Günther Oettinger scheint sich um Kopf und Kragen geredet zu haben, als er den früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger als Gegner des Nazi-Regimes bezeichnet hat – den Mann, der als Staatsanwalt noch nach der deutschen Kapitulation beantragte, den Marinesoldaten Gröner hinrichten zu lassen. Die Wellen der Aufregung schlagen hoch, inzwischen gibt es einen offenen Schlagabtausch zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Südwest-CDU, in dem der Vorwurf des Antisemitismus erhoben wird, namentlich gegen den Vorsitzenden der baden-württembergischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Georg Brunnhuber. Die Tagesschau brachte gestern abend die Meldung, der Zentralrat habe Oettinger zum Rücktritt aufgefordert.
Was ist eigentlich los? Hier und hier der aktuelle Stand in dieser Angelegenheit: Oettinger entschuldigt sich. Offenbar hat er gemerkt, dass es ihm ernsthaft an den Kragen geht, und hängt sein Fähnlein nach dem Wind. Oder sollte er es wirklich eingesehen haben?
Wie geht die FR mit diesem Thema um? Zunächst dokumentieren wir die fragwürdige Rede. Dann ordnen wir sie ein – per Gastbeitrag und per Kommentar aus der Feder von Chefredakteur Uwe Vorkötter. Oettinger, so das Fazit, hat sich nicht missverständlich ausgedrückt, sondern falsch – und damit der Südwest-CDU unfreiwillig eine Debatte beschert, die ihr viel abfordern könnte. Außerdem lassen wir die FR-Leser per Online-Voting abstimmen: Sollte Oettinger zurücktreten? Das (Zwischen-)Ergebnis ist natürlich nicht repräsentativ, doch drei Viertel der abgegebenen Stimmen plädieren für diesen Rücktritt. Ich auch.
Außerdem bin ich mit FR-Leser Karl-August Hennicke gleicher Meinung. Er schreibt mir: „Wer nationalsozialistischen Staatsterror gnadenlos exekutierte, wird heute hoch geehrt. Was damals Unrecht war, kann es heute Recht sein?“
Nein. Zumal der Bundestag die gesamte Nazi-Rechtsprechung einstimmig aufgehoben hat. Auch die Filbinger-Urteile.
@Oettinger,“Entschuldigung“;
zum einen unterliegt der Herr Oettinger – seines Zeichens MP von B.-W. – einem großen Trugschluss, wenn er glaubt, sich mit dem Bedauern über das Missverständnis, was er mit seiner Trauerrede über Filbinger bei den Betroffenen der Naziverfolgung und der Öffentlichkeit hervorgerufen hat, „davonmachen“ zu können. Und das noch mit der platten Formulierung, „ich entschuldige mich dafür, dass der Eindruck entstanden ist, ich wollte den Nationalsozialismus schön reden“, so in etwa seine Worte!
Es hätte sich gehört, dass Herr Oettinger eingeräumt hätte, dass er die falschen Worte in falschem Zusammenhang gebraucht hat und dann alle die um Entschuldigung gebeten hätte, die er mit der falschen Darstellung über das Wirken Filbingers in der Nazizeit – wie von der Wissenschaft und Publizistik früher schon veröffentlicht – gekränkt hat. Das wäre für Herrn Oettinger angebracht gewesen, diese Chance hat er gestern versäumt; ob bewusst oder warum auch immer, einem intelligenten und verantwortlichem Ministerpräsidenten hätte so etwas nicht passieren dürfen!
Mit Berechtigung wird allseits sein Rücktritt gefordert!
Nachdem nun in den anderen Themenbeiträgen dieses Blogs das Thema wiederholt zum Gegenstand von Diskussionen wurde, hat es Bronski nun endlich zum “Gesprächsfaden“ erhoben.
Der Kommentator der FR von heute meint, man könne Oettinger keine Dummheit, sondern man müsse ihm Absicht unterstellen. Auch obiger Hans-Jürgen Schulz denkt, Oettinger sei intelligent. Das denke ich nicht.
Wer nicht vorher darüber nachdenkt, welche Konsequenzen ein Handeln hat, ist entwicklungsmäßig in der Kindheit steckengeblieben. Bei Erwachsenen darf man dazu durchaus auch den Terminus “Dummheit“ gebrauchen. Ob allerdings ein “dummer“ Mensch Ministerpräsident bleiben sollte, bezweifle ich vehement.
In der Zwischenzeit geht seine (wievielte eigentlich ?) “Entschuldigung“ so nach und nach in die “machtrettende“ Richtung. Da scheinen einige “kluge“ Berater die Notbremse zu ziehen. Er möchte eben nicht enden wie seinerzeit Jenninger, dem man immerhin gute Absichten unterstellen konnte, der jedoch vor seiner ominösen Rede, Schauspielunterricht hätte nehmen sollen.
Oettinger wird sich weiter aus der Schlinge winden. Einige potentielle, Morgenluft witternde Nachfolger kriechen in die Startlöcher zurück……Politik eben….
Ich bezweifle schon, das ein dummer Mensch MP werden kann. Haben wir schon amerikanische Verhaeltnisse? 😉
Andererseits: Die gemachten Aeusserungen zeugen nicht nur von dem (politisch motiviertem) Willen, Filbinger im Tode zumindest etwas Ansehen wiederzugeben, sondern spiegeln meiner Meinung nach vielmehr eine politische Grundueberzeugung wieder, die eines MP nicht wuerdig ist.
Aber Oettinger ist da ja in guter Gesellschaft, so mit Beckstein und Koch… Ist das eigentlich Bedingung fuer ein CDU-Mitgliedsbuch, oder ziehen die Konservativen solche leute unfreiwillig an?
Wenn man sich auf den Homepages der Landtage der neuen Bundesländer mal die eine oder andere Vita einer/eines Abgeordneten rechtsextremer Parteien ansieht, wundert man sich doch (oder auch nicht), daß hier die/der eine oder andere Mitglied einer bestimmten großen Volkspartei war, bevor sie/er sich offen zu ihrem/seinem Gedankengut bekannte.
Zuerst möchte ich die FR loben. Stephan Hebels Kommentar zu dem Thema war klug wie immer, sehr gut fand ich auch, dass ihr die Rede Oettingers in Auszügen dokumentiert habt. Die viel zitierten „Kernaussagen“ sind zwar für sich genommen schon erschreckend genug, eingebettet in diese pathosglibbrige Gesamtsülze wird einem jedoch richtig übel, dafür muss man nicht mal ein besonders sensibles Gemüt sein. Und dies ist eben der springende Punkt, jeder halbwegs klar denkende Mensch dürfte die Oettinger-Rede nicht über die Lippen bringen, dürfte diese grauslichpeinlichen Gedanken zuvor nicht mal gedacht haben und schon gar nicht dürfte man als Ministerpräsident im Entferntesten daran denken, man könne eine solche Rede halten DÜRFEN, ohne dass sich irgendjemand darüber aufregt, – dies ist in meinen Augen der Skandal. Und dafür gibt es keine Entschuldigung.
@Oettinger,“phatosglibbrige Gesamtsülze“;
ja, liebe Susanne, kannst Du dich noch erinnern, wie ich vor einigen Tagen auf Oettingers Trauerrede und ihn selbst hinwies, hättest Du da gedacht, dass so eine Brisants dahinter steckt?
Egal, jetzt da MP Oettinger sich wohl zu etwas mehr als gestern durchringen konnte, empfiehlt die Kanzlerin sofort, dass seine neuerliche „Entschuldigung“ nun angenommen werden sollte, ist schon bemerkenswert; oder?
mfg,hjs
@“Pathos“, sorry, und nicht phatos!
@ 2, Walthor
Ja, ich habe mich euch gebeugt! Macht das bloß nicht zu oft mit mir. Sonst wird dieses Blog ja womöglich noch lebendiger
@ Danke Hans-Jürgen, Yeti hatte mir „verboten“, eigene Rechtschreibfehler zu korrigieren 😉
@Pathos;
nein, Susanne Du hattest es richtig geschrieben, aber ich hatte beim Wiederholen, das „h“ an die falsche Stelle gesetzt, sorry.
Sorry Hans-Jürgen, jetzt bin ich schon ganz verwirrt, es war ja DEIN Rechtschreibfehler.
Was Oettinger anbelangt, so hoffe ich doch wirklich, dass unsere Demokratie so stark ist, dass eine lapidare „Entschuldigung“ im Sinne von: Oh, `tschuldigung dass ich Sie angerempelt habe“ in der Öffentlichkeit nicht akzeptiert wird. Für mich wäre es eine Katastrophe, wenn Oettinger im Amt bliebe.
Kennt jemand die Pensionsregelungen für Mitglieder der Baden-Württembergischen Landesregierung?
Oettinger wird seinen Rücktritt (wenn überhaupt) so lange hinausschieben, bis er die nächst höhere Besoldungsstufe erreicht hat – und dann den Märtyrer geben, der der völlig ungerechtfertigten Kritik widerwillig nachgegeben hat, um Schaden vom Land, von seiner Partei und seiner Familie abzuwenden blabla…
Hallo Susanne! Pünktlich zur Wetterbesserung wieder unter den Werktätigen zu finden? (ätz)
@12.Yeti,“Oettinger und Filbinger“;
ich glaube dass Deine Prophetie unter Umständen noch übertroffen wird – was die Zeit anbelangt, obwohl man weiß bei diesem Thema ja nie, wie es sich entwickelt, bzw. was in diesem Zusammenhang noch alles „hochkommt“. Über Filbinger wurde im Fernsehen vorhin einiges berichtet, was ich bei seinem Rücktritt damals nicht so in Erinnerung habe, bzw. glaube, dass es damals so berichtet wurde, ist halt auch schon lang her; von seinen jetzt noch Getreuen aus der damaligen Zeit ganz zu schweigen, auch diese kamen in dem Beitrag zu Wort.Als vorhin in dem alter Fersehbeitrag Filbinger gezeigt wurde, drückte sich dahinter ein damals relativ junger Mann herum, der später immer wieder „mit der Öffentlichkeit und der Medien aneckte, er war lange Jahre B.-W.-Finanzminister und Präs. vom VfB Stuttgart und danach DFB-Präsident. Ja, genau dieser M.-V. war das und jeder weiß wie lange der sich gehalten hat, ganz egal welcher Skandal über ihn berichtet wurde, egal er erreichte sogar noch bis zur, bzw. während der Fußball-WM bei uns letztes Jahr in Amt und Würden zu bleiben; wenn auch mit einem Co.-Präs. an der Seite. Deshalb wie ich Oettinger einschätze und die Südwestdeutschen zu kennen glaube, gibt der so schnell nicht auf. Im Gegenteil, jetzt könnte langfristig Merkel den Druck den sie ausübte massiv zurück bekommen, wie auch immer! mfg,hjs
Canossa-Gang nach Berlin statt Party in Rom – eine wahrlich schwere Strafe!
Dass jetzt alle Parteien (zumindest die der Regierungskopulation – Verzeihung: meinte natürlich Regierungskoalition) den Deckmantel des Vergessens darüber breiten wollen, ist doch klar.
Aber, wen wundert’s in einem Ländle, das mit dem Spruch wirbt: „Wir können alles, ausser Hochdeutsch.“
Übrigens hjs (@6): heisst es nicht Brisanz statt Brisants?
Langsam beschleicht mich der Gedanke, dass meine Ansicht, Oettinger werde auf jeden Fall zurücktreten, doch eher auf meinem Wunschdenken beruht, denn auf einer realitätsnahen Prognose.
Abgesehen davon, darf man sich als in Ba-Wü lebende nun mal wieder über herablassende Bemerkungen von allen anderen Menschen in Deutschland „freuen“, als ob man, nur weil man hier wohnt, eine stramme CDU-Anhängerin und sowieso bieder und ein bißchen doof wäre. Wen es interessiert, dieses bescheuerte „Wir können alles außer Hochdeutsch“ führt auch in süddeutschen Kinos dazu, dass sich die Menschen kichernd vor Peinlichkeit in ihren Sesseln winden.
@14.Hajo Gebhardt, „Brisants“;
dies ist meine Steigerung wegen dem brisantem Thema und weil das Fernsehen uns jeden Abend mit der Sendung BRISANT, quasi ein Versäumnis der letzten Rechtschreib-Rf. vor Augen führt!
@Susanne;
aber Susanne, ich kann mich noch erinnern, dass in den Sesseln der Kinos aus anderen viel angenehmeren Gründen gekichert wurde. Allerdings waren zu diesen Nachkriegs-Zeiten die „Filbingers“ noch oder wieder in Amt und Würden und der Kuppelparagraph bestand noch. mfg,hjs
@Hans-Jürgen
Ja weißt du, Hans-Jürgen, ich gehöre zu einer Generation, die nicht ins Kino gehen musste, um mal mit dem Herzliebsten ein bisschen allein zu sein. Deshalb habe ich auch nie im Kino rumgeknutscht und mir ganz brav immer „nur“ den Film angeschaut. Ich stehe allerdings immer kurz vor einem Wutausbruch, wenn Leute neben mir im Kino ESSEN und dabei rascheln, knistern, knacken und schmatzen. GRRRR!
@Susanne
noch ein kleiner Beitrag zum Kino in den frühen Sechzigern in Ffm.: Wir, heute noch vertrauten nordhessischen Semesterkollegen, gingen hin und wieder gemeinsam in einen Film, ob ein Western, Sandalen-, auch Piraten oder sonstigen Degenfilm, in denen dann üblicherweise auch Knutschszenen vorkamen. Da wir dann ja meist eine Männergruppe waren, machten wir uns oft den Spaß und sprachen kesse Kommentare in den vor Spannung – oder warum auch immer das Publikum schwieg – von daher stillen Kinoraum:
„Vorsicht, der beißt“! Wie du dir denken kannst Susanne, diese Bemerkung traf meist auf besonderes „Wohlwollen“ der anderen Kinobesucher und -innen!
Einen schönen Dienstag, eventuell wird es ja noch ein „Oettinger Tag“!
Übrigens, die Menschen im Südwesten unserer Republik genießen doch wohl nicht nur im restlichen Deutschland in der Regel hohe Wertschätzung; sicher deren „Macken“ sind auch bekannt und werden darob auch auf`s Korn genommen! mfg, hjs
Bevor hier weiter in nostalgischen Erinnerungen geschwelgt wird (was ich durchaus interessant finde und ich meine Beteiligung in einem entsprechenden Thema auch gerne zusage), möchte ich “zurückschweifen“ zum “Oetti“.
Der “Käs“ scheint also nun gegessen zu sein. Er hat die “Kurve gekriegt“. Vermutlich hat man ihm die Konsequenzen aufgezeigt, leicht den Kopf gewaschen und an seine Verpflichtungen und Einkünfte seitens diverser Lobbyisten erinnert. Glaubwürdigkeit für mich hätte er nur erlangt, so er sich denn mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen und ausgerufen hätte „Ach ich Dummkopf !“. Im stillen Kämmerlein wird er es wohl tun oder aber sein Frau wird es für ihn erledigen (hoffentlich).
Seine “Vorbildfunktion“ ist allerdings dahin. Er hat nicht gesagt „ich bitte um Entschuldigung“, insofern werden Pädagogen ihn kaum als Beispiel bei verbalen Schülerkonflikten heranziehen können. Redenschreiber jedoch haben wieder mal genau aufgepasst und merken, welche Worte in der BRD, trotz ständiger Neuversuche, noch immer machtverlustbringend sein können. Und das ist auch gut so………
@19.Walthor,“Oettinger“;
es kann auch noch anders werden, denn der heutige Tag war vorher voll durchgeplant; es war quasi ein Europäischer Handwerkstag, denn EU-Kommisar Verheugen war in Stuttgart, ebenso wichtige Leute aus anderen EU-Staaten, da konnte man(Merkel, die auch dort war, wie auch Glos und Oettinger die alle Drei sprachen) nicht so ohne weiteres umwerfen! mfg,hjs
@ susanne
Ist Oettinger als Ministerpräsident vom Ländle nicht zufällig Dein oberster Vorgesetzter? Oder lehrerst Du an einer Privatschule?
Was sagen denn Deine Schüler dazu („Null Ahnung.“ „Oetzi wer?“ „Voll krass richtig. Das mit dem Filbinger sagt mein Alter auch immer.“)?
Wäre doch fahrlässig, wenn wir darauf verzichten würden, unsere Gewährsfrau im Spätzleland auszuhorchen.
@Yeti
Ja, Yeti, ich bin an einer Staatsschule. Da ich ausschließlich Kunst unterrichte, gibt es für mich kaum eine Möglichkeit, dieses Thema im Unterricht anzuschneiden. Oettingers Rede ist natürlich ein „Leckerbissen“ für den Deutsch-und Gemeinschaftskundeunterricht. An meiner Schule ist die Schülerschaft politisch überwiegend konservativ eingestellt im Gegensatz zum Lehrerkollegium.
Ich kenne allerdings ziemlich überzeugte CDU-Wähler, die sich auch über Oettingers Rede aufgeregt haben, falls dir das weiter hilft?…
@Yeti und Susanne, „Oettingers Rede“
Leute lasst`s gut sein. Alles wieder gut, jedenfalls wenn man den Teletext-Zeilen glauben will. Erst hat Oettinger geredet, dann hat Merkel öffentlich gerügt, dann hat erst Oettinger gemauert, dann hat Merkel ihn stundenlang in mehr oder weniger Klausur verbal bearbeitet, dann hat Schönbohm Merkel öffentlich gerügt; „Merkel hat der CDU geschadet“, so Schönbohms Worte.
Und jetzt nach Oettingers Distanzierung von sich selber, sind sich alle wieder gut.
Na, ist das nicht wundervoll; oder? mfg,hjs
Nachdem der Herr OE nun Canossa mit allen Schikanen inklusive der Quadratur des Kreises durch hat, bleibt nur zu sagen: Was für eine erbärmlich opportunistische Pappnase, der Herr Ministerpräsident! Rücktritt wäre hier ausnahmsweise mal angebracht gewesen. Wo doch die Weltbank schon wartet… (siehe FRmag 21.4.07) 😉
24. Mark
Ja, wäre ein Aspekt. Angie muss nur ein gutes Wort einlegen, nach dem Motto: „Öttinger for President“ und schon ist Schäuble MP in B.-W.; so könnte es dann gehen. Mark, Meinen Sie das etwa in dieser Art? Schönen Sonntag, mfg,hjs
Urban Priol hat neulich gesagt: Herr Oettinger verleit Adolf Hitler den Friedensnobelpreis. Dem ist nichts hinzuzufügen…..
Ein Historiker, einer jüdischen Glaubens, hat in einem Beitrag in der „FAZ“ einen wegweisenden Beitrag geschrieben, der, ließt man ihn genau, die sachliche Zuständigkeit des Zentralrats der Juden definiert.
Er führt u.a. aus:
„Deutschland hat doch etwas gelernt
In der Affäre Oettinger/Filbinger fehlt dem Zentralrat aber jegliche Kompetenz; hier ist er einfach nicht zuständig und hat damit unserer Gemeinschaft einen schlechten Dienst erwiesen. Er sollte sich stattdessen den wirklichen, dringenden Problemen der Juden in Deutschland zuwenden. Zu ihnen zählt die noch mangelhafte Integration der jüdischen Zuwanderer wie auch die gefährlichen Spannungen und Spaltungstendenzen in mehreren Gemeinden.
Ich teile auch nicht die Meinung meines Freundes Ralph Giordano, der in dieser Sache in der „Tageszeitung“ schrieb, dass Deutschland nichts gelernt hat. Das stimmt nicht, denn es gab viele Stellungnahmen, von berufener Seite, auch von den Zuständigen.“
Zitat Ende
Den ganzen Beitrag kann man unter diesem Link abrufen.
Arno Lustiger ist ein geachteter, anerkannter Historiker, der es auch als Anerkennung empfand im Deutschen Bundestag zu reden und dort eine beachtenswerte Rede hielt.
http://www.bundestag.de/aktuell/presse/2005/pz_0501271.html
Hoffentlich kommt niemand auf die Idee und behauptet, hier wolle jemand dem ZdJ das Wort verbieten. Nur ist manchmal weniger einfach mehr, wenn es um die Sache geht.
Danke Arno Lustiger!
Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, SchmidtH. wolle dem ZdJ nicht das Wort verbieten, was er ja faktisch versucht, auch wenn er das Gegenteil behauptet.
Auf der HomePage des Zentralrates findet sich der Satz:
„Darüber hinaus beteiligt sich der Zentralrat aktiv am politischen und gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland“, und das dazu Stellungnahmen zu Politiker-Äußerungen gehören, welche dazu angetan sind, NS-Urteile zu verharmlosen oder zu legitimieren, sollte man ihm, Lustiger hin oder her, wohl zugestehen.
Die ganze Diskussion hier wird, ungeachtet des einhelligen Urteils über Öttinger, m.E. viel zu moralisch, und das heißt immer unpolitisch, und Person-orientiert geführt. Aus der Angelegenheit wird erst ein passender politischer Schuh, wenn man berücksichtigt, was Bronski im Eingangsbeitrag unerwähnt lässt, dass eigentlich nicht „der Bundestag“ „die gesamte Nazi-Rechtsprechung einstimmig aufgehoben hat“, sondern nur die damalige Mehrheit aus SPD und Grünen, gegen den ausdrücklichen Widerspruch und Widerstand von CDU/CSU und FDP, indem ohnehin erst 2002 zwei Gruppen von Unrechts-Urteilen „nachgeholt“ wurden, die in den Neunzigern ausdrücklich ausgespart worden waren, nämlich die gegen Homosexuelle und gegen Deserteure.
Die Frage, warum Öttinger nicht zurücktritt, ist viel weniger spannend als die, wieso er, Entschuldigung hin, Entschuldigung her, nicht zurückgetreten wird. Dafür gibt es nur eine plausible Erklärung: Er wird gestützt von bedeutenden und einflussreichen rechten Kreisen in der CDU/CSU, für die er einen Versuchsballon gestartet hat und die unverdrossen der Auffassung sind, dass Deserteure feige Vaterlandsverräter und Schwule widernatürliche Dreckskerle sind.
Korrektur:
Da habe ich mir ja wohl kürzlich selber eingehandelt, dass ich mich nun selber zu korrigieren gehalten bin (Yeti möge es mir bitte verbieten!):
„… und d a s s dazu Stellungnahmen zu Politiker-Äußerungen gehören…“
Heinrich, ich pflichte dir uneingeschränkt bei. Oettingers Tabubruch war keine Panne, sondern geplant. Dass er nicht gehen musste, ist ein Skandal, aber normal. Siehe FAZ.
Schön, dass Du wieder zurück bist, Heinrich, und gleich richtig loslegst. Wir anderen haben tapfer versucht, die Stellung zu halten.
Weil Du bekanntlich der Sprachschluderei absolut unverdächtig bist und jeder um die Widerborstigkeit von Keyboardtasten weiß, ist es auch für Dich völlig unnötig, einen Tippfehler im Nachhinein zu verbessern. Ein neuer Beitrag nur wegen einer Korrektur macht den gesamten Thread unübersichtlich.
Einen schönen Wochenbeginn wünsche ich Dir.
@ Heinrich
sei herzlich begrüßt und ich hoffe Du hast Dich gut erholt, sowie tolle Eindrücke in Bild und Ton aus dem Süden vor unserer Haustür mitgebracht. Hast auch hoffentlich in meinem Namen „David mit der Steinschleuder“ um Verzeihung gebeten, dass ich ihn zuerst -vermutlich wegen seiner makelosen Marmorhaut, zu Apoll gemacht hatte. Also, gehen wir es weiter an, hast ja auch schon hellwach schon gezeigt, dass Du gut erholt bist. Deiner Stellungnahme zu „Oettinger“ ist nichts hinzuzufügen. mfg,hjs
@ Nachruf und Trauerrede
Heute habe ich einen Nachruf gelesen, mit dem der ach so gescholtene MP Oettinger sicher nicht angeeckt wäre; aber vermutlich hätte er damit „seine“ Anhänger oder die des verstorbenen Hans Filbinger dann aber auch nicht zufrieden gestellt.
Ich betone aber ausdrücklich, dass ich die Personen von denen ich hier schreibe, auf keinen Fall vergleichen will, es geht mir ganz wertfrei nur um die Textpassage.
Ich zitiere:
„Nach dem Studium der (…..) wurde der am 13. Oktober 1906 in Frankfurt geborene (…) 1946 von der Mainzer Universität zum Professor berufen, wo er ab 1952 als …“
Ja, das ist eine Biografie; die sich sicher auch so mancher der nicht – wie H. Kohl schon mal sagte – zu der „Generation der Spätgeborenen“ gehörte, gewünscht hätte; zumindest als Nachruf.
Das Leben fängt im oben Zitierten quasi erst 1946 an!
@ heinrich
Nur ganz kurz. Offensichtlich haben sie über die Äußerung des Arno Lustiger nur oberflächlich nachgedacht, wenn überhaupt, und kommen aus diesem Grunde zu einem sehr merkwürdigen Ergebnis.
Nein, nein, niemand will irgend jemandem hier das Wort, das Reden, das „Pawlowsche“ verbieten. Ganz im Gegenteil, ganz im Gegenteil.
Nicht die Worthülsen, die Plattitüden, Rituale, aber auch das Richtige sind das Problem, nein, es ist viel schlimmer.
Die Gefahr, dass niemand mehr zuhört, hinhört, die Äußerungen, die Warnungen wahrnimmt, hören will, die eintretende Ermüdung ist viel gefährlicher, abträglicher als das, was sie mir unterstellen wollen.
Vielleicht denken sie darüber einmal nach, bevor sie wieder in ihren Werkzeugkasten greifen!