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Forum vom 14. August 2024
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Das Recht des Stärkeren ist nicht der einzige Weg
Kolumne: „Warum ich keine Pazifistin bin“, FR-Meinung vom 5. August
Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, beschreibt in ihrer FR Kolumne, warum sie keine Pazifistin ist. Dabei führt sie Europa in der Zeit Hitlers als Beispiel an, in der die Appeasement-Politik das Gegenteil bewirkt habe. Sie verwechselt Pazifismus mit Entgegenkommen, Beruhigen des Gegners.
Pazifisten wirft sie ungeheuerliche Dinge vor, z.B. sie würden auf Gegenwehr verzichten, da sie von totalitären Aggressoren nichts verstünden. Und dieses Nichtverstehen vieler, vermutet sie darin, „dass sie Nachfahren jener sind, die am letzten Weltkrieg vor allem anderen bedauerten, ihn verloren zu haben“. Ist diese Aussage schon mehr als bösartig, so übertrifft sie sich selbst mit der folgenden: „Als ehemaliger Aggressor, der trotz allem in Demokratie und Wohlstand gelandet ist (also wir), ist diese Sicht nachvollziehbar, aber billig.“ Sie unterstellt denen, die nicht auf Kriege setzen, mit dem „sozialpädagogischen Blick“ ausgestattet zu sein. Einsetzbar in der Jugendarbeit vielleicht, jedoch nicht, wenn’s an die echten Aggressoren geht, da dürfe die „Wehrhaftigkeit der demokratischen Welt keine hohle Nuss sein“.
Sie ist der Meinung, als Pazifist hätte man es einfacher, da man besser schlafen könne. Wie täuscht sie sich! Als Pazifist setzt man sich nicht nur mit den sinnlosen Kriegen dieser Welt auseinander, muss das grausame Sterben von Menschen mitansehen, ständige Überzeugungsarbeit leisten mit Argumenten, die auf Mitmenschlichkeit setzen statt aufs Niedermetzeln. Nein, man wird auch mit Menschen konfrontiert, die diffamierend und mit einer unglaublichen Hybris ausgestattet meinen, ihre Argumente der wirklichen Wehrhaftigkeit, seien der einzige Weg, auf diesem Planeten miteinander umzugehen. Die das Recht des Stärkeren und die Mittel der Waffen als einzigen Weg über alles stellen.
Die Waffen-Keule überhaupt vorzusehen, beinhaltet, dass sie, wenn wie in unserer Welt im Übermaß vorhanden, auch eingesetzt wird.
Gegenüber Menschen, die wie die Eltern von Frau Kahane eine schreckliche Vergangenheit durch den Nationalsozialismus erleben mussten, bin ich demütig. Aber da ich nicht die Fehler meiner Elterngeneration wiederholen will, sondern für ein menschliches Miteinander, ein Nichttöten, ein Anerkennen anderer Daseinsformen, anderer Religionen etc. mich einsetze – wie könnte ich auch nur einen einzigen Krieg, egal aus welchen Besitzansprüchen, Gesellschafts- und Wohlstandsformen heraus, akzeptieren?
Wie kann man in dieser Welt des gegenseitigen Niedermetzelns überhaupt noch ruhig schlafen, liebe Frau Kahane?
Hanne Strack, Rüsselsheim
Diese Denkweise ist ziemlich archaisch
Frau Kahane unterliegt einem vielfach wiederholten Irrtum, wenn sie meint eine (physische) Gewaltlosigkeit sei gleichbedeutend mit Wehrlosigkeit. Neben der physischen Gewalt gibt es vielfältige andere Formen sich zu wehren. Alle Despoten sind auf viele UnterstützerInnen angewiesen, um ihre Untaten zu realisieren. Ohne die austauschbaren Soldaten hätte schon Caesar alleine gestanden, wie schon Donovan in seinem „Universial soldier“ 1965 sang. Besinnen wir uns dieser einfachen Tatsache. Welche Möglichkeiten würden dem zivilen Ungehorsam eröffnet werden können, würde zu seiner Erforschung und Verbreitung nur winzige Bruchteile der Ressourcen zur Verfügung gestellt, die in das Militär fließen?
Der undifferenzierte Vergleich der Nationalsozialisten mit Hitler und dem heutigen Russland mit Putin ist ahistorisch. Er ist unsinnig, selbst wenn in den beiden Personen das gleiche Böse gesehen wird. Es gibt nahe stehende Menschen und BeraterInnen, es gibt Vorgeschichten, es gibt in beiden Fällen andere Akteure mit eigenen Interessen, die sehr verschieden sind.
Ich frage mich, ob Frau Kahane wirklich realisiert, dass die Menschheit nicht mehr in der Situation existiert, in der etwaige KontrahentInnen sich mit einer Keule bewaffnet persönlich gegenüber gestanden haben. Wenn sie es realisiert, welche Schlüsse zieht sie daraus? Ist sie bereit, die Welt, wie wir sie kennen, notfalls auch komplett zu vernichten, nur um Putin zu besiegen? Oder glaubt sie, dass Putin, einmal in die Enge gedrängt, nicht alle Mittel einsetzen würde, die ihm verfügbar sind? Ist das die Hoffnung, dass er doch nicht ganz so skrupellos ist, wie ihm permanent unterstellt wird?
All dem liegt der archaische Glaube zu Grunde, dass es nur Sieg oder Niederlage gibt, wenn die Menschheit diese Denkweise nicht zu überwinden vermag, bleibt bei dem Potenzial, das sie heute hat, nur die Niederlage für alle Menschen.
Uli Barth, Kaufungen
Tiefer Griff in die juristische Trickkiste
Gefangenenaustausch: „Moskau will den nächsten Deal“, FR-Politik vom 3. August
Was den sogenannten „Gefangenenaustausch“ mit Russland und Belarus angeht, ist die Sachlage natürlich kompliziert und vielschichtig. Es gibt zahlreiche humanitäre und politische Gründe, die das Vorgehen rechtfertigen könnten. Im Kern kommt aber ein rechtskräftig verurteilter Auftragskiller im Austausch mit aus zwielichtigen Gründen von Russland und Belarus verhafteten Geiseln frei. Hierzu wird tief in die juristische Trickkiste gegriffen. Bisher dachte ich, die Justiz sei unabhängig. Das ist nichts anderes als Rechtsbeugung seitens der Regierung und diese sollte strafbar sein. Das Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat wird schwer erschüttert. War es das wert?
Ulf Döbert, Steinbach
Zweifelhafte Diener des Vaterlandes
Man sollte den russischen Botschafter Anatoli Antonow in den USA beim Wort nehmen, wenn er sich unmittelbar nach dem spektakulären Gefangenenringtausch vom 1.August dahin vernehmen lässt, dass die in amerikanischen Gefängnissen einsitzenden Russen „hoffnungsvoll auf das Vaterland blicken und auf ihre Stunde der Freilassung warten“. Wenn das Vaterland Russland seine „Kundschafter des Friedens“, wie man Spione östlich des Eisernen Vorhangs früher nannte, und jetzt auch den verurteilter Tiergarten-Mörder als, wie Präsident Putin es jüngst getan hat, Diener des Vaterlandes bezeichnet und sich für ihre Freilassung einsetzt, dann könnten alle, die russische Gefangene einsitzen haben, testen, wie ernst es Russland mit seiner Fürsorge meint, indem sie sich etwa zusammentun und die umgehende Freilassung dieser Häftlinge anbieten unter der einen Bedingung, dass Russland den Ukraine-Krieg beendet und von dort abzieht. In den gegenwärtigen Zeiten der psychologischen Kriegsführung, sollte man, wo immer sich die Möglichkeit bietet, der russischen Propaganda offensiv entgegen treten und sich nicht durch moralische Skrupellosigkeit einer Seite in moralische Selbstzerknirschung treiben lassen, wie sie im bundesdeutschen Diskurs nach der Freilassung an manchen Stellen aufscheint.
Alexander von Oettingen, Bad Homburg
Geben und nehmen
Das Recht steht über dem Gesetz, ein verurteilter Mörder und FSB-Agent – wird im Deal „frei“ getauscht. Die Politik hat in diesem Fall das letzte Wort und nicht vergessen werden darf, dass Menschen aus russischen Gefängnissen in Freiheit gekommen sind. Das Leben in Freiheit ist ein Menschenrecht nur in diesem schwer erträglichen „Deal“ im Austausch gegen einen Auftragsmörder möglich gewesen. Geben und nehmen.
Thomas Bartsch Hauschild Hamburg
In der Mitte der Brücke verlief die Grenze
Der Agentenaustausch während des Kalten Krieges über die Glienicker Brücke verband nicht Ost- und Westberlin, wie im Artikel berichtet, sondern das damalige Westberlin mit Potsdam.
Genau in der Mitte der Brücke verlief die Grenze. In vielen „Nacht-und-Nebel-Aktionen“ wurden hier über Jahrzehnte hinweg Agenten ausgetauscht.
Martin Schallert, Schöffengrund
Läppische Milliarden
Zu: „Atommüll wird zum Jahrhundert-Problem“, FR vom 8.8.
Für die Suche nach einem Atomendlager habe ich einen Vorschlag: Am besten, der Müll bleibt dauerhaft über Tage, da ist er am sichersten vor Katastrophen wie in der Asse, wo der verbuddelte Atommüll schon nach ein paar Jahren abgesoffen ist. Bis zu dem Tag im Jahr 2017, an die Bundesregierung die Atomindustrie bei der Müllentsorgung vom Haken gelassen hat für ein paar läppische Milliarden, hätte ich außerdem empfohlen, den Müll in den Gärten der Villen der Vorstandsvorsitzenden der Stromkonzerne einzulagern. Jetzt bleiben als sicherste Lagerstätte die stillgelegten Atomkraftwerke und die „Zwischenlager“, in denen der Müll schon jetzt oberirdisch lagert. Wo immer der hochradioaktive Atommüll die nächsten eine Million Jahre gelagert wird, die paar Milliarden, mit denen die Stromindustrie sich freigekauft hat, werden in keinem Fall ausreichen. Stellen wir uns den Idealfall vor, dass aller Müll an einem einzigen Ort gelagert werden kann und dass die einzigen Kosten der Lagerung eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung durch zwei Wachpersonen sind, die jeweils 5.000 € pro Monat kosten. Das wären dann nach einer Million Jahren 120 Milliarden €. Das ist das Fünffache des Betrages, den die Atomindustrie auf Beschluss der damaligen Bundesregierung für die Kosten der Endlagerung in einen Fond eingezahlt hat.
Hans-Peter Piepho, Ostfildern
Wir könnten Vorbild sein
Zu: „Bewusstes Versagen vor Kalabrien“, FR-Politik vom 25. Juli
98 Tote wurden an Land gespült, darunter 35 Kinder. Diese Menschen könnten noch leben, wenn man sie hätte retten wollen. Wir sollten uns immer wieder bewusst machen: In dieser Welt leben wir. Diese Regierungen, welche dies zulassen, geschehen lassen oder dulden, haben wir gewählt.
Wir in Europa pochen auf unsere westlichen Werte, bewahren unseren Wohlstand (oder geben damit an), bilden uns etwas auf unsere Humanität ein. Damit könnten wir Vorbild sein für eine menschliche Politik. Aber unsere Regierungen frönen weiterhin menschenverachtenden Wettbewerbsgedanken, setzen Abschottungsrecht vor Menschenrecht. Bei dieser Haltung muss man sich inzwischen nicht mehr über Nötigungen und Fahrlässigkeit von Behörden wundern, die zu massenhaften Tod führen.
Pharisäerhaft in diesem Fall auf die Regierung unter Meloni zeigen, hier trägt die EU Mitschuld am Tod hunderter Menschen. Wählen allein hilft schon lange nicht mehr. Wir müssen auf die Straße gehen, damit Menschen andere Menschen wie Menschen behandeln. Lassen wir uns nicht weiter verrohen. Es ist genug.
Robert Maxeiner, Frankfurt
Der Lehrer hat recht
Zu: „Europas Sicherheit im Pazifik gewährleisten“ in FR-Politik vom 5.8.
Beim Lesen des Artikels kam mir spontan in den Sinn: „Unsere Freiheit wird am Hindukusch verteidigt“. Und die Antwort, die Boris Pistorius sich auf seine Frage: „Warum fahren wir da überhaupt hin?“, gibt, erinnert mich fatal an einen Spruch aus meiner Schulzeit: „Der Lehrer hat immer recht. Und wenn er mal nicht recht hat, dann hat er trotzdem recht.“ Nein, Deutschland braucht kein militärisches Engagement im Pazifik, auch nicht wenn die USA das wollen.
Gregor Böckermann, Neu-Isenburg
Nicht genug Förderung
Boxen: „Ich traue Tiafack Gold zu“, FR-Sport vom 2. August
In Deutschland sinkt die staatliche Sportförderung von 303 Millionen Euro auf 276 Millionen. In den USA beträgt allein der Sportetat der Universität Austin/Texas 220 Millionen Dollar. Insgesamt fördern die dortigen Universitäten den Spitzensport mit 13 Milliarden Dollar.
Fritz Brehm, Frankfurt
Forum vom 16. August 2024
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Eine verhängnisvolle neue Raketenstationierung
Zu: „Es geht um konventionelle Waffen zur Abschreckung“, FR-Tagesthema 12.8.24
Ulrich Menzel meint im Interview mit Bascha Mika, dass die für eine Stationierung in Deutschland vorgesehenen neuen US-Mittelstreckenraketen nur der Abschreckung und Kriegsverhinderung dienen sollen. Das greift jedoch etwas zu kurz. Zur glaubwürdigen Abschreckung gehört die Bereitschaft, die Waffen gegebenenfalls auch einzusetzen. Auch wenn die geplanten Waffen vorerst konventionell bestückt werden sollen, sind sie geeignet, das nuklear-strategische Verhältnis zwischen Ost und West gründlich zu verändern, da die Waffen nukleare Einrichtungen in Russland praktisch ohne Vorwarnzeit zerstören können. Die Erstschlagsfähigkeit des Westens würde erhöht, was eine neue Aufrüstungsspirale in Gang setzen wird. Es wäre gut, wenn die FR die Studie von Oberst a.D. Wolfgang Richter „Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland“ diskutieren würde. Richter betont, dass diese Stationierung das strategische Gleichgewicht zwischen West und Ost gefährlich verändere, die Chancen künftiger Rüstungskontrolle dramatisch reduziere und die Konfrontation zwischen NATO und Russland unnötig verschärfe. Angesichts der Überlegenheit der NATO bei luft- und seegestützten Systemen überzeuge die Entdeckung einer angeblichen Fähigkeitslücke nicht. Gerade zeitgleich mit Auslaufen des New-START-Vertrages 2026 sollen die neuen Raketen singulär in Deutschland stationiert werden. Eine Verlängerung des letzten noch bestehenden Rüstungsabkommens wäre dann kaum mehr möglich. Es bedarf jetzt eines breiten Aufstandes gegen die verhängnisvolle neue Raketenstationierung, die ohne öffentliche Debatte und ohne jegliches Verhandlungsangebot an die Gegenseite durchgesetzt werden soll.
Martin Singe, Bonn
Es war zu erwarten, dass Russland reagiert
Als hätten wir nicht weltweit nicht genügend Katastrophen (Klima, Armut, Hunger Vertreibung, Krisen, Kriege (in 2022 über die uns bekannten hinaus etwa 360) Ressourcenverbrauch, Diktaturen und, und…, als wäre das alles nicht hinreichend groß genug und eine Lösung außer Sichtweite, kommt nun zur 75. Jubiläumsfeier der Nato in Washington noch eine bisher nicht erreichte Eskalationsstufe des Wettrüstens und der gegenseitigen Bedrohung der Weltmächte hinzu. Schlachtfeld wäre Europa, insbesondere aber Deutschland. Die USA ihrerseits haben mit Erfolg den Ort des Geschehens ausgelagert aus ihrer Region auf unseren Kontinent. Indem sie ihre neuen Waffensysteme wie die Tomahawk-Marschflugkörper mit mehr als 2000 km Reichweite und fünffacher Schallgeschwindigkeit hier stationieren, neue ballistische Raketen auch in Polen und Rumänien. Ein neues Natokommando für die Waffenlieferung und Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte, bisher in den Staaten, jetzt in Wiesbaden. In 6 Wochen sollen die ersten Raketen, zunächst probehalber, später fest installiert hier eintreffen. Und damit auch Europa sich nicht untätig erweist, entwickeln Italien, Frankreich, Polen und Deutschland gemeinsam ebenfalls bodengestützte Marschflugkörper. Scholz als dem getreuen Gefolgsmann der USA ist das alles Recht. Der Bundestag ist überdies noch gar nicht einbezogen. Geht ja nur um Leben oder Tod. Die Unionsparteien stimmen voll und ganz zu. Protest kommt von der IPPNW (Ärzte gegen Atomwaffen). ‚Brandgefährlich‘ sagt auch die Linke einschließlich Sarah Wagenknecht. Russland sieht eine ernste Bedrohung in den Ankündigungen und erwägt entsprechende Gegenmaßnahmen. Da haben wir die Spirale. War zu erwarten.
Jörg Sternberg, Hanau
Wie über ein modernes Brettspiel
Wie beruhigend es doch wirkt, über Kriegsszenarien wie über ein modernes Brettspiel zu sprechen, wo sogar neue Figuren hinzugefügt werden können, die dem Ganzen eine überraschende spannende Note geben: Tomahawk-Marschflugkörper (klingt nach Indianerkämpfen), „Patriot“-Flugabwehrsysteme (Patriotismus macht stark). Wie kommt es zu dieser Monokultur waffentechnischen Strategiedenkens? Soll uns das glauben machen, wir hätten alles Griff? Nicht wir beherrschen den Krieg, hat ein Kriegsforscher kürzlich gesagt, sondern der Krieg beherrscht uns. Erst diese Einsicht kann zu einem Umdenken führen. Solange das nicht bei uns ankommt, laufen alle Mahnungen noch entschiedener Aufrüstungsgegner ins Leere. Und wir lassen uns weiter etwas über Erst- und Zweitschlag-Optionen zur Abschreckung erzählen, denn einen Drittschlag sollte es danach nicht mehr geben.
Werner Schieferstein, Frankfurt
Ist Linnemann ein Verfassungsfeind?
Zu: „Reform des Bürgergeldes ist Klassenkampf von oben“, FR-Tagesthema v. 30.7.
Das Interview mit Patrick Kaczmarzczyzk ist in den inhaltlichen Aussagen und in seinen Schlussfolgerungen sehr präzise und den Ärmeren in dieser Gesellschaft zugewandt. Das entspricht nun wahrlich nicht dem Mainstream.
In einem Punkt möchte ich das Thema ergänzen. Bei der Diskussion um das Bürgergeld, veranstaltet vorrangig von FDP und CDU, wird versucht, den unteren Schichten vorzuhalten, dass sie für die Probleme, z.B. bei der Haushaltsaufstellung des Bundes, verantwortlich seien, weil für sie zu viel Geld ausgegeben würde. Daraus ergäbe sich dann, dass sparen, kürzen und streichen das Gebot der Stunde sei, weil einfach für die öffentlichen Haushalte nicht genügend Geld da wäre … und woher man es denn sonst nehmen solle. Dies erfordere eine grundlegende Reform des Sozialstaates.
Dabei gehen diese beide Parteien sehr elastisch mit verfassungsrechtlichen und moralischen Gesichtspunkten um. Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, forderte verfassungswidrig vor einigen Tagen „mutmaßlich arbeitsunwilligen Bürgergeld-Beziehenden die Grundsicherung komplett zu streichen“. (FR vom 30.07.2024) Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass das Existenzminimum nicht durch Sanktionen bedroht oder gar auf Null gesetzt werden dürfe. Linnemann und seine Kumpane vielleicht Verfassungsfeinde?
Also woher soll das fehlende Geld für die öffentlichen Haushalte kommen? Vereinfacht gesagt, muss der Staat sich das Geld durch entsprechend hohe Steuern dort holen, wo es im Übermaß vorhanden ist. Nach einer Untersuchung der University of London werden in Deutschland jährlich Steuern im Umfang von 125 Milliarden Euro hinterzogen, in Europa 825 Milliarden Euro. Der Nettogewinn der Dax-Konzerne in Deutschland bezifferte sich allein im Jahr 2023 auf 117 Milliarden Euro. In den Jahren 2016 bis 2023 sind etwa 35 Milliarden Euro Steuergelder an die größten Börsenkonzerne als Subventionen gegangen. Die Gewinne dieser Konzerne gehen natürlich in weiten Teilen an die Aktionäre, die sich daran bereichern.
Die G20-Staaten treffen sich zur Zeit in Rio de Janeiro um über die Besteuerung von Milliardären im Rahmen einer internationalen Steuerkooperation zu sprechen. Das FDP-geführte Finanzministerium unter Christian Lindner lässt dazu verlauten: „Wir halten die Idee einer globalen Mindestvermögenssteuer nicht für zielführend.“ Mehr Verachtung gegenüber den finanziell Schwachen geht kaum.
Höhere Steuern im Bundeshaushalt würde selbstverständlich die Lage bei der Finanzierung von Sozialleistungen erheblich verbessern und nicht jede unerträgliche Diskussion von Seiten der reaktionären Parteien immer wieder aufleben lassen. Die Behauptung, dass nicht genügend Geld da sei, entspricht nicht der Wahrheit. Eine Veränderung der Lage wäre relativ zügig möglich, wenn das in diesem Land politisch gewollt wäre.
Manfred Heinzmann, Mörfelden-Walldorf
Investitionen auf Null
Rein ökonomisch betrachtet: Höhere Löhne erhöhen die Bereitschaft der Betriebe in Automatisierung statt in Arbeitnehmer zu investieren, reduzieren also zwangsweise das Angebot an freien Stellen. Durch Künstliche Intelligenz weitet sich die Möglichkeit zur Automatisierung rasant auf Büro-Tätigkeiten aus. Hier ist die Höhe der Investitionen auch geringer, als wenn große Maschinen angeschafft werden müssen. Cloud Angebote drücken die Investitionssumme fast auf Null.
Es ist also nicht mehr möglich, den Sozialstaat zu denken, ohne, dass die Spielregeln grundsätzlich neu gedacht werden. Die Antworten der „alten“ Sozialdemokratie werden nicht helfen.
Michael Schnell, Krefeld
Schusters Anmaßung
Buber-Rosenzweig: „Ein persönliches Gespräch“, FR-Feuilleton vom 6.8.
Es ist angesichts der großen Krise, die jüdische Deutsche seit dem 7. Oktober durchstehen müssen, deprimierend zu lesen, dass der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster den Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, für unwürdig erachtet, die Buber-Rosenzweig-Medaille mit seiner Frau Saba Nur-Cheema verliehen zu bekommen. Die Begründung lautet u.a., dass Mendel eine „linke israelische Minderheitenpositionierung“ vertritt, die als „allgemeingültige jüdische Meinung missverstanden“ werde. Wer definiert die „allgemeingültige jüdische Meinung“? Der Zentralrat bzw. sein Präsident? Soll es so etwas überhaupt geben? Ich dachte immer, dass wir Gojim gerade von der jüdischen Kultur lernen durften, dass die Suche nach der Wahrheit eines immerwährenden Disputes verschiedener Meinungen bedarf.
Ich habe Meron Mendel erlebt und war sehr dankbar, eine solche differenzierte Darstellung der komplizierten gegenwärtigen Situation im Nahen Osten zu erfahren, ohne dass er den Eindruck erweckte, „eine Sprecherposition zu vertreten, die als eine vermeintlich repräsentative jüdische Position wahrgenommen würde“. Das trägt sicher mehr zum Verständnis jüdischer Existenz in unserem Lande bei als die Anmaßung Schusters zu wissen, was die „allgemeingültige jüdische Meinung“ sei oder zu sein habe und dass Mendel daher eine „untragbare“ Position vertrete.
Hans-Hermann Büchsel, Heidelberg
Traum vom Frieden
Gold für Hassan: „Die politische Nebenwirkung“, FR-Politik vom 13.8.
Bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele wurden die Medaillen im Marathon der Frauen vergeben. Tigst Assefa aus Eritrea erhielt Silber, die in Äthiopien geborene für die Niederlande startende Sifan Hassan Gold. Auf dem Siegerpodest umarmten sich beide, wohl wissend, dass ihre Heimatländer sich in etlichen Kriegen erbittert bekämpft haben. Diese Umarmung, ein Symbol für Versöhnung, und viele weitere Gesten während der Olympiade einschließlich der Abschlussfeier zeigen, dass der Traum vom Frieden, vom gegenseitigen Verstehen der Völker, nicht Traum bleiben muss. Dafür ist im Großen und im Kleinen Arbeit für den Frieden erforderlich. Dazu gehört neben vielen anderem der Abbau von Feindbildern und die Erkenntnis, dass es Frieden nur miteinander und nicht gegeneinander geben kann. Schon die Fragestellung „Wem nützt der Krieg?“ hilft zu erkennen, warum Liberté, Egalité, Fraternité immer noch Utopien sind.
Rolf Wekeck, Kassel
Forum vom 17. August 2024
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Zu einfach gedacht?
AirBnB: „Die Stadt hört auf, unsere zu sein“, FR-Magazin vom 13. August
Manchmal habe ich den Eindruck, ich denke zu einfach. AirBnB hat sich von einer genialen Idee zu einem Monster entwickelt, dessen Folgen in der FR ja ausführlich geschildert wurde. Dabei bietet sich hier eine simple Lösung: Jede Wohnung darf pro Jahr eine bestimmte Zeit (z.B. sechs Wochen) als AirBnB genutzt werden. Danach gilt es als kommerzieller Herbergsbetrieb mit allen gesetzlichen und steuerlichen Auflagen. Die Nutzung muss dem Wohnungsamt im Voraus mitgeteilt werden und wird von diesem kontrolliert. Wäre mit wenig Aufwand umzusetzen und effektiv gegen Mieter*innen-Vertreibung! Aber wahrscheinlich denke ich zu simpel.
Wolf Liebrecht, Frankfurt
Das Gebot des Überlebens
Zu: „Richtig vermitteln“, FR-Meinung vom 14. August
Andreas Schwarzkopf schreibt in seinem Kommentar, dass die mangelhafte Kommunikation der Ampelregierung ungewollt die „Gegnerinnen und Gegner“ von Waffenlieferungen an die Ukraine stärke. Ich fühle mich mit dieser Bezeichnung nicht verstanden, eher diskreditiert, denn ich bin wie viele andere für Friedensverhandlungen, für Diplomatie, für Krisenbewältigung, für Normalisierungsmaßnahmen nach einem Konflikt. Diese Haltung ist weitaus komplexer und lässt sich nicht auf den Gegner-Begriff reduzieren. In einer Situation, in der die von Albert Einstein mitbegründete Publikation von Atomwissenschaftlern die Welt so nahe am nuklearen Abgrund sieht wie seit Hiroshima nicht mehr, ist Diplomatie das Gebot des Überlebens, nicht Aufrüstung und Waffenlieferungen in Kriegsgebiete.
Rudi Brenzinger, Böbingen
Unfähige Führung
Deutsche Bahn: „Verspielte Geduld“, FR-Meinung vom 14. August
Jede größere Firma zahlt, wenn überhaupt, den Vorständen Boni nach Leistungen. Aber nur der Staatskonzern Deutsche Bahn leistet es sich, auch einem völlig unfähigen Chaos-Vorstand, der sein Unternehmen in ein Milliardengrab sinken lässt, noch Millionen Boni zu zahlen. Das verstehe wer will. Dieser Mann gehört fristlos entlassen und sein aus Steuergeld gebildetes Vermögen zu Gunsten des Finanzministeriums , zum Stopfen des Haushaltlochs , eingezogen.
An dieser Stelle einen herzlichen Dank an Hanne Strack und Uli Barth für ihre Leserbriefe! Ich las den Text von Anetta Kahane im Urlaub und wollte eigentlich auch darauf reagiert haben. Eine solche Haltung hatte ich von ihr nicht erwartet und war einigermaßen erschüttert, das zu lesen. Beide Leserbriefe bringen auf den Punkt, was von ihren Einlassungen zu halten ist und aus welchen Gründen sie energisch zurückzuweisen sind.
Die in der FR schreibenden Menschen scheinen seltsam gespalten zu sein. Auch andere wie z.B. Peter Rutkowski vertreten Positionen, als ginge die die derzeit größte Gefahr von pazifistisch eingestellten Menschen aus. Abwägende und nachdenkliche Haltungen findet man dagegen bei Stefan Hebel und Pit von Bebenburg. Es wäre interessant zu erfahren, wie der innerredaktionelle Diskus aussieht…
Aber wie auch immer, so lange die Stimme der Lesenden gehört und veröffentlicht wird wie hier, kommt die Vernunft doch zu ihrem Recht.
zu @ Hans-Peter Piepho Atommüll
Sie versuchen mit ihrem Beitrag auf ein langfristiges Problem aufmerksam zu machen. Dabei haben sie sogar in der Sache recht, aber wir erleben gerade das sich eine große Mehrheit nicht wirklich dafür interessiert was die nächsten 20 Jahre mit dem Klima passiert. Der Atommüll ist denen mit Sicherheit völlig egal
Ich stelle die Frage, ob Frau Strack und Herr Barth den Inhalt und die Intention der Kolumne von Frau Kahane verstanden haben. Ihre Leserbriefe sind gespickt mit Interpretationen über den Text und falschen Zitatwidergaben von Frau Kahane. Stattdessen eine Eloge auf den Pazifismus, den ich auch wünschenswert finde, aber, so Frau Kahane, so funktioniert die Welt nicht. Aber mit dem Denkmuster Pazifismus geht scheinbar die Sicht auf die Realität verloren.
Frau Strack, verstehen Sie den Unterschied zwischen dem Satzinhalt von Frau Kahane und Ihrem: Kahane: Manchmal hätte ich es auch lieber klarer und übersichtlicher. Dann wäre ich vielleicht Pazifistin und wüsste ganz genau, was und wer zu verurteilen ist, weil ich Gewalt ablehne. Vielleicht könnte ich dann besser schlafen. Strack: Sie ist der Meinung, als Pazifist hätte man es einfacher, da man besser schlafen könne.
Herr Barth, Sie interpretieren den Kontext von Frau Kahane mit dem Satz ‚Anetta Kahane unterliegt einem vielfach wiederholten Irrtum, wenn sie meint, (physische) Gewaltlosigkeit sei gleichbedeutend mit Wehrlosigkeit.‘ Ich frage Sie, wie Sie auf diese Interpretation kommen – ich verstehe es nicht. Und ein weiteres: Sie wollen den FR-Lesern verkaufen (Vorsicht – Interpretation), dass Despoten sich durch Forschungsgelder in Zivilen Ungehorsam dann letztlich einsichtig zeigen werden. Sie lesen doch die FR, haben Sie überlesen, was Putin und andere Despoten mit ihren missliebigen Landsleuten anstellen.
Verdrehung und falsche Widergabe von Inhalten und wird uns von bestimmten Menschenkindern jeden Tag serviert. Ich hoffe, Sie beide sind froh in einer Demokratie zu leben.
Hallo Herr Peter,
ist sie nicht sinnvoll, die Existenz unterschiedlicher Denkmuster? Verloren geht deshalb die Sicht auf die Realität, die man unter den verschiedensten Blickwinkeln betrachten kann, nicht.
Ja, sicher sind Herr Barth und ich „ froh, in einer Demokratie zu leben“, wie Sie es in Ihrem letzten Satz hoffen. Geschluckt habe ich bei diesem nur, denn für mich liegt in diesem Satz der Schwerpunkt auf dem Wörtchen „leben“.
Darin ist mein „pazifistisches Denkmuster“ begründet.
Die Menschen, denen in den stattfindenden Kriegen das Leben genommen wurde und wird, sind das Anliegen derer, denen nach Ihrer Ansicht, „scheinbar die Sicht auf die Realität verloren geht“.