Alle Zuschriften von Leserinnen und Lesern im FR-Forum dieser Woche im Überblick nach ihren Erscheinungstagen und: Offene Diskussion! Lesen Sie in Ruhe oder suchen Sie Ihre Zuschrift gezielt mit der Tastenkombination STRG und F sowie dem Namen als Suchbegriff. Sie finden hier:
- eine Liste der Erscheinungstage einer Woche;
- pdf-Dokumente von den Forum-Zeitungsseiten;
- alle Zuschriften des jeweiligen Erscheinungstags;
- ganz unten das Kommentarfeld, über das Sie mitdiskutieren können.
Bitte stellen Sie ein Stichwort an den Anfang Ihres Kommentars, um anzuzeigen, welches Thema Sie ansprechen. Es gelten die Blog-Regeln – mit einer Ausnahme: Für die offenen Diskussionen ist der Teil der Regel Nr. 4 ausgesetzt, der sagt: Bleiben Sie beim Thema. Hier kann bunt diskutiert werden. Es ist keine Registrierung o.Ä. notwendig.
Im FR-Blog werden die ungekürzten Originalversionen Ihrer Zuschriften veröffentlicht.
Forum vom 11. Oktober 2022
Alle Zuschriften dieser Ausgabe des FR-Forum folgen gleich hier. Zum pdf der Zeitungsseite klicken Sie bitte HIER.
Sollte sich zu einem der Themen eine Diskussion entwickeln, kann diese jederzeit zu einem eigenen Diskussionsstrang ausgekoppelt werden.
.
Wer hat, dem wird gegeben
Bericht des Ostbeauftragten: „Zweifel an der Demokratie“, FR-Politik vom 29. September
Der Artikel: Zweifel an der Demokratie beschreibt die Unzufriedenheit der Deutschen mit der Demokratie in unserem Land. So sind nur noch rund 50 Prozent mit der Demokratie im Allgemeinen zufrieden. Prekärer werden die Zahlen, wenn es darum geht, ob den Politikern das Wohl des Volkes wichtig ist, dies bestätigen nur noch rund 36 Prozent, und ganz heikel wird es, wenn es um die soziale Gerechtigkeit geht, hier glauben nur noch rund 27 Prozent der Befragten, dass es in unserem Land gerecht zugeht.
Zwei Meldungen sorgen dafür, dass sich auch bei gestandenen Demokraten Zweifel an eben dieser Demokratie einschleichen: Die hessische Landesregierung stuft das Volksbegehren zur Verkehrswende als verfassungswidrig ein. Die Meinung von mehr als 70 000 UnterzeichnerInnen wird also ignoriert. Das erinnert fatal an den Versuch eines Volksbegehrens gegen die Privatisierung der Dr.-Horst-Schmidt-Klinik im Jahre 2012. Dort wurde ebenfalls, nachdem Zehntausende von Unterschriften gesammelt worden waren, das Voksbegehren als ungültig erklärt.
Juristische Winkelzüge hebeln damals wie heute den Willen des Volkes aus. Da kann man am Funktionieren der Demokratei schon Zweifel bekommen.
Zweiter Punkt, der bei den Bürgern für Unmut sorgt, ist die Meldung, dass im Jahre 2021 allein in Hessen rund 11 Milliarden Euro an Erbschaften und Schenkungen übertragen wurden. Erschreckend daran ist, dass dafür gerade mal 802 Millionen Euro an Erbschafts-und Schenkungssteuer anfielen. Dies entspricht einem Steuersatz von 7,36 Prozent!
Meine Pension wird deutlich höher besteuert. Wer hat, dem wird in diesem Staat weiterhin gegeben und war arm ist und nichts erbt, bleibt eben arm. Soziale Gerechtigkeit geht anders. Wieso soll man bei einem solchen Vorgehen der Politk und der Politiker ein aufrechter Vertreter der Demokratie bleiben?
Herbert G. Just, Wiesbaden
Ein wirklich absurder Kontrast
Zu: „Fernreisen mit dem Zug teurer“, FR-Wirtschaft vom 29. September
Der seit der Bahnreform profitorientierte DB-Fernverkehr sollte angesichts der Klimakatastrophe und im Sinne einer integrierten Verkehrsplanung unbedingt wieder Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge werden. Die dringend erforderliche Verkehrswende kann nur gelingen, wenn die Nachfrage und ein adäquates Angebot konsequent an den wahren volkswirtschaftlichen Kosten ausgerichtet sind. Immense Subventionen für Auto- und Flugverkehr und die künstliche Trennung des gewinnorientierten Schienenfernverkehrs vom gemeinnützigen ÖPNV sind nicht mehr zeitgemäß. Geradezu absurd erscheint der Kontrast zwischen dem künftigen Nachfolgeangebot für das 9-Euro-Ticket im ÖPNV und der Netzkarte BahnCard100 für demnächst rund 4300 Euro, die weitaus weniger Nahverkehrslinien umfasst.
Werner Geiß, Neu-Isenburg
Das Hauptproblem ist die mangelnde Zuverlässigkeit
Als Engländer haben gewisse Sachen in Deutschland mich sehr beeindruckt, besonders „Die Bahn“! Ja, als Student und Interrailer in den 70er und 80er waren die Züge nicht luxuriös aber sie waren funktionell und zuverlässig. Und auch bezahlbar (z.B. mit dem „Mini-Gruppe Ticket“). Nach British Rail war dies eine Freude!
Seit zwanzig Jahren lebe ich hier in Deutschland und die Bahn ist mein Hauptverkehrsmittel geworden und geblieben. Jetzt aber, mit den neusten Entwicklungen, überlege ich mir meine Bahncard zu kündigen … Ja, die Preissteigerungen sind ärgerlich (besonders nach der „Gaudi“ des 9-Euro Tickets*): Diese Woche habe ich für eine einfache Fahrt Köln-München 98 Euro bezahlen müssen. Und das MIT Bahncard 50! Die eingeschränkte Flexibilität geht mir auch auf die Nerven: Man kann (z.B. im Notfall) nicht mehr das Ticket im Zug bezahlen und ein Fahrschein „ohne Zugbindung“ gilt nur für den gewählten Tag. Aber das Hauptproblem ist die mangelnden Zuverlässigkeit: Es ist eine Seltenheit, wenn die Reise (relativ) reibungslos abläuft. Stattdessen kommt es häufig zu Zugausfällen oder erheblichen Verspätungen. Dann bleibt man oft im überfüllten (Folge-) Zug stehend und/oder schwitzt sich zu Tode, weil die Klimaanlage ausgefallen ist.
Hinzu kommt jetzt die FFP2-Maskenpflicht: Für mich, als Passagier, während drei oder vier Stunden eine Maske tragen, ist eine Quälerei. Ich kann mir, deswegen, nur zu gut vorstellen wie es für das Personal ist: Bald drei Jahre lang mit Maske arbeiten? Wenn ich Schaffner wäre, hätte ich schon längst meine Kündigung eingereicht! Und das verglichen mit den Nachbarländern wo man im Zug keine Maske tragen muss*.
Das ist für mich der zentrale Punkt: Ein Betrieb lebt von treuen, zufriedenen Mitarbeitern und, wenn der fröhliche Schaffner (oder Schaffnerin) nicht mehr strahlend durch den Zug gehen kann und, wegen der Maske, auch die Reaktionen der Passagiere nicht wahr nehmen kann, dann schwindet die ganz Freude und man reicht seine kündigt ein: Entweder reell … oder im Kopf.
Ja, wenn es an Personal fehlt oder das Personal nicht mehr motiviert/begeistert ist und, wenn man in „schickes Zeug“ (Prachtbahnhöfe und Hochgeschwindigkeit) investiert aber die Infrastruktur vernachlässigt hat, dann ist es klar, dass das System bröckeln wird. Und es kommen auch die Kosten und die Komplexität (d.h. Pannenanfälligkeit) von modernen (Hochgeschwindigkeits-) Zügen hinzu: Man täte besser eine anständige, funktionierende, gut-vernetzte, bezahlbare Bahn zu haben … als in „Flugzeuggeschwindigkeit“ hin und her flitzen zu wollen.
Also hier der Knackpunkt: Wird das „in Zügen Maske tragen müssen“ uns die Akzeptanz (sowohl von dem Personal als auch von Passagieren) kosten? Das ist gut möglich. Dann kann man wohl sagen, dass „die Maske“ uns die Verkehrswende gekostet hat … und vielleicht auch das Klima! Wie doof ist das?
Alan Mitcham, Köln
Das Herz ist nicht mit uns zurück gereist
Auslandsaufenthalte: „Noch lange nicht zurück“, FR-Panorama vom 5. Oktober
Generell gilt ja: Reise nicht schneller als Dein eigenes Herz. Was aber tun, wenn das eigene Herz gar nicht mehr zuhause ankommt? Wenn internationale Flughäfen auf anderen Kontinenten besser bekannt sind als der „heimische“ Supermarkt und es keiner Suche bedarf um in Nairobi oder Jakarta morgens frische Brötchen zu kaufen, dann wird es schwer, wieder in der „Heimat“ anzukommen. Und bei genauem Zuhören kann leicht festgestellt werden, dass der überwiegende Teil der zwischenmenschlichen Kommunikation über gemeinsame Eindrücke und im Gesprächskreis Bekannt betrifft, dann ist für jemand, der über längere Perioden „weg“ war, kaum möglich sich in die Gespräche einzubringen.
Ohne meine Frau, die ebenfalls gerne reiste und mir nach Uganda folgte, wo wir heirateten, wäre nach gemeinsame Aufenthalten in Gambia, Papua Neu Guinea, Kenia, Philippinen und Ägypten, ein „Ankommen“ in Deutschland emotional für mich kaum möglich gewesen.
Aber die 34 Jahre Entwicklungszusammenarbeit in 23 Ländern hinterlassen Spuren, und das nicht nur bei mir. Und so erklärte sich auch die hohe Beteiligung an einem Treffen von Beratern, die in West Sumatra zwischen 1970 und 1990 waren. Denn bei den Besuchen und Gesprächen mit den Teilnehmern und den indonesischen Partnern stellte sich schnell heraus, dass die Herzen nicht zurück nach Deutschland gereist waren.
Und außer denen, die einen ähnlichen Lebenslauf (siehe Anhang) wie ich haben, interessiert sich niemand wirklich für das, was wir erfahren haben.
Paul R. Woods, Neumagen-Dhron
Was für ein Armutszeugnis
Erwiderung auf „Winters in einer eisigen Wohnung?“, Forum vom 5.10.
Bei den Herren Jaworek und Manzel frage ich mich, ob ich irgendwas falsch verstanden habe seit dem 24. Februar: Haben die Grünen oder gar Herr Habeck persönlich Putin zu seinem Vernichtungsfeldzug in der Ukraine angestiftet, um eine Energiekrise anzetteln zu können?
Da wird über Jahrzehnte (und nicht nur allein während der 16 Merkel-Jahre) das Gebot der Diversität und Umstellung in der Energieversorgung immer weiter ignoriert und nun sind ausgerechnet die Grünen an allem Schuld? Die haben nur immer wieder den Finger in die Wunde gelegt. Gerade das komplette konservative Lager wollte von „erneuerbaren Energien“ überhaupt nichts wissen. Deutschland war z.B. lange Zeit Weltmarktführer bei den Solarzellen – bis die Chinesen das Potential entdeckt haben, da den Westen wieder an die Leine zu nehmen.
Aber wir haben ja die hochgelobten deutschen Ingenieure, die für alles eine Lösung haben. Gut, mit Software-Manipulation bei Verbrennungsmotoren kennen sie sich nun wirklich aus. Aber anstatt den Gehirnschmalz für die Zukunft des Landes einzusetzen, schaute man mal wieder nur auf kurzfristige Gewinne.
Was für ein Armutszeugnis. Vor allem, wenn der ‚normale Bürger‘ dies auch noch unreflektiert übernimmt und fröhlich weiter auf ‚die Grünen‘ eindrischt. Was ist mit Merz, Söder und Konsorten? Sind die mit ihrem Stammtischgelaber die richtigen, um eine bessere Zukunft anzugehen? Wer’s glaubt…
Gerade Söder: Viel heiße Luft und immer ein Näschen für Stimmungsmache. Da fallen mir zwei Filmzitate ein: Maulhelden (Das Boot) und Traurig, traurig, traurig.. (Die Feuerzangenbowle)
Dieter Künnecke, Offenbach
Forum vom 12. Oktober 2022
Alle Zuschriften dieser Ausgabe des FR-Forum folgen gleich hier. Zum pdf der Zeitungsseite klicken Sie bitte HIER.
Sollte sich zu einem der Themen eine Diskussion entwickeln, kann diese jederzeit zu einem eigenen Diskussionsstrang ausgekoppelt werden.
.
Ein Porsche wäre vielleicht gerade noch zumutbar
„Sozialtourismus“: „Merz bedauert seine Wortwahl“, FR-Politik vom 28.
Man stelle sich das mal vor: da fahren tagtäglich vollbesetzte Flixbusse in die Ukraine und zurück. Die Menschen, die darin sitzen, sind nur darauf aus, unser Sozialsystem zu schädigen. So die Lesart mancher Leute. Ich bin sicher, dass diese „Touristen“ viel lieber als im vollgepfropften Flixbus ganz entspannt im Privatflugzeug ein- und ausreisen würden; vielleicht wäre ein Porsche gerade noch zumutbar. Die Bibel spricht mehrfach davon, dass wir die Fremden, die Geflüchteten, die Verschleppten aufnehmen sollen. Hat das der „Christ“-Demokrat Merz vergessen? Wenn man AfD-nahe populistische Sprüche klopft, ist eine anschließende Bitte um Entschuldigung wohlfeil. Ich kann sie leider nicht gewähren, denn solche Sprüche kommen aus dieser Richtung zu oft, und wenn sie einmal gesagt sind, kann man das nicht ausradieren. Das hat der Herr Merz mit der AfD gemeinsam, daran erkennt man die Populisten: Zuerst Gift streuen und dann sagen, es sei ja nicht so gemeint gewesen. Wann, Herr Merz, wollen Sie und Ihresgleichen endlich den Etikettenschwindel mit dem „C“ in Ihrem Parteinamen beenden und dieses „C“ streichen, wann wollen Sie endlich dieses Pharisäertum beenden? Ich kann Ihnen nur wünschen, dass Sie irgendwann mal in die Notlage solcher „Sozialtouristen“ geraten.
Gerhard Schlesinger, Eppstein
Verknöcherte Mullahs
Proteste im Iran: „Nicht im Stich lassen“, FR-Meinung vom 10. Oktober
Was mag wohl mit Mahsa Amini geschehen sein? Das Kopftuch saß nicht züchtig genug und darum sind die wahrscheinlich sexuell frustrierten „Sittenwächter“ über sie hergefallen. Hübsch genug war sie ja, leider.
Auch in der deutschen Sprache gab es mal den Begriff der „Notzucht“ . Da kann es einen nur noch schaudern. So viel Misogynie als Staatsfundament verknöcherter Mullahs. Iranerinnen, rüttelt weiter am Sockel. Ihr schafft das!
Merve Hölter, Frankfurt
Polen müsste Pacht zahlen
Zu: „Vom Nutzen der Reparationen“, FR-Politik vom 5. Oktober
Ist doch ganz einfach: Polen zahlt für die erlittenen Qualen und die Vertreibung der Deutschen ab 1945 und die Pacht für die aktuell von Polen besetzten deutschen Gebiete, die zu räumen sind. Im Gegenzug erlassen wir die Zahlung der Differenz zwischen unseren und den polnischen Forderungen. Aber viel lieber würde ich ernsthafte Gespräche der EU-Regierungen über die Vereinigen Staaten von Europa sehen.
Gerhard Hubeler, Dreieich
Forum vom 13. Oktober 2022
Alle Zuschriften dieser Ausgabe des FR-Forum folgen gleich hier. Zum pdf der Zeitungsseite klicken Sie bitte HIER.
Sollte sich zu einem der Themen eine Diskussion entwickeln, kann diese jederzeit zu einem eigenen Diskussionsstrang ausgekoppelt werden.
.
Wer blockiert in Berlin?
Friedensfragen: „Schwarz ist der Reichste“, FR vom 7. Oktober
Ja, der soziale Frieden ist gefährdet. Finanzielle Unterstützung ist hochnotwendig, jedoch nicht nach dem Gießkannenprinzip. Alle Rentner/innen sollen auch bedacht werden, unterschiedslos, ob sie -sicher die meisten- eine Unterstützung brauchen oder besser gestellt sind.
Frank Werneke schreibt: “Entscheidend ist auch eine gerechte Steuerpolitik, Abschöpfung von Übergewinnen und ein Energie-Soli für Spitzenverdiener.“ Die Übergewinn-Abschöpfung ist offenbar ein Tabuthema in der Koalition; ebenso ein Energiesoli. Dies würde bedeuten – wie nach dem Zweiten Weltkrieg“ das Gesetz zum ‚Lastenausgleich‘.
Laut Notiz über die derzeit reichsten Familien beträgt deren Gesamtvermögen insgesamt 103,3 Milliarden Euro; das wäre doch schon mal etwas.
Interessant wäre zu erfahren, warum bzw. durch welche der drei regierenden Parteien hier blockiert wird.
Jutta-Maria Roth, Königswinter
Der größte Wohltäter
Voltaire: „Dann stellt sich dieser Teil der Welt als ein einziges riesiges Schafott dar“, FR-Feuilleton vom 30. September
Voltaire hätte mehr verdient! Voltaire Ruhmsucht, Heuchelei, Eitelkeit, Königsgebaren, Grossgrundbesitz etc. anzudichten, ist mehr als geschmacklos. Es ist falsch. Der durch sein Schreiben erfolgreich gewordene Voltaire hat auf seinem Gut in Ferney 300 Flüchtlinge beherbergt und, ebenfalls auf seine Kosten, zahlreiche Prozesse für Justizopfer seiner Zeit geführt. Dadurch ist er zum Begründer des modernen Strafrechts geworden. Von allen Autoren der Weltliteratur ist er der größte Wohltäter gewesen.
Gegen Rousseau, der ihn als „Giftmischer“ in den Dreck zog, hat er sich sachlich verteidigt. Sein gutes Recht. Den politischen Shakespeare hat er ausführlich kommentiert und übersetzt. Für die Juden („holocaustes“, 1756) hat er ein Leben lang gekämpft und ihnen den wunderbaren Satz gesagt: „Meine Freunde, ich bitte Euch um Vergebung für die abscheulichen Verbrechen, die wir (!) durch Jahrhunderte hindurch euch angetan haben.“ Gegen die Kriegstreibereien Friedrichs „des Großen“ hat er „im Staub gekämpft“ (Heinrich Mann). Etwa im „Candide“, in Frankreich Schullektüre.
Verkennung und Herabwürdigung Voltaires gehören leider immer noch zum guten Ton.
Hermann Hofer, Marburg
Wenn einer keine Kritik verträgt
Vergleich mit Nagetier: „Erdogan zeigt Kubicki an“, FR-Politik vom 1. Oktober
Unter Kanalratte versteht man umgangssprachlich eine abstoßende, ungepflegte und widerwärtige Person. Ein Kompliment ist das sicherlich nicht, eine sachliche Diskussion bewirkt ein solcher Vergleich in der Regel nicht. Mit dem Begriff „Kanalratte“ verknüpfte Kubicki die Befürchtung, dass Erdogan eine neue Flüchtlingswelle auslösen könnte. Später behauptete er, eine Kanalratte sei „ein kleines, niedliches, gleichwohl kluges und verschlagenes Wesen“. Eine sicherlich euphemistische Deutung des Begriffes.
Es ist nicht das erste Mal, dass Erdogan einen deutschen Politiker vor Gericht bringen will. Vor sechs Jahren 2016 hatte Erdogan den Satiriker Jan Böhmermann in Deutschland verklagt. Gegen den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel läuft in Istanbul ein Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung.
Bei Beleidigung muss man in der Türkei bis zu viereinhalb Jahren Gefängnis rechnen. Beinahe 200 000 Verfahren wurden seit Erdogans Amtszeit 2014 schon eingeleitet. Oft genügen schon vergleichsweise harmlose Erdogan kritische Äußerungen, um den Kritiker vor Gericht zu bringen. So gibt es ein bekanntes Sprichwort, das Erdogan auf sich selbst bezieht: „Wenn ein Ochse in den Palast einzieht, wird er damit nicht zum König. Vielmehr wird der Palast zum Stall.“ Der Fernsehjournalist Sedef Kabas rezitierte das Sprichwort im Januar dieses Jahres und wurde danach prompt verhaftet.
Böhmermann verfasste 2016 ein Schmähgedicht auf Erdogan. Es war überwiegend unter der Gürtellinie und führte dazu, dass Erdogan eine Strafantrag gegen Böhmermann stellte. Die ersten Zeilen des Gedichtes sollen angeführt werden „Sackdoof, feige und verklemmt ist Erdogan, der Präsident“. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel gab die Ermächtigung zu einem Strafverfahren gegen Jan Böhmermann wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes. Am 4. Oktober 2016 gab die Staatsanwaltschaft Mainz bekannt, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten, Jan Böhmermann, eingestellt wurde. Das Gedicht habe satirischen Charakter, überschreite allerdings die Meinungsfreiheit. Erdogan legte fünf Tage später eine folgenlose Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens ein. Zivilrechtlich bestätigte das Landgericht Hamburg im Februar 2017 das Verbot für Böhmermann, die Ehre verletzenden Verse des Gedichtes gegen Erdogan zu wiederholen.
Insgesamt sollte man mit Rattenvergleichen nicht kommen, schon gar nicht gegenüber Politikern, die keinerlei Kritik vertragen. Auch die Dauertiefschläge von Böhmermann sind nicht sinnvoll.
Christian Schauer, Alzenau
Forum vom 14. Oktober 2022
Alle Zuschriften dieser Ausgabe des FR-Forum folgen gleich hier. Zum pdf der Zeitungsseite klicken Sie bitte HIER.
Sollte sich zu einem der Themen eine Diskussion entwickeln, kann diese jederzeit zu einem eigenen Diskussionsstrang ausgekoppelt werden.
.
Es gibt Wege aus der Krise
Zu: „Solar als Selbsthilfe“, FR-Klima vom 10. Oktober
Die Kritik einiger Medien an der Bundesregierung, den Ländern und Kommunen zur schwierigen Energiebeschaffung in Kriegszeiten, ist berechtigt. Deren Maßnahmen greifen trotz aller Bemühungen oft leider immer noch zu spät und zu kurz.
Viele engagierte Bürger sind verunsichert, denn deren anvisierte Einzelprojekte bei Bau und Energiegewinnung bleiben so erst mal auf der Strecke. Verdienstvoll in Sachen Energieeinsparungen sind aktuell wohl nur einzelne kommunale Expertengremien mit bereits jetzt schon löblich hohen Einsparungserfolgen bei Energie & Co. Viele politische Würdenträger aber warten wohl immer noch auf Zeichen und Wunder, bevor sie – zum Wohle der Allgemeinheit – endlich geeignete Gegenmaßnahmen zur Energie – und Wasserknappheit ergreifen.
Dabei gibt es schon lange gute und preiswerte Teillösungen zur Energieknappheit, bei denen jeder Einzelne, Familien, Kommunen, Länder und der Bund ohne riesige Kosten mitwirken können. Kochen, Backen, kochendes Wasser, Duschen und selbst Strom erzeugen mit geeigneten Solargeräten wie Solarkochkisten, Parabolspiegeln, Solarpaneelen und –balkonkraftwerken etc. – massenhaft von jedem genutzt – ergäbe eine enorme Ersparnis an Energie, die nicht mit den bisherigen, meist importierten und mittlerweile teuren fossilen Energien abgedeckt werden müsste. Zudem schmeckt z.B. solargekochtes Essen besser und ist gesünder, weil es mehr Vitamine und Mineralstoff enthält und niemals anbrennt.
Für den Geldbeutel des einzelnen Bürgers, der Kommunen, der Länder und den Bund, mit Hilfe u.a. auch von Ingenieuren mit effizienten Weiterentwicklungen richtig eingesetzt, wäre dies ein wahrer Segen, denn die Sonne, die dank der Klima-Erwärmung wohl auch in Deutschland mittlerweile mehr als 170 Tage im Jahr scheint, gibt’s bislang umsonst.
Was wäre dagegen einzuwenden, wenn recht bald diese erstaunlich gut durch Entwicklungshelfer der 1. Welt etc. in der Praxis der 3. Welt eingesetzte und funktionierende „Idee“ auch bei uns endlich die Massen ergreift und damit – Energie – gewendet – zur leckeren. Behaglichen, umweltfreundlichen und damit zukunftsweisenden – Materie wird ?
Wenn Regen fällt, sind auch bei uns an vielen Stellen große dezentrale Rückhaltebecken das Gebot der Stunde. Indien, und Bangladesh mit üppigem Monsunregen und monatelanger Trockenheit machen dies seit Jahrhunderten vor: Von mit Wasser vollgelaufenen Tanks (Rückhaltebecken) in ihrer Nähe leben das ganze Jahr über ganze Landstriche. In Dürrezeiten und dem bereits jetzt einsetzenden Wassernotstand wäre dies sicher ein Ausweg.
Ingmar Willkomm, Dorsten
Ein grober Schnitzer
Lithium: „Der Kampf ums weiße Gold“, FR-Magazin vom 28. September
Geothermische Energie kann bis zu 25 Prozent des deutschen Wärmebedarfs decken (ntv.de/startseite/wissen/helmholtz/vielversprechende Energiequelle ….27.9.2022). Dass das am Oberrhein geförderte Thermalwasser auch wirtschaftlich gewinnbares Lithium enthält, ist eine sehr erfreuliche Zugabe. Allerdings können nicht nur beim Fracking, sondern auch bei der Förderung von Thermalwasser kleinere Erdbeben auftreten. Die spektakulären Schäden in Staufen (Breisgau), die im FR-Artikel in einem abschreckenden Foto abgebildet sind, haben aber einen speziellen Grund: dort haben Geothermie-Bohrungen Anhydrit-führende Schichten durchschlagen. Anhydrit (wasserfreies Calcium-Sulfat) hat Grundwasser in sein Kristallgitter aufgenommen, ist dadurch zu Gips geworden (CaSO4 . 2 H2O) und dabei stark aufgequollen. Dieser Prozess läuft auch überall dort ab, wo Anhydrit-führende Schichten durch Straßen- oder Tunnelbau angeschnitten und damit dem Oberflächenwasser ausgeliefert werden, so z.B. am südwestlichen Harzrand oder in Baden-Württemberg. Ruhe kehrt erst ein, wenn die Vergipsung abgeschlossen ist. Dieses (vermeidbare!) Risiko war dem österreichischen Bohrunternehmen, das die Bohrungen als billigster Anbieter durchgeführt hat, offenbar nicht bekannt oder wurde unterschätzt. Ein solch grober Schnitzer darf aber nicht als Argument gegen die Gewinnung geothermischer Energie missbraucht werden – eine journalistische Nachlässigkeit.
Wolfgang Franke, Gießen
Mehr als sauer
Maskendeals: „Riegel vorschieben“, FR-Meinung vom 24. September
Gesetzeslücken bleiben – für wen? Dass vereidigte deutsche „Volksvertreter“ sich durch Gesetzeslücken mit Millionen-Bestechung/Vermittlungshonorar an Behörden-Einkauf bereichern können, dürfte jedem Wähler mehr als sauer aufstoßen! Die CSU hat den Abgeordneten lediglich eine Rüge aber kein Verfahren angedroht! Wenn auf dem Wochenmarkt die Zeitgrenze minimal überschritten, erteilt der Marktmeister ein Bußgeld!
Walter Schinski, Buseck
Forum vom 15. Oktober 2022
Alle Zuschriften dieser Ausgabe des FR-Forum folgen gleich hier. Zum pdf der Zeitungsseite Forum 1 klicken Sie bitte HIER. Zur zweiten Seite geht es HIER.
Sollte sich zu einem der Themen eine Diskussion entwickeln, kann diese jederzeit zu einem eigenen Diskussionsstrang ausgekoppelt werden.
.
Der Grundbedarf an Energie sollte verbilligt werden
ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme: „Gedeckelt“, FR-Wortschaft vom 11. Oktober
Die Vorschläge der Kommission sind nicht optimal zielführend. Weder der soziale noch der ökologische Aspekt sind ausreichend berücksichtigt. Eindeutig werden Personen/Haushalte mit Mehr- und Luxusverbrauch nach dem Gießkannenprinzip begünstigt! Das ist kontraproduktiv für den Klimaschutz, für das Energieeinsparen und zudem sozial ungerecht. Diese unzureichenden Vorschläge der Kommission sollten nicht gebilligt werden. Vor allem dürfen/sollten die Grünen und die Sozialdemokraten der Ampelkoalition diesen Vorschlägen nicht zustimmen.
Ich wiederhole entsprechend meinem Konzept: Nur der Grundbedarf an Energie sollte verbilligt werden! Ich hatte vorgeschlagen, dass ein preiswerter Grundbedarf von 18.000 kWh pro Jahr und Haushalt für Gas angesetzt werden sollte.
Dieser Wert kann politisch nach oben oder bei eklatanter Verknappung von Gas nach unten angepasst werden. Dieser Vorschlag kann von den Stadtwerken und anderen Energielieferanten einfach über die Rechnung umgesetzt werden, ebenso wie die stufenweise Verteuerung von Gas und Strom bei einem über den Grundbedarf hinausgehenden Mehrverbrauch. Diese stetige Verteuerung über den Grundbedarf hinaus ist für das Energieeinsparen und damit für die Klimapolitik ein wesentliches Element der Energiepreisgestaltung! Es kommt in den Vorschlägen der Kommission leider nicht vor.
Es hat den Anschein, als ob die Bundesregierung alleine die Entscheidung trifft. Bei der Tragweite der Entscheidung muss sich zwingend der Bundestag mit diesem Thema befassen. Nur dieser spiegelt die Meinungsvielfalt der betroffenen Bürgerinnen und Bürger wider und trägt umfassend mit allen Fraktionen – auch mit denen der Opposition – die Verantwortung der politischen Entscheidung in unserem Land.
Letztlich sollten die weiteren Beratungen der Kommission laut deren Geschäftsordnung nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit und mit einer unverständlichen Verschwiegenheitspflicht geführt werden. Dies erzeugt in der Regel den Anschein, man habe etwas zu verbergen oder andere Vorschläge oder Diskussionsbeiträge, die nicht der Mehrheitsmeinung entsprechen, sollten der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden. Es geht doch nicht um vertrauliche Personalangelegenheiten, sondern um den Erhalt des sozialen Friedens und die Zukunft unseres Landes. Wer wollte die Beratungen mit der Geschäftsordnung gegen das Interesse der betroffenen Bürgerinnen/Bürger und das der Wirtschaft/Industrie bewusst so intransparent gestalten?
Ich erwarte, dass die weiteren Beratungen live im TV und Internet durchgeführt werden.
Helmut Weber
Bayern hat 40 Jahre lang vom Finanzausgleich profitiert
Der Vorstoß aus dem Norden bezüglich der Regionalisierung des Strommarkts ist fundiert und gerechtfertigt, ebenso auch Anreize für energieintensive Betriebe zu schaffen, sich an der Küste anzusiedeln. Dadurch würde der schwierige Ausbau der Netze nicht erforderlich, der von südlichen Bundesländern in der Vergangenheit nicht gerade unterstützt, sondern eher behindert worden war.
Durch Versäumnisse beim Bau und Behinderung des Baus von Windkraftanlagen und Solaranlagen steigt der Strompreis, und es ist nicht gerecht, dass die nördlichen Bundesländer diesen hohen Strompreis zahlen und damit die südlichen subventionieren.
Bayern war etwa 40 Jahre Empfängerland des Länderfinanzausgleichs bis 1987. Gefördert von den konservativen Bundesregierungen mit Vermittlung von Aufträgen, Implementierung von Bundesbehörden, Industrieansiedlungen begünstigt durch eben diese konservativen Bundesregierungen, durch Anreize sich in Bayern anzusiedeln für Forschungsabteilungen von IT-Konzernen, für Niederlassungen verschiedener Firmen sowie Verlegung von Konzernsitzen (Siemens, Allianz u.a.) von Berlin nach Bayern, bayerische Förderprogramme für Innovation und Neue Technologien, LfA Förderbank Bayern, durch EU Strukturförderung für Forschung und Innovation, und nicht zuletzt durch Stärkung der Verkehrsstruktur (Begünstigung Bayerns beim Straßenbau durch die CSU Bundesminister) mutierte es erst 1989 zum Geberland,
Bayern begann dann 1989 umgehend damit den Länderfinanzausgleich in Frage zu stellen, obwohl es jahrzehntelang von selbigem bis 1987 profitiert hatte! Der Wirtschaftshistoriker Stefan Grüner dazu: Der wirtschaftliche Erfolg Bayerns wäre ohne die stetig steigenden Finanzflüsse aus finanzstärkeren Bundesländern nicht möglich gewesen. Die bayrische Wachstumsförderung durch Neuverschuldung verzögerte den Staatsschuldenabbau. Bayern erpresste über den Finanzausgleich eine Mitfinanzierung seiner zunehmenden Überlegenheit durch andere Bundesländer.
Weitere Kritikpunkte: Selbst der jetzige FDP-Verkehrsminister fördert statt die Bahn entgegen früheren Verlautbarungen den Straßenverkehr gegenüber der Schiene.
Dass auch Biogas abgefackelt wird (Redispatch), ist ein Skandal. „Deutschland fackelt Biogas ab“ von Jörg Staude, FR 20.9.22
Edeltraud Schnegelsberg, Darmstadt
Diese Kneipentouren sind nicht angemessen
Feldmanns Abwahl: „Zwei Lager beharken sich“, FR-Region vom 12. Oktober
Mit Befremden habe ich den Artikel gelesen. Berichtet wird über eine Tour von “ Grünen“ durch Frankfurter Kneipen, um für die Abwahl von Oberbürgermeister Peter Feldmann am 6. November zu werben. Diese erste Kneipenrunde wird von den Aktivisten als „voller Erfolg“ gewertet. Es sollen weitere folgen.
Ich frage mich aber, ob es bei solchen Kneipenbesuchen möglich ist, potentielle Wählerinnen und Wähler in der Sache ausreichend zu informieren.
Mein Eindruck beim Lesen des Artikels war, dass bei der Aktion, die mit einfachsten Slogans (auf Bierdeckel) auf Stimmenfang geht, vorhandene diffuse und ganz allgemeine Stimmungen gegen Politikerinnen und Politiker aufgegriffen und genutzt werden.
Ich halte dieses Vorgehen der Bedeutung des Abwahlverfahrens für nicht angemessen.
Ja, am Ende wird nur das Ergebnis des Bürgervotums ausschlaggebend sein. Sollte deshalb aber der Anspruch auf informierte Wählerinnen und Wähler so leichtfertig aufgegeben werden? Es handelt sich schließlich nicht um eine Challenge in den Sozialen Medien, sondern um einen für die Stadt bedeutsamen Vorgang.
Ursula Müller-Portillo, Frankfurt
Wir sollten keine Fachdiskussionen erwarten
In der letzten Zeit hat die Ampelkoalition außr zur Abwahl des Oberbürgermeisters wenig bis nichts geleistet. Wieso nicht?
Die von uns Bürgern, die wir auf einer von den Parteien aufgestellten Liste die Stadtverordneten ankreuzen, sind Bürger wie wir. Sie nehmen neben ihren Erwerbs- und Familienleben die schwierige und aufregende Arbeit eines Stadtverordneten nach Feierabend auf. Mit ihrer Wahl haben sie keine neuen Kompetenzen erhalten, so auch die Dezernenten nicht, die keinen Hochschulabschluß in ihrem Fach haben, wie sie es die Mitarbeiter der Verwaltung besitzen.
Sie sind nun darauf angewiesen, was einige Kollegen, die Fachkenntnisse vorgeben ihnen empfehlen, oder was die Dezernenten von ihnen wünschen oder im Rahmen eines Fraktionszwanges, ihre Entscheidungen einzurichten und abzustimmen. In der Regel läuft das so ab, das die Volksvertreter ihre Hand haben oder nicht, wie es die „Vorsitzenden“ tun.
So muß man zwangsweise als ehrenamtlicher Politiker,, die anderen Volksvertreter der Gegenparteien zuerst verunglimpfen, dann sich als fachkundig darstellen und drittens in ihren Beiträgen die Verdienste ihrer Partei darzustellen. So wie wir sowohl im Bundes- im Landtag und im Ratsaal ständig erleben. Fachliche Diskussionen und Beiträge sollten wir daher nicht erwarten.
Es ist eigentlich unverantwortlich, das Stadtverordnete einer Großstadt, wie Frankfurt mit ihren komplexen und weitreichenden Entscheidungen, nur ehrenamtlich und nicht freigestellt, wie Betriebsräte, für die Bürger arbeiten müssen. Vergleicht man das mit den hauptamtlich und hoch bezahlten Landtagsabgeordneten. Die Entscheidungen in einer Großstadt und in einem Land sind in der Tragweite nicht so verschieden..
Konrad Mohrmann, Frankfurt
Glück beim Vermögen
Zu: „Erbe und Schenkungen“, FR-Regional vom 28. September
In einer eher unauffälligen Meldung vom 28. September lässt die FR ihre Leserschaft wissen, dass sich 2021 Menschen in Hessen über 10,9 Mrd. Euro freuen durften, die ihnen geschenkt oder vererbt wurden. Freuen konnte sich auch die Finanzbehörde über 802 Mio. Euro Erbschafts- und Schenkungssteuer. Das entspricht einem sensationell niedrigen Steuersatz von durchschnittlich 7,357%. Wie kann das sein? Das Rätsel lüftet sich, weil erstens Erbschaften und Schenkungen nicht nach dem persönlichen Steuersatz der Erben oder Beschenkten versteuert werden, sondern z. B. bei Kindern über eine spezielle Steuerklasse I, die nicht mit der Lohnsteuerklasse zu verwechseln ist, nur mit 15%. Aber damit nicht genug. Großzügige Freibeträge sorgten zweitens dafür, dass mehr als die Hälfte der Erbschaften und Schenkungen ohne jede Gegenleistung steuerfrei übertragen werden konnte, so dass am Ende auch der ohnehin schon niedrige Steuersatz noch einmal halbiert wurde. Davon kann der durchschnittliche Arbeitnehmer nur träumen. Die extrem ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland kommt in der Regel nicht durch extrem ungleiche Leistung zustande, sondern überwiegend durch Glück, Zufall und eine die Ungleichheit fördernde Steuergesetzgebung.
Hans Schinke, Offenbach
Forum vom 16. Oktober 2022
Alle Zuschriften dieser Ausgabe des FR-Forum folgen gleich hier. Zum pdf der Zeitungsseite klicken Sie bitte HIER.
Sollte sich zu einem der Themen eine Diskussion entwickeln, kann diese jederzeit zu einem eigenen Diskussionsstrang ausgekoppelt werden.
,.
„Zuerst Gift streuen und dann sagen, es sei ja nicht so gemeint gewesen.“
So kennzeichnet, Gerhard Schlesinger die Verleumdung ukrainischer Kriegsflüchtlinge durch Herrn Merz mit dem infamen Wort „Sozialtourismus“. („Ein Porsche wäre vielleicht gerade noch zumutbar“, Forum vom 12. Oktober). Und er kann einem solchen „AfD-nahen Populismus“ keine „Entschuldigung gewähren“ – sehr zurecht.
Schließlich offenbart die verwendete Sprache auch das dahinterstehende Denken. Damit nicht genug, hat sich aber herausgestellt, dass Herr Merz „knallharte russische Propaganda“ verbreitet, wie Grünen-Chefin Lang richtig klarstellt. (https://www.fr.de/politik/friedrich-merz-verbreitet-knallharte-russische-propaganda-und-rechte-narrative-91833718.html)
Ob er dabei „nur“ Putin-Propaganda aufgesessen ist, ist dabei ziemlich unerheblich.
Ein Parteichef, der so unverantwortlich und zynisch mit Sprache wie mit Menschen umgeht, ist schlicht nicht tragbar. Zumal, wenn diese Partei sich „christlich“ nennt.
So richtig und wichtig es ist, die existenziellen Sorgen vieler Menschen in den Blickpunkt zu nehmen und sie zu lindern, so problematisch ist es, wenn man durch diese „Fokussierung auf das Aktuelle“ andere Aspekte aus dem Blick verliert.
„Geld verschwindet nicht“, sagte kürzlichst ein Bekannter zu mir. Es befände sich lediglich in anderen Händen/Taschen. Herr Werneke spricht davon, dass ein „Business as usual“, gemeint sind Gaslieferungen wie vor dem Krieg, zynisch und fahrlässig sei. Aber war da nicht die Rede von 220 Milliarden zusätzlicher Gewinn bei bestimmten (westlichen) Unternehmen, weshalb ja über eine Übergewinnsteuer diskutiert wurde? Da profitieren doch Einige vom Krieg Russlands.
Es ist nicht zynisch, wenn im TV jemand bei Eintreffen der ersten Ukraine-Flüchlinge öffentlich (im Stillen wäre auch nicht besser) darüber nachdenkt, dass man mit den Ukrainer:innen den Pflegenotstand (oder Fachkräftemangel) lindern könnte? Da würde Deutschland doch von Russlands Krieg profitieren, oder nicht? Wenn also Solidarität und westliche Wertegemeinschaft gelten, dann bitte für alle. Bedeutet zumindest die Einführung einer Übergewinnsteuer (die USA sollen im Zweiten Weltkrieg 95 Prozent wegsteuert haben, das wären aktuell rund 210 Milliarden, damit könnte man recht problemlos Entlastungspakete finanzieren, und die Profiteure hätten immer noch mehr als sonst) und eine Diskussion darüber, ob die Geflüchteten hier bleiben sollen, denn wenn sie es tun, fehlen sie später in der Ukraine (Stichwort braindrain).
Diese Argumentation möchte ich aber nicht als inhuman missverstanden wissen. Soll heißen, dass man den Flüchtlingen selbstverständlich hilft. Aber ganz so einfach, wie es Frank Werneke darstellt, ist der Sachverhalt nicht.
„Wenn ein Sieg der Ukraine oder ein globaler Atomkrieg zur Wahl stehen, ist der Atomkrieg vorzuziehen“, postet der Turbonationalist Jegor Cholmogorov.“ Dies ist ein Zitat von Seite 2 der Ausgabe der Frankfurter Rundschau vom 6.10.2022. Genauer gelesen, ergeben sich aus diesen Worten Dimensionen des Schrecklichen. Wer ist der Blogger Jegor Cholmogorov, dessen Namen zumindest ich das erste Mal gelesen habe. Was legitimiert die Worte dieses Menschen, dass sie in der internationale Presse zitierfähig sind. Soweit ich weiß, ist er weder ein Amtsträger und hat sich einer Wahl gestellt oder ist anderweitig demokratisch legitimiert, noch ist er fachlich besonders qualifiziert. Er postet, was eine geringere Anstrengung erfordert, als sich persönlich einem Diskurs zu stellen. Vor der Veröffentlichung seines Textes muss er niemand anderen von der Qualität seiner Äußerung überzeugen, findet aber ungleich größere Verbreitung als ein Leserbrief. Gibt es eine fundierte Erwiderung, die er im Interesse eines Diskurses gerne zur Kenntnis nimmt? Die niedliche Bezeichnung Turbonationalist klingt spielerisch, als wäre es eben der Jegor, der gerne mal etwas heftig formuliert. Sie kann aber über die Dimension der Aussage nicht hinwegtäuschen. Da spricht ein einzelner Mensch als Bürger eines Landes, das einen verbrecherischen Krieg begonnen hat, mit einem „oder“ in der Mitte eine Alternative an, die 10 Milliarden Mitmenschen betrifft. Wie ist denn der Wille dieser Menschen repräsentiert, selbst wenn die Sache innerhalb der genannten Alternative zu entscheiden wäre? Hat sich Herr Cholmogorov vielleicht die Mühe gemacht durch Anstrengung seiner Intelligenz auch nur in geringer Erweiterung der Komplexität der Frage nach anderen Entscheidungsmöglichkeiten zu suchen. Hier wird in dürren Worten eine verheerende Aussage transportiert, als handele es sich um ein spaßhaftes Knöpfchendrücken bei einer W-Lan Party. Wenn hier in Gedanken und Worten mit dem Schicksal der Menschen eines Kontinentes gehandelt wird, braucht es doch eine Legitimation durch eine konsistente, moralisch verantwortliche humane Fundierung in der Sache, bevor eine solche Äußerung überhaupt als ernsthafter Beitrag gewertet werden darf. Denken, Schreiben, Formulieren geschehen in einem Maß der Leichtfertigkeit, die allen geistig kulturellen Errungenschaften der einbezogenen Menschheit größten Hohn spricht. Selten stellt das Wort Verharmlosung einen größeren Euphemismus dar. Sind das die neuen Dimensionen moderner Publizistik?
„Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“, klebt auf unserem Auto – und ich glaube das auch. Trotzdem halte ich, wie Bischof Bätzing, Waffenlieferung für legitim. Aber ich sage auch: „Waffenlieferungen sollten nach Gottes Willen nicht sein“. Wie kann ein Gott der Liebe und des Lebens die Lieferung tödlicher Waffen bejahen, solange nicht ganz anderes versucht wurde? Endlose Worte von allen Seiten, auch vom Papst, gibt es viele. Verhandlungen erweisen sich schon länger als aussichtslos. Was wäre dann noch möglich? Taten! Z.B. der Brief der polnischen Bischöfe an Moskaus Patriarch Kyrill, die Soldaten Putins zur Befehlsverweigerung aufzurufen, zu dessen Veröffentlichung aber Bischof Bätzing nicht aufruft (meines Wissens). Oder ein „Schweigemarsch“ friedliebender europäischer Christen gegen kriegsverherrlichende russische Christen? Oder besser ein „Schweigemarsch“ der kath. Bischöfe Europas durch die Ukraine, angeführt vom Papst? Oder haben diese alle Angst um ihr Leben – und lassen lieber Tausende junger ukrainischer Männer und Frauen, Familienmütter und -väter sterben, mit und trotz unseren zögerlichen -“legitimen“-Waffenlieferungen? Ich glaube, Gott fände das überzeugender als Waffenlieferungen für legitim zu erklären! Und sicher hält er Taten für überzeugender als Worte.
Zu „Wer ist bereit, den Weg zum Frieden zu weisen?“: M. v. d. Schulenburgs Beitrag frappiert: Friede stand direkt bevor und wurde von den USA torpediert? Wenn man sich im internet dazu schlau macht, kommt man (natürlich ohne das Wissen eines ehem. UN-Diplomaten) zu dem Schluss: Ganz so einfach war es wohl nicht. Was von russ. Zusagen betr.: Neutralität der Ukraine zu halten sein würde, hat der 24.02. gezeigt; auf die NATO-Mitgliedschaft (über die übrigens jeder Staat selbst und nicht ein Dritter entscheidet) hat die Ukraine (vorerst?) verzichtet. Und: Wenn Friede heißt, die seit 2014 besetzte Krim bleibt bei Russland und alles seit 2022 Eroberte auch, dann kann man das wohl nicht Frieden nennen. Wie stellt man sich ein friedliches Zusammenleben der Bevölkerung einer zerstörten Ukraine mit den russ. Besatzungstruppen vor?- Und im Übrigen: Worum geht es Putin/Russland? Um die Rückgewinnung der durch den kontinentalen Imperialismus (poln. Teilung; Ausdehnung nach Sibirien) eroberten Gebiete, die durch Selbstbestimmung (!) z. B. der baltischen Staaten verloren gingen.