Gerechtigkeitsgefühl und andere Emotionen

Dieser Magnus Gäfgen ist schon ein toller Typ. Selbst Jura-Student, wenn auch einsässig, nutzte er zusammen mit seinem Advokaten Michael Heuchemer alle Möglichkeiten des deutschen Rechtssystems, um zu etwas zu kommen. Er hatte auf Schmerzensgeld geklagt, weil er während seiner Vernehmung – es ging um den Bankierssohn von Metzler, den Gäfgen entführt und zum Zeitpunkt der Vernehmung bereits ermordet hatte – mit Folter bedroht wurde. Das ist rechtswidrig, es gibt in Deutschland keine Folter. Also klagte er. Er bekam – kein Schmerzensgeld, sondern nur eine Entschädigung. Das ist juristisch ein Unterschied.

Der arme Kerl! Was er alles auf sich genommen hat! Nur mit einem Plastiküberzug an den Füßen habe er die Ermittler an den Tatort geführt, klagte er vor dem Frankfurter Landgericht. Dabei habe er sich die Füße an dem frisch gemähten Gras aufgeraut und sich Verfärbungen an den Fersen zugezogen, der Ärmste. Die Verfärbungen werden längst Geschichte sein. Der Fall Gäfgen mit den Folter-Androhungen dagegen hat die Republik aufgewühlt: Was kann, was darf in solchen Fällen unternommen werden, um dem Opfer zu helfen? Denn als die Folter-Drohung erfolgte, hatten die Ermittler noch keine Kenntnis davon, dass das Opfer, das sie retten wollten, bereits tot war. Sie unternahmen aus ihrer Sicht alles, um es zu retten. Und überschritten dabei die Grenzen unseres Rechts. Dagegen hat Magnus Gäfgen erfolgreich geklagt. Ein sinnloses Unterfangen, denn von diesem Geld wird er keinen Cent sehen. Es ging ihm nur darum, Recht zu bekommen.

Recht hat er bekommen, denn auch für Täter gilt in Deutschland, gilt in Europa die Menschenrechtskonvention, und die schließt Folter aus. Das ist eigentlich selbstverständlich, und deswegen ist das Urteil des Landgerichts Frankfurt korrekt, wenn auch schwer auszuhalten. Richter Hefter hat es sich nicht leicht gemacht. Stephan Hebel in seinem FR-Kommentar nach Meinung mehrerer FR-Leserinnen und -Leser dagegen schon, wenn er sagt, dass rechtsstaatliche Prinzipien auch für Mörder gelten.

Walter Toller aus Frankfurt meint:

„Es ist nicht zu verstehen was in unserem Rechtssystem möglich ist. Es bekommt ein verurteilter Kindermörder ein Schmerzensgeld wegen Folterandrohung. In mir stellen sich alle Haare und mir wird schlecht wenn ich daran denke wie viel leid und gewalt dieser mensch der Familie und dem getöteten Kind angetan hat. Dieser Gerr Gäfken hat weiß Gott was anderes verdient als schmerzensgeld oder humanität, dieser Mensch dürfte wie aich andere überführte Mörder keinerlei Menschenrechte besitzen. Schon die möglichkeit mit Steuermitteln diesem Mörder eine Klage wegen Schmerzensgeld zu ermöglichen gilt bei den meisten Bürgern als unrecht. Welche möglichket hatte denn das Opfer, die Eltern? Erschwerend kommt noch hinzu dass der Täter Gäfgen zun keinem Zeitpunkt Reuhe gezeig noch die Tat bedauert hat. Hier stellt sich die Frage wer ist das Opfer? Ganz bestimmt nicht Herr Gäfgen. Unsere Rechtsprechung soll rechtstaatlich sein und bleiben, jedoch in so einem Fall kann es nach meiner Meinung nicht sein daß der Täter eine Entschädigung gezahlt bekommt.“

Ingrid Brehl aus Bad Vilbel:

Wann werden endlich solche Richter abberufen. Wäre es nicht möglich gewesen, in Zweifel zu ziehen, dass der „psychische Schaden“ (den Gäffgen von Haus aus hat!) von der Androhung der Folter stammt !?! Solche Urteile verhöhnen nicht nur die Angehörigen des toten Jungen, sondern das Rechtsempfinden des gesamten Volkes. Wenn man solche Täter schon nicht dem Volk zum Fraße vorwerfen darf, dann sollte man wenigstens überlegen, was man mit einem solchen Urteil anrichtet. Müssen wir uns im Ausland noch lächerlicher machen als wir es eh schon sind?

Peter Bölker aus Neu-Anspach:

„Lieber Herr Hebel, so einfach ist das also – schwarz und weiß – gut und böse – richtig und falsch. Im Fall Gäfgen vergessen Sie doch, dass er als Entführer durch sein naives Vorgehen bei der Lösegeldübergabe bereits überführt war. Und bei einem solchen Täter löst die Folterandrohung ein Trauma aus, die kaltblütige Tötung eines unschuldigen Elfjährigen lässt ihn aber unberührt? Hat er seine Tat eigentlich bis heute glaubhaft bereut?
Mal angenommen, Gäfgen hätte das Kind noch nicht getötet und den Verbleib nicht verraten. Hätten Sie dann allen Ernstes argumentiert, dass Sie den Jungen ja sehr gern gerettet hätten – aber die Menschenwürde des Täters wäre wichtiger gewesen? Sie sollten einsehen, dass sich dieser Fall nicht für Extrempositionen eignet! In der Realität wird dies im Übrigen nur dazu führen, dass Strafverfolgungsorgane in solchen Fällen wieder subtiler vorgehen werden – ohne Absprachen und vor allen ohne Aktenvermerke. Sie in Ihrer heilen Welt können dann ja wenigstens glauben, dass Sie mit Ihren Artikeln die Folter in Deutschland verhindert haben.
Übrigens: In Guantanamo wird wirklich brutal gefoltert – nicht nur angedroht. Und wo bleibt da eigentlich der laute Protest der Rundschau? Diesen Kommentar hätten Sie besser nicht geschrieben.“

Hermann Schulz aus Oberursel:

„Nein – eine Nachricht, die für menschliches Empfinden kaum zu ertragen ist, kann keine gute Nachricht sein! Ich widerspreche vehement der Meinung Ihres Kommentators. Es geht doch hier garnicht mehr um die beschädigte „Menschenwürde“ eines Kindermörders – die hat er sich selbst schon genug „beschädigt“. Die betroffenen Beamten sind für ihre Vergehen gegen die rechtsstaatliche Ordnung doch längst verurteilt gewesen. Hier geht es darum, dass ein skrupelloser und selbstverliebter Krimineller sich als Opfer stilisieren darf. Die eigentlichen Opfer bleiben wie meist im Schatten – der Täter steht im Mittelpunkt. Von der Folterandrohung traumatisiert zu sein ist alleine seine Behauptung. Hat ihm das Töten eines hilflosen Kindes keine Probleme bereitet? Welcher Gutachter kann sich den anmaßen, das beurteilen zu wollen. Das Verhalten des Kriminellen hier ist doch eindeutig und entlarvend – er will weiterhin nur seine eigenen Vorteile – auf Teufel komm raus. Nein , das ist keine gute Nachricht, das „Recht“ so gesprochen wird. Die Rechtstaatlichkeit wurde mit der Verurteilung der beteiligten Polizisten gewahrt – hier wird ein Krimineller, ein im wirklichen Sinne asozialer Mensch in seinem krankhaften und geselschaftsfeindlichen Verhalten unterstützt. Die Aussage des Verteidigers entlarvt ihn ja schon fast als Komplizen – „das Urteil sei schon gestorben“ – wie das Opfer seines Mandanten? Heute ist ein Tag an dem man nicht genug essen kann, um manchen Kommentar zu kommentieren.“

Diethard Wypych aus Dietzhölztal:

„In diesem Fall wird die zivilrechtliche Seite meiner Meinung nach nicht ausreichend berücksichtigt. Schadenersatzfordrungen an einen verurteilten Mörder ist das Gebot der Stunde. Alle Möglichkeiten ausschöpfen, durch alle Instanzen. Von jedem Geschädigten in dieser Sache. Man muß ihn ( den Mörder) mit seinen eigenen Waffen schlagen. Nur so kriegt man ihn am Arsch. Man darf ihm keine Ruhe gönnen. Jeder kleine Mann wird so runiert, wenn bei ihm etwas zu holen ist. Und scheinbar ist bei ihm etwas zu holen!“

Dietrich Puchstein aus Kronberg

„Richter Hefter hat nur getan, was er nach der bestehenden Rechtslage tun musste, um dem Rechtsanwalt des Klägers keinen Einspruchsgrund zu liefern. Jetzt stellt sich doch die viel spannendere Frage, welchen Entschädigungsanspruch die Eltern des ermordeten Kindes für dessen Entwürdigung und ihre lebenslange Traumatisierung haben? Oder versagt hier unser viel gepriesener Rechtsstaat?“

Manfred Kirsch aus Neuwied:

„Angesichts des von Magnus Gäfgen begangenen schweren Verbrechens mag das Urteil, das eine Entschädigung für ihn vorsieht, sicherlich Emotionen wecken. Doch wer den Rechtsstaat ernst nimmt, muss dies voll und ganz und ohne jede Einschränkung tun. Die Menschenrechte sind unteilbar. Ansonsten wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet. Die Menschenrechte und die in Artikel 1 des Grundgesetzes verbriefte Menschenwürde gelten für alle, und ein bisschen Folter gibt es nicht.
Es ist daher in diesem Zusammenhang vor rechtspopulistischen Parolen zu warnen. Das, was „Bild“ und rechtskonservative Politiker von sich geben, entlarvt jene nur, die mit ihrem gestörten Verhältnis zum Rechtsstaat bereit sind, diese Demokratie auf dem Altar des sogenannten gesunden Volksempfindens zu opfern.
Folter oder ihre Androhung dürfen in einem Rechtsstaat nicht erlaubt sein, so problematisch der Einzelfall auch sein mag.“

Michael G. Hoffmann aus Flörsheim:

„Der Richterspruch im Fall Magnus Gäfgen ist kein „Schand-Urteil“, sondern eine üble, aber juristisch begründbare Notwendigkeit, die man nicht schönreden muss. Die mehrheitliche Empörung über dieses „Entschädigungsurteil“ entspringt natürlichen Gerechtigkeitsgefühlen und Ansichten, die einen juristischen Kontext aufgrund mangelhafter Kenntnisse außer Acht lassen und daher den Richtern nicht gerecht werden. Die meisten Menschen halten Folterandrohungen – in speziellen Fällen, wie bei dem Kindsmörder Gäfgen – für angemessen, wenn nicht sogar geboten.
In der guten Absicht, möglicherweise ein Menschenleben zu retten, hat der Polizist mit seiner Folterandrohung nicht nur ein Gesetz übertreten, sondern auch seine berufliche Existenz geopfert. Schon allein aus diesem Grunde sieht die Mehrheit der Menschen in dieser speziellen Folterandrohung zu Recht einen Akt der Zivilcourage.
Aber die meisten Menschen wollen den vermeintlichen Widerspruch nicht akzeptieren, dass Richter in einem Rechtsstaat aufgrund ihres juristischen Korsetts denjenigen nicht freisprechen können, der ein gesetzeswidriges Mittel, welches durch einen höheren und guten Zweck in den Augen der Mehrheit geheiligt ist, eingesetzt hat.“

Horst Trieflinger aus Frankfurt:

„Selbst wenn man zugesteht, dass das Landgericht Frankfurt verpflichtet war, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, Straßburg, zu berücksichtigen, hätte es zu einer anderen Entscheidung kommen können. Möglich wäre dies gewesen, wenn das Landgericht Frankfurt die Radbruchsche Formel angewendet hätte, die Gustav Radbruch unter dem Eindruck der NS-Verbrechen 1946 formuliert hat. Danach ist das positive Recht (das Gesetz) dann als Unrecht anzusehen, wenn der Widerspruch des Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht hat, dass das Gesetz als „unrichtiges Recht“ der Gerechtigkeit zu weichen hat. Man fragt sich, warum das Landgericht Frankfurt diese Möglichkeit nicht genutzt hat.“

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90 Kommentare zu “Gerechtigkeitsgefühl und andere Emotionen

  1. Einem verurteilten Kindermörder ist doch tatsächlich eine Entschädigung zugesprochen worden. Da kocht die Volksseele, oder wird zum Kochen gebracht. Gelegenheit für das versammelte so genannte Expertentum, oder was sich dafür hält, mal wieder die Bevölkerung aufzuklären. Vielleicht aber auch aufzuhetzen? Die „Aufklärung“ nahm schon bizarre Züge an, und die so genannte bekannteste Gerichtsreporterin, Gisela Friedrichsen, vom so genannten Nachrichtenmagazin, Der Spiegel, tat sich mal wieder besonders „expertisch“ hervor. Die Dame kennt natürlich ganz genau die Psyche und Beweggründe von Gäfgen für seine Klage auf Entschädigung. Gäfgen, so Frau Friedrichsen vor den Mikrofonen und Kameras der Republik, hat nur deshalb geklagt, um sich nicht bzw. immer noch nicht mit seiner grausamen Tat auseinandersetzen zu müssen. Ich bin nur froh, dass Frau Emma Schwarzer nicht auch wieder die Gerichtsreporterin macht(e).

    Diesen Fall einzuordnen, dazu braucht es, richtig hingeschaut, weder GerichtsreporterInnen noch sonstige Experten, zumal er, der Fall, grundsätzlich, oder besser ausgedrückt, grundgesetzlich keinerlei Fragen aufwirft. Fakt ist, dass es das absolute Folterverbot gibt, auch bereits die Androhung von Folter verboten ist, und dass der Artikel 1 Grundgesetz existiert. Nun haben, im Fall Gäfgen, Polizisten dieses Verbot missachtet und sind deshalb folgerichtig, gem. unserer Rechtsordnung, bestraft worden. Damit wäre der Fall ausreichend behandelt, eigentlich. Ob Gäfgen nun eine Entschädigung zusteht oder nicht, musste ein Gericht entscheiden, und das ist nunmehr geschehen. Natürlich gehen die Meinungen, ob eine Entschädigung überhaupt angemessen ist oder nicht, weit auseinander, was auch hinsichtlich der grausamen Tat verständlich ist. Aber die Rechtsordnung sieht nun mal eine Entschädigung vor, und ein Gericht hat entsprechend entschieden. Punkt.

    Was mich viel mehr beschäftigt und woran ich erinnert wurde, und davon habe ich weder in den Zeitungen gelesen, noch von den „Experten“ gehört, was vor einigen Jahren, im Rahmen des so genannten Kampfes gegen den Terrorismus, der damalige Innenminister, Wolfgang Schäuble (CDU), von sich gegeben hatte. Schäuble plädierte dafür, er tut es wohl immer noch, auch Informationen „nutzen“ zu wollen, die unter Folter erpresst wurden. Gott sei Dank stieß diese für mich immer noch unglaubliche Äußerung auf große Empörung und scharfen Protest, u.a. vom deutschen Richterbund. Eine solche fatale, rechtsstaatsfeindliche Äußerung, durch einen Bundesinnenminister, wirkt natürlich nach, u.U. mit verheerenden Folgen auf Dauer. Deshalb verwundert es mich auch nicht besonders, wie schräg, ja, teilweise bizarr und grotesk, Diskussionen, insbesondere zu ähnlichen Themen, in diesem Lande geführt werden. So auch im aktuellen Fall. Und das zu einer Zeit, in einem Land, wo die unantasbare Würde, in vielen Lebensbereichen, ohnehin immer mehr zur Disposition gestellt wird. Nun erlebt die Folter-Diskussion sozusagen eine Wiederauferstehung. Und genau hier sehe ich die große Gefahr, dass der Fall Gäfgen, durch die Politik initiiert und von den Medien transportiert, bewusst oder auch unbewusst, zu einer Aufweichung des Folterverbots instrumentalisiert werden könnte. Die Auswirkungen für einen derartigen gewaltigen Dammbruch wären verheerend, und könnten letztlich den demokratischen Rechtsstaat ins Wanken bringen.

    Zur Erinnerung: Das Folterverbot gilt uneingeschränkt und ist absolut elementar. Punkt. Schäubles Äußerung 2005, unter Folter erlangte Aussagen nutzen zu wollen (er hat das bis heute nicht zurückgenommen), richten sich eindeutig gegen das Grundgesetz und den Rechtsstaat. Damit redet er auch einem Feindstrafrecht das Wort, wonach so genannten Staatsfeinden schlicht das Menschsein abgesprochen wird. Als nächstes könnte dann die Unschuldvermutung, das rechtliche Gehör und ähnliche Dinge, die erst den Rechtsstaat ausmachen, als überflüssiger Luxus in die Tonne gehauen werden. Das ist alles ungeheuerlich. Dieser Mann dürfte deshalb schon lange kein politisches Amt mehr ausüben. Da deutsche Behörden, einschließlich der so genannten „Dienste“, natürlich auch auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen und zu agieren haben, dürften sie mit Staaten, deren Geheimdienste foltern, ich denke dabei in erster Linie an die USA, überhaupt nicht zusammenarbeiten. Das wird natürlich nicht geschehen, zumal so genannte Bündnistreue im Zweifel wohl auch über dem Grundgesetz steht. Zumindest ist es jedoch allerallerhöchste Zeit, dass sich die Bundesregierung unverzüglich, ohne wenn und aber, zum absoluten Folterverbot, einschließlich dem Verbot der Androhung von Folter, national und international, klar, deutlich und unmissverständlich bekennt. So verlangt es die Bibel der Nation, das Grundgesetz, an der Spitze mit dem Flaggschiff Artikel 1. Nota bene: Über Antastbarkeit (der Würde) auch nur nachzudenken, hat bereits angetastet.

    mfg
    Jutta Rydzewski

    PS: Übrigens, ein Kind zu entführen und zu ermorden, ist eines der schrecklichsten Verbrechen die es gibt. Dieser Hinweis erfolgt nur deshalb, um entsprechende, natürlich „gut gemeinte“ Hinweise, schlicht überflüssig zu machen.

  2. Ich plädiere in keinester Weise für eine Aufhebung des Folterverbotes und den Fall Gaefgen in einen Zusammenhang mit den Forderungen des Innenministers Schäuble zu bringen, halte ich für mehr als abenteuerlich. Schäuble wollte unter Folter gewonnene Aussagen für die Strafverfolgung nutzen, Daschner wollte mit Androhung von Folter ein Kind retten. Der Täter stand zu diesem Zeitpunkt fest und es war nicht auszuschließen, dass das Kind noch lebte. Für mich steht ein Menschenleben über dem Folterverbot und über jedem möglichen Paragrahen, ein Menschenleben hat in meinem Rechtsverständnis den allerhöchsten Stellenwert und alleroberste Priorität.
    Gaefgen wurde auch nicht gefoltert, er wurde mit der Ankündigung dazu bewegt, den Aufenthaltsort des Kindes preiszugeben und das hätte er ja ohne Weiteres auch freiwillig tun können. Formaljuristisch mag zwischen Androhung von Folter und ausgeführter Folter kein Unterschied sein, ich aber sehe einen, und es ging um die mögliche Rettung eines Kindes. Paragraphen und Verbote über die mögliche Rettung eines Menschenlebens zu stellen, halte ich für grausam. So, wie mir generell formaljuristische Paragraphenreiter suspekt sind. Ich fand das Verhalten der zuständigen Polizisten vorbildlich und im Rahmen der Abwägung von Rechtsgütern (Folterverbot oder eventuelle Rettung eines Menschenlebens)auch korrekt.

    Dass der Herr Gaefgen, dessen aus niedersten Beweggründen begangene Tat an Grausamkeit nicht zu überbieten war, sich nun unter tatkräftiger Mithilfe seines schröcklichen Anwaltes wehleidig als das eigentliche, bedauernswerte Opfer hochstilisiert, und ohne Unterlass wehleidig herum jammert,ist unglaublich und dass das Recht diese Möglichkeit bietet, ist auch schwer auszuhalten. Meine Seele kocht nicht, aber ich seh das so, dass Gisela Friedrichsen in diesem Falle absolut recht hat. Wenn dieser wehleidige Jammerlappen sich auch nur im Mindesten mit seiner entsetzlichen Tat auseinandergesetzt hätte, würde er nicht eine Klage nach der anderen starten und Heerscharen von Richtern mit seiner wehleidigen Jammerstory und Opferstory in Atem halten.

    Dass das Urteil des LG dem Herrn Gaefgen gar nichts bringt, weil u.a. die Kosten seiner Klagen höher liegen, als das Schmerzensgeld, ist eine gute Nachricht. Die Opfer des Herrn Gaefgen, nämlich das Kind, die Eltern und Geschwister etc. werden durch die Jammertiraden des Kindermörders Gaefgen und seines Anwaltes bis heute in unerträglicher Weise verhöhnt, aber es ist ja nichts Neues, dass dieser Staat ein reiner Täterstaat ist, wo die Rechte der Täter alles und die Rechte und die Qualen der Opfer nichts gelten.

    Das Urteil des Richters am LG finde ich klug, hätte er die Klage abgewiesen, wäre das Urteil vom Eoropäischen Gerichtshof bestimmt gekippt worden, so besteht die Hoffnung, dass es Bestand hat und eine leise Hoffnung, dass die gequälten Opfer und die Öffentlichkeit endlich von weiteren mitleidheischenden Selbstinszenierungen des grausamen Kindermörders Gaefgen und seines Anwaltes verschont bleiben.

    Frau Rydzewski, das mit dem Aufhetzen ist schon starker Tobak. Und um zu beurteilen, dass die Wertmassstäbe eines Gaefgen, der wegen weher Füsschen klagt, völlig durch einander geraten sind, muss man kein Experte sein. Wenn Herr Gaefgen sich auch nur im Mindesten mit seiner schrecklichen Tat und seiner Schuld auseinandergesetzt hätte, hätte er seine wehleidige Jammertour erst gar nicht begonnen, geschweige würde er sie über Jahre unbeirrt fortsetzen.

  3. @2 marie

    Ein Menschenleben ist in der Tat das höchste Rechtsgut, gar keine Frage. Das absolute Folterverbot, als auch das Verbot der Androhung von Folter, stehen dazu aber nicht im Gegensatz, sondern ganz im Gegenteil. Mal hypothetisch angenommen, die Androhung von Folter wäre erlaubt. Was glauben Sie, was dann schon los wäre. In dem einem Fall hieße es, nein, das war noch keine Androhung, sondern lediglich ein netter Vorschlag, im anderen Fall, je nach Situation und beteiligter Personen, würde genau gegenteilig argumentiert. Der Interpretation wäre Tür und Tor geöffent. Kurzum, es gibt sehr gute Gründe, warum auch die Androhung von Folter kategorisch verboten ist.

    Wenn ich an die Aussage von Schäuble im Jahre 2005 erinnert habe, so ist das sicherlich nicht abenteuerlich. Es sei denn, Sie sind der Auffassung, dass z.B. so genannte Terroristen bzw. die dafür gehalten werden, gefoltert werden dürfen? Damit wäre allerdings der Rechtsstaat abgeschafft, und ein spezielles Feindstrafrecht geschaffen. Näheres habe ich dazu in meinem ersten Posting ausgeführt. Wieder mal unterstellt, dass es tatsächlich so etwas wie eine teilweise Freigabe der Folter geben würde, sozusagen je nach Fall und Beteiligte, was glauben Sie was dann erst los wäre. Für Kindsentführer gilt die Folter ohne Einschränkung, für Terroristen ebenfalls, für Vergewaltiger ein bisschen, für Pädophile ein bisschen mehr, für Mörder noch mehr usw. usw.. Die Folge wäre eine komplette Abkehr von unserer Rechtskultur. Ich habe jedes Verständnis für Eltern, die alles, wirklich alles tun würden, um z.B. ihr entführte Kind zu befreien, oder für den Mörder ihres Kinder den Tod fordern, aber ein Rechtsstaat, wenn er ein Rechtsstaat bleiben will, kann und darf dem nicht folgen. Im Übrigen ist die „Qualität“ von Aussagen, die unter Folter erpresst wurden, mehr als nur fragwürdig. Die meisten Menschen würden wohl unter Folter alles gestehen, was von ihnen verlangt wird. Ein Gefolterter könnte z.B. auch Menschen beschuldigen, die absolut unschuldig sind, nur um die eigene Haut zu retten, oder weiterer Folter zu entgehen. Hier sind Szenarien vorstellbar, an die ich gar nicht näher denken möchte.

    Als Letztes möchte ich in diesem Zusammenhang an das vom Bundesverfassungsgericht 2006 für verfassungswidrig erklärte so genannte Luftsicherheitsgesetz erinnern, weil es gegen den Artikel 2 Abs.2 (Grundrecht auf Leben), und gegen die Menschenwürde in Artikel 1 Grundgesetz verstößt. Auch das Luftsicherungsgesetz war bereits als Gesetz installiert, und vom Bundespräsidenten unterschrieben. Daran und an anderen Beispielen ist deutlich ablesbar, der Politik ist nicht über den Weg zu trauen, auch wenn es um das Grundgesetz geht. Zusammengefasst: Die Tür, die Folter und die Androhung von Folter erlaubt oder das Verbot auch nur aufweichen würde, muss fest verschlossen bleiben, darf sich keinen Spalt öffnen, denn sonst ist es nur eine Frage der Zeit, wann ein Menschenleben eben nicht mehr das höchste Rechtsgut ist. Und das wollen Sie doch auch nicht.

    Wenn Sie der Auffassung sind, dass „Frau Gisela Friedrichsen in diesem Falle absolut recht hat“, so ist es Ihr gutes Recht das so zu sehen. Ich sehe das nun mal anders. Frau Friedrichsen weiß im Hinblick auf die Psyche und Motive Gäfgens so viel bzw. so wenig wie Sie oder ich. JournalistenInnen sollen nicht psychologisieren, davon haben sie keine Ahnung, sie sollen berichten, das ist ihr Job. Und wenn ich in Frageform die Möglichkeit des Aufhetzens durch Berichterstattung angedeutet habe, so ist das kein „starker Tobak“, sondern immer häufiger die Realität (leider).

    mfg
    Jutta Rydzewski

    PS: Zu Herrn Geißler in dem anderen Thread, werde ich etwas später auf Ihr Posting antworten.

  4. In diesem Falle, Frau Rydzewski, standen sie sehr wohl im Gegensatz. Ich bin weder der Auffassung, dass Terroristen gefoltert werden dürfen, noch dass das Folterverbot teilweise aufgehoben werden sollte, wie sie es in Ihrem Beitrag andeutungsweise unterstellen. Was Sie an Argumenten bringen, habe ich schon hundertfach gehört, es hat aber nicht das Mindeste mit diesem Fall zu tun und ich nenne es Prinzipienreiterei.Es ging weder um die Qualität einer unter Folter erpressten Aussage und deren Verwertung vor Gericht, es ging auch nicht darum, für spezielle Klientel, z.B. Kindermörder oder Terroristen oder was auch immer die Folter (teilweise) frei zu geben. Es ging um die mögliche Rettung eines Menschenlebens und um die Abwägung der handelnden Polizisten, ob sie dem Verbot der Androhung von Folter oder der Rettung eines Menschenlebens einen höheren Stellenwert einräumen. Sie haben so gehandelt, wie ich in diesem Falle auch gehandelt hätte und ich finde sie haben Zivilcourage und Menschlichkeit bewiesen.

    In einem Rechtsstaat muss immer wieder zwischen dem Rang der Rechtsgüter abgewogen werden und es gibt unzählige Beispiele, bei denen ein Verbot übertreten werden muss, um ein höherrangiges Rechtsgut nicht zu verletzen.

    Das Gebot der Rettung von Menschenleben steht für mich über allen Gesetzen, Geboten und Verboten, da gibt es nichts was drüber steht, auch nicht das Folterverbot und ich gehe sogar so weit, dass diejenigen, die hier ständig mit angeblicher Aufweichung des Folterverbotes und theoretischen Vergleichen und Erwägungen daher kommen, die mit diesem Fall nichts zu tun haben,den Aspekt der Menschlichkeit anscheinend aus dem Auge verloren haben. Die Menschlichkeit gebietet, alles zu tun um ein Kind zu retten, dazu gehört für mich ausdrücklich auch das Übertreten eines „absoluten Verbotes“. Das Einzige, was in jedem Falle Absolutheitsrang hat, ist die Rettung von Leben und da gibt es für mich auch keinerlei Abwägung, das ist für mich absolut.

    Hier ging es auch nicht um ein Gesetz, mit dem in bestimmten Fällen Rechtsverstöße legitimisiert werden sollten, es ging nicht um Politik und Gesetze, es ging um einen Einzelfall und um die Rettung eines Menschenlebens und die Übertretung eines Verbotes in einem Einzelfall, in dem beides im Gegensatz stand. Ich sehe auch in dem Abschuss von Flugzeugen einen erheblich schlimmeren Rechtsverstoß, als der, der im vorliegenden Fall vorliegt. Hier ist ausdrücklich kein Unschuldiger zu Tode gekommen, nicht einmal dem Schuldigen wurde ein Häärchen gekrümmt und man kann es mit der Prinzipienreiterei auch übertreiben, finde ich. Ich bleibe dabei, die Rettung eines Menschenlebens hat alleroberste Priorität und steht über allen Geboten und Verboten. Das nennt man Abwägung und sie ist das Gegenteil von Prinzipienreiterei.

    Um die Psyche und die Motive Gäfgens zu beurteilen, muss man kein Experte sein, er hat das Kind aus Habgier getötet, wie der Prozess ergab, er spielt seit Jahren den wehleisdigen Jammerlappen und klagt über wehe Füsschen, er hält Heerscharen von Richtern mit seinen Jammertiraden in Atem, er ist ein Narziss der übelsten Sorte, der bis heute anscheinend keinen Gedanken daran verschwendet hat, was er seinen Opfern angetan hat. Wenn er das getan hätte, würde er sich nicht so aufführen, Reue hat er nicht gezeigt, und das wird Ihnen jeder Experte betsätigen.

  5. Vielleicht hilft es bei der Diskussion, wenn man an einige Tatsachen erinnert.

    1. Dass bereits die Androhung von Folter strafbar ist, war auch den verhörenden Polizisten klar, weshalb sie sich auch selbst angezeigt haben.

    2. Die Notsituation, in der sich die um die Rettung des Kindes bemühten Polizisten bemüht haben, hebt die Starfbarkeit nicht auf, ist aber bei der Beurteilung des Schuldumfangs und bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Dies hat auch das Gericht getan, das die Polizisten verurteilt hat.

    3. Auch ein uneinsichtiger Mörder hat Rechtsansprüche, über die Gerichte zu befinden haben. Ob Gäfgen für das erlittene Unrecht eine Entschädigung zusteht, ist keine moralische, sondern eine rechtliche Frage.

    4. Auch Journalisten steht das Recht auf freie Meinungsäußerung zu, wenn sie Faktenberichterstauttung und Kommentierung für den Leser erkennbar trennen.

    Im Übrigen hat Schäuble meiner Erinnerung nach nicht die Verwertung von Foltergeständnissen in Strafprozessen gefordert (die nach unserer Rechtsordnung ohnehin unzulässig wäre), sondern es ging um die Verwendung von Informationen über geplante schwere Straftaaten durch die Sicherheitsbehörden, obwohl diese Informationen von ausländischen Geheimdiensten möglicherweise durch Anwendung der Folter gewonnen wurden.

  6. @ marie

    Welche sonstigen Ausserkraftsetzungen von Grund- und Menschenrechten aufgrund Ihres postulierten Absolutheitsanspruchs „zur Rettung von Leben“ (tatsächlicher, vermeintlicher oder vermuteter) befürworten Sie?

    Sie würden also z.B. auch, um mögliche Gefahren für Leib und Leben von Kindern abzuwehren, für die Zwangskastrastion von Pädophilen eintreten? (Unter der Voraussetzung, dass diese Methode wirksam wäre).

    Vielleicht lesen Sie noch einmal, unter dem Aspekt Ihres Absolutheitanspruchs, kurz den Spiegel-Artikel, der gerade mal zwei Jahre zurückliegt. [1]

    „CIA folterte Top-Terrorist Scheich Mohammed fast 200-mal

    Die CIA hat viel häufiger die Foltermethode Waterboarding angewendet als bislang bekannt: 183-mal wurde Guantanamo-Häftling Scheich Mohammed dem simulierten Ertränken ausgesetzt. Qaida-Mitglied Subeida soll selbst nach seinem Geständnis misshandelt worden sein.“

    [1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,619868,00.html

  7. Hallo, Abraham,

    ich stimme Ihnen in allen Punkten grundsätzlich zu.

    Zu Punkt 2 ware aus meinesr Sicht noch zu sagen, dass beie der Beurteilung des Schuldumfanges und der Strafzumessung die Umstände der Notsituation auch soweit ins Gewicht fallen können, dass auf eine Strafe verzichtet wird. In diesem Falle fiel die Strafe ziemlich gering aus.

    Zu Punkt 3: Es ist meiner Ansicht nach eine moralische Frage, ob ein Täter die Entschädigung für „Unrecht“ in zahllosen Prozessen einfordert und sich selbst wehleidig zum Opfer stilisiert, oder ob er eine Einsicht in die Schwere seiner Tat erlangt und sich Gedanken darüber macht, wer die eigentlichen Opfer sind,was er ihnen angetan hat und Reue zeigt. Nicht alles, was rechtlich durchsetzbar ist, ist auch moralisch vertretbar und das Gerechtigkeitsempfinden wird in diesem Fall erheblich verletzt. Das deutsche Recht ist ein ausschließlich auf die Täter zentriertes Recht, die Opfer bleiben außen vor, da gibt es in den seltensten Fällen eine Entschädigung, da kümmern sich nicht Heerscharen von Psychologen und sonstigen Helfern. Das ist aus Gerechtigkeitsgründen nur schwer zu ertragen und an dem rein täterzentrierten deutschen Recht wären m.E. dringend Verbesserungen notwendig. Wenn Recht sich so weit vom Gerechtigkeitsempfinden der Opfer entfernt, ist das problematisch.

    Mit Schäuble haben Sie recht, das war ein Lapsus. Aber auch die Verwendung von Informationen unter Folter zur Abwehr von Straftaten oder Terroranschlägen ist mit dem Gaefgen-Fall nicht vergleichbar.

    Dass die Polizeibeamten ein mildes Urteil erhielten, finde ich gut und ich hätte es begrüßt, wenn in diesem besonderen Fall eine Strafe sogar ausgeblieben wäre. Das hat nichts damit zu tun, Folter teilweise zu legitimieren.

  8. Hallo, Schnippsel,
    ich empfinde Ihren Beitrag als extrem polemisch und provozierend und die von Ihnen eingestellten Vermutungen/Unterstellungen und der Link zu Waterboarding haben mit meinen Aussagen auch nicht das Geringste zu tun. Sie entschuldigen bitte, wenn ich auf solche Polemiken die Antwort leider schuldig bleiben muss. Ich würde lieber über das Thema diskuttieren und das Thema sind weder Pädophile noch Foltermethoden der CIA, auch wenn Sie meinen, hier einen polemischen Zusammenhang herstellen zu müssen/zu sollen.
    MfG

  9. @ marie #8

    Es bleibt Ihnen natürlich unbenommen, vor den möglichen Auswirkungen Ihres Denkansatzes die Augen zu schließen und mein Nachhaken als „extrem polemisch und provozierend“ abzutun. Allein: deswegen verschwinden sie ja nicht.

    Mit dem Konzept des sog. „Finalen Rettungsschusses“, das in die Polizeigesetze von 13 Bundesländern Eingang gefunden hat, wurde bereits vor knapp 40 Jahren das Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz) eingeschränkt. (Auch hier kann ein schneller Blick in Wikipedia nicht schaden.). Ihre Überlegungen sind also weder neu noch originell.

    Danach ist das Erschiessen eines Menschen zur Abwendung einer akuten Gefahr für Leib oder Leben Dritter zulässig. Was man so alles unter „akut“, „Gefahr für Leib“ und „Gefahr für Leben“ fassen kann, lässt ggf. einen beachtlichen Interpretationsspielraum. Wie Sie sich denken können, stehe ich diesem Konzept äusserst kritisch gegenüber.

    Und nun kommen Sie daher und meinen, man müsste also auch, „zur Rettung von Leben“, absolut und durch „keinerlei Abwägung“ gehindert, foltern dürfen. Gestatten Sie, dass ich meinerseits eine derartige Aussage für gelinde gesagt extrem polemisch und provozierend halte! Vor der Frage, ob es sich im Zweifelsfall tatsächlich um eine Rettung von Leben handelt, oder eine solche nur behauptet oder vermutet wird und wie man dies erkennen kann, drücken Sie sich ebenfalls. Eine solche Banalisierung kann dann in eine Art „prophylaktisches Foltern“ führen.

    Wenn der von Ihnen propagierte Absolutheitsanspruch, nämlich die Rettung von Leben, tatsächlich gelten soll, dann ist auch meine Frage zur Zwangskastration von Pädophilen keineswegs extrem polemisch und provozierend, sondern einfach nur folgerichtig. Um Leib und Leben eines Kindes zu schützen, müssten dann gemäß ihrer Logik neben Finalem Rettungsschuss und Folter auch Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen zulässig sein.

    Wohin ihre, mit dem „Aspekt der Menschlichkeit“ propagandistisch aufgemotze, Argumentation führt, zeigt eben das Beispiel Waterboarding in Guantanamo. Die Argumentation lautet, ganz in ihrem Sinne: Wenn wir über die Kenntnisse verfügen würden, über die der Gefangene verfügt, könnten wir Leib und Leben Dritter schützen. Da der Gefangene sie vermutlich nicht freiwillig herausrücken wird, müssen wir ihn foltern, Und zwar so oft und solange, bis wir die gewünschten Ergebnisse erhalten.

    Genau das ist das (Blog-)Thema: ob man ein „Gerechtigkeitsgefühl und andere Emotionen“ über das Recht stellen darf oder soll oder dürfen soll oder sollen darf.

    (Die besonderen Aspekte, dass sowohl Gerechtigkeitsgefühl etc. als auch das Recht historisch und kulturell bedingt sind und evtl. die Universalität der Menschenrechte gar nicht so universell ist, lasse ich gerne aussen vor).

  10. Schnippsel, Sie wissen doch sehr wohl, was Marie gemeint hat. Und Abrahem hat das Problem klar auf den Punkt gebracht. Niemand redet hier von einer rechtlichen Freigabe der Folter. Aber der Fall Gäfgen macht deutlich, in welche Notlage man kommen kann. Ich hätte mich ähnlich wie die Beamten verhalten, wenn ich keine andere Möglichkeit mehr gesehen hätte.

  11. @ I.Werner #10

    Um es Ihnen einfach zu machen und das lästige Scrollen zu vermeiden, zitiere ich einfach die Stelle aus maries längerem Beitrag:

    „Das Gebot der Rettung von Menschenleben steht für mich über allen Gesetzen, Geboten und Verboten, da gibt es nichts was drüber steht, auch nicht das Folterverbot und ich gehe sogar so weit, dass diejenigen, die hier ständig mit angeblicher Aufweichung des Folterverbotes und theoretischen Vergleichen und Erwägungen daher kommen, die mit diesem Fall nichts zu tun haben,den Aspekt der Menschlichkeit anscheinend aus dem Auge verloren haben. Die Menschlichkeit gebietet, alles zu tun um ein Kind zu retten, dazu gehört für mich ausdrücklich auch das Übertreten eines “absoluten Verbotes”. Das Einzige, was in jedem Falle Absolutheitsrang hat, ist die Rettung von Leben und da gibt es für mich auch keinerlei Abwägung, das ist für mich absolut.“

    Was ist an dieser Aussage herumzudeuteln? Ob es hier um „rechtliche Freigabe der Folter“ oder um deren tatsächliche Anwendung geht, scheint mir zweitrangig.

    Die Aussage
    „Das Gebot der Rettung von Menschenleben steht für mich über allen Gesetzen, Geboten und Verboten, da gibt es nichts was drüber steht“
    könnte übrigens auch in einer ganz anderen Form daherkommen, die an anderer Stelle dieses Blogs natürlich besser aufgehoben ist, nämlich z.B.

    „Das Gebot Gottes steht für mich über allen Gesetzen, Geboten und Verboten, da gibt es nichts was drüber steht“.

  12. @4 marie

    Wenn Sie alles das schon hundertfach gehört haben, ohne dass es Sie zu beeindrucken wusste, kann ich meine Bemühungen ja einstellen. Sie versuchen ständig den Fall Gäfgen völlig isoliert darzustellen, und wollen einfach nicht wahrhaben, dass meine Argumente sehr wohl mit dem vorliegenden Fall zu tun haben. Das LG Frankfurt hat sich mit seiner Entscheidung hinsichtlich der Entschädigung für Gäfgen auf die bestehende Rechtsordnung und das Grundgesetz bezogen, und ich tue das mit meiner Argumentation auch. Das ist weder übertriebene Prinzipienreiterei, noch ein Mangel an Menschlichkeit, sondern Rechts- und Verfassungstreue. Die Foltertür muss fest verschlossen bleiben, auch wenn es in Einzelfällen sehr verständliche Gründe geben mag, das Verbot zu umgehen. Wenn die Tür erst mal geöffnet ist, schafft sich der Rechtsstaat sukzessive ab. Unschuldvermutung, rechtliches Gehör, humaner auf Behandlung ausgerichteter Strafvollzug usw. usw. gingen allmählich den rechtsstaatlichen Bach herunter. Übrigens, Recht definiert sich zunächst immer im Einzelfall. Nun gut, auch das wird Sie wohl nicht überzeugen, aber damit werden wir beide dennoch (weiter) leben können.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  13. Wer sich mit dem ursprünglichen Fall Daschner / Gaefgen und den in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumenten noch einmal ausseinandersetzen möchte, findet auf der gemeinsamen Website der „Autonomen Antifa“ und „Libertad!“ eine ausführliche Presseschau inkl.des Urteils. [1]

    Eine eher in Juristendeutsch abgefasste, sehr ausführliche Darstellung des Sachverhalts und der Entscheidung des Landgerichts findet sich samt umfangreichen weiterführenden Literaturhinweisen bei Inga Stremlau vom Juristischen Exzellenzcluster der Ruhr-Uni Bochum. [2]

    Es sei darauf hingewiesen, wie auch in einem in der FR vom 30./31.Juli 2011 veröffentlichten Leserbrief von Detlev Beutner korrekt dargestellt, dass Daschner nicht verurteilt wurde und demnach auch nicht vorbestraft ist. Es wurde eine Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) ausgesprochen, d.h. das Gericht behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe vor. Weil irgendwelche Fristen verstrichen (an Genaueres erinnere ich mich nicht mehr) und es weder von Anklage noch Verteidigung Einreden gegen die Entscheidung des Gerichts gab, ist das Verfahren ohne eine Verurteilung Daschners beendet worden.

    [1] http://badkleinen.sooderso.net/texte/folter.htm
    [2] http://www.rubrr.de/dok/RUBRR-S013-2010S-Stremlau.pdf bzw. http://www.rubrr.de/?q=node/62

  14. Hallo, Frau Rydzewski,
    selbstverständlich bin ich der Meinung, dass die Foltertür fest verschlossen bleiben muss. Der Fall Gäfgen war ein Einzelfall und mit diesem Einzelfall wurde die Foltertür auch in keinster Weise auch nur einen Spaltbreit geöffnet. Wie Sie selbst geschrieben haben, kann es in Einzelfällen Gründe geben, das Verbot zu umgehen, damit wird eben keine Tür geöffnet. Eine Tür würde geöffnet, wenn man bestimmte Fälle, in denen das Verbot umgangen werden darf, in Gesetzesform bringen würde oder generell erlauben würde, so wie es beispielsweise der Herr Schäuble vor hatte. Das ist im Falle Gaefgen überhaupt nicht geschehen, es war ein Einzelfall und bleibt auch ein Einzelfall, in dem es um die mögliche Rettung eines Kindes ging. Diesen Einzelfall mit Bestrebungen zu einer Aufweichung des Folterverbots durch Schäuble in einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zu bringen, halte ich für unlauter, es ist eben nicht daran gedacht, das Folterverbot für Kindermörder aufzuweichen.

    @ Schnippsel: Sie werden erneut unsachlich-polemisch. Für mich hat ein Menschenleben oberste Priorität, das hat nichts mit Gott, sondern mit ethisch-moralischen Prinzipien zu tun und ich bin auch keine Christin. Wenn für Sie Gesetze und Verbote wichtiger sind, als Menschenleben, dann Gute-Nacht.

  15. @ Schnippsel
    Sie können die Aussage
    “Das Gebot der Rettung von Menschenleben steht für mich über allen Gesetzen, Geboten und Verboten, da gibt es nichts was drüber steht” von Marie doch nicht einfach ummodeln und DIE RETTUNG VON MENSCHENLEBEN in den Begriff GOTT umwandeln.
    Der Inhalt von Maries Satz ist doch der, dass – wie immer die Gesetze gerade lauten (wir können ja nicht immer von einem humanitären Rechtsstaat ausgehen)- das Recht auf Leben höher steht. Sich im Notfall entsprechend zu verhalten, erfordert Mut, den nicht jeder aufbringt.

  16. @13 marie

    „Wie Sie selbst geschrieben haben, kann es in Einzelfällen Gründe geben, das Verbot zu umgehen, damit wird eben keine Tür geöffnet.“

    Nein, so habe ich es weder geschrieben noch gemeint. Nur der guten (deutschen) Ordnung halber das korrekte und komplette Zitat aus meiner Zuschrift @12: „Die Foltertür muss fest verschlossen bleiben, auch wenn es in Einzelfällen sehr verständliche Gründe geben mag, das Verbot zu umgehen“. Damit will ich sagen, und so ist es auch formuliert, dass die Foltertür geschlossen bleiben MUSS, sogar dann, wenn es in Einzelfällen sehr verständliche Gründe geben MAG, das Verbot zu umgehen. Denn wenn Gründe gefunden werden, seien sie im Einzelfall auch noch so verständlich, die Foltertür zu öffnen, dann ist sie (die Foltertür) logischerweise auch nicht mehr verschlossen, und schon gar nicht mehr FEST verschlossen. So, ich denke, dass alles Klärungsbedürftige, einschließlich eventueller Missverständnisse, mit der notwendigen Ruhe und Sachlichkeit abgeklärt sind, völlig unabhängig davon, dass wir zur Sache in Teilen nun mal eben unterschiedliche Auffassungen haben. Aber damit können wir ja prima (über)leben. 😉

    mfg
    Jutta Rydzewski

  17. Hallo, Frau Rydzinski,
    ich denke auch, dass wir dami leben können. Und wenn sie schreiben: Die Foltertür muss fest verschlossen bleiben, auch wenn es im Einzelfall sehr verständliche Gründe geben mag, das Verbot zu umgehen, dann stimme ich Ihnen ja zu. Für mich ist die mögliche Rettung eines Kindes ein sehr verständlicher Grund und ich betrachte den Fall Daschner als einen Einzelfall, in dem ein solcher sehr verständlicher Grund vorlag. Mag sein, dass sie die Foltertür auch geöffnet sehen, wenn in einem Einzelfall ein Menschenleben mehr zählte, als das Verbot, ich sehe das nicht. Und dabei können wir es doch belassen, finde ich.

  18. @schnippsel, selbstverständlich trete ich weder für Zwangskastration noch für Waterboarding oder andere Arten von Folter ein. Was Sie mir hier unterstellen, ist einfach der Hammer. Und wie Sie ständig meine Aussagen (die von Werner verstanden wurden, auch von den anderen Diskussionsteilnehmern) böswillig verdrehen und mir hier mit Gott kommen, ist ein Diskussionsstil alerübelster Sorte.

  19. @ I.Werner #15

    Natürlich kann ich das ummodeln:

    “Das Gebot der Rettung von Menschenleben steht für mich über allen Gesetzen, Geboten und Verboten, da gibt es nichts was drüber steht”

    “Die Gebote Allahs stehen für mich über allen Gesetzen, Geboten und Verboten, da gibt es nichts was drüber steht”

    “Die Reinheit der arischen Rasse steht für mich über allen Gesetzen, Geboten und Verboten, da gibt es nichts was drüber steht”

    “Die Gebote der Partei stehen für mich über allen Gesetzen, Geboten und Verboten, da gibt es nichts was drüber steht”

    “Die Herrschaft der Arbeiterklasse steht für mich über allen Gesetzen, Geboten und Verboten, da gibt es nichts was drüber steht”

  20. Ihre Verdrehungen und Unterstellungen suchen Ihresgleichen, und im Übrigen fallen sie auf Sie zurück, Schnippsel, denn sie schreiben sinngemäß:

    Das Verbot der Folter steht für mich über allen Gesetzen, Verboten und Geboten, da gibt es nichts was drüber steht. Nicht einmal das Leben eines Menschen, nicht die Menschlichkeit und auch nicht die Grundrechte, nach denen jeder Mensch ein Recht auf Leben und Unversehrtheit desselben hat.

    Ihre fundamentalistische Einstellung, Ihre Prinzipienreiterei, Ihre sinnverdrehenden Unterstellungen suchen ihresgleichen, ich empfinde sie als menschenverachtend und dass Gesetze wichtiger waren, als Menschenleben, das hatten wir schon mal, bei den deutschen Schreibtischtätern im dritten Reich. Jetzt werde ich mal polemisch, Herr Schnippsel.

  21. @ Schnippsel

    „Mit dem Konzept des sog. ‚Finalen Rettungsschusses‘, das in die Polizeigesetze von 13 Bundesländern Eingang gefunden hat, wurde bereits vor knapp 40 Jahren das Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz) eingeschränkt.“
    Die Straffreiheit für die Tötung in Notwehr oder als Nothilfe schränkt keineswegs das Grundrecht auf Leben unzulässig ein. Sie ist im Strafgesetzbuch festgelegt, und das nicht erst seit 40 Jahren. Die Polizeigesetze verändern die rechtlichen Voraussetzungen nicht, unter denen eine Tötung als Nothilfe straffrei bleibt. Jeder Tötungsfall muss deshalb durch die Staatsanwaltschaft untersucht werden. Die Regelung des „finalen Rettungsschusses“ überträgt lediglich die strafrechtliche Verantwortung von dem ausführenden Polizisten auf den Einsatzleiter. Dabei bleibt auch der Polizist insofern verantwortlich, weil er einem offensichtlich rechtswidrigen Befehl nicht folgen darf.

  22. Und wenn Sie, Herr Schnippsel, die Rettung eines Menschen ummodeln in die Reinheit der arischen Rasse oder die Gebote der Partei oder sonst noch was und gar Allah und die Arbeiterklasse bemühen, dann kann ich das nur auf erhebliche Probleme Ihrerseits bei der Erfassung des Singehaltes einer Aussage zurück führen.

    Ich wiederhole mich noch einmal: Dass die von Menschen gemachten Gesetze, Gebote und Verbote einschließlich der Gesetze, Gebote und Verbote zur Reinhaltung der arischen Rasse über Menschenleben standen, das hatten wir im Dritten Reich, und ich möchte das nicht wieder haben. Für mich gibt es kein Gesetz, auch nicht das Folterverbot, das über dem Recht eines Menschen auf sein Leben steht.
    Wenn ich mich zwischen der Einhaltung von Gesetzen und der Rettung eines Menschenlebens entscheiden müsste, würde ich mich immer für letzteres entscheiden, um welches Gesetz es sich immer auch handelt. Ich würde das Gesetz in diesem Falle übertreten, mit welcher Strafe auch immer ich zu rechnen hätte. Denn nichts ist so absolut wie der Tod.

  23. Der Herr Schnippsel, der würde eben in Fällen wie beispielsweise Amokläufen oder wie jetzt in Oslo den Täter weiter töten lassen, so lange es dem Täter beliebt. Denn für den Herrn Schnippsel zählen anscheinend ausschließlich nur das Leben, die Menschenwürde und die Rechte des Täters und wenn unzählige Menschen dabei ums Leben kommen, dann haben sie eben Pech gehabt, ein paar weniger, es gibt ja genug.

    Nothilfe, um weitere Opfer zu vermeiden, oder Notwehr, um das eigene Leben zu retten, das lehnt der Herr Schnippsel kathegorisch ab. Falls ein Einbrecher den Weg zu Herrn Schnippsels Wohnung finden sollte und ihm mit einem mitgebrachten Beil den Schädel spalten wollte, dann würde der Herr Schnippsel ihm sicher noch eine Axt aus seinen Vorräten reichen, damit die Menschenrechte des Einbrechers nicht verletzt werden.

  24. @ marie

    Gerne dürfen Sie polemisch sein, das sind ja Salz und Pfeffer in der Blog-Suppe! Und noch viel gerner dürfen Sie meine Aussagen drehen und wenden und missverstehen und überzeichnen und durch die Mangel drehen! Dazu sind Gedanken doch schließlich da, oder?

    Allerdings betrachte ich mit Skepsis, dass Sie mit Begriffen wie „absolut“ oder „da geht nichts drüber“ einen Absolutheitsanspruch formulieren, also Prinzipienreiterei betreiben, und hier in die Debatte einbringen. Meine Ausführungen entgegnen den Ihren einfach nur auf derselben Ebene. Es wäre schön, wenn Sie im Spiegel meiner Ausführungen die eigene Welt des Prinzipienreitens wiedererkennen würden.

    Um ein weiteres Missverständnis auszuräumen: ich stelle die Lauterkeit Ihrer Motive oder Ihren Mut, sich für etwas einzusetzen überhaupt nicht in Frage. Wie Sie ihre persönliche Lebensführung gestalten und begründen ist mir, ehrlich gesagt, völlig wurscht. Ob Sie persönlich dieses oder jenes Verhalten befürworten oder selber an den Tag legen, ist doch für die Debatte gänzlich unerheblich.

    Von mir aus können Sie behaupten, was Sie wollen, und die wildesten Argumentationen einbringen – das stellt Sie für mich doch nicht als Mensch in Frage! Da bin ich ganz Prinzipienreiter. Respekt gegenüber Personen: ja, gegenüber Ideen: nein. Insofern werde ich auch künftig un-verschämt und bei Bedarf polemisch debattieren.

    Zurück zum Thema.

    1. Es könnte der Klarheit und Einfachheit halber hilfreich sein, Ihre Argumentation auch einmal unter dem Gesichtspunkt „Der-Zweck-heiligt-die-Mittel“ zu betrachten.

    2. Wer es noch nicht eh getan hat, sollte sich den Kommentar von Stephan Hebel „Recht und Gesetz für Gäfgen“ unter http://www.fr-online.de/politik/meinung/recht-und-gesetz-fuer-gaefgen/-/1472602/8760212/-/index.html zu Gemüte führen.

    # 20, 22, 23: Bravo! Toll polemisiert – wenn auch an der Sache vorbei. Es sind ja auch nur Vermutungen, die Sie da anstellen. Denn ich habe mich bisher noch gar nicht dazu geäußert, wie ich mich in einer bestimmten Situation verhalten würde. Ihre Phantasien über mich erinnern mich übrigens an die unseelige inquisitorische Gewissensprüfung für Kriegsdienstverweigerer.

  25. Könnten Sie bitte aufhören, sich … hmm, wir leben in einer Zeit der Kriegsmetaphorik … gegenseitig die Köpfe einzuschlagen?

    @ Schnippsel

    Ich untersage Ihnen nicht das Polemisieren. Die Wirkungstiefe Ihrer „Argumente“ ist allerdings vernachlässigenswert, wenn Sie so offensichtlich oberflächlich und aggressiv draufhauen. Sie liegt im Wesentlichen, da hat marie recht, im Verdrehen und Verbiegen.

    Wissen Sie, ich versuche mir immer wieder vorzustellen, wie die Wirkung meiner Texte auf die vielen stillen Leserinnen und Leser dieses Blogs aussieht, die sich nie zu Wort melden. Eine Frau aus Münster schrieb mir neulich per Mail, dass sie meine „Meinungsarbeit“ hier sehr schätze, aber sie ist nie mit einem Wortbeitrag hier aufgefallen.

    Ich untersage Ihnen nicht das Polemisieren, schnippsel, aber ich möchte Sie bitten, sich selbst mal kritisch zu fragen, welches Licht Ihre Argumentationsweise, speziell in dieser Aggressivität, auf Sie wirft, aus der Sicht dieser stillen Mitleserinnen und -leser.

  26. @ Abraham #21

    „Mit dem Konzept des sog. ‚Finalen Rettungsschusses‘, das in die Polizeigesetze von 13 Bundesländern Eingang gefunden hat, wurde bereits vor knapp 40 Jahren das Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz) eingeschränkt.“

    1. Das Konzept des „Finalen Rettungsschusses (FRS)“ unterscheidet sich von der Notwehr und der Nothilfe aber doch erheblich. Bei den letztgenannten geht es darum, eine unmittelbar drohende Gefahr für Leib und Leben (das eigene oder das eines Dritten) abzuwenden. Dazu ist immer das mildeste Mittel anzuwenden. Wenn Sie z.B. sehen, dass jemand eine(n) andere(n) verprügelt, „dürfen“ Sie nicht mit einer Eisenstange auf den Aggressor einprügeln und ihm das Rückgrat oder den Schädel zertrümmern – und sich dabei auf „Nothilfe“ berufen.

    Beim FRS ist das anders. Hier geht es nicht um das Abwenden einer Gefahr, sondern um ihre Beseitigung. Schließlich steht das „F“ für „final“, auf gut Deutsch: „tödlich“. Daher ist die Bezeichnung „gezielter polizeilicher Todesschuss“ für den FRS zutreffender. Für die Einsatzkräfte geht es darum, ob sie tatenlos abwarten wie sich eine Situation entwickelt (sie also möglicherweise in Kauf nehmen, dass z.B. eine Geisel zu Schaden kommt), oder ob sie mit einer bewusst und gezielt tödlichen Schussabgabe in das Geschehen eingreifen. Hier geht es also nicht einmal darum, dass der Tod eines Menschen (des „Täters“) in Kauf genommen wird, sondern dass er gezielt herbeigeführt wird.

    Um es einmal technisch darzustellen: der getroffene „Täter“ soll nicht mehr in der Lage sein seinen Abzugsfinger durchzukrümmen (wenn er eine Schusswaffe benutzt). Herztreffer reichen nicht aus, um einen sofortigen Tod herbeizuführen, da dabei der „Täter“ noch ca. 5 Sekunden aktiv bleiben kann. Er sollte jedoch zu keinen Reflexen mehr in der Lage sein. Der FRS bedeutet also, simpel gesagt: Kopfschuss oder schwerste Beschädigungen der Wirbelsäule.

    2. Sie haben insofern Recht, als das grundgesetzlich garantierte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 GG bereits einem Gesetzesvorbehalt untersteht. Aber erst die Polizeigesetze schränken Art. 2 Abs. 2 Satz 1 tatsächlich ein.

    „(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

    Formal ist durch die Polizeigesetze der Bundesländer vermutlich der Erfordernis des GG, nämlich dem Gesetzesvorbehalt, Genüge getan. Man könnte möglicherweise fragen, ob Polizeigesetze der Länder überhaupt geeignet sind, Grundrechte wirksam einzuschränken. Aber das ist Juristerei und somit nicht mein Fach. Der Frage, warum 3 von 16 Bundesländern den FRS nicht in die Polizeigesetze aufgenommen haben, möchte ich hier nicht nachgehen.

    3. Darüber hinaus steht aber noch Art. 102 GG zu beachten: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ Allerdings regelt Art. 102 GG nach herrschender Meinung nur die Ahndung eines Verbrechens, nicht dessen präventive Verhinderung. Art. 101 GG bestimmt allerdings:

    „(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.“

    Juristen streiten darüber, inwieweit die Art. 101 GG und Art. 102 GG miteinander kollidieren. Immerhin ließe sich argumentieren, ein „Täter“ würde seinem gesetzlichen Richter entzogen und – von der Exekutive (übles Sprachspiel hier möglich!) – einer nicht zulässigen Bestrafung mit dem Tod unterworfen.

    4. Wie Sie ebenfalls richtig bemerken, spielt beim FRS ein weiterer Aspekt eine Rolle: die Einsatzleitung. Das führt an dieser Stelle meines Erachtens aber zu weit. Ebenso wie die Diskussion des interessanten Phänomens „suicide by cop“, wo es Täter darauf anlegen, getötet zu werden.

  27. @ Schnippsel

    Auch ich will hier nicht die Problematik des Polizeirechts diskutieren. Meiner Einschätzung nach bewegt sich auch der polizeiliche tödliche Schuss im Rahmen der Nothilfe. Auch dieser ist nur dann zulässig, wenn kein milderes Mittel zur Abwehr der Gefahr für das Leben bedrohter Personen anwendbar ist.Die Notwehr ist nicht erst dann zulässig, wenn der Täter bereits seinen Angriff zweifelsfrei gestartet hat, sondern bereits dann, wenn die Gefahr des Angriffs ernsthaft droht. Auch darin unterscheidet sich die „normale“ Notwehr nicht von der polizeilichen Nothilfe. Dass die Gefahrabwehr mit „professionel“ Effizienz durchgeführt wird, ändet die rechtliche Qualität des Vorgangs nicht.

    Jedenfalls hat die (rechtlich erlaubte) Nothilfe nichts mit der (rechtlich verbotener) Folter zu tun.

  28. Genau so ist es, die Nothilfe hat nichts mit Folter zu tun. Im Falle Gaefgen wurde ein Verbot übertreten, um zu versuchen, ein Menschenleben zu retten. Es gab deshalb einen ordentlichen Gerichtsprozess, es wurde abgewogen, die Gesetze wurden nicht abgeändert, die Folter von Kindesmördern und allen anderen Tätern wurde nicht erlaubt, es wurde keine Tür geöffnet, die Folter ist nach wie vor rechtswidrig, das hat nichts mit finalen Rettungsschüssen zu tun, das hat auch nichts mit Schäubles Vorstoß zu tun und erst recht nicht mit der Todesstrafe oder mit Ausnahmegerichten.

    Die mögliche Rettung eines Menschenlebens steht über den Gesetzen, dazu stehe ich, dabei bleibe ich, auch wenn Ihnen, Herr Schnippsel, das nicht gefällt und sie zur Untermauerung ihrer Gesetze-über-alles Theorie hier noch so abenteuerliche Verknüpfungen mit Ausnahmegerichten, finalen Rettungsschüssen, Todesstrafe, Allah, Arbeiterbewegung, Pädophilen, Waterboarding, Christen, Gott und was Ihnen sonst noch an Abstrusitäten einfällt, herzustellen belieben.

    Es wäre ein Fortschritt in der Diskussion, wenn Sie beim Thema bleiben könnten und würden.

  29. Im Grundgesetz verankert ist auch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Ein zentraler Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns lautet, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten („nemo tenetur se ipsum accusare“). Im Strafprozessrecht wird dies umgesetzt durch das Recht des Beschuldigten zur Aussageverweigerung (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO), das auch nicht durch körperlichen Zwang (Folter) oder Androhung derselben umgangen werden darf (§ 136a StPO). Dies gilt auch bei der polizeilichen Gefahrenabwehr, also auch, wenn es darum geht, das Leben einer Geisel zu retten. Insoweit bestimmt § 52 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG), dass die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte zur Erzwingung einer Erklärung unzulässig ist. Dann ist es auch die Androhung von unmittelbaren Zwang, wozu auch Folter gehört. Diese Bestimmung ist für das Handeln der Polizeibeamten des Landes ein vorrangiges Spezialgesetz. Die allgemeinen, strafrechtlichen Vorschriften über Nothilfe und Notstand (§§ 32 – 35 StGB) sind für das Verwaltungshandeln im Rahmen des Landespolizeirechts, für das der Bund keine Zuständigkeit hat, nicht einschlägig. Keinem Zweifel unterliegt es daher, dass die Folterandrohung Daschners gegen Gäfgen nach geltendem Recht rechtswidrig war, ohne dass es hierzu eines Rückgriffs auf die EMRK bedarf.

    (Unabhängig davon stellt sich de lege ferenda allerdings die Frage, ob es nicht einen Wertungswiderspruch darstellt, wenn die Polizei einerseits im äußersten Fall das Recht hat, tödliche Schüsse abzugeben [§ 60 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 HSOG], um das Leben eines bedrohten Dritten zu retten, die Folterandrohung, die gegenüber dem Todesschuss einen viel geringeren Eingriff gegenüber dem Angreifer darstellt, zur Lebensrettung aber unzulässig ist. – Persönlich bin ich der Ansicht, dass hier äußerste Vorsicht geboten ist. Wenn man die Folter erst einmal auch nur „ein bißchen“ zulässt, zeigt die geschichtliche Erfahrung, dass sich ihr Anwendungsbereich bald unkontrollierbar immer mehr ausweitet. Anschauliche Beispiele aus jüngerer Zeit sind die Folterpraktiken der US Army bzw. des CIA im Irak oder auf Guantanamo. Auch historisch ist der moderne Rechtsstaat u.a. im Kampf um die Abschaffung der Folter entstanden. Er steht und fällt mit dem Folterverbot.)

    Hiervon wiederum getrennt zu betrachten ist die Frage, ob Gäfgen für das rechtswidrige Verhalten Daschners eine Entschädigung zu zahlen war. M.E. war dies nach geltendem Recht nicht zwingend geboten und das Landgericht hatte vorliegend einen Beurteilungsspielraum, um die Zahlung einer Geldentschädigung vollumfänglich zu versagen. Nach § 253 Abs. 2 BGB kann im Falle der Verletzung der Gesundheit der Geschädigte vom Verletzer für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, eine „billige Entschädigung in Geld“ fordern. Hierauf wollte Gäfgens Anwalt hinaus, als er – soweit ich informiert bin, argumentierte, sein Mandant sei durch die Folterandrohung „traumatisiert“ worden und leide deswegen heute noch unter Alpträumen. Allerdings besteht dieser Anspruch nur im Rahmen der „Billigkeit“: Hierbei sind auch Motive des Täters, (provozierendes) Vorverhalten des Geschädigten sowie Art und Ausmaß des Eingriffs zu berücksichtigen. Dies rechtfertigt es durchaus, dem Verletzten die Zahlung einer Geldentschädigung völlig zu versagen, wenn er den Eingriff schuldhaft provoziert hat (vgl. NJW 1990/Heft 4). Vorliegend kam es zur Folterandrohung dadurch, dass Gäfgen dem vernehmenden Beamten vorgelogen hatte, der von ihm entführte Jakob von Metzler sei noch am Leben, wodurch bei Daschner der Irrtum erweckt wurde, er könne (und müsse) das Leben des Entführten durch Androhung von Folter retten.

    Daneben diskutiert der Bundesgerichtshof (BGH) die Möglichkeit, ohne eine einfach-gesetzliche Grundlage allein für die Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 GG) dem Verletzten einen Genugtuungsanspruch zuzusprechen, der in der Zahlung eines Geldbetrages bestehen kann, aber keineswegs zwingend muss (BGHZ 161, S. 33 ff.). Der BGH geht davon aus, dass wie beim Anspruch auf sog. „Schmerzensgeld“ (§ 253 BGB) beim direkt aus Art. 1 GG abgeleiteten Anspruch des Verletzten auf Genugtuung anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen ist, wie der Anspruch auzugestalten ist und ob er in einer Geldzahlung besteht. Dies kann etwa bei geringer schwerwiegenden Eingriffen zu verneinen sein, aber auch dann, wenn dem Verletzten auf andere Weise Genugtuung verschafft werden kann (oder worden ist). Dies kann z.B. auch die Durchführung eines öffentlichen Strafverfahrens gegen den Verletzer sein (was bei Daschner ja der Fall war). Gleiches gilt für die Ansprüche aus Art. 5, 41 EMRK wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen (BGH, a.a.O.).

    In der Hoffnung mit diesem Beitrag zur Versachlichung der Diskussion beigetragen zu haben, verbleibe ich
    m.f.G.

    Carsten Neumann

  30. An der Fassade des Frankfurter Gerichtsgebäudes liest man den Artikel 1, Satz 1, unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Was unter dieser Würde zu verstehen ist, wird in dem Artikel nicht erklärt. Wer hat nun eine genaue Vorstellung davon?

    In Meyers zehnbändigem Taschenlexikon erscheint dazu kein Eintrag. In Creifelds‘ Rechtswörterbuch auch nicht. Ebenso wenig im Sachverzeichnis des BGB. Im „Klugen Götze“ erfährt man immerhin, dass das Wort von mhd. „wirde“ und ahd. „wirdi“ kommt was „Ehre, Anerkennung“ bedeutete.

    Wahrigs Wörterbuch der deutschen Sprache gibt folgende Bedeutung (1) an: „(unz[ählbar]) Achtung gebietendes Verhalten, Wesen eines Menschen auf Grund seiner starken Persönlichkeit, seiner geistig-seelischen Kraft“. (Unter 2. werden verschiedene Ämterwürden genannt.)

    Nach dieser Definition (1) handelt es sich also um etwas, was derjenige, der Würde hat, an den Tag legt – und nicht um etwas, was ihm zukommt. So besehen ist es sicher fraglich, ob jeder Mensch eine Würde hat, die es zu schützen gilt.

    Ist nun Gäfgens Würde unantastbar? Oder ist sie nicht vielmehr unauffindbar?

    Hätten die Väter unseres Grundgesetzes formuliert „Die Rechte des Menschen sind unantastbar“ – denn darum geht es doch letztendlich – so würde sich vermutlich die ganze Diskussion erübrigen.

  31. @ Carsten Neumann

    Auch Heribert Prantl hat in der SZ die Meinung vertreten, dass die Zahlung einer Entschädigung nicht zwingend war, weil Gäfgen für die erfahrene Rechtsverletzung durch die Verurteilung der beiden beteiligten Polizeibeamten eine ausreichende „Genugtuung“ erhalten hat.
    Wir sind uns aber wahrscheinlich einig, dass die möglicherweise fehlerhafte Ausschöpfung des dem Gericht zustehenden Ermessungsspielraums nicht die z.T. wütende Stammtischkritik rechtfertigt, die das Urteil erfahren hat. Es trifft auch nicht zu, dass sich die Justiz mehr um den Täter als um das Opfer kümmert. An der Verwerflichkeit der Entführung und des Mordes hat das Gericht keinen Zweifel gelassen. Es hat auch Gäfgen das geforderte Schmerzensgeld mit der Begründung verweigert, dass sein Trauma die selbstverschuldete Folge seiner Tat ist, mit der er seine Lebensperspektive zerstört hat. Im Vergleich dazu sind die Folgen der kurzzeitigen Androhung von Schmerzen geringfügig.
    Für mich ist das Urteil ein Zeichen der Stärke unseres Rechtssystems.

  32. Natürlich gelten rechtsstaatliche Prinzipien auch für Mörder. Das ist keine Frage. Aber hätte die Entschädigung auf 2,53 € gelautet, wäre die ganze Absurdität dieser Forderung deutlich geworden. Ich werfe dem Gericht vor, nicht adäquater gehandelt und geurteilt zu haben. Ein wenig mehr nachdenken und eine Begründung, dass die “Traumatisierung“ des Mörders eben nicht mehr wert sei als diesen Betrag, hätte auch dem EU-Gerichtsurteil genüge getan. Und Gäfgens Prozessiererei wäre bewertet worden als das was sie ist: Lächerlich.

  33. @ Walthor

    Gäfgen wurde Entschädigung wegen der – unstrittig stattgefundenen – Verletzung seiner Rechte gewährt. Ein Schmerzensgeld wegen Traumatisierung wurde ihm verwährt.

    Ob ein Kläger lächerlich ist, hat ein Gericht als Rechtsinstanz nicht zu bewerten.

  34. @Walther,

    der Richter ist in seiner Urteilsbegründung ziemlich deutlich geworden und der Herr Gaefgen kam da gar nicht gut weg. Ich kann nur sagen, ich finde das Urteil angemessen, 3000 Euro decken nicht mal die Gerichts- und Anwaltskosten, die der Richter dem Herrn Gaefgen auferlegt hat. Übrigens geht der Advokat nun dagegen vor, dass das Schmerzensgeld mit den Schulden bei Gericht verrechnet werden soll, ohne Worte. Durch die Endlosprozessiererei hat die Staatskasse mittlerweile beachtliche Forderungen gegen den Herrn Gaefgen und die will er anscheinend nicht bezahlen.

  35. @ Abraham

    Nun ja, Abraham, ist ja wohl klar, dass wir „normalen Bürger“ solche Urteile eher moralisch und nicht rein juristisch bewerten. Ausserdem ist es wohl für alle Väter und Mütter einer der größten Albträume, dass dem eigenen Kind so etwas zustoßen könnte, weshalb man sich sofort mit den Eltern des ermordeten Kindes identifiziert. Und ganz ehrlich, ich hätte es ganz furchtbar feige gefunden, wenn Daschner anders gehandelt hätte, als er es getan hat.
    Klar ist für mich aber auch, dass solch ein Vorgehen eines „Staatsorgans“ juristisch untersucht werden muss, weil das Androhen von Schmerzzufügung nicht zu einer normalen Verhörmethode werden darf.
    Einem zweifelsfrei verurteilten Mörder aber auch noch eine Entschädigung für die „Verletzung seiner Rechte“ zu gewähren, halte ich eindeutig für Zuviel des Guten. Die Klage hätte meiner Meinung nach abgewiesen werden müssen.
    Vielleicht müsste Gäfgen stattdessen ja eher dazu verholfen werden, sich selbst die große Schuld einzugestehen, die er auf sich geladen hat. Dann könnte er wahrscheinlich auch wieder besser schlafen und müsste sich nicht andauernd neue Klagemöglichkeiten ausdenken.

  36. Ein sehr schöner und lehrreicher Beitrag von Ihnen, Herr Neumann! In meinem obigen Leserbrief habe ich das Gäfgen – Urteil als üble, aber juristisch begründbare Notwendigkeit bezeichnet. Ihrem Kommentar zufolge bin ich von dem Begriff Notwendigkeit nicht mehr so überzeugt. Ihren Ausführungen entnehme ich auch, dass das “juristische Korsett” doch nicht so eng ist, wie ich es aufgrund meiner Unkenntnis in der Juristerei zunächst angenommen habe. Manchmal ist es doch besser zu schweigen bzw. keinen Leserbrief zu schreiben! Im Lichte Ihrer Ausführungen frage ich mich aber dennoch, warum die Richter sich gerade für dieses “Entschädigungsurteil” entschieden haben, obwohl es nicht zwingend notwendig gewesen war. Ein Urteil gemäß Ihrer Argumentation hätte dem mehrheitlichen Gerechtigkeitsgefühl mehr Genüge getan. Wie sieht Ihre Meinung hierzu aus?

  37. Im Grunde leuchtet mir die Argumentation des Autors ein. Allerdings frage ich mich, warum andere im Grundgesetz verankerte Grundrechte nicht so streng gehandhabt werden wie gerade die Unantastbarkeit der Menschenwürde im Zusammenhang mit Folter (bzw. der Androhung von Folter). In Artikel 2 Absatz 2 heißt es z.B.: „Jeder hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit“. Im Rahmen der Nothilfe ist es aber sehr wohl erlaubt, jemanden, der das Leben bzw. die körperliche Unversehrtheit eines anderen Menschen akut bedroht, körperlich zu verletzen oder im Notfall sogar zu töten (Stichwort „finaler Rettungsschuss“). Ein Polizist darf also im Notfall jemanden tatsächlich körperlich verletzen oder sogar töten, wenn das Leben eines Dritten auf dem Spiel steht, ohne bestraft zu werden. Aber wenn er die körperliche Unversehrtheit eines geständigen Entführers zum Zweck der Rettung eines Opfers lediglich verbal bedroht, ohne dem Täter de facto auch nur ein Haar zu krümmen, wird er bestraft. Logisch ist das nicht!

  38. Das Dilemma des Rechtsstaates liegt nicht nur im Unterschied von Recht und Rechtsempfinden. Wenn die Rechtslage so eindeutig ist, wie Herr Hebel meint – und ich stimme ihm da zu –, wie kann dann der Staat in Person unseres Ex- Innenministers Schäuble – immerhin Verfassungsminister – auch nur kurz erwägen, die Aussagen von (wenn auch im Ausland und vielleicht nicht von Deutschen) echt und nicht nur angedroht Gefolterter in eventuelle Gerichtsverfahren mit einfließen zu lassen? Wie kann es sein, daß unsere Staatsvertreter gelassen zuschauen, wenn Deutsche im angeblichen Krieg gegen Terror in Foltercamps festgehalten werden? Das Dilemma liegt hier wie in vielen anderen Bereichen in den unterschiedlichen Standards. Mal gilt das Recht, mal nicht, bzw. mal wird es angewendet und mal nicht. Und so lange nicht in wirklich jeder Situation gleiches Recht gilt und angewendet wird, soll man sich hüten, ein Rechtsempfinden zu verurteilen, das entschieden weniger angreifbar ist als das Verhalten unserer Staatsvertreter im Terrorkampf.

  39. @ Brigitte Ernst
    In Notwehr oder Nothilfe sind nur Handlungen erlaubt, die zum Schutz der angegriffenen Person nach menschlichem Ermessen angemessen und unmittelbar wirksam sind. Ein Polizist kann einem Täter, der auf einen Wehrlosen einprügelt, mit körperlicher Gewalt stoppen. Erst wenn dies nicht möglich ist, darf er ihn (z.B. durch einen Schuss) ernsthaft verletzen. Erschießen darf er ihn erst, wenn das Leben des Angegriffenen unmittelbar bedroht ist und keine „mildere“ Abwehr möglich ist.
    Folter unterscheidet sich deutlich von einer solchen Nothilfe. Sie „dient“ der Erlangung von Informationen, ist also nicht unmittelbar wirksam. Ob durch Folter erpresste „Geständnisse“ richtige Informationen enthalten, die tatsächlich zur Rettung eines bedrohten Lebens beitragen, ist nicht abschätzbar. Daher ist – anders als bei der Nothilfe – bei Folter eine Grenzziehung zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem kaum möglich. Weit mehr als „Gewalt gegen Gewalt“ ist die einem Wehrlosen zugefügte Folter ein die gesamte Person zerstörender Eingriff; hierzu findet sich z.B. bei amnesty international eine umfassende Literatur.
    @ Susanne Ernst
    Auch wenn dies immer wieder behauptet wird: Schäuble hat nicht gefordert, durch Folter erlangte Informationen in Gerichtsverfahren verwenden zu dürfen (ein auf solchen „Beweisen“ basierendes Urteil würde spätestens das Bundesverfassungsgericht kassieren). Er hat die wohl schon lange bestehende Praxis verteidigt, für Ermittlungen (also zur Identifizierung und Abwehr von Gefahren) auch Informationen fremder Geheimdienste zu verwenden, bei denen nicht ausgeschlossen ist, ob sie durch Folter zu Stande gekommen sind. Dies ist meiner Meinung nach noch keine Billigung oder Förderung der Folter. Auch für mich wäre aber die Grenze überschritten, wenn deutsche Stellen daran aktiv beteiligt wären, dass ein Gefangener der Folter ausgesetzt wird, in dem sie ihn z.B. einem folternden Geheimdienst „überlassen“.

  40. Liebe Redaktion,

    seit Tagen verfolge ich die Diskussion, und ich möchte mich dem Beitrag
    von Herrn Treichlinger anschließen.
    Einerseits folge ich Herrn Hebel darin, dass die strikte Beachtung der
    Grundrechte nicht aufgegeben werden darf: die Menschenwürde muss über
    allem stehen.
    Andererseits ist das Urteil geeignet, das Vertrauen der Bürger in den
    Staat und seine Fürsorge tiefgreifend zu erschüttern. Mich erinnert das
    Urteil an die Ohnmacht der Juristen der Weimarer Republik: die
    NS-Bewegung hat bis lange nach 1933 darauf geachtet, den legalen Rahmen
    zu beachten, die Ideen von Weimar aber von Anfang missachtet.
    Es geht Herrn Gäfgen sicher nicht darum, Gerechtigkeit im Geiste des GG
    zu erlangen; er will seine elende Situation in einer Mischung aus
    Kaltblütigkeit und Zynismus aufbessern, so gut es eben geht und solange
    der Rechtsstaat da mitmacht.
    Mein Vorschlag: Er sollte eine symbolische Entschädigung erhalten (mehr
    als einmal ist bei bestimmten Gelegenheiten ein Euro gezahlt worden),
    mehr nicht. Tatsächlich ist ihm Unrecht widerfahren. Es kann aber nicht
    sein, dass sich der Rechtsstaat in diesem Fall mit höchster Kraft darum
    bemüht, den Schein der Unrechts zu vermeiden, in vielen anderen Fällen
    jedoch jahre- und jahrzehntelang schreiendes Unrecht hingenommen wird
    (Opferschutz! Wehrdienstleistende, die krank werden und nach ihrem
    Dienst ohne Versorgung dastehen, weil keine Krankenkasse sie mehr
    aufnehmen will! Kinderarmut!), weil es dafür (noch) keinen Paragraphen gibt.

  41. @ Wolfgang Petzsch

    „Es geht Herrn Gäfgen sicher nicht darum, Gerechtigkeit im Geiste des GG
    zu erlangen; er will seine elende Situation in einer Mischung aus
    Kaltblütigkeit und Zynismus aufbessern, so gut es eben geht und solange
    der Rechtsstaat da mitmacht.“

    Ihre Einschätzung der „Motivation“ von Gäfgen teile ich, aber sie kann in einem Rechtsstat keine Rolle bei der Bewertung seiner Rechte spielen. Sein Verhalten wird aber sicher einen Einfluss darauf haben, wenn über seine Freilassung entschieden wird.

    Entschieden möchte ich Ihren Ausführungen zur Justiz der Weimarer Republik widersprechen. Hätten Hitlers Richter im Hochverratsprozess nach dem Putsch von 1923 nach Recht und Gesetz entschieden, wäre womöglich der ganze Spuck vorbei gewesen. Und auch in den Folgejahren haben sich die Nazis nicht um die Einhaltung der Gesetze gekümmert, nur die Justiz hat die Augen zugemacht.

  42. Hebels Kommentar ist klar, prägnant und richtig. Ihm wäre eigentlich nichts hinzuzufügen, wenn nicht eine Vielzahl von Reaktionen darauf und schon auf das ebeso klare und richtige Urteil eins mal wieder offenbaren würde, das ich schon an anderer Stelle so ausgedrückt habe: wie dünn die Eisdecke der Zivilisation über dem tiefen Meer der Barbarei ist.
    Das Einzige, was mich an der Urteilsbegründung sowie an Hebels Artikel stört, ist der jeweilige Tribut an das „gesunde Volksempfinden“, das eben so gesund leider nicht ist. „Das gesunde Volkempfinden“ heißt es in einem kritischen Lied aus den 60ern, „lehnt den Bolschewismus ab und auch die Sodomie [Homosexualität]. Wenn Hebel also schreibt:
    „Eine Nachricht, die für menschliches Empfinden kaum zu ertragen ist“, spricht er mir damit mittelbar menschliches Empfinden ab, denn ich habe nicht diese schizophrene Haltung nicht, sondern empfinde angesichts des Urteils die Genugtuung, die der Philosoph Kant als ein natürliches Empfinden angesichts der Erüllung des Sittengesetzes beschreibt.
    Mit anderen Worten: das angeblich so natürliche Gerechtigkeitsempfinden, das so viele Menschen in Empörung versetzt angesichts des Urteils, ist so natürlich in Wirklichkeit nicht, sondern repräsentiert archaische barbarische Vorstellungen, von denen sich die menschliche Zivilisation in der Neuzeit mühsam entfernt hat, in die die Menschhheit aber immer wieder zurückzufallen droht. Das Lager Guantanamo, das nicht existieren würde, wenn die amerikanische Gesellschaft nicht affirmativ, zumindest duldend dahinterstünde, ist ein aktuelles Beispiel dafür, und der Fall Daschner und das „Kochen der Volksseele“ hier stehen dazu nicht in Opposition, sondern reihen sich da ein.

    Da weiß man gar nicht, wie da mit Aufklärung gegenzuhalten ist. Der Hebel-Kommentar hätte vielleicht flankiert werden müssen von historischen, philosophischen und rechtsgeschichtlichen Erläuterungen, wie ich sie z.B. seinerzeit zum Fall Daschner an mehrere Zeitungen geschickt habe, u.a. an die FR. Das drang nicht einmal zur Leserbriefspalte durch, geschweige denn, dass es als Artikel veröffentlicht worden wäre.

    Deshalb wenigstens in diesem neuen Medium der freien Meinungsäußerung, in dem leider auch viel geistiger Müll produziert wird, der aber nicht gegen die guten Sitten versößt, im Gegensatz zu dem Mut und der Offenheit, ihn als solchen zu benennen, von mir nochmal zumindest der Versuch einer etwas umfassenderen historisch-philosophischen Behandlung der Bedeutung der menschlichen Würde.

    1. Richter Christoph Hefter führt in seiner Urteilsbegründung aus, die Androhung der Folter sei eine „schwere Verletzung der Menschenwürde“. „Menschenwürde“, so Hefter, „kommt jedem Wesen der Gattung Mensch zu. Auch wenn es schwer fallen mag.“

    Der Satz enthält zwei Momente, die die genaue Bedeutung der Würde gerade modifizieren. Erstens „kommt“ dem menschlichen Individuum Würde nicht zu in dem Sinne, dass sie ihm „zusteht“, ihm von außen, der Gesellschaft eigens zugesprochen werden müsste, sondern es „hat“ von sich her Würde als unveräußerliches Wesensmerkmal. Da ist das „Auch wenn es schwer fallen mag“ genauso passend oder unpassend wie die Anerkenntnis, dass der Mensch eine Niere hat. Aus dieser klaren Logik, dass die Würde dem Menschen nicht eigens zugesprochen werden muss und kann, ergibt sich ebenso zwingend, dass sie ihm auch nicht abgesprochen werden kann, auch wenn gerade das erkennbar, u.a. hier, manchen schwer fallen mag.

    Vor einer genaueren kulturgeschichtlichen und philosophischen Rekonstruktion aber noch ein kurzer (laienhafter) psychoanalytischer Kommentar:

    Diejenigen, die in Gäfgen das ganz andere, monströse Wesen im Vergleich zu sich selber ansehen, das sie sozusagen außerhalb der menschlichen Gemeinschaft ansiedeln möchten und für das deshalb deren Regeln nicht gälten, benützen ihn im eigentlichen Verständnis des Wortes als Sündenbock. Im alten Israel übertrug der Hohepriester am Tag der Sündenvergebung durch Handauflegung die Sünden Israels auf einen Ziegenbock, der dann in die Wüste hinausgetrieben wurde, mitsamt den Sünden, die dadurch getilgt wurden.

    Psychoanalytisch kennzeichnet das einen Akt der Verdrängung oder Projektion. Es ist ein existenzielles Grundproblem der Menschen, dass es „unmenschliche“ logischerweise Handlungen nicht gibt. Da sie allesamt von Menschen begangen werden, sind sie genuin menschlich. Das Erschreckende, Gäfgen ist wie wir, einer wie du und ich. Durch Hannah Arendt („Die Banalität des Bösen“), Claude Lanzmann und andere wissen wir, dass auch die Massenmörder der Judenvernichtung keine Monster waren, sondern ganz alltägliche Menschen. Das Böse, das sie kennzeichnete, steckt als Potenz in uns allen. Damit müssen wir fertig werden, und davon müssen wir ausgehen bei jedem Versuch zu verhindern, dass es zum Ausbruch kommt. Mit dem Zeigen auf den Sündenbock spalten wir es von uns ab, werden es aber nicht wirklich los.

    Was genau es nun mit dem Begriff der Würde auf sich hat und welche Konsequenz das für die Beurteilung des vorliegenden Falls hat, das versuche ich in einem 2. Teil zu erläutern, falls mir nicht durch zuviele beckmesserische und ignorante Reaktionen die Lust dazu vergeht.

    Grüße
    Heinrich

  43. 2. Der philosophische Begriff der Menschenwürde erscheint schon in der Antike, im jüdisch-christlichen Ideenkontext ergibt sich die Würde des Menschen aus seiner Gottes-Ebenbildlichkeit.

    Erst der Renaissance-Philosoph mit dem wohlklingenden Namen Giovanni Pico della Mirandola begründet in seinem Werk „“Rede über die Würde des Menschen“ („Oratio de hominis dignitate“) die Würde des Menschen aus seiner Autonomie und stellt damit erstmals Prinzipien einer neuzeitlichen humanistischen Anthropologie auf, wenn auch in Form einer schönen religiösen Erzählung, wo Gott bei der Schaffung des Adam diesem die Aufgabe aufgibt, sein Wesen selbst in Freiheit zu konstituieren.

    [Der Passus über ihn unter dem Wikipedia-Stichwort „Würde“ ist der einzige aus meinem ursprünglichen Artikel, den man unberührt gelassen hat, im Gegensatz zu den Darlegungen über Lessing, die jemand ganz gelöscht hat, und Kant und Schiller, wo Begriffshuber, die nicht allgemeinverständlich schreiben können und mit denen ich keine Lust hatte mich auseinanderzusetzen, meine Darstellungen verunstaltet haben. Immerhin ist von einer längeren, an Lessing anknüpfenden Unterscheidung zwischen dem Prinzip der Ehre und dem der Würde der Satz über Brecht übrig geblieben:
    „Er unterbreitet in seinem Text „Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit“ den Vorschlag, das Wort „Ehre“ durch das Wort „Menschenwürde“ zu ersetzen und weist damit auf den fundamentalen Unterschied zwischen beiden Prinzipien hin: Die Ehre ist etwas Äußeres, die Würde etwas Inneres.“, was zu erörtern wäre.]

    Durch den großen Aufklärungsphilosophen Immanuel Kant erfuhr der Begriff der Würde seine heute gültige Fassung, in welcher er auch in die Gründungsurkunden der Vereinten Nationen und in neuere nationalstaatliche Verfassungen Eingang gefunden hat, u.a. in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
    Dort heißt es bekanntlich:
    Art.1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

    M.a.W.: Die Würde des Menschen zu schützen ist, ungeachtet dessen, dass es Leute mit persönlichen Prioritäten gibt, oberstes Verfassungsgebot und oberster Rechtsgrundsatz in der Bundesrepublik. Das relativiert sich auch nicht durch irgendwelche „Rechtsgüter“-Abwägungen: Menschenwürde contra Menschenleben.
    Art 2 (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
    Ist insoweit ein dem Art 1 (1) nachgeordneter Verfassungsgrundsatz, ja, die Menschenwürde ist die Quelle, aus der heraus erst die einzelnen Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf Leben, entspringen.

    Kant begründet die Würde des Menschen einmal essenziell und einmal aus einem daraus entspringenden Prinzip heraus. Die essenzielle Begründung lautet: Jedes menschliche Individuum trägt die Idee der ganzen Gattung in sich. In der Achtung vor dem einzelnen (übrigens auch vor mir selbst) erweise ich daher der ganzen Menschheit meine Achtung.
    Daraus ergibt sich notwendig die Selbstzweckhaftigkeit der menschlichen Person. Die Zweck-Mittel-Relation ist im Umgang des Menschen mit Natur und Technik ein schier unendlicher Progress: alles zweckhaft Hergestellte kann z.B. in neuem Zusammenhang wieder als Mittel zu anderen Zwecken eingesetzt werden (Vgl. Hannah Arendt über den „homo faber“, den herstellenden Menschen in „Vita activa“!). Der Progress endet aber beim Menschen als höchstem Zweck, der nicht mehr als Mittel eingesetzt werden darf.

    »In der ganzen Schöpfung kann alles, was man will und worüber man etwas vermag, auch bloß als Mittel gebraucht werden; nur der Mensch und mit ihm jedes vernünftige Wesen ist Zweck an sich selbst.« Daher muß die Menschheit in unserer Person, die sogar von der Gottheit niemals bloß als Mittel gebraucht werden kann, ohne zugleich einen Zweck darzustellen, uns »heilig« sein, und das Sittengesetz erhält nunmehr (Grundlegung der Metaphysik der Sitten 53 f.) die weitere Formulierung: »Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.«
    (nach Karl Vorländer, Geschichte der Philosophie).

    Dies ist die ultimative Begründung des Absolutheitsanspruchs der Menschenrechte und zumal der Menschenwürde. Dagegen haben die Polizisten auf Befehl Daschners und mit Billigung des Ministeriums eindeutig verstoßen: Sie haben Magnus Gäfgen als Mittel zu einem anderen Zweck benützt, was illegitim ist, unabhängig davon, dass sie diesen Zweck persönlich als „höher“ eingestuft haben. eine solche Hierarchie, die die menschliche Person in die Zweck-Mittel-Relation der Dinge degradiert, existiert nicht und darf nicht existieren.

    Zu guter Letzt: Nennt mich überheblich, aber das leichtfertige Herumdoktern mit solchen Grundsätzen, wie dem absoluten Folterverbot, zu dem jeder Beliegige meint, seine anderen gleichwertige „Meinung“ pflegen und öffentlich absondern zu dürfen, ist nicht nur philosophischer Unkenntnis, sondern auch zumal einer grassierenden Geschichtsvergessenheit geschuldet:

    „Menschenrechte sind immer erst aus dem Widerstand gegen Willkür, Unterdrückung und Erniedrigung entstanden. Heute kann niemand einen dieser ehrwürdigen Artikel – beispielsweise den Satz „Niemand darf der Folter oder grausamer Strafe unterworfen werden“ – in den Mund nehmen, ohne das Echo zu hören, das darin nachhallt: den aufschrei unzähliger gepeinigter und hingemordeter menschlicher Kreaturen. Die Berufung auf Menschenrechte zehrt von der Empörung der Beleidigten über die Verletzung ihrer menschlichen Würde.
    (Jürgen Habermas in: Blätter für deutsche und internationale Politik 8/10)

    Dem aufrechten Kommentator Stephan Hebel in Hochachtung gewidmet.

    Grüße
    Heinrich

  44. Oh, ein Hobby-Analytiker. Ich habe hier ja schon viel Unsinn gelesen, bei dem man erst mal drei mal schlucken muss und dann am Besten eine Beruhigungspille zu sich nimmt, aber Ihre Kommentare, Herr Heinrich, schlagen alles um Längen. Ein selbsternannter „Wissenschaftler“ im pseudowissenschaftlichen Gewand, der für seinen, mit Verlaub, hanebüchenen Unsinn, gar Kant und die Philosophen (die sich im Grabe umdrehen würden, wenn sie diesen Unsinn lesen müssten) und die Analytiker bemüht und Wikipedia-Google darf natürlich auch nicht fehlen, nebst ein paar hochgeistiger lateinischer Sprüchlein, locker eingestreut, um den hochgeistigen Anspruch zu betonen, ich bin wirklich seeeeeeh beeindruckt, Herr Heinrich.

    Sodomie ist also Homosexualität, Herr Heinrich? Na, wenn Sie nicht mal wissen, dass Sodomie mit Homosexualität rein gar nichts zu tun hat, dann versehen Sie ganz bestimmt Ihre lateinischen Sprüchlein und die Philosophen und den Kant und die Analytiker allerbestens, Sie sind sozusagen der Oberanalytiker und der Oberphilosoph, der mit seinem begnadeten Wissen alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt, ich bin extreeeeem beeindruckt, Herr Heinrich.

    Es ist vewrgeudete Zeit und Mühe, auf Ihren aus verschiedenen Quellen locker gemixten und verquirlten Unsinn im Einzelnen einzugehen, deshalb beschränke ich mich mal auf das, Herr Heinrich:

    Psychoanalytisch kennzeichnet das einen Akt der Verdrängung oder Projektion. Es ist ein existenzielles Grundproblem der Menschen, dass es “unmenschliche” logischerweise Handlungen nicht gibt. Da sie allesamt von Menschen begangen werden, sind sie genuin menschlich. Das Erschreckende, Gäfgen ist wie wir, einer wie du und ich. Durch Hannah Arendt (”Die Banalität des Bösen”), Claude Lanzmann und andere wissen wir, dass auch die Massenmörder der Judenvernichtung keine Monster waren, sondern ganz alltägliche Menschen. Das Böse, das sie kennzeichnete, steckt als Potenz in uns allen. Damit müssen wir fertig werden, und davon müssen wir ausgehen bei jedem Versuch zu verhindern, dass es zum Ausbruch kommt. Mit dem Zeigen auf den Sündenbock spalten wir es von uns ab, werden es aber nicht wirklich los.

    So, so, Gäfgen ist also wie „wir“. Wir sind also alle potentielle Kindermörder und unseren niederen Trieben willenlos ausgesetzt. Reiner Zufall, ob uns gerade ein Kind über den Weg läuft, und wir gerade in Stimmung sind, zu töten, und wenn einer von uns seine „verdrängten“ Triebe noch nicht ausgelebt hat und sagen wir mal, so ein, zwei Kinder ermordet hat, dann ist das allenfalls einem Mangel an Gelegenheiten geschuldet. Oder verdrängten Trieben. Reiner Zufall, ob einer im Dritten Reich zum Massenmörder wurde, die, die es nicht wurden, hatten bloß keine „Gelegenheit“ oder haben aus irgendwelchen, rein zufälligen Gründen Ihre „Potenz“ nicht ausgelebt. Na, wenn das so ist, Herr Heinrich, dann kann ich ja jetzt meiner Potenz freien Lauf lassen, mal sehen, ob mir morgen ein Kind begegnet, ist doch psychoanalytisch absolut schädlich, wenn ich meine „Triebe“ und meine „Potenz“ verdränge. Ist doch alles menschlich, der Stärkere tötet den Schwächeren, wo ist das Problem?

    Wenn ich Ihre bahnbrechenden philosophisch-lateinisch-analytischen Erkenntnisse zu Ende denke, Herr Heinrich, muss ich ja auch nicht mit einer Bestrafung rechnen, den mit meiner Würde ist es doch absolut unvereinbar, wenn ich dann das eine oder andere Jährchen in einer dunklen Gefängniszelle absitzen muss, ne Herr Heinrich, eigentlich verdiene ich eine Siegerurkunde, ich hab mich doch als die Stärkere erwiesen, das Kind war doch selbst schuld, was war es aber auch so schwach und blöd. Also, eine Siegerurkunde ist da doch wohl das Mindeste, Herr Heinrich, ich war ja schließlich Sieger.

    Irgendwie, Herr Heinrich, erinnern mich Ihre Beiträge stark an einen anderen User, könnte es sich eventuell um einen Klon handeln, Herr Heinrich? Ist nur eine Frage, kann ja auch sein, so was tritt bei Männern öfter auf.

  45. Lieber Heinrich,

    es verwundert Dich sicher nicht, dass ich Dir auf ganzer Linie zustimme, auch was das angebliche „gesunde Volksempfinden“ betrifft. Zur Hebels Entlastung (dessen Kommentar Du ohnehin lobst) möchte ich nur anmerken, dass er mit der „Nachricht, die für menschliches Empfinden kaum zu ertragen ist,” nicht die Verurteilung Daschners und seines Untergebenen meint, sondern die Gäfgen zugesprochene Entschädigung. Gäfgens verletzter Menschenwürde fordert zwingend die Verurteilung derer, die ihm Folter angedroht haben. Die Gewährung einer finanziellen Entschädigung ergibt sich aus seiner Menschenwürde aber nicht genauso zwingend, weil schon die Verurteilung der „Foltertäter“ eine ausreichende Genugtuung sein könnte. Deshalb kann man empfundenes Unbehagen durchaus akzeptieren, wobei aus vielen Beiträgen – auch hier im Blog – eher das ungesunde „gesunde Volksempfinden“ spricht.

  46. Na, marie,

    Sie machen mir ja Freude. Ich hatte schon befürchtet, dass meine versuchte Abwehr von Beckmesserei und Ignoranz dahin missverstanden werden könnte, dass mir nicht an kritischer Diskussion meiner Darlegung gelegen wäre, was es keineswegs bedeuten sollte. Aber Ihr nassforscher Kommentar beruhigt mich in dieser Hinsicht vollkommen, auch wenn Sie mich kalt erwischt haben z.B. damit, dass ich mich selbst als Wissenschaftler erhoben habe („selbsternannter “Wissenschaftler“). Oder habe ich etwa nicht? Egal, wenn Sie es sagen, wird es wohl so sein, denn Sie sind hier schließlich angetreten, mir das „pseudowissenschaftliche Gewand“ – was immer ich mir genau darunter vorzustellen habe – vom Leibe zu reißen.

    Das macht man seriöserweise nicht etwa durch Widerlegung, sondern durch Verhöhnung und Schmähung („Ich habe hier ja schon viel Unsinn gelesen, … aber Ihre Kommentare, Herr Heinrich, schlagen alles um Längen“; „hanebüchenen Unsinn, gar Kant und die Philosophen (die sich im Grabe umdrehen würden“; „Wikipedia-Google darf natürlich auch nicht fehlen“, „nebst ein paar hochgeistiger lateinischer Sprüchlein, locker eingestreut, um den hochgeistigen Anspruch zu betonen“). Das sind natürlich brillante Widerlegungen meiner Ausführungen.

    – Ach so, der Anspruch wird nicht erhoben? Denn „Es ist vewrgeudete Zeit und Mühe, auf Ihren aus verschiedenen Quellen locker gemixten und verquirlten Unsinn im Einzelnen einzugehen“? Macht nichts, das ist ja nicht nötig, Ihre profunde „Gegendarstellung“ wird hier das Publikum auch so unmittelbar überzeugen, wenn es den hochgeistigen, gebildeten und informierten Kommentar mit meinem gequirlten Unsinn vergleicht.

    Aber dann finden Sie doch was zum richtig Ausholen: „Sodomie ist also Homosexualität, Herr Heinrich? Na, wenn Sie nicht mal wissen, dass Sodomie mit Homosexualität rein gar nichts zu tun hat.“ Sodomie ist was mit Tieren, gelle? Da kennen Sie sich auch so aus. Auch ohne pseudowissenschaftliches Gewand. Über Allgemeinbildung verfügen Sie, das muss man Ihnen an diesem Punkt lassen. Auch ohne bei „Wikipedia-Google“ nachzuschlagen. Sollten Sie aber vielleicht doch, zur Differenzierung.

    Da steht nämlich:
    „Als Sodomie werden im heutigen deutschen Sprachgebrauch sexuelle Handlungen mit Tieren bezeichnet. Der Begriff ist von der biblischen Stadt Sodom abgeleitet, die wegen ihrer lasterhaften Ausschweifungen von Gott zerstört wurde.[1]
    Genau: Die Städte Sodom und Gomorrha „sind Gegenstand einer Erzählung im Alten Testament[1], derzufolge sie durch Gott unter einem Regen aus Feuer und Schwefel begraben wurden, weil sie der Sünde anheim gefallen waren.“

    Aber was für eine Sünde das war, das steht leider nicht dabei. Aber wenn Gott die Städte mit Feuer und Schwefel vernichtet hat, muss es die schwerste Sünde gewesen sein, die denkbar ist. Und so sind eben in der Geschichte verschiedene unaussprechliche Laster darunter gefallen, vor allem der Analverkehr. Kennen Sie auch, gell? von wegen Allgemeinbildung. Und da der, auch zwischen Männern bis ins Mittelalter vermutlich gang und gäbe war, taten sich Bußprediger, allen voran der fanatische Dominikanermönch Girolamo Savonarola in der frühen Neuzeit mit dem Bestreben hervor, die geschlechtlichen Beziehungen zwischen Männern zu verdammen und auszurotten. Und so kriegte das Kind eben ganz folgerichtig den Namen „Sodomie“. Hatte ich beim Hören des Liedes noch alles im Kopf, kann man nachlesen in wissenschaftlicher oder allgemeinbildender populärer Literatur. Oder eben auch in Wikipedia, die wollen wir ja, bei allen Mängeln, nicht ganz schlecht machen. Ich würde mich nicht nur darauf verlassen, aber für Ihr vorgeführtes Bildungsniveau mag es dicke reichen.

    Das ist aber die Krux der digitalen Informationsgesellschaft: man findet fast alles, man muss bloß wissen, wonach man zu suchen hat. Und wer kommt schon bei „Sodomie“ oder Homosexualität“ darauf, unter „Savonarola“ nachzuschauen? Sehen Sie?

    Aber selbst unter dem schlichten Suchwort „Sodomie“ wird man fündig, wenn man weiterliest:
    „Im Französischen versteht man unter sodomie jegliche Penetration des Anus im sexuellen Kontext.
    Auch im Englischen wird mit sodomy gewöhnlich der Analverkehr zwischen zwei Männern oder zwischen Mann und Frau bezeichnet. Jedoch kann die Bedeutung auch Sexualpraktiken wie Oralverkehr umfassen, d. h. jede sexuelle Handlung, die nicht heterosexueller vaginaler Geschlechtsverkehr ist. Für den Verkehr mit Tieren steht im Englischen eher der Begriff bestiality oder beastiality (von lat. bestia: „Tier, Bestie“).“

    Und jetzt sagen Sie mal ehrlich: Was meinen Sie, was wird ein Politsänger der siebziger Jahre im Sinn gehabt haben, wenn er singt: das gesunde Volksempfinden lehnt die Sodomie ab? Sex mit Tieren? Ich bitte Sie, der Spießer dieser Zeitläufte nahm nicht einmal den Schwanz in den Mund, aber: „Ich lehne Sex mit Tieren entschieden ab!“ – grotesk!

    So, liebe marie, seien Sie mir nicht böse, aber jetzt geht es mir wie Ihnen, mich weiter mit Ihren kritischen Gedanken zu befassen, ist mir doch zuviel vergebliche Zeit und Mühe. Zeigen Sie mir gerne den eigentlichen Begründer des Menschenwürdekonzepts, den ich über Kant glatt übersehen habe und sorgen Sie dafür, dass Kant ruhig in seinem Grab liegen bleibt, indem Sie mir nachweisen, was er wirklich sagt. Oder habe ich was in Ihrer Darstellung übersehen? Erklären Sie mir das Vedrängungskonzept Freuds in den verschiedenen Varianten und lesen Sie Hannah Arendt, Raul Hilberg, den nicht ganz unumstrittenen Daniel Goldhagen und andere über die gewöhnliche Charakterstruktur von Massenmördern, vielleicht auch das neue Buch von Götz Aly, falls es dazu was hergibt, das ich mir gerade besorgt habe und das ich gerne, wenn Bronski, Abraham und andere mögen, hier diskutieren würde, unsere früheren Antisemitismus-Diskussionen aktualisierend und vertiefend, natürlich auch gerne mit Ihnen, aber erst mindestens ein paar Zeilen lesen, ok.?

    P.S. anderer Unser, Klon? Sie beleidigen meinen Originalitätsanspruch. andererseits: Was würde es ändern, wenn ich hier jetzt mit „Prof. Dr. Wilhelm“ unterschreiben würde? Würden Sie dann endlich die Wissenschaftlichkeit meiner Aussagen anerkennen?

    Grüße
    Heinrich

  47. @ marie

    Obwohl ich nicht immer Ihre Meinung teile, habe ich bisher Ihre Beiträge mit Respekt gelesen, doch nun schlagen Sie mit Ihren unqualifizierten Angriffen gegen Heinrich dem Fass den Boden aus. Lesen Sie bitte nochmals nach, was er über Menschenwürde und Folterverbot geschrieben hat, bevor Sie ihm eine Verteidigung von Kindermördern oder NS-Masenmördern unterstellen.

  48. @ marie

    Heinrich und Schnippsel sind nicht identisch. Das ist wohl schon rein stilistisch offensichtlich.

    Hat die Debatte mit Schnippsel Sie so aufgebracht, dass Sie jetzt alle, die Ihnen gegenhalten, über einen Kamm scheren?

    Würde mich freuen, wenn Sie einen Gang zurückschalten würden.

  49. @ Bronski

    Ich kann nicht erkennen, dass marie jemals mit mir „debattiert“ hätte. Allerdings hat sie ständig denselben geistigen Ressentiment-Müllkübel über mich ausgeleert, den sie zwischenzeitlich offenbar aufgefüllt hat, um ihn nun über Heinrichs Haupt auszukippen.

    Es mag vielleicht aus maries Lebensgeschichte heraus verständlich sein, aber die ständigen – man könnte sagen: sexistischen – Angriffe gegen „Männer“ oder „rechthaberische männliche Zeitgenossen“ gehen mir langsam doch ein wenig auf den Sack!

  50. Nun, Herr Heinrich, Sie können es drehen und wenden, aber Sodomie ist nicht Homosexualität, sondern im allgemeinen Sprachgebrauch Sex mit Tieren.

    Zu den drei letzten Absätzen meines Beitrags, die sich inhaltlich mit Ihren besonderen Expertenkenntnissen auseinander gesetzt haben, haben Sie nichts geschrieben, warum wohl? War das Thema Sodomie, von mir nur nebenbei erwähnt, für Sie ergiebiger, Herr Heinrich?

    Also, ich bleibe dabei, ich habe selten so einen Unsinn gelesen. Und ich gehöre beileibe nicht zu denen, die in laute Empörung wegen des Gäfgen-Urteils ausgebrochen sind, mit Bild und Stammtischen habe ich nichts am Hut. Aber bei Ihren „Erläuterungen“, Herr Heinrich, ist mir die Hutschnur hoch gegangen.

    Mag sein, Herr Bronski, dass der Schreibstil anders ist,die „Technik“ ist die gleiche.

  51. @ marie

    Dass Sie sich auch nur an einer einzigen Stelle mit irgendeiner meiner „Expertenkenntnisse“ auseinandergesetzt hätten, in diesem Glauben stehen Sie hier mit ziemlicher Sicherheit allein auf weiter Flur. Wieso sollte ich mich also mit so grotesken Verdrehungen meiner Aussagen beschäftigen. Das wäre ja noch schöner.

    Dass Sie mit Bild und Stammtischen nichts an der Hutschnur haben, die Ihnen trotzdem hochgeht, was soll mir das? Haben Sie keinen Frisör, dem Sie das erzählen können? Aber ein kleiner Tipp: Nur Bildzeitung nicht lesen und keine Stammtischgespräche führen ist reine Negation und verhilft noch nicht zu politischer Bildung. Dazu wäre es dienlich, alternativ Sinnvolles und Geistreiches zu lesen und nachzuvollziehen zu versuchen. Zum Beispiel das, was meine Kommentare wirklich ausdrücken. Dann wird’s vielleicht auch was mit dem Nachbarn.

    Mit mir aber ganz bestimmt nicht, ich beende hier das ergiebige Gespräch. Hat Spaß gemacht.

    Herzlichst
    Heinrich

  52. @ Bronski, @ Abraham et al.

    War ein Gastspiel von mir anlässlich des Themas. Könntet Ihr euch aber für eine gemeinsame Lektüre und Diskussion des Buchs von Götz Aly, Warum die Deutschen? Warum die Juden? erwärmen, nachdem seinerzeit die Diskussion über Shlomo Sand stecken geblieben ist? Das wäre mir ein Lektüre-Anreiz.

    Liebe Grüße
    Heinrich

  53. Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, Herr Heinrich, aber wenn Sie fünf Absätze benötigen, den Ausflug nach Sodom, ins Mittelalter und nach Frankreich und England, mehrer Suchmaschinen und verwandte Begriffe bemühen müssen, um einen einfachen Begriff wie Sodomie in Ihrem speziellen Sinne zu „erklären“, dann habe ich damit ein Problem. Ich bevorzuge die einfache, direkte Sprache, die jedermann versteht. Und auch in den siebziger Jahren hat man und sicher auch Politsänger unter Sodomie Sex mit Tieren verstanden, und das weiß ich genau, weil ich die siebziger Jahre miterlebt habe.

    Ansonsten tut es mir leid, wenn ich Ihnen zu nahe getreten sein sollte, ich wollte Sie nicht verärgern und vermutlich hat Herr Bronski recht, ich bin Schnippsel-geschädigt, aber ich bin auch immer noch der Meinung, dass ich den von mir zitierten Beitrag Ihrerseits sehr wohl richtig verstanden habe. Und wenn Sie meinen, ich hätte etwas grotesk verdreht, dann können Sie ja ohne Weiteres erläutern, was Sie mit diesem Absatz wirklich sagen wollten, möglichst aber nicht in veklausulierter Sprache, bei der 10 Absätze notwendig sind, um einen einzigen Satz zu erklären.
    Liebe Grüße
    Marie

  54. Aus Heinrichs Kommentar # 42:

    Das Einzige, was mich an der Urteilsbegründung sowie an Hebels Artikel stört, ist der jeweilige Tribut an das “gesunde Volksempfinden”, das eben so gesund leider nicht ist. “Das gesunde Volkempfinden” heißt es in einem kritischen Lied aus den 60ern, “lehnt den Bolschewismus ab und auch die Sodomie [Homosexualität].

    *********

    Ich habe absichtlich darauf verzichtet, das Zitat in Anführungszeichen zu setzen, weil vielleicht hier das Problem liegt. Sodomie = Homosexualität, das ist Unsinn, da hat marie völlig recht. Sodomie ist (heute) Sex mit Tieren. Früher wurde der Begriff anders verwendet, allerdings immer in einem eindeutig stigmatisierenden Sinn.

    An dem Zitat aus Heinrichs Kommentar fällt mir auf, dass die Abführungszeichen fehlen. Wo endet das Zitat aus dem „kritischen Lied aus den 60ern“?

  55. Lieber Bronski,

    „Sodomie = Homosexualität, das ist Unsinn (…) Sodomie ist (heute) Sex mit Tieren.“
    – Das ist und war mir natürlich auch klar. Aber dennoch: So eindeutig ist das eben nicht zu bestimmen. Da hätterst du schreiben müssen: „Sodomie ist (hier und heute) Sex mit Tieren“. Der große Brockhaus (18. Auflage) führt ebenfalls an:
    „Im angelsächs. und frz. Sprachraum wird unter S. auch der (v.a. homosexuelle) Analkoitus verstanden.“ Dazu habe ich mir den kulturhistorischen Exkurs (aus zehn Sätzen?) erlaubt. Ob ich aber in Klammern nun Homosexualität oder Zoophilie geschrieben habe, ist für meine Aussage und das illustrierende Lied so unwichtig, wie nur etwas. Diesen scheinbaren lexikalischen Irrtum, den Frau Marie angeblich nur nebenbei erwähnt, nimmt sie tatsächlich zum Aufhänger, um meine ganze theoretische Qualifikation in Frage zu stellen, womit sie sich naturgemäß leicht übernimmt. Ihr ganzer Kommentar ist nichts als eine einziger unverschämter persönlicher Angriff gegen mich, und du forderst sie zurecht, wenn auch sehr moderat, zur Mäßigung auf. Ich nehme als Ursache nicht Böswilligkeit, sondern Dummheit und Ignoranz an, sonst hätte ich der was anderes erzählt.

    Übrigens sind meine Texte in klarem und korrektem Deutsch verfasst, die muss ich nicht nochmal eigens erläutern. Leseunterricht kann man woanders nehmen. Und wie komme ich dazu, mit so jemandem überhaupt noch ein Wort zu reden? Wenn jemand anders auf dieser Basis meine Thesen vielleicht provokant findet und mit mir diskutieren möchte: gerne.

    Auf deine Frage nach den Anführungszeichen zurückzukommen: Ich bin mit den Liedzeilen zugegeben bewusst etwas luschig umgegangen, um sie in meinem Sinne zu glätten.
    Die Originalzeile auf der Schallplatte lautet:

    „Das gesunde Volksempfinden lehnt den Bolschewismus ab, die Homosexualität und auch die Sodomie.“

    Die Anführung der Sodomie als Zoophilie ist m.E. eine Schwäche des Textes. Warum? Weil der Liedermacher, Dieter Süverkrüp, hier ein Lied über die damals gegründete NPD und ihre braune Anhängerschaft gemacht hat. Bolschewismus und Homosexualität waren beides bevorzugte ideologische nazistische Angriffsziele (neben dem Antisemitismus, der aber Jahrzehntelang nur hinter geschlossenen Türen oder vorgehaltener Hand sich zu artikulieren wagte). Im Gegensatz dazu wurde die Zoophilie aber, so denke ich jedenfalls, nicht nur von braunen Spießern, sondern von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt.

    Ich muss aber selbstkritisch feststellen, dass ich der Diskussion hier unnötig auf eine schiefe Bahn verholfen habe. Denn meine Kernaussage, die Abraham richtig erfasst hat und mit mir teilt, ist: das auch in der Publizistik vielfach bemühte angebliche „natürliche Rechtsempfinden“ entpuppt sich, wo es sich frei artikuliert, in Wirklichkeit als das „gesunde Volksempfinden“. Das ist ein von den Nazis genau zu dem Zweck ins Spiel gebrachter Begriff, um der braunen Gesinnung Eingang in die Rechtsprechung zu verschaffen. In § 2 des „Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches“ vom 28. Juni 1935 hieß es nun: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient.“

    Ich möchte nicht wissen, welche Bestrafung und Behandlung Gäfgen danach „verdient“ hätte, und ich fand und finde eben, dass man dem nicht noch seinen Tribut zollen muss, indem man richterlicher- und publizistischerseits das ansonsten klare Bekenntnis zur Rechtstaatlichkeit in diese Richtung modifiziert: Zubilligung der Menschenwürde, „auch wenn es schwer fallen mag“; – „Eine Nachricht, die für menschliches Empfinden kaum zu ertragen ist“.

  56. @ Heinrich
    Es gibt doch noch Lücken in Deinen sonst profunden Kenntnissen. Du verweist in Bezug auf die Bestrafung der Sünden der Bewohner der Stadt Sodom auf die „Erzählung des Alten Testaments“ und schreibst, „aber was für eine Sünde das war, das steht leider nicht dabei“. Dabei übersiehst Du Exodus 19.1 bis 19.8. Dort wird berichtet, dass Stadtleute von Sodom Lots Haus umringten, nachdem bekannt wurde, er habe zwei Fremde (die sich als Engel, also Boten Gottes herausstellen) aufgenommen. In der Übersetzung von Moses Mendelssohn heißt es: „Sie riefen den Lot und sprachen zu ihm: ‚Wo sind die Männer, welche diese Nacht zu dir gekommen sind? Bringe sie zu uns heraus, dass wir sie näher kennen lernen.‘ Da ging Lot hinaus vor den Eingang des Hauses zu ihnen. … Und er sprach: ‚Meine Brüder! Handelt doch nicht so böse. Wohlan! Ich habe zwei Töchter, welche noch keinen Mann erkannt haben. Diese will ich euch herausbringen. Tut mit ihnen, wie euch gut dünkt. Nur diesen Männern tut nichts…‘“ Dass die Männer vom sexuellen Begehren nach Männern getrieben waren, sagt der Text ziemlich explizit. Ob der Grund der göttlichen Strafe diese sexuelle Präferenz war oder eher der Bruch der Gastfreundschaft, kann man der hebräischen Bibel allerdings nicht entnehmen.

  57. @ Heinrich

    Leider werde ich nicht so schnell dazu kommen, Alys Buch zu lesen. Muss erst den zweiten Band Saul Friedländers Meisterwerks „Das Dritte Reich und die Juden“ beenden.

  58. Also, Herr Heinrich, ich kann sinnverstehend lesen, einen Lesekurs benötige ich deshalb nicht. Und wenn Sie mir nun Dummheit und Ignoranz unterstellen, ist das eine Beleidigung, welche die, zugegebenermaßen etwas harsche Kritik in meinem Beitrag an Unverschämtheit m.E. übertrifft. Ich erstelle übrigens seit nunmehr 9 Jahren hauptberuflich wissenschaftliche Dokumentationen, das Quellenstudium, das sinnverstehende Lesen, das Zitieren und das geschliffene Formulieren sind also mein täglich Brot (was man von den Herren und Damen Doktoren, die im Rahmen eines Praktikums Teilbereiche bearbeiten sollen, leider oft so nicht sagen kann und so müssen häufig Ausarbeitungen in den Mülleimer wandern, leider. Die aberkannten Doktortitel wundern mich vor diesem Hintergrund nicht im Mindesten, was mich allerdings schon verwundert ist es, dass die Herren und Damen Professoren dies alles angeblich nicht bemerkt haben wollen.) Aber das nur am Rande.

    Sie selbst verweisen in den von mir kritisierten Beiträgen zwar auf unzählige Quellen, verwenden eine vergleichsweise elitäre Sprache mit lateinischen und sonstigen „Zitaten“, das heißt aber noch lange nicht, dass Ihre aus den von Ihnen zitierten/verwendeten Quellen herbei konstruierten Schlussfolgerungen auch logisch nachvollziehbar und richtig sind, es heißt noch nicht einmal, dass Sie die Aussagen derjenigen, auf die Sie sich berufen, wirklich verstanden haben und erst recht nicht, dass Ihre Art des Zitierens korrekt ist.

    Wenn Sie aus dem Text: „Das gesunde Volksempfinden lehnt den Bolschewismus ab, die Homosexualität und auch die Sodomie“ locker vom Hocker herbei konstruieren, der Liedsänger habe unter Sodomie Homosexualität verstanden „Sodomie [Homosexualität]“, und mittlerweile immer größere fast seitenlange Klimmzüge machen, um Ihre „Ansicht“ zu rechtfertigen, dann ist das nicht nur „luschig“, sondern einfach falsch und im wissenschaftlichen Sinne absolut unkorrekt.

    Auf die gleiche „luschig“ falsche Weise gehen Sie auch mit den Texten/Autoren um, auf die Sie sich in Ihren von mir kritisierten Beiträgen berufen und wenn ich lese, welche persönlichen „Schlussfolgerungen“ Sie aus Hannah Arendt und ihrer Banalität des Bösen herbei konstruieren, dann rollen sich mir sämtliche Fußnägel auf, mit Verlaub. Und das gilt ebenso für Ihren Ausflug in die Psychoanalyse und die Philosophie.

    Eine vergleichsweise elitäre Sprache, gespickt mit Latein und möglichst vielen Philosophen und Autoren ersetzt ja nun keineswegs eigene Denkanstrengungen und wenn man Quellen zitiert und sich auf sie beruft, dann sollte das korrekt erfolgen und man sollte die Quellen auch korrekt wiedergeben und zitieren. Für meine etwas harsche Wortwahl entschuldige ich mich gerne, aber inhaltlich muss ich leider bei meiner ursprünglichen Aussage bleiben.

  59. @ marie, nichts dagegen, wenn Sie mit Heinrichs Ableitungen nicht einer Meinung sind. Aber dann üben Sie bitte eine fundierte (wissenschaftliche) Kritik, von der eventuell alle Leser profitieren können. Es interessieren mich Ihre aufgerollten Fußnägel nicht, auch nicht Ihr Gemütszustand beim Lesen von Heinrichs Texten. Und halten Sie sich bitte nicht bei der Definition von „Sodomie“ auf, das trägt zum weiteren Verständnis des Themas ´Menschenwürde´ nicht viel bei.
    Meinetwegen dürfen Sie auch etwas harsch sein, wenn sich dadurch inhaltliche Aussagen besser erschließen, aber vermeiden Sie doch bitte diffamierende Äußerungen.

  60. An meinem Text von 11.32, Herr Werner, kann ich diffamierende Äußerungen nicht entdecken. Ich halte es allerdings für diffamierend, wenn Herr Heinrich schreibt, ich benötige einen Lesekurs und sei dumm und ignorant.

    Ich kritisiere die insgesamt unlogische und unwissenschaftliche Arbeitsweise des Herrn Heinrich und wie er versucht, Dinge „in seinem Sinn zu glätten“ und somit um zu interpretieren. Eine fundierte wissenschaftliche Kritik an dem gesamten Beitrag übersteigt die üblichen Kapazitäten bei Weitem, da müsste ich ganze Seiten zu schreiben, deshalb habe ich mich auf Beispiele beschränkt.

    Auch wenn es Ihnen nicht gefällt, Herr Werner,
    wenn ich lese, wie Herr Heinrich meint, den völlig korrekten und unmissverständlichen Text des Herrn Bronski korrigieren zu müssen/zu sollen, indem er seiner Aussage: „Sodomie ist (heute) Sex mit Tieren“ die Wörter „hier und“ anfügt, dann krieg ich die Krise (ich verzichte extra auf die Zehennägel und hoffe, Sie wissen das zu würdigen.)

    Weder in dem Text des Herrn Süverkrüp noch in Herrn Bronskis Aussage war etwas Missverständliches enthalten und die seitenlangen Ausflüge ins Mittelalter und ins Angelsächsische/ins Französische sind, vorsichtig ausgedrückt und bei allem Respekt, so unnötig wie ein Kropf, ebenso die Versuche, den Text von Herrn Süverkrüpp nach Belieben um zu interpretieren und seine Aussage „in meinem (Heinrichs) Sinne zu glätten.“!

  61. Liebe Marie,

    ich teilte ihr „Empfinden“, dass die Rettung eines Menschenleben vor allem anderen Vorrang haben müsse. Deshalb war ich auch der Meinung, dass Daschner „moralisch richtig“ gehandelt hätte.
    Anders als Ihnen, ist mir jedoch durch Heinrichs sehr differenzierte und einleuchtende Erläuterungen über die Würde des Menschen klargeworden, dass dem Staat bzw. staatlichen Behörden, unter keinen Umständen erlaubt sein darf, gegen die Würde eines Menschen zu handeln.
    Genau das Gegenteil ist dem Staat schließlich vom GG auferlegt worden:
    Art.1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
    Wenn also nun dafür plädiert wird, dieses Grundrecht aufzuweichen, so wäre der staatlichen Willkür Tür und Tor geöffent. Stellen Sie sich einmal die Konsequenzen vor. Dazu hat Herr Hebel sehr anschaulich geschrieben:
    (…) „Wer das nicht ertragen möchte, möge sich vorstellen, selbst einmal in Verdacht zu geraten. Wenn wir Gewalt zum Erzwingen einer Aussage – also Folter – einmal billigen: Wer garantiert, dass es ausschließlich solche trifft, die sich später als schuldig erweisen? Wer die Menschenwürde schützen will, muss sie für alle schützen. Wer ihre Verletzung in einem Falle zulässt, muss damit rechnen, dass es irgendwann viele trifft.“
    Lesen Sie doch einfach nochmal ganz unvoreingenommen und aufmerksam Heinrichs Ausführungen durch und schießen Sie sich nicht so auf den Begriff „Sodomie“ ein. Das ist doch albern. Denn erstens hat das nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun und zweitens ist das ja wirklich eher ein Thema, über das vielleicht Gelehrte produktiv streiten können, wie man an Abrahams Einwand # 57 erkennen kann.
    Gruß
    Anna

  62. @ marie

    Ein letztes Mal: Ich habe auf Ihren Kommentar # 44 in #46 geantwortet. Da Sie sich mir da nicht als jemand empfohlen haben, die oberhalb der Niveauschwelle schreibt, auf der ich sie ernst nehmen könnte, in einer ironischen Replik. Da habe ich Ihre Invektiven gegen mich nochmals deutlich sichtbar zusammengefasst unter dem Titel: Verhöhnung und Schmähung statt begründeter sachlicher Kritik. Dafür gibt es m.E. zwei mögliche Erklärungen: Boshaftigkeit oder Dummheit und Ignoranz. Zu Ihren Gunsten habe ich die zweite angenommen, denn dafür könnten Sie ja nichts. Wenn Sie aber darauf bestehen, dass Boshaftigkeit ihr Motiv war, folge ich dem und nehme die Dummheit und Ignoranz zurück.

    Was die Sodomie betrifft, so habe ich, glaube ich, zugestanden, dass ich mich da vergriffen und ein wenig verrant habe. Was wollen Sie mehr? Das lag aber überhaupt nicht auf der Argument-Ebene, sondern war ein in mehrfacher Hinsicht missratenes Beispiel, das als solches für den Zusammenhang völlig unwesentlich ist. Wesentlich ist die von mir konstatiere Analogie von vorgeblich natürlichem Gerechtigkeitsempfinden und „gesunden Volksempfinden“, das die Nazis selbstverständlich auch als „natürlich“ deklarierten, um es als unverdorbene echte arisch-deutsche Denkungsart der „jüdischen Rabulistik“ (Goebbels) gegenüberzustellen. Das wäre, wie bereits mit Bedauern erwähnt, der sachliche Kern, den es zu vertiefen und über den es sich zu diskutieren lohnte.

    Mein Problem ist aber: ich habe mich in Wirklichkeit nicht in einem für die Sache unwesentlichen Beispiel geirrt, sondern ich habe völlig unterschätzt, dass ich als dilletantischer Amateurphilosoph an eine echte Wissenschaftlerin geraten bin, die mir, wie schon bewundernd konstatiert, das pseudowissenschaftliche Gewand vom Leib gerissen hat, anhand dieses einen begrifflichen Fehlers mein ganzes armseliges eklektisches Gedankengebäude niederzureißen wusste und das Publikum darüber aufgeklärt hat, wie die Dinge, wissenschaftlich geradegerückt, wirklich liegen.

    Dabei habe ich angenommen, mein Text sei klar und deutlich und nachvollziebar verfasst gewesen und nur in ihrer Rezeption völlig verzerrt wiedergegeben und entsprechend kritisiert worden und habe ihr entsprechend mangelnde Lesefähigkeit vorgehalten. Die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit aber, dass ich selber nur über eine sehr beschränkte Denk-und sprachliche Artikulationsfähigkeit verfügen könnte und dass dergestalt die von mir als Verzerrung und Verdrehung meiner Äußerungen wahrgenommene Lesart durch meinen kruden Text selber evoziert worden sein könnte, habe ich in meiner Verblendung völlig außer Acht gelassen. So muss ich denn tiefbeschämt Ihnen in allen Punkten Recht geben, ich nehme alles zurück, was ich behauptet habe, und bestreite das Gegenteil.

    Da aber dergestalt offenbar geworden ist, dass ich einer Diskussion auf dem von Ihnen reklamierten wissenschaftlichen Niveau absolut nicht gewachsen bin, sehe ich keinen Sinn darin, eine solche hier weiter zu versuchen und mich noch mehr von Ihnen beschämen zu lassen.

    Ich mache also von meinem grundgesetzlich garantierten Recht auf Unterlassung jeglicher weiterer Meinungsäußerung Gebrauch und verbleibe mit bedauernder Anerkennung
    Ihr Heinrich

    P.S. Ungeachtet dessen behalte ich mir vor, zu dem einen oder anderen Punkt nochmal vertiefernd oder Stellung zu nehmen, aber fühlen Sie sich bitte um Himmels Willen nicht angesprochen und zu einer Antwort herausgefordert!
    h.

  63. Liebe Anna, werter Heinrich

    ich habe nicht Herrn Hebels Beitrag kritisiert und bin, ebenso wie er, der Ansicht, dass Folter nicht „gebilligt“ werden darf. Und das wurde sie im Falle Daschner/Gäfgen auch nicht, es gab rechtsstaatliche Verfahren in welchen unter Abwägung der jeweiligen Rechtsgüter Urteile gesprochen wurden, die ich nicht kritisiert habe.

    Im Falle Daschner hat das Gericht zwischen zwei Rechtsgütern (Würde des Täters und Würde, Leben, körperliche Unversehrtheit und freie Entfaltung des Kindes) abwägen müssen, (ja, das Kind hat in der Tat auch eine Würde und Menschenrechte, die vom Staat zu schützen sind, auch wenn hier mittlerweile so getan wird, als würde die Würde allein dem Täter zustehen) und die schwierige Lage, in der sich die Beamten befanden, die ein nach ihren damaligen Erkenntnissen seit Tagen unversorgtes Kind (Nahrung, Flüssigkeit) retten wollten, von dem sie nicht wussten, in welcher Lage es sich befand und ob es womöglich verletzt war und bei dem sie davon ausgehen mussten, dass weiteres Zuwarten zum Tode führen würde) diese Lage der Beamten wurde selbstverständlich nach rechtsstaatlichen Prinzipien auch berücksichtigt, so wie es in einem Rechtsstaat geboten ist.

    Es ging nach Recht und Gesetz zu, die Folter wurde nicht frei gegeben, nicht einmal ansatzweise, auch wenn hier Einige Gegenteiliges behaupten und so tun, als ginge es in diesem Falle allein nur um die Würde des Täters, nein, meine Damen und Herren, es geht auch um die zu schützende Würde des Kindes und um sein Recht auf Leben, selbst wenn Einige hier dieses für einen Faktor zu halten scheinen, der vernachlässigenswert ist.

    Zum Thema habe ich von meiner Seite alles gesagt, was es von meiner Seite zu sagen gab, und glücklicherweise haben die Gerichte rechtsstaatliche Urteile gefällt, in denen es um Abwägung der Menschenrechte des Täters und des Opfers und die spezielle Notlage der Beamten ging, ganz ohne seitenlange Erläuterungen zu Sodomie, NS-Zeit, Ausflüge in fremde Sprachen und ins Mittelalter, Kant, Hannah Arendt, Psychoanalyse und so weiter und so fort, weil es hier um Rechtfragen geht und nicht um Ausflüge ins Mittelalter. Ja, und ich bin immer noch der Meinung, dass das alles ziemlich am Thema vorbei geht, auch wenn Einige hier das anders zu sehen scheinen.

    Das gewählte Sodomie-Beispiel sollte lediglich den unsauberen Umgang mit Quellen und Autoren verdeutlichen, deren Aussagen Heinrich in „seinem Sinne glättet“, wie er selbst einräumte. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Beitrag und mehr ist dazu auch nicht mehr zu sagen, dass mittlerweile zu diesem Thema seitenlange weitere Ausflüge ins MA, fremde Sprachen und so weiter und so fort von Heinrich unternommen wurden, liegt nicht in meiner Verantwortung, ebenso lag es nicht in meiner Verantwortung, dass Heinrich das Thema Sodomie/Homosexualität in einen doch recht herbei konstruiert erscheinenden Zusammenhang mit dem Thema des Threads brachte, denn nach meiner Meinung ist der konstruierte Zusammenhang an den Haaren herbei gezogen.

    Ich werde zu diesem Thema nichts mehr schreiben und wünsche viel Spaß bei der weiteren Diskussion. Sie dürfen und können also gerne weiter Beiträge zu Psychoanalyse, Kant, Mittelalter, Sprachen, Homosexualität etceterapepe einstellen, ich werde sie nicht mehr kommentieren, versprochen.

    Nur eins noch, ich bin auch nicht böswillig, was ich geschrieben habe, entspricht meiner Meinung und ich habe sie auch begründet und damit soll es jetzt vom meiner Seite genug sein.

    Liebe Grüße
    Marie

  64. @marie

    Da selbst Götter gegen Dummheit vergebens kämpfen, ist es aussichtslos, gegen eine Kombination von beidem anzutreten.

    😉

  65. @ marie
    Versuchen wir doch gemeinsam, die Argumente zu sortieren.

    1. Auch Sie lehnen eine Aufweichung des Folterverbots ab und stellen den Menschenwürde-Artikel des Grundgesetzes nicht in Frage. Somit können Sie Heinrichs philosophische und geschichtliche Ableitung dieses Verbots aus der Menschenwürde für entbehrlich halten, während andere (mich eingeschlossen) sie als aufschlussreich begrüßen. Einen Widerspruch zwischen Ihrer Haltung zum Folterverbot und Heinrichs Ausführungen sehe ich nicht und verstehe deshalb Ihre wortreich vorgetragene Empörung nicht. Dass Heinrich den veralteten Begriff Sodomie für Homosexualität verwendet hat, ist wirklich eine längst aufgeklärte Nebensächlichkeit, zumal aus dem Zusammenhang klar ist, dass Heinrich die Stigmatisierung der Homosexualität durch das „gesunde Volksempfinden“ verurteilt.

    2. Auf der ethischen Ebene bestehen Sie auf dem Vorrang des Rechts auf Leben des entführten Kindes vor dem Recht des Entführers auf Schutz seiner Menschenwürde. In Ihrer Argumentation vermischen Sie aber die Ebene der „Gewissensentscheidung“, die Daschner zu treffen hatte, mit der rechtlichen Ebene. Dazu schreiben Sie:
    „Im Falle Daschner hat das Gericht zwischen zwei Rechtsgütern (Würde des Täters und Würde, Leben, körperliche Unversehrtheit und freie Entfaltung des Kindes) abwägen müssen, (ja, das Kind hat in der Tat auch eine Würde und Menschenrechte, die vom Staat zu schützen sind, auch wenn hier mittlerweile so getan wird, als würde die Würde allein dem Täter zustehen) und die schwierige Lage, in der sich die Beamten befanden, die ein nach ihren damaligen Erkenntnissen seit Tagen unversorgtes Kind (Nahrung, Flüssigkeit) retten wollten, von dem sie nicht wussten, in welcher Lage es sich befand und ob es womöglich verletzt war und bei dem sie davon ausgehen mussten, dass weiteres Zuwarten zum Tode führen würde) diese Lage der Beamten wurde selbstverständlich nach rechtsstaatlichen Prinzipien auch berücksichtigt, so wie es in einem Rechtsstaat geboten ist.“
    Die von Ihnen geforderte Abwägung hatte das Gericht, das über Daschner und seinen Untergebenen zu richten hatte, aber ausdrücklich nicht treffen dürfen. Eine solche Abwägung (also Relativierung) würde gegen die unbedingte Achtung der Menschenwürde verstoßen, die auch einem verabscheuungswürdigen Kindermörder zusteht (Heinrich hat gut begründet, warum dem so ist). Dies bedeutet keineswegs eine Missachtung der Rechtsgüter des Opfers („Würde, Leben, körperliche Unversehrtheit und freie Entfaltung des Kindes“). Wegen der Verletzung dieser Rechte ist Gäfgen von einem anderen Gericht zur lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Dabei wurde die Schwere seiner Schuld – auch seine Weigerung, den Aufenthaltsort des entführten Kindes preiszugeben – bei der Strafzumessung gebührend berücksichtigt. In dem Verfahren gegen Daschner war seine Notsituation zwar nicht bei der Bewertung der Strafbarkeit seines Verhaltens abzuwägen (schließlich hatte er sich selber angezeigt und leugnete die Tat nicht), allerdings bei der Bewertung des Umfangs seiner Schuld zur Strafbemessung. Diese Abwägung hat das Gericht meiner Meinung nach richtig vorgenommen. Soweit ich verstehe, sind auch Sie mit dem Gerichtsurteil einverstanden.

    3. Zurück zu der ethischen Notsituation, in der sich Daschner befand. Ich habe schon geschrieben, dass ich ihm eine ethisch ausweglose Zwangslage zubillige, aus der es keinen „sauberen“ Ausweg gab. Er hatte zu entscheiden, durch Rechtsbruch das Kind zu retten zu versuchen (und riskierte dabei auch, dass der Täter straflos davonkommen könnte, weil die durch Folterandrohung erlangten Beweise nicht gerichtsvertretbar sind – tatsächlich konnte Gäfgen nur verurteilt werden, weil er vor Gericht nochmals den Mord gestanden hat), oder durch Nichtstun womöglich den Tod des Kindes mit zu verursachen. Sie schreiben, dass Sie genauso wie Daschner handeln würden, weil sie das Recht auf Leben über alles stellen. Auch nach meiner religiösen Überzeugung hat die Lebensrettung den Vorrang vor allen anderen Geboten. Trotzdem weiß ich nicht, wie ich in Daschners Situation handeln würde, obwohl ich als Vater von drei Kindern selbstverständlich mit den Eltern des entführten Kindes und dem Kind selbst mitfühle. Eine Gewissensentscheidung, wie die Daschners, lässt sich nicht theoretisch „auf Vorrat“, sondern nur in einer konkreten Situation treffen und ist als höchst individuelles Handeln von außen nicht „prüfbar“. Ich für mich lehne Daschners Entscheidung unter rechtlichen Aspekten ab, kann ihm aber meinen Respekt für sein Handeln und mein Mitgefühl für seine Zwangslage nicht versagen. Ob Heinrich, der sich zu diesem Aspekt der Diskussion überhaupt nicht geäußert hat, die Sache ähnlich sieht, weiß ich nicht.

  66. @ Abraham

    „Ich für mich lehne Daschners Entscheidung unter rechtlichen Aspekten ab, kann ihm aber meinen Respekt für sein Handeln und mein Mitgefühl für seine Zwangslage nicht versagen.“

    100 % Zustimmung! Und warum Daschners Entscheidung rechtlich – ohne wenn und aber – abzulehnen ist, das hat Heinrich so brilliant und umfassend erklärt.

    Gruß
    Anna

  67. Ich werde noch einmal einen Versuch unternehmen, die Diskussion vom Kopf (philosophisch-psychologisch-geschichtliche Betrachtungen) auf die Beine zu stellen. Hier geht es nämlich ausschließlich um die Rechtslage, um das GG, die Pflichten staatlicher Organe und um nichts anderes.

    Die Diskussion hier kreist ausschließlich um die Grundrechte des Herrn Gaefgen (des Täters), aber selbstverständlich stehen auch die Opfer unter dem Schutz des Grundgesetzes, was in der Diskussion völlig ausgeblendet wurde.
    Die Ermittlungsbeamten waren verpflichtet, das mildeste mögliche Mittel anzuwenden, um das Kind zu retten. Sie waren verpflichtet, die Grundrechte des Kindes zu schützen, wobei hier nicht nur die Menschenwürde des Kindes, sondern zusätzlich das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen waren. Das Recht auf Leben steht in der Rechtsordnung eindeutig und ohne Frage über dem Recht auf Menschenwürde, denn ein in seiner Menschenwürde „Beschädigter“ kann spätere Genugtuung erlangen, z.B. durch Entschädigung, Bestrafung der Täter, ein Toter nicht. Deshalb ist Mord oder Totschlag auch mit höheren Strafen bedroht, als Androhung von Folter. Und auch bei der Folter kommt es auf den Schweregrad an, 6 Tage Waterboarding mit Todesgefahr sind rechtlich und in Bezug auf das drohende Strafmaß anders zu bewerten, als die bloße Androhung von Folter.

    Die Beamten waren eindeutig verpflichtet, unter Verwendung des mildesten Mittels das Leben des Kindes zu retten zu versuchen. Gesetzesvertöße bleiben dann straffrei, wenn anders eine noch schwerere Verletzung von Grundrechten Unschuldiger (z.B. deren Tod) nicht abzuwenden ist.(Ähnlich beim finalen Rettungsschuß, der dann straffrei bleibt, wenn kein milderes Mittel zur Abwehr zur Verfügung steht und das Leben Unschudiger in Gefahr ist, und in diesem Falle steht sogar das Leben des Täters zur Debatte, nicht nur seine Menschenwürde).

    Die Richter hatten zu beurteilen, ob es kein milderes Mittel für den Versuch der Beamten gab, das Leben des Kindes zu retten. Hierbei spielte eine entscheidende Rolle, dass das Kind zum fraglichen Zeitpunkt seit Tagen unversorgt war (wenn es, wie der Täter behauptete, noch gelebt hätte). Die Beamten mussten deshalb davon ausgehen, dass das Kind den nächsten Tag vermutlich nicht überleben würde, denn durch die Observation war klar, dass der Täter das Kind nicht versorgt hatte. Die Beamten standen somit unter erheblichem Zeitdruck und hatten schon sehr viel unternommen, um Herrn Gäfgen zur Preisgabe des Verstecks zu bewegen. Die Androhung der Folter diente auch nicht dem Ziel, den Täter zu überführen, sondern allein dem Ziel, ein Menschenleben zu retten und deshalb hatte Herr Gaefgen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auch keinen Erfolg.

    Im Ermessen der Richter lag es, ob sie die Beamten freisprechen oder eine sehr milde Strafe verhängen. Eine sehr milde Strafe deshalb, weil eventuelle mildere Möglichkeiten, Herrn Gäfgen zur Preisgabe des Verstecks zu bewegen, eventuell noch nicht völlig ausgeschöpft waren. Hierbei war auch der Zeitdruck, unter dem die Beamten standen, zu würdigen. Die Richter haben sich für eine milde Form der Bestrafung entschieden, weil sie nicht ohne jeden Zweifel ausschließen konnten oder wollten, dass eventuell z.B. auch eine erneute Einschaltung von engen Vertrauenspersonen des Herrn Gäfgen ebenfalls zur Preisgabe des Versteckes hätte führen können, obwohl diese im Lauf der Vernehmung bereits erfolgt war, sozusagen ein weiterer Versuch. Deshalb die Verwarnung, dass die Beamten verpflichtet waren, den mildesten Gesetzesvertoß anzuwenden, wenn anders keine Preisgabe des Verstecks möglich war, um das Leben eines Kindes zu retten, ist rechtlich gesehen überhaupt keine Frage.

    Auch bei der Entschädigung stand lediglich die Höhe der Entschädigung im Ermessensspielraum des Richters. Eine symbolische Entschädigung von 1 Euro oder so hätte sehr vermutlich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keinen Bestand gehabt, auch wenn hier teilweise anderes behauptet wird. Es bleibt hier lediglich die Frage, ob der Gerichtshof dem Herrn Gäfgen aufgrund des richterlichen Ermessensspielraums eine höhere Entschädigung zubilligt, was ich persönlich nicht hoffe.

    Ich persönlich finde es höchst erstaunlich, dass hier ausschließlich Betrachtungen über die Grundrechte des Täters angestellt werden, während die von staatlichen Organen zu schützenden Grundrechte des Opfers unter den Tisch fallen. Ich finde es sehr, sehr sonderbar, dass philosophisch-psychologische Betrachtungen über die Menschenwürde des Herrn Gäfgen angestellt werden, währen die staatlich zu schützenden Grundrechte des Opfers unter den Tisch fallen. Und ich kann nur sagen, ich bin erleichtert, dass wir (Noch) in einem rechtsstaat leben, der auch die Grundrechte der Oppfer schützt, denn die stehen auch unter dem Schutz des GG, nicht nur die Mörder. Über den sonderbaren Verlauf dieser Diskussion bin ich entsetzt, aber erleichter, dass wir noch Richter haben, die auch die Grundrechte der Opfer in ihre Urteile entsprechend des Rechtsstaatgebotes einfließen lassen.

  68. Ach ja, und noch eines: Es gibt durchaus auch Rechtsexperten, die analog zu den Gesetzen zum finalen Rettungsschuss, der eine bedeutend schwerere Grundrechtsverletzung darstellt, als die Androhung der Folter, nach gesetzlichen Regelungen verlangen. Aus dieser Diskussion möchte ich mich heraus halten, ich finde es ausreichend, wenn in einem solchen (extrem seltenen) Fall Gerichte, einschließlich des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte prüfen, ob der Gesetzesverstoß das mildeste Mittel war, um den Tod Unschuldiger abzuwenden und zu prüfen, ob die Aussagen unter Folterandrohung bei der Verurteilung des Täters eine Rolle spielten. Das war im Falle Gäfgen eindeutig nicht der Fall. Und wenn hier selbsernannte Folterexperten das Gegenteil behaupten, empfehlich eine Klage bei eben diesem Gericht. Und absolut ist nur der Tod, ein Glück, dass die Gerichte das auch so werten.

  69. Anders ausgedrückt, meine Damen und Herren: Ein Glück, dass wir noch Richter haben, die geltende Rechtsnormen und das GG und das Rechtsstaatsgebot und die Verpflichtung staatlicher Organe zum Schutz der Grundrechte, auch wenn es sich nur um Opfer und nicht um Täter handelt, ernst nehmen und zur Grundlage Ihrer Urteile machen. Und nicht die philosophischen Betrachtungen des Herrn Heinrich, der die Würde der Täter über sämtliche Rechtsstaatsgebote und sämtliche Prinzipien des Rechtsstaats stellt und die Rechte der Opfer vollständig ausblendet, indem er sich allein der Menschenwürde der Täter seitenlang zuwendet.

  70. Zur Opposition des Bösen und der Banalität.

    In dem denkwürdigen Fernseh-Interview, das Hannah Arendt dem kongenialen Interviewer Günter Gaus als eins der wenigen überhaupt gegeben hat, spricht er mit ihr über ihr Eichmann-Buch. Da wird deutlich, dass und wieso ihr Buch vor allem unter Juden sehr umstritten war.

    Gaus: In diesem Herbst, Frau Arendt, ist in der Bundesrepublik Ihr Buch über den Eichmann-Prozess in Jerusalem erschienen. Diese Arbeit ist seit ihrem Erscheinen in Amerika sehr heftig diskutiert worden; besonders von jüdischer Seite wurden Einwände gegen Ihr Buch erhoben, von denen Sie sagen, daß sie zu einem Teil auf Mißverständnisse, zu einem anderen auf eine gesteuerte politische Kampagne zurückzuführen sind. Anstoß hat vor allem die von Ihnen behandelte Frage erregt, wieweit den Juden ihr passives Erdulden der deutschen Massenmorde angelastet werden müsse, oder wieweit jedenfalls die Kollaboration bestimmter jüdischer Ältestenräte fast zu einer Art Mitschuld geworden ist. Wie dem auch sei – für ein Porträt Hannah Arendts ergeben sich, so scheint mir, aus diesem Buch über Eichmann mehrere Fragen. Darf ich damit beginnen: Schmerzt Sie der gelegentlich erhobene Vorwurf, dieses Ihr Buch ermangle der Liebe zum jüdischen Volk?



    Arendt: Zuerst einmal darf ich mit aller Freundlichkeit feststellen, daß Sie natürlich auch schon ein Objekt dieser Kampagne geworden sind. Ich habe nirgends in dem Buche dem jüdischen Volk das Nicht-Widerstehen vorgeworfen. Das hat ein anderer Mensch getan, nämlich Herr Haussner von der israelischen Staatsanwaltschaft im Prozeß gegen Eichmann. Ich habe die von ihm in dieser Richtung ergehenden Fragen an die Zeugen in Jerusalem töricht und grausam genannt.

Gaus: Ich habe das Buch gelesen. Ich weiß das. Nur gründen sich einige der Vorwürfe, die man Ihnen gemacht hat, auf den Ton, in dem manche Passagen geschrieben sind.

Arendt: Nun, das ist eine andere Sache. Dagegen kann ich nichts sagen. Und darüber will ich nichts sagen. Wenn man der Meinung ist, daß man über diese Dinge nur pathetisch schreiben kann … Sehen Sie, es gibt Leute, die nehmen mir eine Sache übel, und das kann ich gewissermaßen verstehen: Nämlich, daß ich da noch lachen kann. Aber ich war wirklich der Meinung, daß der Eichmann ein Hanswurst ist, und ich sage Ihnen: Ich habe sein Polizeiverhör, 3600 Seiten, gelesen und sehr genau gelesen, und ich weiß nicht, wie oft ich gelacht habe; aber laut! Diese Reaktion nehmen mir die Leute übel! Dagegen kann ich nichts machen. Ich weiß aber eines: Ich würde wahrscheinlich noch drei Minuten vor dem sicheren Tode lachen. Und das, sagen Sie, sei der Ton. Der Ton ist weitgehend ironisch, natürlich. Und das ist vollkommen wahr. Der Ton ist in diesem Falle wirklich der Mensch. Wenn man mir vorwirft, daß ich das jüdische Volk angeklagt hätte: Das ist eine böswillige Propagandalüge und nichts weiter. Der Ton aber, das ist ein Einwand gegen mich als Person. Dagegen kann ich nichts tun.

    
Der Philosoph Hans Saner kommentiert:
    „Ich glaube, dass es möglich geworden ist, durch diesen Ton jenseits von Mythen zu sprechen. das war dann die wirkliche Entmythologisierung, Wenn das etwas von einer Banalität an sich hat, dann muss man eigentlich so damit umgehen.“

    In einem Rundfunk-Interview sagt ihr Philosophie-Professor und Mentor und väterlicher Freund Karl Jaspers über ihre Erfahrung mit und ihre Einstellung zu Eichmann:

    „Sie will ihn begreifen. Ehe sie ihn begreifen will, empfiehlt er sich als – wie es auch immer sei – banale Figur. Und die Selbstempfehlung der Banalität schlägt der Erwartung eines bösen Dämon so ins Gesicht, dass sie eine Beleidigung für alle war, die sich dachten, nur ein Teufel kann die Juden umgebracht haben. Hannah Arendt sagt: „Das ist ja das Entsetzliche, es ist viel leichter, sagt sie, zum Opfer zu fallen einem bösen Teufel als einer solchen Banalität eines Menschen, den ich am Ende für einen Hanswurst halten muss und der unter solchen Umständen zur Herrschaft, zur Macht kommen kann.“

  71. Und nein, Herr Abraham und Frau Anna, ich habe auch und vor allem auf der rechtlichen Ebene recht und die Beamten wurden nur aus einem Grund verwarnt: Weil nicht mit der erforderlichen absoluten Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, dass eventuell auch mildere Mittel zur Preisgabe des Versteckes hätten führen können. Und das Folterverbot steht nicht über allen anderen GG-Rechten, auch wenn der Herr Heinrich uns das weiß mit philosophischen Betrachtungen weis machen möchte.

    Und nein, das GG und die Menschenrechte gelten nicht nur für Täter, sie gelten auch für die Opfer von Tätern, auch wenn hier in diesem Thread die Grundrechte der Opfer ausgeblendet werden.

    Und ja, ich bin ärgerlich, sehr sogar, weil die Opfer in diesem Lande weder eine Lobby haben und auf Entschädigung bis zum Sankt-Nimmerleinstag warten können.

    Und ja, vor diesem Hintergrund finde ich es absolut entsetzlich und bin empört, wenn Leute wie Heinrich die Menschenrechte für Täter in wissenschaftlich anmutenden psychologisch-philosophisch-geschichtlichen Betrachtungen akribisch unter die Lupe nehmen, mit wissenschaftlich absolut unzulässigen Methoden, die Grundrechte der Opfer entgegen geltender Rechtslage aber völlig ausblenden und damit letztlich verlangen, dass die Opfer von Gewalttaten in diesem Staat noch weniger Rechte genießen und allein die Rechte der Täter zählen sollen. Sozusagen ein Rückschritt gegenüber der derzeit geltenden Rechtslage, bei der die Opfer sowieso schon sehr wenig Rechte haben.

    Und es wundert mich sehr, dass hier zahlreiche Diskuttanten diesen einseitigen Betrachtungen unter völliger Ausblendung der geltenden Rechtslage und des rechtsstaatsgebotes auch noch folgen.

    Offensichtlich wagt sich hier außer mir keiner m

  72. Die paar Schreibfehler bitte ich zu entschuldigen, und ich frage jetzt den Herrn Heinrich, was wollen Sie mit den Hannah Arendt Statements eigentlich sagen und was hat das mit Gäfgen und dem Rechtsstaat zu tun?

    Hanah Arendt hat von der Banalität des Bösen gesprochen, wenn Sie daraus schließen, dass alle Menschen sozusagen das Böse in sich tragen und es reiner banaler Zufall ist, ob sie sich für das Gute oder das Böse entscheiden, dann haben Sie Hannah Arendt völlig falsch verstanden. Selbsverständlich beschädigt ein Mensch, der sich für das Böse entscheidet, seine eigene Menschenwürde, auch wenn er noch so banal ist.

    Wollen Sie sich nicht endlich einmal dem Grundgesetz, den Rechtsstaatsprinzipien, den Menschenrechten von Opfern und Tätern und der Gegenwart zuwenden, Herr Heinrich? Um die geht es hier nämlich, und nicht um Hannah Arendt und Ihre fragwürdige Auslegung der Aussagen von Hannah Arendt.

    Ihre einseitige Betrachtung der Täterwürde unter Ausblendung der Grundrechte der Opfer und der Rechtsstaatsprinzipien ist unerträglich.

  73. @ Bronski,

    Bisher habe ich die Verdrehungen der Frau marie nur als solche qualifiziert, aber nicht richtigzustellen mich genötigt gesehen, weil ich mich darauf verlassen habe, dass jeder Leser die Haltlosigkeit der verdrehten Interpretationen meiner Aussagen ohne weiteres erkennt.

    Der Kommentar # 70 hat aber eine ganz neue Qualität. Hier werden Äußerungen über meine angebliche Haltung getätigt, die meinen veröffentlichten Aussagen diametral entgegengesetzt sind, eindeutig objektiv ehrenrührig sind und, indem sie meine persönliche Integrität in herabwürdigender Weise berühren, m.E. den Straftatbestand der Beleidigung erfüllen.

    Ich bin nicht bereit zu dulden, dass so etwas in der Öffentlichkeit über mich zu lesen ist und bitte dich, den Kommentar, mindestens aber die mich betreffende Passage, zu löschen.

    Freundlichst
    Heinrich

  74. P.S.

    Das gilt natürlich auch für die Wiederholung der Unterstellungen in # 73, zumal im letzten Satz.

  75. @marie

    Ich finde es durchaus richtig, auf die Menschenrechtsverletzung, Folter und Gewissenkonflikte einzugehen, die die Eltern und die Beamten erlitten haben. Hier fehlt es an der eindeutigen Stellungnahme des Staates, nämlich der, die Opfer ebenso gerecht zu entschädigen, wie es dem Täter zuteil wurde.

    Der Kern des Problems ist, daß der Täter Teil der Gesellschaft ist und also gegenüber der Gesellschaft Rechte hat. Wenn er aber unbedingt Teil der Gesellschat ist und bleiben soll, denn darum geht es bei der Formulierung von Menschenrechten, dann muß die Gesellschaft auch für seine Taten einstehen und für einen Ausgleich der Rechte sorgen. Letztlich wird das Problem, daß man den Täter aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht seiner Rechte berauben kann und ihn nicht aus der Gesellschaft ausschließen will auf die Opfer verlagert. Man schliesst statt dessen diese aus und beraubt diese ihrer Rechte.

    Im übrigen denke ich, daß durch die fortgesetzten Rechtsgeplänkel, den Berichten und diesen Diskussionen dem Täter nur die Möglichkeit gegeben wird, sein Verbrechen zu wiederholen.

    Was bei der ganzen Diskussion untergeht ist, daß nicht nur staatliches Foltern verboten ist.

  76. Als dem Abgeordneten und dogmatischen Gegner öffentlicher Video-Überwachungen C. Ströbele sein Fahrrad geklaut wurde, wollte er als erstes die Aufnahmen der Videoüberwachung von dem Diebstahl seines Fahrrads sehen.
    Sehr geehrte Marie, alle, die Ihnen hier heftig widersprechen, dürften garantiert die ersten sein, die nach einer Folterandrohung schreien, wenn sie selbst Entführte von einem Perversen wären und dadurch ihr Leben retten könnten. Ich glaube nicht, dass jemand, der in den Fängen eines Perversen Todesängste erleidet, auf seine Lebensrettung verzichten würde, nur um einen Polizisten vor einer Gesetzeswidrigkeit zu bewahren. Ihre Ansatz “Erst Leben retten und dann diskutieren” ist ein Beispiel für eine sehr pragmatische Lebensphilosophie, die mir viel besser gefällt als die Philosophie “Des reinen Geschwätzes über die Vernunft“. Sollte ich jemals entführt werden, hoffe ich auf Menschen mit Ihren Ansichten und Ihrer Einstellung.

  77. @ M.G.H. #77

    Ach, die Bedeutung des eigenen Lebens wird häufig doch stark überschätzt.

    Ich habe beispielsweise eine Notfallverfügung (ähnlich einer Patientenverfügung) verfasst, in welcher ich meiner Familie, aber auch meinen FreundInnen und staatlichen Organen ausdrücklich untersage, im Falle von Entführungen oder Erpressungen etc. den Kriminellen in irgendeiner Weise entgegenzukommen oder auch nur mit ihnen zu verhandeln. Eventuell bei mir vorhandenes Vermögen ist ausschließlich zur Ermittlung und Ergreifung der Täter zu verwenden. Diese Verfügung ist den Betreffenden bekannt und gegenüber staatlichen Stellen im Ereignisfall zu vertreten. Unter Berufung auf meine Verfügung würde ich im Fall meiner Rettung oder Befreiung beispielsweise die Rückerstattung von Lösegeldzahlungen oder Befreiungskosten verweigern. Inwieweit eine derartige Verfügung tatsächlich rechtlich bindend sein kann, ist meines Wissens noch nicht geklärt. Ich würde mein „Selbstbestimmungsrecht“ jedoch durch alle Instanzen verteidigen.

    Sicherlich hätte meine Familie daran zu knapsen, meine Entscheidung nicht nur zu akzeptieren, sondern auch durchzusetzen. Aber das ist dann deren Problem – ebenso wie in Fällen von Freitod oder Sterbehilfe.

    Ansonsten: dieser Thread hat als Thema „… und andere Emotionen“. Wo, wenn nicht hier, passt das Abwatschen so ausserordentlich prima hinein?!

  78. @ marie

    Ich bin nur noch sprachlos wie Sie hier herumwüten. So etwas habe ich ja noch nie erlebt in diesem Blog.

  79. Ich rumwüten, Anna? Jetzt bin ich aber sprachlos, ich habe hier lediglich meine Meinung gesagt und die Rechtslage erläutert, ich habe nicht versucht, anderen den Mund zu verbieten, in dem ich mit Strafanzeige drohte. Bleiben Sie bitte auf dem Teppich. Ich wurde von Heinrich als dumm, ignorant oder böswillig bezeichnet, und das ist eindeutig eine Beleidigung. ()

    Mir ist mittlerweile klar geworden, dass einige hier wohl dem Irrtum erlegen sind, die Menschenwürde stünde über allen anderen GG-Normen, weil sie in Artikel 1 behandelt wird. das ist aber nicht der Fall, die Reihenfolge der Artikel sagt rein gar nichts über ihre Wertigkeit, weder beim GG, noch beim StGB noch sonst wo. Ohne Leben gibt es auch keine Würde und das Recht auf Leben steht eindeutig über dem Recht auf Würde, auch wenn hier anderes unrichtigerweise behauptet wird.

    Das Recht auf Leben steht schon allein aus dem Grund über allen anderen Rechten, weil ohne Recht auf Leben sämmtliche anderen Rechte hinfällig sind. Ohne Leben gibt es weder eine Menschenwürde noch sonstwas und es wundert mich schon, dass dieser einfache rechtlich unumstrittene Sachverhalt hier vehement und fortgesetzt bestritten wird.

    () Pasage gelöscht, Bronski

  80. @ all

    Ich bleibe auch jetzt moderat und weise darauf hin, dass ich nicht wüsste, wo ich mit dem Löschen beginnen sollte, wenn ich denn damit anfinge. Das beginnt mit Heinrichs misslungenem Einstieg mit Kommentar # 41, der letztlich eine Beleidigung aller Homosexuellen ist, und kulminiert in Maries Kommentar # 70, in dem Heinrichs Worte tatsächlich verdreht werden. Da haben sich zwei nicht das geringste geschenkt.

    @ Heinrich

    Deine Einlassungen in den Kommentaren # 46 und 56 sind teils unterirdisch. Ja, der Sprachgebrauch in anderen Ländern ist anders. Das könnte schon damit zu tun haben, dass dort andere Sprachen gesprochen werden, oder? Andere Sprachen, andere Begriffsumfelder. Im Französischen beispielsweise gibt es keine Entsprechung für das deutsche Wort „schwul“, dort hat sich das englische „gay“ eingebürgert. Das französische Wort „pédé“, das auf Fußballplätzen und anderswo analog zu „schwul“ auf deutschen Fußballplätzen als Schimpfwort benutzt wird, ist die Kurzform von „pédéraste“ mit der Doppelbedeutung „Homosexueller“ und „Pädophiler“. Kein Wunder, dass die französische Schwulenbewegung davon abgesehen hat, dieses Wort für sich zu vereinnahmen, so wie das der deutschen mit „schwul“ gelungen ist. Solche Sprachvergleiche sind daher immer Kulturvergleiche, und die gehen ins Leere, wenn nicht der gesamte kulturelle Hintergrund mit einbezogen wird. Meine Zehennägel haben sich jedenfalls mit maries soldarisiert.

    @ marie, # 70

    Heinrich hat nicht „die Würde der Täter über sämtliche Rechtsstaatsgebote und sämtliche Prinzipien des Rechtsstaats“ gestellt, sondern er hat das universelle Prinzip der Menschenwürde dargelegt, das das Konzept der Menschenrechte begründet. Die Zuspitzung, die Sie in diesem Kommentar vornehmen, ist unhaltbar. Fakt ist: Keinem Menschen können diese Menschenrechte genommen werden. Er behält seine Menschenwürde auch dann, wenn er sich unwürdig verhält und sich offenbar dieses hohen Guts nicht bewusst ist oder es gar, wie möglicherweise im Fall Gäfgen, missbraucht. Der Schutz der Grundrechte des Opfers darf daher nicht zur Verletzung der Grundrechte des Täters führen, erst recht nicht von Staatsseite.

    @ all

    Bitte um Mäßigung

  81. Hallo, Herr Bronski,

    ich bin ja gerne bereit zur Mäßigung, trotzdem kann ich Ihren letzten Absatz nicht so stehen lassen, weil ich nach wie vor die Auffassung vertrete, dass diese Rechtsmeinung unrichtig ist. Die Menschenwürde ist der Überbegriff, der in den Freiheitsrechten, Unverletzlichkeitsrechten und Anspruchsrechten näher definiert wird. Und dass die Verletzung der Menschenwürde des Herrn Gäfgen grundsätzlich über dem Recht auf Leben des Opfers steht, ist so nicht richtig. Deshalb wurden die Beamten auch nicht bestraft, sondern nur in der mildest möglichen Form verwarnt. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das so gebilligt. Und im Extremfall hätte eine Verwarnung auch ausbleiben können, wenn eindeutig und ohne Zweifel festgestanden hätte, dass es tatsächlich kein milderes Mittel gab, das die Beamten noch hätten anwenden/versuchen können, um das Leben des Kindes zu retten. Klar ist Androhung von Folter ein Rechtsverstoß, aber der Rechtsverstoß kann eben bei gegebenen Konstellationen, und um die geht es hier, auch straffrei bleiben.

    Ich konnte im Übrigen aus Heinrichs Beiträgen nicht ein einziges Wort entnehmen, in welchem er auf die Grundrechte/die Menschenwürde des Opfers und den staatlich gebotenen Schutz derselben auch nur ansatzweise eingegangen wäre. Und daraus ergab sich für mich die logische Schlussfolgerung, dass Heinrich die Grundrechte des Opfers und deren gebotenen Schutz nicht interessieren und dass es ihm allein um den Menschenwürdebegriff des Täters geht, aber ich lasse mich ja gerne korrigieren. Wo genau hat sich der Heinrich mit den Grundrechten des Opfers befasst und eine Rechtsgüterabwägung zwischen den Grundrechten des Täters und des Opfers vorgenommen?

    Die Menschenwürde ist der Oberbegriff, sie wird definiert durch sämtliche Grundrechte, eingeteilt in die Freiheitsrechte, die Unverletzlichkeitsrechte und die Anspruchsrechte und das Recht auf Leben steht in der Hierarchie ganz oben. Es tut mir ja leid, wenn meine Äußerungen als „Rumwüten“ missverstanden werden, aber so ist das nun mal und ganz ehrlich, ich möchte auch nicht, dass das geändert wird.

  82. Noch eines würde ich gerne ergänzen: Mit dieser rechtsmeinung stehe ich nun keinesfalls alleine da und das Gericht, das über den Fall Daschner geurteilt hat, ebenso wie der Gerichtshof für Menschenrechte haben dise Rechtsmeinung auch bestätigt. Und ich hoffe nun doch sehr, dass mein sachlicher Beitrag nicht als „Rumwüten“ missverstanden wird.

  83. Hallo marie,

    diese Auffassung können Sie gern auch weiterhin vertreten, aber dann möchte ich darum bitten, dass dies in einer Form und in einem Ton passiert, in der/dem auch tatsächlich ein Austausch möglich ist. Sie haben Heinrich den von Ihnen wahrgenommenen Mangel in einem Ton vorgeworfen, der eine sachliche Antwort doch sehr erschwert hat. Ihre Empörung – die nach meiner Auffassung, s.o., teilweise durchaus nachvollziehbar ist – hat Ihren diskussionswürdigen Ansatz überlagert. Letztlich haben Sie sich damit also selbst keinen Gefallen getan, dass Sie so aus der Haut gefahren sind.
    Was die Sodomie angeht, hat Heinrich geschrieben, dass er sich vergriffen und verrannt hat. Ich habe dazu vorhin noch etwas geschrieben, und damit sollten wir diesen Teil der Diskussion beenden.

    @ Schnippsel

    „Ansonsten: dieser Thread hat als Thema “… und andere Emotionen”. Wo, wenn nicht hier, passt das Abwatschen so ausserordentlich prima hinein?!“

    So war das aber nun auch wieder nicht gemeint. 😉

  84. Hallo, Herr Bronski,
    danke für die Rückmeldung, dann ist es ja gut. Ich hatte schon (fast) befürchtet, hier dürfe nur noch die in diesem Blog anscheinend überwiegende Mehrheitsmeinung (ala Heinrichs Kommentaren)vertreten werden. (Nicht aufgrund Ihres Kommentars, aufgrund einiger Kommentare von Diskussionsteilnehmern).Für den etwas überzogenen und zu barschen Ton in meinem ursprünglichen Beitrag zu Heinrich habe ich mich bereits entschuldigt, und damit solte es ja dann auch in dieser Hinsicht gut sein.

  85. @ marie
    Wer möchte Ihnen hier das Recht streitig machen, Ihre Meinung zu äußern? Sie müssen aber auch akzeptieren, dass Ihrer Meinung widersprochen wird. Wo es aber nicht um Meinungen, sondern um Fakten geht, sind die Fragen der Rechtnormen und der Rechtsprechung, die sie inhaltlich falsch darstellen. Nach Recht und Gesetz ist in Europa auch eine „Rettungsfolter“ unter allen Umständen verboten. Das mögen Sie „moralisch“ für falsch halten, es ist aber ein Fakt.

    Sie geben auch die Urteile im Fall Gäfgen falsch wieder. So berichtet DER SPIEGEL am 30.6.2008 über das Urteil, mit dem Gäfgens Klage vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg abgewiesen wurde:
    „Deutschland habe weder gegen das Folterverbot noch gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen. Der Staat ist damit von den Vorwürfen der Verletzung des Folterverbots und der Verletzung des fairen Verfahrens freigesprochen.
    Der Gerichtshof betonte in seinem Urteil zwar, die Folterdrohung durch zwei Frankfurter Polizeibeamte sei unmenschlich gewesen – und das Folterverbot gelte auch dann, wenn Informationen zur Rettung von Menschenleben erlangt werden sollten. Der Mörder habe aber Genugtuung erfahren. Denn die deutschen Gerichte hätten schon festgestellt, dass die Folterdrohungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstießen. Außerdem seien die beiden Polizisten strafrechtlich verfolgt und verurteilt worden. Und schließlich: Keines der Geständnisse, die Gäfgen nach der Folterdrohung bei der Polizei ablegte, sei im Strafprozess verwertet worden. Die Straßburger Richter sahen damit auch keine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren.“
    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,562679,00.html

  86. Hallo, Abraham,
    also, wenn hier von „Herumwüten“ und angeblich strafbaren Handlungen meinerseits die Rede ist, dann geht das schon in diese Richtung, hier ging es nicht mehr um Widerspruch gegen meine Meinung.

    Zum Thema:

    Herr Gäfgen würde sich vermutlich begeistert auf die Schenkel klatschen, wenn er hier mitle-sen könnte, denn in Wesentlichen Teilen dreht sich die Diskussion hier um die Betrachtung der Menschenwürde des Täters, nicht des Opfers und er würde durch den Verlauf des Dis-kussion in der wehleidigen Opferrolle, in der er sich selbst wegen „weher Füßchen“ u.a. sieht, bestens bestätigt. Es geht aber beim Gesamtgeschehen keineswegs nur um die Täterrechte, sondern auch um die Opferrechte, die der Saat ebenfalls zu schützen hat.

    @Abraham: Weshalb Ihre Ausführungen meine Darlegungen widerlegen sollen, erschließt sich mir nicht, im Gegenteil sehe ich Ihren Beitrag als Stützung meiner Position. Ich bitte Sie also, dies zu erläutern.

    Ich erlaube mir, noch auf einige rechtliche Aspekte dieses Falls hin zu weisen, die noch nicht zur Sprache kamen:

    Sowohl aus der EMRK als auch aus der UN-Folterkonvention geht ein Verbot der Androhung von Folter nicht hervor. Nach Ansicht zahlreicher Rechtsexperten ist die Androhung von Fol-tergar nicht verwerflicher, als manch andere Drohungen. Der Staats- und Völkerrechtslehrer Matthias Herdeggen verwies zu Recht auf die weniger strikte Auslegung des Folterverbots durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Kontext der Lebensrettung. Und der EGMR hat entschieden, dass die Drohung gegen Gäfgen keine Folter, sondern eine un-menschliche und erniedrigende Behandlung war. Auch wenn der entsprechende Artikel gern salopp als Folterverbot bezeichnet wird, enthält er beides, das Folterverbot und das Verbot unmenschlicher Behandlung und beides ist nun keineswegs das Gleiche. Dass in der öffent-lichen Diskussion immer wieder behauptet wird, Herr Gäffgen sei gefoltert worden, ist falsch.

    Das LG hat die Beamten auch nicht wegen Folter sondern wegen Nötigung verwarnt und Ih-nen dabei massiv mildernde Umstände zugebilligt. Massiv mildende Umstände können im Strafrecht schlussendlich auch zu einem Freispruch führen, so weit ist das LG nicht gegan-gen, es hat aber lediglich eine Verwarnung unter Strafvorbehalt auf Bewährung ausgespro-chen, und damit kann ich leben. Es hielt den Beamten u.a. zugute, dass sie sich in einer „nahezu auswegslosen Situation“ befunden haben und hat kein abschließendes Urteil über Bedrohung zum Zwecke der Lebensrettung gefällt, auch wenn das einige Medien anders dargestellt haben, ist abschließende Rechtsmeinung noch nicht ergangen.
    Viele Rechtsexperten vertreten andere Auffassungen, als die vorherrschende Meinung hier im Blog, u.a. Prof. Reinhard Merkel, Strafrechtswissenschaftler (der gar eine gesetzliche Grundlage für die Androhung von Folter fordert, wenn sie der Rettung von Menschenleben dient. (so weit bin ich nicht einmal ansatzweise gegangen).

    Volker Erb in seiner Veröffentlichung: Notwehr als Menschenrecht

    und viele andere mehr

    Andere Rechtsgelehrte vertreten die Auffassung, dass niemand, dazu gezwungen werden darf, in Ausnahmesituationen sein Gewissen über das Gesetz zu stellen.

    Auch melden sich zunehmend Vertreter der Bioethik in der rechtlichen Diskussion zu Wort, die sogar eine Abwägbarkeit des Menschenwürdegrundsatz befürworten und damit als logi-sche Folge im Falle eines entsprechenden Konfliktes zur Rettung von Menschenleben nicht nur die Androhung sondern sogar Folter zulassen wollen. Ein Ansatz, der bei Weitem über das hinaus geht, was ich hier vertreten habe.

    Ich bin der Meinung, zu dieser Diskussion gehören auch die Rechte der Opfer und eine De-batte über den Menschenwürdebegriff (des Täters) wird dem Thema absolut nicht gerecht. Auch die Opfer haben Menschenrechte, zu deren Schutz der Staat verpflichtet ist, nicht nur und ausschließlich die Täter.

    Schon die derzeitige Rechtslage ist in Bezug auf Opferschutz und Opferrechte nach Ansicht sämtlicher Opferorganisationen und vieler Rechtsexperten absolut unbefriedigend und ich teile diese Auffassung. Das Opfer und seine Rechte sind in die Diskussion über Rechts-grundsätze einzubeziehen, das ist doch gar keine Frage. Davon habe ich hier in letzter Zeit so gut wie fast nichts gelesen und die einseitige Menschenwürdebetrachtung im Hinblick auf den Täter wird den Opfern in keinster Weise gerecht.

    Ehrlich gesagt empfinde ich es als unlauter, dass immer wieder behauptet wird, Gäfgen sei gefoltert worden. Das wurde er nicht, ihm wurde kein Haar gekrümmt und das hat der Europäische Gerichtshof auch abschließend festgestellt. Unlauter finde ich es auch, wenn mehrtätiges Waterboarding und Guantanamo mit Todespotential mit der Drohung mit Schmerzen in einen Topf unter der Überschrift „Folter“ geworfen werden und ein wenig mehr Differenzierung wäre wünschenswert.Die „Tätermenschenwürde“-zentrierte Herangehensweise wird weder dem Thema noch den Opfern gerecht.

  87. Ihr Diskussionsstil ist für mich deshalb so provozierend, weil Sie gerne etwas postulieren, was niemand hier im Blog behauptet hat.

    Dass auf das Recht der Menschenwürde eines TÄTERS hier mehr eingegangen wird, liegt nicht daran, dass dem Opfer weniger Beachtung zukommt, sondern legt viel mehr daran, dass wir dazu neigen, einem Täter, besonders bei einer abscheulichen Tat, dieses Recht emotional nicht gerne gewähren. (Das ist aus meiner Sicht hier das Kernthema). Und deshalb wurde hier das ausdrückliche Recht eines Täters auf Würde von mehreren Seiten beleuchtet, nicht nur aus juristischer, sondern von Heinrich auch aus historscher und philosophischer Sicht. Opferschutz und Opferrechte sind ein anderes, sicher auch wichtiges Thema, war aber nicht Gegenstand der Debatte.

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