Eine Woche ist es nun her, dass die Postkartenbilder von Barack Obama, Angela Merkel und den Weißwürsten um die Welt ging. Oh pardon, das war glatt die falsche Reihenfolge: Also, Barack Obama, Angela Merkel und den Staatsoberhäupten der fünf weiteren G7-Staaten beim Maß-Trinken und Weißwurst-Essen. Das alles vor dem idyllischen Panorama auf Schloss Elmau in Oberbayern. Die Berichte über den Gipfel – stinklangweilig. Der Hohn, wenn man bedenkt, dass in der Ukraine sich die kriegerischen Auseinandersetzungen verschärfen, Europa das TTIP-Abkommen droht (Hintertür für Monsanto, sag ich da nur!), die USA Deutschland womöglich bis auf das Handy der Bundeskanzlerin ausspioniert haben und der nächste Klimagipfel-Reinfall vor der Tür steht. Und das alles für einen Betrag in dreistelliger Millionenhöhe.
Und der dickste Hund: Putin war ausgeladen. Der ist ja bekanntermaßen nicht auf den Mund gefallen, wenn der Westen mit dem Finger auf ihn zeigt. Und dieses Jahr hätte er sicherlich wieder schwer zugeschlagen und die Bilderbuchbegegnung von Merkel und Obama mit deftigen Seitenhieben flankiert. Klar, die NSA-Affäre lässt momentan die deutsche Bevölkerung nicht zu Unrecht daran zweifeln, ob die Bundesrepublik wirklich so souverän ist, wie das Wahlvolk und alle übrigen zurecht erwarten. Kein Wunder, dass im Moment Verschwörungstheorien von der angeblich niemals beendeten Besatzung Deutschlands (siehe Blogpost zu Xavier Naidoo), die Runde machen. Das ist unbequem. Dann lieber den Putin wieder ausladen.
Aber auch die Kritik an dem Ausschluss Russlands hinterlässt einen schalen Geschmack im Mund. So schreibt Otfried Nassauer, Journalist und Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS) in seinem FR-Gastbeitrag „Ausgrenzung statt Kooperation“ (hieß im Print „Konfrontativ“):
„Schon möglich. Kanzlerin Angela Merkel kann eine baldige Rückkehr Moskaus nicht sehen. Sie betonte den Charakter der G7 als Wertegemeinschaft und als Gemeinschaft von Staaten mit einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Das schließt Moskau auf deutlich längere Sicht aus. Schon möglich, dass eine solche Entwicklung nicht im Interesse Deutschlands und Europas ist.“
Doch was heißt das? Heißt das, der G7-Gipfel war ein einziges Schaulaufen, in dem Obama und Merkel sich bestätigt haben, trotz NSA-Affäre stehen wir zu TTIP? Sollen überkommene Konstellationen aus Zeiten des Kalten Krieges rekonstruiert werden, damit hier einige reiche Länder ihre Wirtschaftsordnung aufrecht erhalten können? Eine Ordnung, die ihr Wahlvolk nebenbei bemerkt nicht vor den Widrigkeiten eines darniederliegenden Arbeitsmarktes und fehlender Binnenkonjunktur bewahren kann?
Dabei ist die Globalisierung längst Realität. Sicherheitsfragen, Klimapolitik, eine nachhaltige globale Wirtschaftsentwicklung, drängende Umweltfragen, Ressourcengerechtigkeit, die Flüchtlingskatastrophe – keines dieser Probleme kann durch überkommenes ideologisches Lagerdenken auch nur im Ansatz erfasst, geschweige denn gelöst werden. Entsprechend haben die FR-Leser diese Veranstaltung auch kaum ernst nehmen können.
Roland Klose aus Bad Fredeburg schreibt:
„G7-Gipfel im „Geisterhaus“ Schloss Elmau im sagenumwobenen Karwendelgebirge. Übrigens Loriot, alias Vicco von Bülow, war hier Stammgast. Loriots berühmtester politischer Sketch war und ist „Die Bundestagsrede“. Angela Merkel weiß, wovon dieser Mann spricht: Loriot mimt in diesem Sketch den Bundestagsabgeordneten Karl-Heinz Stiegler, der es auf gekonnte Art und Weise versteht, mit vielen Worten nichts zu sagen. Angesichts der heutigen Politikerlandschaft immer noch brandaktuell.
Gerade deshalb wünsche ich den Teilnehmern des G7-Gipfels viele gemeinsame Entscheidungen in wein- und bierseliger Runde, an die sich in paar Wochen schon keiner mehr erinnern will oder kann. Oder wie es wohl Karl-Heinz Stiegler, MdB, ausdrücken würde, wenn er noch unter den Lebenden weilte: „Außer Spesen nichts gewesen. 80 Millionen Euro trägt der Bund und 130 Millionen Euro der Freistaat Bayern. Da kann man nicht meckern, liebe Damen und Herren der Opposition.“
Otfried Schrot aus Ronnenberg schreibt:
„In einem Punkt war dieser Gipfel zu einhundert Prozent erfolgreich: Er war eine mit Hilfe des Wetters und der Medien perfekt inszenierte Selbstdarstellung der Bundeskanzlerin – zu Kosten zwischen 130 und 360 Millionen Dollar – insofern ein Gipfel der Maßlosigkeit.
Auf einem amerikanischen Flugzeugträger wäre das Ganze billiger gekommen – allerdings ohne die deutsche Gemütlichkeit, ohne Hefeweizen, Berggipfel und Kuhglocken. Das politische Ergebnis des Gipfels leidet an dem Mangel, dass das Erreichen der beschlossenen Ziele zum großen Teil in die Hände noch ungeborener Generationen gelegt worden ist, die in Elmau nicht dabei waren.
Es ermöglicht den gegenwärtigen Machthaben, so „weiter zu wursteln“ wie bisher. Die Frage nach der Legitimation der Konferenz muss gestellt werden. Davon hängt ab, wer sich am Ende an der Umsetzung der Beschlüsse beteiligt. Die ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates waren nicht komplett vertreten. Ohne den guten Willen Russlands und Chinas ist das Gipfelergebnis zum Scheitern verurteilt.
Die Androhung weiterer Sanktionen gegen den in der Runde dringend benötigten Wladimir Putin ist eine politische Stümperei ersten Ranges. Der Moralprediger Obama möge sich nicht der Illusion hingeben, dass er Putin wie einen Schuljungen abkanzeln und zu der Büßergeste bewegen kann: „Ich bitte demütig um Verzeihung für die Besetzung der Krim“. Putin wird höchstens zu einer Reaktion bereit sein, bei der er nicht das Gesicht verliert.
Der Gipfel diente offensichtlich auch der Pflege einer weiteren Illusion: der Umgang der Bundeskanzlerin mit Präsident Obama, der sie hat abhören lassen, wirft die Frage auf, ob sie ihn beschämen wollte oder ob sie wirklich noch an die deutsch – amerikanische Freundschaft glaubt. Obama muss mit dem Gefühl nach Washington zurückgeflogen sein, dass man mit Deutschland alles – aber auch alles – machen kann, ohne dass es gewichtige Folgen hat.“
Werner Ortmann aus Korschenbroich schreibt:
„Wenn anlässlich dieses G 7 – Treffens keine konkreten Beschlüsse zur baldmöglichsten Beendigung der Flüchtlingskatastrophe und zur wirkungsvollen Bekämpfung der Fluchtursachen beschlossen wurden, dann war diese Veranstaltung nur ein Stammtisch der Spitzenvertreter der Wirtschaft, insbesondere der Rüstungsindustrie.
Nur wenn keine Waffen mehr in alle Welt mit hohen Profiten geliefert werden und auch die korrupten, undemokratischen Regierungen nicht mehr mit fadenscheinigen Begründungen unterstützt werden, dann kann eine gerechtere und friedlichere Welt geschaffen werden. Dann können alle Menschen in ihren eigenen Ländern ohne Not und Elend, und auch ohne Gefahren für Leib und Leben, existieren und müssen nicht mehr in Länder fliehen, welche selbst auch die weltweite Misere aus Profitgier verursachen.
Wenn nämlich nicht umgehend mit der Beseitigung der bestens bekannten Fluchtursachen in den Heimatländern der Flüchtlinge begonnen wird, und zwar unbedingt unter neutraler Führung der Vereinigten Nationen, dann werden alle humanitären, lokalen Hilfsmaßnahmen schon bald an ihre Grenzen stoßen und die gefährliche Fremdenfeindlichkeit wird weiter zunehmen.“
Malies Ortmeyer aus Frankfurt schreibt:
„Ich bekomme sechs Euro mehr Rente im Monat und schon bin ich steuerpflichtig, weil es ein paar Euro über die so genannte Einkommensgrenze hinaus sind. Aber mehr Rente erhalte ich doch deshalb, weil die Lebenshaltungskosten gestiegen sind. Nun wird mir das Geld vom Finanzamt, also der Regierung, wieder abgenommen. Das nenne ich Täuschung der Regierung.
Überhaupt: Warum zahle ich für eine Rente, auch noch für eine so kleine, nochmals Steuern, wo ich doch schon für meinen Verdienst im Berufsleben Steuern gezahlt habe? Ist das nicht Betrug?
Die Politiker, sie vergeuden hemmungslos Steuergelder, schonen Großunternehmer und spielen ihnen zu, um auch nach dem beruflichen Politikerleben ein lukratives Einkommen von der Unternehmerseite zu erhalten. Und wir, das Fußvolk, müssen das alles finanzieren, während die Superreichen weder Steuern noch Strafe zahlen.
Wann merken die Menschen endlich wie sie von der Regierung vera….. werden? Warum geht keiner auf die Barrikade?“
Michael Maresch aus München schreibt:
„König Ludwig II. gab für Neuschwanstein sechs Millionen. Mark aus und war dann mit sieben Millionen verschuldet, was zu seiner Festsetzung wegen Verschwendungssucht und letztendlich zu seinem Tode führte. Heute geben unsere Könige mal eben 200 Millionen Euro für ein Wochenende mit sieben Leuten aus und weit und breit ist kein Dr. Gudden in Sicht. [Gudden war der Arzt, der Ludwig für unmündig erklärte, Anm. d. Red.]“
Harry Neß aus Offenbach schreibt:
„Erhält das Personal denn einen Mindestlohn? Im Großen und Ganzen wird auf den G7-Gipfel in Elmau geschaut. Aber wer stellt die wichtigen Fragen nach den Bedingungen im Schloss selbst?
Wurde staatsanwaltlich ermittelt nach dem von der Familie Elmau selbst verursachten Brand im Jahr 2015? Wer erlaubt den maßlosen Ausbau in einem Naturschutzgebiet? Wann fand die letzte steuerliche Betriebsprüfung statt? Wie sind die Lebensverhältnisse der dort Beschäftigten? Wird eigentlich ein Mindestlohn auch dem Servicepersonal und den Reinigungskräften gezahlt?
Vielleicht kümmern sich mal die Schlossgäste um diese Fragen, die sonst immer wissen, wie andere, meist die sogenannten „kleinen Leute“ sich durchs Leben bewegen sollen: Zum Beispiel der Philosoph Peter Sloterdijk, der Exekutivdirektor des UN Umweltprogramms Achim Steiner, der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes Michael Vesper oder der Filmemacher Wim Wenders. Ein Freund des Hauses.“
Andreas Sieber aus Dresden schreibt:
Aktuell unterstützen 127 Länder das langfristige Ziel, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Die Debatte dreht sich vor allem darum, wie ehrgeizig die daraus abgeleiteten Klimaschutzmaßnahmen sein müssen. Besonders verwundbare Länder wie Äthiopien oder die Malediven unterstützen eine rasche Reduzierung der Treibhausgase und „Null-Emissionen“ bis 2050. Deutschland und weitere Länder unterstützen ein „Null-Emissionsziel“ irgendwo in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. Eine Verzögerung bis zum Jahr 2075 würde die Chancen für das Erreichen des Zwei-Grad-Ziels aber auf 66 Prozent reduzieren, prognostizierte der Weltklimarat. Und Deutschlands „Energiewende“ ist zwar weit über unsere Grenzen hinaus ein bekannter Begriff, unter Schwarz-Rot jedoch beeindruckte vor allem eine kleine Renaissance der Kohlekraft in den letzten drei Jahren. Der internationale Klimaschutz befindet sich seit der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 in einem machtpolitischen Vakuum – kein Land übernahm die Führungsrolle. Es würde Deutschland und Angela Merkel gut stehen, zusammen mit Frankreich den Klimaschutz voranzutreiben. Zum ersten Mal seit 2009 besteht wieder eine realistische Chance für ein globales Klimaschutzabkommen. Der G7 Gipfel in Deutschland bietet eine wichtige Möglichkeit, die Weichen dafür zu stellen.
Die Bundeskanzlerin redet bei den G7 dem Klimaschutz das Wort und macht dann in der täglichen Politik das Gegenteil. Vor ein paar Tagen haben wir hier über Politikverdrossenheit und niedrige Wahlbeteiligung diskutiert. Das Vertrauen der Kanzlerin das ihre Wähler dieses Verhalten nicht merken oder sanktionieren scheint grenzenlos aber leider berechtigt. Es kann ihr nur passieren das Paris nicht schief geht sondern ein Klimaabkommen zustande kommt, dann müsste sie in D. auch handeln. Im Moment hat sie das nämlich nicht vor, sie muss Handeln nur ihren Wählern vortäuschen. Ich denke aber nicht das der Klimagipfel an den USA oder China scheitert. China möchte die Luft in seinen Städten bessern und die USA werden mit Sicherheit die EE ausbauen weil sie die preiswerteste Form der Energieerzeugung darstellen. Warum sollten sie nicht das was sie eh tun auch in ein Klimaabkommen schreiben?
Jetzt wollten die wirklich Großen dieser Welt endlich einmal vor der beschaulichen alpenländischen Kulisse Elmaus etwas Abstand gewinnen von der Ukraine-, TTIP-, Monsanto-, Bundeskanzlerinhandyabhör- und Klimascheiße, und schon ist es auch wieder nicht recht!
Wie schön war es doch, den Barack zu sehen, wie er sich beim alkoholfreien Hefeweizen die allergrößte Mühe gab, fröhlich zu wirken. Ob dabei vielleicht der eine oder die andere Beteiligte beim Auszutzeln der Weißwurscht gebatzt hat, ist leider nicht dokumentiert. Gut, daß der Putin ausgeladen war: Wer könnte sich diesen Typen ausgelassen beim Verzehr oberbayrischer Hausmannskost vorstellen?
Ganz Oberbayern war ja in zwei Teile gesplittet: in den kleinen wichtigen und gefährdeten um Elmau und in den großen weniger wichtigen, aber gefährlicheren drumherum. Und wie’s drumherum zuging, war da was, ich weiß nicht mehr; auf jeder Wies’n-Gaudi ist jedenfalls mehr los. Soweit man der Berichterstattung entnehmen kann.
„An morgen denken. Gemeinsam handeln.“ Dieses Motto der G-7-Veranstaltung ist mit deren Ende obsolet. Oder wird über Nachwirkungen berichtet? Außer darüber, was alles gekostet hat und wer’s bezahlen muß. Daß die Erde mit ernsten Konsequenzen rechnen muß, sollte sie sich trauen, sich um mehr als um zwei Grad zu erwärmen, war vorher schon klar.
War da noch etwas? Ich kann mich nicht erinnern. Im Eingangstext, in den Leserbriefen und im bislang einzigen Kommentar finde ich keine Stellungnahme zu den Gipfelbeschlüssen. Sollte es etwa keine gegeben haben? Okeh, daß Putin nicht mal mehr an den Katzentisch darf, ist gut und richtig und muß nicht weiter kommentiert werden. Und sonst? Müßte mal alles rekapitulieren. Aber jetzt isses zu spät.