest uns daraus vor, leider auf arabisch, na gut….. Wir sprechen im Unterricht über Mobbing an der Schule, wir versuchen das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken, wir treten übertriebenem Leistungsstreben entgegen und wir lachen ganz viel miteinander. Mag sein, dass das alles noch einmal sehr viel besser werden könnte, wenn nicht mehr die evangelische Kirche sondern ein von wem dann auch immer geführtes hessische Kultusministerium Inhalt und Form des Unterrichts bestimmt, aber ich habe das ziemlich sichere Gefühl, dass momentan über 90% der Kinder und Eltern mit dem was wir machen sehr einverstanden sind. Und solange die Mehrheit der wahlberechtigten Menschen in unserem Land das ähnlich sieht, wird – das ist halt nun mal Demokratie! – die Kirche vollkommen zu Recht eine stärkere Stellung in der Öffentlichkeit behalten als zum Beispiel der Freidenkerverband.
    Und Herr Herl wird die Glocken weiter läuten hören müssen. Vielleicht sollte er es mit ein bisschen mehr Contenance tun. Wer nicht verstehen kann was ist, sollte leiser sein im Ansagen dessen, was einmal besser sein sollte.

    Und, was anscheinend auch mal wieder nicht fehlen darf: Der Versuch, uns am Ende mit dem Jesus-Trick eins auszuwischen. Das Strickmuster löst Gähnen bei mir aus: Erst tritt er uns, dann bekommt er Gegendruck und dann hebt darob das Klagen an. Vor drei Wochen war Jesus noch „ein Troll, der übers Wasser läuft“ und jetzt nimmt der christenverfolgte Kolumnist Zuflucht zum Herrn und opferlammentiert: „Hätte so ein Jesus reagiert?“ Was soll das sein? „Flexible Ignorance“ als Methode der ideologischen Kriegsführung?

    Wahrscheinlich wäre es für uns alle besser, Herr Herl würde sich wieder mehr mit Bratkartoffeln beschäftigen, davon hat er wenigstens einen anständigen Begriff. Wie freundlich soll ich denn noch zu jemand sein, der mir unterstellt, bei mir würde „die Entwicklung von Kindern zu frei denkenden Menschen behindert?“

    Gut, ich gebe es zu: Wahrscheinlich hätte Jesus weniger zorniger reagiert als ich, denn er war im Dulden eindeutig kräftiger. Wenn ich Herrn Herl eine Backe hinhalten müsste könnte ich im Augenblick jedenfalls keine aus meinem Gesicht dafür nehmen.

    Hans-Joachim Greifenstein
    Pfarrer und Kabarettist
    Rohrheimer Strasse 27
    64625 Bensheim
    9.5.2014

  29. Die Frage von Bronski „Wozu gibt es eigentlich Religionsunterricht?“ lässt sich auch ohne Aufwallung von Emotionen beantworten: Religionsunterricht gibt es, weil Eltern den Wunsch haben, dass ihre Kinder über Grundlagen und Praxis der Religion unterrichtet werden, der sie angehören. Das Recht auf religiöse Erziehung ist durch die (nicht aufhebbare) Grundrechte des Artikel 4 (Religionsfreiheit) und des Artikels 6 (Erziehungsrecht der Eltern) garantiert. Wie dieses Recht wahrgenommen wird, ist nicht von der Zustimmung der antireligiösen Minderheit (oder Mehrheit) in der Gesellschaft (oder in diesem Blog) abhängig. Die Grundrechte müssen auch diejenigen zur Kenntnis nehmen, die Religion (und damit Religionsunterricht) für unsinnig, lächerlich oder gar schädlich halten. Genauso ist es das Recht der nichtreligiösen Eltern, ihre Kinder so antireligiös zu erziehen, wie sie es für richtig halten. Ab dem 14. Lebensjahr sind Kinder in Deutschland religionsmündig und können selber über ihre Religionszugehörigkeit bzw. Nichtzugehörigkeit (und damit auch über ihren Religionsunterricht) entscheiden.

    Bronskis Frage ist wohl aber auf den Religionsunterricht an staatlichen Schulen gemünzt. Er fragt deshalb: Ist die Bundesrepublik Deutschland wirklich ein säkularer Staat? Meine Gegenfrage: Ist z.B. Frankreich kein säkularer Staat? Auch dort gibt es (entgegen der Annahme von Henning Flessner) an den staatlichen Schulen einen Religionsunterricht, den Religionsgemeinschaften im Rahmen der Seelsorge erteilen können. Im früheren Elsas und Lothringen ist, wie in Deutschland, Religionsunterricht ab Grundschule ordentliches Lehrfach.

    Was Kritiker als Privilegierung der Kirchen sehen, halte ich für einen sinnvollen Gesellschaftsvertrag: Die Religionsgemeinschaften (nicht nur die christlichen Großkirchen) erhalten das Recht, den ihrem Bekenntnis angehörenden Kindern (Zustimmung der Eltern bzw. der religionsmündiger Schüler vorausgesetzt) im Rahmen des regulären Schulbetriebs Religionsunterricht zu erteilen. Dafür akzeptieren die Religionsgemeinschaften eine Aufsicht des Staates über den Religionsunterricht: Sie müssen die Unterrichtscurricula mit den Schulbehörden abstimmen und veröffentlichen, die Religionslehrer müssen über eine pädagogische und fachliche Qualifikation verfügen. Dies scheint mir eine gute Rückversicherung gegen Fundamentalismus und religiösen Extremismus. Deshalb leistet der Religionsunterricht, wie er derzeit von den christlichen und jüdischen Religionsgemeinschaften an den Schulen erteilt wird, einen Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden. Aus dieser Erfahrung halte ich die eingeleiteten Schritte zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen für positiv, auch weil dies das Wasser den oft obskuren Koranschulen abgräbt.

    Unabhängig davon kann man sicher über das spezielle deutsche Staatskirchenrecht, das der Artikel 140 des Grundgesetzes durch Übernahme der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der Weimarer Verfassung festlegt, diskutieren. Die gesellschaftliche Realität zeigt aber, dass wir mit dieser Verfassung nicht schlecht fahren. Die gesellschaftspolitische Diskussionen in Deutschland werden keineswegs durch (fundamentalistische) religiöse Argumente dominiert – sicher nicht stärker als in Staaten mit strikterer Trennung von Kirche und Staat.

    Im übrigen sind manche hier zu Recht angesprochenen Missstände nicht die Folge des deutschen Staatskirchenrechts: Die (außerhalb der kirchlichen Funktionen skandalöse) Einschränkung der Arbeitnehmerrechte durch die Kirchen ermöglicht der dringend reformbedürftige Tendenzschutz, den auch politische Parteien, Gewerkschaften und Unternehmensverbände als Arbeitgeber beanspruchen. Die staatliche Dotierung von evangelischen und katholischen Bischöfen ist in Konkordaten und Staatsverträgen festgelegt, die längst an die heutige Realität angepasst gehören.

  30. Lieber Herr Herl,
    ich danke Ihnen sehr für diesen Beitrag. In der Sichtweise sind wir dann zumindest schon zwei.

  31. @Greifenstein

    „Ich habe ein Interesse daran, dass bestimmte Institutionen Einfluss auf unser gesellschaftliches Zusammenleben nehmen. Und wenn die beiden großen Kirchen in Deutschland 2013 über 57% der Bevölkerung unseres Landes als Mitglieder haben, dann haben auch sie das Recht, dies in angemessener Weise zu tun.“

    Das verstehe ich vollkommen, dass dieses Interesse besteht. Jede gesellschaftliche Gruppe vertritt das ihre. Der Punkt, auf den Sie nicht eingehen, ist die Privilegierung der christlichen Kirchen in diesem Interessensgeflecht, das man Gesellschaft nennt. Man kann aus der Position, die den Steuerzahler gesetzlich verpflichtet, zum Unterhalt der christlichen Gemeinden beizutragen, sich leicht jovial und generös gerieren. Macht auch wirklich einen guten Eindruck – auf den ersten Blick.

    Ein Beispiel von unzähligen:

    Zweijährlich finden die Kirchentage statt. Immer im Wechsel der Konfessionen. Die fünf Tage dauernden Veranstaltungen kosten jedes Jahr zwischen 8 und 18 Millionen Euro. Ein Drittel bis die Hälfte davon wird aus staatlichen Steuergeldern finanziert. Durchschnittlich sind das rund 7 Millionen Euro per anno. Begründet werden diese Zuwendungen vom Bundesinnenministerium u.a. so:

    „Da religiöse Glaubensüberzeugungen wichtige Quellen für die Wertvorstellungen unserer Gesellschaft sind, haben diese Veranstaltungen eine große gesellschaftspolitische Bedeutung. Vor diesem Hintergrund fördert das Bundesministerium des Innern mit Haushaltsmitteln den im Zweijahreswechsel stattfindenden ‚Deutschen Evangelischen Kirchentag‘ – sowie den ‚Katholikentag‘.“

    Damit lässt sich gut und kommod Einfluss „auf unser gesellschaftliches Zusammenleben“ nehmen, wie Sie schreiben. Dass diese Zahlungen des Staates nicht versiegen, lässt man sich doch gerne von diesem auch noch die eigene PR-Arbeit bezahlen, obwohl inzwischen die kirchlichen Arbeitsplätze nur noch von 5 Prozent „Geweihten“ besetzt sein sollen. Denn die ökonomischen Tätigkeiten (Krankenhäuser, Schulen…) der christlichen Kirchen erweitern sich mit den Zwangsabgaben des Steuerzahlers ständig. Das kommt dem ADAC-Effekt gleich, der als Verein sich darstellend inzwischen zum Konzern mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Bereichen gewachsen ist und mit dieser Potenz großen Einfluss auf die Verkehrspolitik ausübt und gleichzeitig die Interessen der Autobauer befördert.

  32. Zur Ergänzung der Ausführungen von Hans-Joachim Greifenstein:

    Der von ihm erwähnte muslimische Schüler nimt wohl an dem evangelischen Religionsunterricht freiwillig teil – so bestimmt es jedenfalls das geltende Recht. Bei dem schulischen Religionsunterricht handelt es sich eben nicht, wie z.B. Karl Müller (#9) annimmt, um „Zwangsveranstaltungen“.

  33. #JaM
    Sie schreiben:
    Ist z.B. Frankreich kein säkularer Staat? Auch dort gibt es (entgegen der Annahme von Henning Flessner) an den staatlichen Schulen einen Religionsunterricht, den Religionsgemeinschaften im Rahmen der Seelsorge erteilen können.

    Gemäss Wikipedia (und der Aussage meiner französischen Verwandten) gibt es im überwiegenden Teil Frankreichs keinen Religionsunterricht in staatlichen Schulen.
    (Wikipedia:
    In Frankreich findet grundsätzlich kein schulischer Religionsunterricht statt. Historisch bedingt besteht hiervon eine Ausnahme in den Départaments Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle, die bis 1918 als Reichsland Elsaß-Lothringen ein Bestandteil des Deutschen Reiches waren. Dort wird ein schulischer Religionsunterricht mit staatlicher Trägerschaft erteilt.)

    Die grossen Vorteile eines Religionsunterricht in staatlichen Schulen werden hier beschworen. Da kaum Franzosen diesen genossen haben, sollte man doch einen negativen Effekt sehen. Ich habe ihn bisher nicht entdeckt.

  34. @ Henning Flessner

    Zwei kurze Antworten:

    1. Religionsunterricht in Frankreich
    Der Religionsunterricht an staatlichen Schulen ist im Rahmen der Seelsorge möglich („aumôneri scolaire”), siehe ausführliche Darstellung in http://www.theo-web.de/zeitschrift/ausgabe-2005-02/schroeder_frkr_relu-schul-1-thk-mr-rh.pdf. Dort heißt es auch: „In ganz Frankreich (ohne Alsace-Moselle) gibt es an etwa 3.000 Schulen diese Form der Schulseelsorge; etwa 20 dieser Einrichtungen sind protestantisch, knapp 10 jüdisch, der große Rest wird von der katholischen Kirche getragen.“

    Das Prinzip des Laizismus, der im Gesetz von 1905 festgeschriebenen Trennung von Kirchen und Staat, verträgt sich also offensichtlich mit dem bekenntnisorientierten Religionsunterricht an staatlichen Schulen. Daher ist der Religionsunterricht an deutschen Schulen noch kein Indiz dafür, Deutschland sei kein „säkularer Staat“, wie Bronski andeutet.

    2. Wirkung des Religionsunterrichts
    Konservative und fundamentalistische religiöse Einstellung haben in Deutschland nach meinem Eindruck keinen wesentlichen Einfluss auf gesellschaftspolitische Diskussionen. Wir erleben keinen Kulturkampf mit Massendemonstrationen zum „Schutz der Familie“, die sich offen gegen Gleichstellung von Schwulen und Lesben wenden, wie im laizistischen Frankreich. Wir kennen keine Kampagnen zur Einführung des Schulfachs „Kreationismus“ wie in den USA, wo eine strikte Trennung zwischen Religionen und Staat in der Verfassung festgeschrieben ist. Ist also die Annahme unberechtigt, dass der hierzulande unter staatlicher Aufsicht stehende Religionsunterricht eher mäßigend wirkt? Mir scheint dies weit plausibler zu sein als die von Religionskritikern befürchtete „Indoktrinierung“ von Kindern in kirchlichen Kindergärten und im Religionsunterricht.

  35. @JaM #31

    Ihre Argumentation erscheint mir etwas verquer.

    Sicher ist den religiösen Bewegungen zugute zu halten, daß sie großen Anteil an der Einrichtung des Schulwesens haben, aber die Unterordnung unter staatliche Prinzipien haben sie doch wohl nicht freiwillig vollzogen? Das Argument, daß sie „immerhin“ eine solche Unterordnung akzeptieren, verkehrt die Notwendigkeit in ihr Gegenteil. Selbstverständlich ist von jeder religiösen Gruppierung zu erwarten, daß sie sich dem geltenden Recht und der staatlichen Ordnung unterwirft, sei es innerhalb der staatlichen Schule oder in staatlich nicht kontrollierten Zirkeln. Gesetze gelten nicht nur dort, wo sie kontrolliert und durchgesetzt werden, sie gelten überall!
    Ein Widerstandsrecht aus religiösen oder Überzeugungsgründen sei unbenommen, das wäre sehr differenziert zu betrachten und berührt die individuelle Ebene, die nach den Umständen auch eine starke Gemeinschaft erfordert. Diese starke Gemeinschaft zur Durchsetzung individueller Freiheit herzustellen ist aber Pflicht und Aufgabe des Staates.
    Im Kern argumentieren sie so, daß religiöse Bekenntnisse und Regeln auch ausserstaatlich rechtlichen Bestand haben dürften und dies ist sehr fraglich. Sie stellen die Unterordnung der Religionsvereinigungen unter die staatliche Ordnung als ein Entgegenkommen dar. Es ist aber keines, es ist ein subversiver Kompromiß. Religiöse Vereinigungen haben sich auch ohne Kontrolle an Gesetze zu halten und, wo sie diese für nicht angemessen halten, müssen sie politisch transparent handeln.
    Es gibt Beispiele zur Genüge, wie religiöse Überzeugungen unrechtes Handeln verhinderten, es gibt aber auch genügend Beispiele, wie sie unrechtes Handeln vollzogen oder unterstützten. Auf dieses Feld sollte man sich nicht begeben.

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