FRANKFURT. Stell Dir vor, es ist Geburtstag, und einer geht nicht hin: der Oberbürgermeister! Nun stell Dir noch vor: Der, der Geburtstag hat, ist nicht irgendwer, sondern ein Mann namens Salomon Korn, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurts, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Bekannter von Peter Feldmann, dem Frankfurter Oberbürgermeister. Da muss ein Oberbürgermeister doch kommen! Auch wenn er vorher gesagt hat: Nein, liebe Frankfurter, nein, lieber Salomon Korn, Dienstags und Sonntags hab ich dienstfrei, Termine hin, Termine her, ich will auch mal Mensch sein und mich um meine Tochter kümmern, das hab ich ihr versprochen.
War aber alles nicht so schlimm, denn Volker Bouffier war ja da, der hessische Ministerpräsident, und dürfte die Gelegenheit für shake hands genutzt haben, er soll auch eine Rede gehalten haben. Jetzt sind sie allerdings alle ganz erbost, dass der OB nicht gekommen ist und Frankfurt nicht angemessen repräsentiert hat, und man wundert sich im Römer, heißt es. Herr Korn selbst hat sich meines Wissens übrigens nicht dazu geäußert.
Rose-Marie Kirsch aus Frankfurt meint:
„Wenn ein Vater lieber mit seiner Tochter spielt, statt zu arbeiten, dann ist dies aller Ehren wert. Dann sollte er sich aber nicht wie Herr Feldmann zum Oberbürgermeister einer Großstadt wählen lassen. Nach dem Eklat vom gestrigen Sonntag ist endgültig das Maß voll. Ich fühle mich als Frankfurter Bürgerin inzwischen von Herrn Feldmann nicht mehr vertreten und entziehe ihn hiermit mein Vertrauen.“
Gerhard Sturm aus Nidderau dagegen:
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist das Schlagwort der letzten Jahre. Dies gilt nicht nur für Frauen, sondern genauso für Männer. Auch spielt der Beruf an sich keine Rolle. Krankenschwester in einer Klinik, Pfleger in einem Pflegeheim oder Oberbürgermeister in Frankfurt, wobei Krankenschwester und Pfleger sicher die größere Verantwortung für Leben und Tod der ihnen anvertrauten tragen. Wenn sich jemand (Frau oder Mann) in seiner nicht sehr üppigen Freizeit, auch zur Entlastung seines Ehepartners, um die Familie kümmert, ist das sein gutes Recht. Jeder sollte zur Kenntnis nehmen, dass berufliche Verpflichtungen mit dem Feierabend enden. Feiern und Empfänge, die für das Ansehen der Stadt wichtig sind, können auch während der Arbeitszeit stattfinden. Abendliche und nächtliche Besprechungen von ach so sehr beschäftigten Politikern, Gewerkschaftlern usw. hat für mich den Geruch von Volksverarschung.
Als Vater von zwei in den 80ern geborenen Kindern, ohne Oma und Opa in erreichbarer Umgebung, kenne ich das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Herr Feldmann Sie sind für mich ein Held. Machen Sie weiter so und ignorieren sie das Geschwätz derjenigen, die außer dem bisschen Schweiß bei der Samenspende mit ihrem Nachwuchs nichts mehr am Hut haben. Dem Frankfurter Oberbürgermeister wünsche ich ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner abendlichen Events, damit er nicht jede Woche aufs Neue ungerechtfertigt kritisiert wird.“
Susanne Fleischmann aus Darmstadt;
„Hochachtung, Herr Feldmann, dass Sie sich nicht dem Diktat von Terminen an Sonn- und Feiertagen beugen, sondern den Tag mit ihrer Tochter verbringen.
Berufstätige Mütter und Väter wissen nur zu gut, wie viel Mut und Kraft es kostet, sich aus Terminen, Konferenzen und anderen Veranstaltungen mit der Begründung auszuklinken: Ich muss mich um mein Kind kümmern. Und wie viel Unverständnis, ja mitunter Verachtung sie dafür in Kauf nehmen müssen.
Und welche Heuchelei auf Seiten der FR – schon wieder eine Feier ohne Feldmann – und der Bürgermeister – es scheint ja allgemein bekannt zu sein, dass der Dienstag und Sonntag geblockt ist. Und Herr Korn war ja wohl auch informiert.
Von daher sollten sich die, die jetzt so „betreten“ argumentieren, und ansonsten viel von „Vereinbarkeit von Kind und Karriere“ reden oder die „Familie hochhalten“, den Beschluss fassen bzw. unterstützen: Keine Sonn- und Feiertagsarbeit mehr! Das wäre ein Anfang. Und um allen Bedenkenträgern vorzubeugen: Klar geht es nicht für alle – siehe Feuerwehr.“
Zur Erinnerung: Peter Feldmann ist nicht deshalb Frankfurter Oberbürgermeister, weil die Frankfurter ihn unbedingt haben wollten und er eine charismatische Lokalpolitiker-Persönlichkeit ist. Er ist es deshalb, weil die Frankfurter aus guten Gründen nicht Boris Rhein als Oberbürgermeister wollten und es zuletzt keine Alternative gab.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß dieses Amt nicht mit einem normalen Job als Betriebswirt vergleichbar ist. Der Oberbürgermeister einer hessischen Großstadt ist nicht nur Chef der Verwaltung, sondern auch deren oberster Repräsentant, der die Stadt bei offiziellen Anlässen vertritt. Das bringt deutlich mehr terminliche Belastung und weniger persönlichen Gestaltungsraum der eigenen Zeit mit sich, als es beu einem Bürojob der Fall ist. Mit „nine to five“ ist es nicht getan. Das hätte Feldmann eigentlich vorher klar sein müssen, aber spätestens mit Amtsantritt, daß er jetzt mehr seiner Aufgabe und damit der Stadt gehört, als es für einen Menschen üblich ist, der von montags bis freitags seinen Bürostuhl durchsitzt, auch zu ihm nicht genehmen Zeiten.
Es ist ihm anzurechnen, daß er trotz aller Aufgaben, die das Amt mit sich bringt, Zeit für seine Familie haben will und nicht nur eine durch Abwesenheit definierte virtuelle Vaterfigur. Dennoch ist ein starrer Plan nach Vorgabe „dienstags und sonntags nie“ einfach nur ein Zeichen von Unflexibilität und mangelnder Verantwortung für die eingegangene Verpflichtung. Eine flexiblere Maxime wie „zwei Tage die Woche unabdingbar für meine Familie“ wäre die wesentlich geschicktere Lösung, und es würde zeigen, daß Feldmann Sinn für Prioritäten in beide Richtungen hat.
Auch wenn Feldmann hier und da Beifall gezollt wird, interessanterweise meist von auswärts und von Menschen, die sich der Bedeutung eines Frankfurter Oberbürgermeisters anscheinend nicht bewußt sind, so ist diese Unflexibilität ist ein neuerliches Minus für ihn. Feldmann hat sich in einem Jahr Amtzeit schon einige Peinlichkeiten geleistet viel Kredit und bei den Frankfurtern verspielt. Wenn er die kommenden fünf Jahre im Amt übersteht, wird er aller Wahrscheinlichkeit nach ein Kompromiß-OB bleiben, denn die Chancen für eine Wiederwahl stehen schlecht. Das trifft auch die SPD, die bei den nächsten Kommunalwahlen in Frankfurt die Zeche für diesen lauen Oberbürgermeister bezahlen wird.
Schade, dass Herr Feldmann nicht vor der OB-Wahl öffentlich den Dienstag und Sonntag geblockt hat. Die Wähler hätten gewusst, woran sie sind und die Wahl wäre, auch falls für ihn ausgegangen, in Ordnung gewesen. Nur rechnen konnte man damit nicht.
@Katja Wolf: Unter diesem Aspekt sollte man Feldmann mal fragen, wie er das damals am Wahltag geschafft hat, vor Ort im Römer zu sein. Das war schließlich auch ein Sonntag.
Der OB hatte vor dem bewussten Termin ein Gespräch mit Herrn Korn. Hat es abgeklärt, warum er nicht anwesend sein wird. Herr Korn hat das anscheinend akzeptiert. Aufregung von anderen Gästen ist demnach unangebracht.
Die vielen Termine, die angeblich für Amtspersonen zur Representation so ungeheuer wichtg seien, halte ich für eine Fehlentwicklung. Sie kosten unnötig Zeit und Kraft.
Ich finde es gut, dass jemand den Mut findet, auch mal „Nein“ zu sagen.
Mein Namensvetter hat den 70. Geburtstag von Salomon Korn geschwänzt. Der Römer ist verärgert. War Feldmann in der Kneipe oder im Freudenhaus? Weit gefehlt! Er hat die Frechheit besessen, sich seiner Tochter zu widmen. Mit der immer wieder propagierten Kinderfreundlichkeit hat das wenig zu tun.