Die Wahl zum EU-Parlament naht. Wir werden wohl erleben, dass das Parlament um ein paar europakritische Parteien reicher bzw. um ebensolche Abgeordnete zahlreicher wird. Der Grund dafür ist angeblich, etwas verkürzt gesagt – das ist auch hier im FR-Blog immer wieder die Klage gewesen -, dass Europa, genauer: die Europäische Union im Kern ein ziemlich undemokratischer Laden sei. Da gibt es die Kommission, die praktisch eine Technokratenregierung darstellt, und da gibt es den Europäischen Rat und den Rat der Europäischen Union, in denen die Regierungen der Mitgliedsländer Politik für Europa machen. Und dann gibt es da noch das Europäische Parlament. Dessen Besetzung steht in Kürze zur Wahl. Berührt das irgendwen? Ausgerechnet das EU-Parlament, welches definitiv der demokratischste Teil der gesamten EU-Maschinerie ist, wird von vielen Wählerinnen und Wählern bereits im Vorfeld abgestraft. Angeblich habe es ja sowieso nichts zu sagen.
Das ist nicht richtig. Seit dem Lissabon-Vertrag ist die Macht des EU-Parlaments gewachsen. Und es hat diese Macht auch bereits im Sinne der europäischen Bürgerinnen und Bürger genutzt, etwa indem es den ACTA-Vertrag ablehnte. Dieses Abkommen, mit dem angeblich gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen vorgegangen werden sollte und das tatsächlich Überwachung und Einschränkungen der Meinungsfreiheit mit sich gebracht hätte, kann in der EU daher nicht in Kraft treten. Ein ähnliches Verhalten erwarte ich in Sachen TTIP vom EU-Parlament. Es hat schon viele Fehlentscheidungen der EU-Kommission kassiert, und es streitet beispielsweise für die Finanztransaktionssteuer. Im EU-Parlament wird Europa transparent. Das Parlament repräsentiert genau das Europa, das wir doch eigentlich haben wollen – ein Europa der Diskussionen, der Debatten, des Streits, aber auch ein Europa der Kompromisse, mit denen letztlich alle leben können sollten, weil der Kompromiss und der Wille zur Verständigung der Kern der Demokratie ist. Genau dieses Parlament wird voraussichtlich demnächst aber bestraft werden, sei es durch Wahlenthaltung oder sei es durch die Entsendung von Vertretern von Kleinstparteien, die anti-europäisch eingestellt sind.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich separiere in meiner Argumentation das Parlament von den meisten anderen europäischen Institutionen, um das Demokratische daran herauszustellen, nicht um die EU insgesamt schönzureden. In der EU liegt vieles im Argen, darüber kann man schwerlich hinwegsehen; und zum Glück führt das im EU-Parlament auch zu den entsprechenden Debatten. Allein die Tatsache, dass die EU-Kommission und insbesondere Kommissar de Gucht glaubt, Verhandlungen wie die über den TTIP-Vertrag, der weitreichende Folgen für uns alle haben wird, im geheimen Kämmerlein führen zu dürfen, entlarvt die Kommission als einen Haufen von Anti-Demokraten. Was allerdings niemanden groß wundern wird, der weiß, dass der schwache Kommissionspräsident Barroso ein Kompromisskandidat war, der unter den großen EU-Ländern ausgekungelt wurde – auch so ein Armutszeugnis!
Das alles – und noch mehr – sind gute Gründe, EU-kritisch eingestellt zu sein – aber eben nicht, was das EU-Parlament betrifft. Das Parlament verdient jegliche Stärkung, die es bekommen kann. Die EU muss dahin weiterentwickelt werden, dass der Kommissionspräsident vom Parlament gewählt und nicht mehr von den Länderregierungen danach ausgekungelt wird, welcher Kandidat den Länderregierungen bei der Steuerung der EU am wenigsten reinredet. Die Macht muss auch in Europa vom Volk ausgehen. Die kommende Wahl zum EU-Parlament ist ein Schritt in diese Richtung, weil beide Spitzenkandidaten der großen Parteienblöcke, Jean-Claude Juncker und Martin Schulz, respektable und überzeugte Europäer und als Kandidaten für den Posten des Kommissionspräsidenten im Gespräch sind. Diese Wahl steht für mehr Demokratie in Europa. Wer das bestreitet, besorgt das Geschäft der Demokratiefeinde.
Daher, liebe Leute: Geht am 25. Mai wählen! Und wählt eine der Parteien, die für Europas Weiterentwicklung eintreten und dafür, die EU-Politik demokratisch zu kontrollieren. So sorgt Ihr dafür, dass solche Fehlentscheidungen wie die über den Genmais oder zur Vorratsdatenspeicherung, aber auch zu internationalen Abkommen wie ACTA, SWIFT und TTIP keine Chance haben.
FR-Leserin Sigrid Weber aus Frankfurt vertritt eine andere Meinung, die ich hier kontrastierend veröffentliche. Sie schreibt mir:
„Seit 1992 beschäftige ich mich sehr intensiv mit der EU und ihrer Politik und habe auch den Maastricht-Vertrag gelesen (Gibt es als Taschenbuch von dtv). Es ist unstrittig: Es gibt ein Demokratie-Defizit in Europa, das seit Jahrzehnten beklagt wird. Geändert hat sich daran nichts Wesentliches. Wäre die EU ein Staat und wollte selbst in die EU aufgenommen werden, wäre das aus diesem Grund nicht möglich.
Die Begründung, mit der das Bundesverfassungsgericht sogar die Drei-Prozent-Klausel abgeschafft hat, spricht Bände: „Das EP habe ohnehin nicht genügend Kompetenzen für die es auf stabile Mehrheitsverhältnisse ankommt …“ Damit wird jede Partei ins EP einziehen, die genügend Stimmen für einen Sitz aufbringt. In der Praxis wird sich daraus eine ständige große Koalition ergeben.
Es spielt ohnehin keine Rolle, denn die Entscheidungen trifft nicht, wie in einer Demokratie üblich, das Parlament, sondern der Europäische Rat, also die Regierungen der Mitgliedsstaaten und die wechseln ständig. Man muss also die Katze im Sack wählen, weil man nie weiß, welche Politik man bekommt, wenn man das EP wählt.
Es ist abenteuerlich, welche Argumente Herr von Löwenstein (CDU) anführt, um die Wähler zu überzeugen, zur Wahl zu gehen. Ob der Sitz der EZB in Frankfurt ist, oder anderswo, spielt bei dieser Wahl nicht die geringste Rolle. Fakt ist, dass Deutschland 27 Prozent der Lasten trägt, aber nur eine Stimme im EZB-Direktorium hat, genauso viel Einfluss also, wie z.B. Malta oder Zypern.
Es ist Unsinn, wenn immer von „Euro-Rettung“ geredet wird. Der Euro muss nicht gerettet werden. Er ist stark – viel zu stark, meint die deutsche Wirtschaft. Gerettet werden mit dem Geld die Banken. Die Bürger in den betroffenen Ländern haben es längst verstanden, dass von den „Rettungsmilliarden“ bei ihnen nichts ankommt.
Ebenso grenzt es an Volksverdummung, wenn für die CDU die Bundeskanzlerin von den Wahlplakaten lächelt, obwohl sie gar nicht zur Wahl steht.
Es ist alles völlig undurchsichtig und unbeeinflussbar. Es ist dreist, uns diese Pseudo-Demokratie immer wieder zur Wahl vorzusetzen. Deshalb werde ich zwar selbstverständlich zur Wahl gehen, denn ich bin kein Nichtwähler, aber ich werde keine gültige Stimme abgeben.“
„Im EU-Parlament wird Europa transparent. (…) Genau dieses Parlament wird voraussichtlich demnächst aber bestraft werden, sei es durch Wahlenthaltung oder sei es durch die Entsendung von Vertretern von Kleinstparteien, die anti-europäisch eingestellt sind.“
Für diese Einschätzung Bronskis gibt es zahllose Belege.
Für die klarste sorgt (in Deutschland) gerade die Partei, die am massivsten gegen die EU hetzt: die AfD. Nun kandidiert sie sogar für das Europaparlament, hat auch ein „Wahlprogramm“ dazu verabschiedet. Wer aber der Meinung ist, man müsse darin doch Hinweise für eine von dieser Partei zu erwartende Politik im EU-Parlament finden, ist auf dem Holzweg: Dieses Wort kommt im „Wahlprogramm“ der AfD nicht einmal vor – geschweige denn ein Hinweis darauf, welche Politik sie denn in diesem Gremium zu verfolgen gedenkt.
Wie kann man das verstehen? M.E. gibt es nur eine Antwort: Für etwas, was man zerstören will, braucht man kein Programm.
Nun sollte man denken, AfD-Anhänger könnten einem da weiter helfen. Ich habe es versucht, eine Frage auf Faz.net gepostet, wo diese sich nur so tummeln: „Kann mir jemand, der auf diese „Hoffnungsträger“ setzt, erklären, welche positiven Akzente von diesen zu erwarten sind?“ Antworten: 0.
Dies liegt nun sicher nicht an mangelnden Aktivitäten im Forum. Denn 404 Foristen stimmen folgender Äußerung zu: „Das Grauen hat nun ein Gesicht, seines Gourmet-Schulz, Luegen-Juncker, Stammel-Oetti oder wer auch immer. Satte, nutzlose Politikerkaste. Inkompetenz par Excellence. Macht diesem Spuk ein Ende, das geht nicht gut!“ (1)
Bronski zitiert eingangs Sigrid Weber: „Es ist dreist, uns diese Pseudo-Demokratie immer wieder zur Wahl vorzusetzen.“
Eine, wenn man damit vergleicht, was sonst im Internet kursiert, sehr moderate Formulierung. Allerdings fällt auch hier auf, dass nicht einmal in Ansätzen erkennbar wird, wie denn ein alternatives Europa auszusehen habe.
Gelegentlich wird von „EU-Kritikern“ – die sich gerne die „wahren Europäer“ nennen – De Gaulles Begriff vom „Europa der Vaterländer“ ins Spiel gebracht. Versteht sich, dass es keinen Hinweis darauf gibt, dass dieser Begriff nicht einmal bei de Gaulle konkrete Gestalt angenommen hat, dass dieser später selbst (im Zusammenwirken mit Adenauer) auf die von Robert Schuman – schon während des 2. Weltkriegs entwickelte! – Idee von Europa als einer „Wertegemeinschaft“ eingeschwenkt ist.
Konkreter wird es schon im EU-Programm der AfD: Deren „europäische Idee“ (man spricht wohlweislich nicht von „Wertegemeinschaft“!) sieht so aus: (2)
„Vetorecht der nationalen Parlamente gegen Entwürfe von Gesetzgebungsakten der EU-Organe.“ Dadurch „würde die beabsichtigte Maßnahme in dem betreffenden Land nicht umgesetzt werden dürfen.“ Darüber hinaus noch ein „Bürger-Veto“, durch das „mit einem definierten Quorum eine EU-Gesetzgebung in dem jeweiligen Mitgliedsstaat blockiert werden“ kann. – Europa, so das Fazit, als Blockade-Gemeinschaft, mit 28 nationalen und 500 Millionen Einzelblockierern.
Und wem das nicht genügt, für den heißt es weiter, nachdem zuvor „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ beschworen wurde: „Wenn Zuwanderer in Deutschland keine ausreichenden Mittel aus Erwerbseinkommen, Vermögen, Unterhalt oder Sozialleistungen zur Verfügung haben, müssen sie in ihre Heimat zurückkehren.“ Mit diesen „Zuwanderern“ sind ausdrücklich auch Menschen aus anderen EU-Ländern gemeint. – Freizügiger Personenverkehr in Europa ade – und die nationalen Schotten dicht!
Von bekennenden AfD-Freunden in Internet-Foren wird dies ausdrücklich bestätigt: „VOLKSABSTIMMUNG mit Bindung des Bundestages…dann Abschaffung der ungehemmten Freizügigkeit und Rückführung. SO funktioniert das, wenn der Bürger entscheidet, statt ‚Politikern‘.“ (3)
Und ebenso wird klargestellt, dass dies auch Auswirkungen auf bereits in Deutschland lebende Türken haben soll: Es ist dafür zu sorgen, „hier ausschließlich nach UNSEREN Regeln zu leben. Wer das nicht kann oder will, hat hier nichts verloren.“ (4)
Dass EU-Hass und Fremdenfeindlichkeit einher gehen, ist unverkennbar – zumindest für die Rechtsausleger unter den „EU-Kritikern“.
Eine andere Frage ist, mit welchen Mitteln EU-Verdruss erzeugt und vorangetrieben wird. Hierzu ist – grob gesagt – jedes Mittel recht.
Dass die Ukraine-Krise dafür besondere Möglichkeiten bietet, verwundert nicht, wohl aber der abgrundtiefe Hass und die Zerstörungswut, die hier zum Ausdruck kommen:
„Die sogenannte westliche Wertegemeinschaft ist längst zu einem verlogenen, dekadenten Haufen mit totalitären Tendenzen verkommen. Bei den Werten handelt s sich um innere Werte, um Würmer.“ (5)
„Wer jetzt noch eine pro-EU Haltung einnimmt ist entweder geistig verwirrt oder er bekommt es bezahlt. Dann ist er quasi ein Auftragsmörder im Dienst des Eurofaschismus.“ (6)
Und auch Stimmen von Idolen der Schweizer direkten Demokratie dürfen hier nicht fehlen: „Wer immer noch ein EU-Fanatiker ist, erkennt die echten Zusammenhänge nicht, und macht sich schuldig an dem was gerade geschieht und noch kommen wird. Löst endlich diese unsägliche, diktatorische, imperialistische und oligarche EU auf.“ (ebd.)
Die erschreckende Liste von Hassausbrüchen ließe sich fast beliebig verlängern.
Freilich stellt sich die Frage nach dem tatsächlichen Gewicht von Foristen, die in maßloser Selbstüberschätzung zeitweilige (auch organisierte) Deutungshoheit im Netz mit tatsächlichen Mehrheitsverhältnissen verwechseln. Doch sollte auch nicht unterschätzt werden, welches riesige Betätigungsfeld sich für Demagogen gerade in der gegenwärtigen Krise eröffnet. Und hierfür bedarf es nicht des Verweises auf historische Vorbilder.
Selbstverständlich – Bronski hat zu Recht darauf verwiesen – wird es sehr darauf ankommen, dass zuvorderst EU-Gremien, allen voran das EU-Parlament, sich für eine Beseitigung zweifellos noch vorhandener demokratischer Defizite auf EU-Ebene einsetzen. In erster Linie wäre dabei an eine Stärkung des EU-Parlaments insbesondere durch ein – für nationale Parlamente selbstverständliches – Initiativrecht für EU-Gesetze zu denken.
Dies geht aber in gleichem Maße auch die nationalen Regierungen an. Sie haben ja in erster Linie diese Schieflage zu verantworten, indem, im Zuge von Banken- und Eurokrise, immer mehr Kompetenzen auf die Ebene der Vereinbarungen von Staatschefs gezogen wurden. Mit einer Rückverlagerung von Kompetenzen auf nationale und regionale Ebene allein – wiewohl zu prüfen und in manchen Bereichen sicher möglich – ist es sicher nicht getan. Gerade die von „EU-Kritikern“ hervorgehobenen Probleme, Banken-, Finanz- und Währungskrise sind auf nationaler Ebene gar nicht lösbar und verlangen dringend europäische Lösungen.
So absurd und gefährlich Vorstellungen einer verklärten Vergangenheit von „EU-Kritikern“ auch sind – die in Wahrheit Rückkehr zu dumpfen nationalistischen Ressentiments bedeuten: Die Gründe ihrer Kritik und für Europaverdrossenheit sind zweifellos ernst zu nehmen.
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Die genannten Zitate sind in der Netzversion zu folgenden Veröffentlichungen zu finden:
1 Faz.net, Europa sucht den Superstar, 29.4.14
2 https://www.alternativefuer.de/partei/wahlprogramm/
3 Armutseinwanderung – Alarm im Getto Dortmund-Nord, FAZ, 12.10.2013
4 Doppelte Staatsbürgerschaft – Deutsch oder türkisch, das ist hier die Frage, FAZ, 12.4.2014
5 Post-Sowjetunion – In Putins allrussischer Welt, FAZ, 26.4.14)
6 Krise in der Ost-Ukraine Der Angriff, auf den alle gewartet hatten, FAZ, 02.05.2014
Abgesehen von prinzipiellen EU-Gegnern dürfte sich die geringe Wahlbeteiligung nicht gegen das EU-Parlament selber richten , die Stimme oder die Nicht-Stimme dazu ist halt nur die einzige Möglichkeit , seinen Unmut zu äußern , und dann kriegt es – stimme zu – die falsche Institution ab.
@Bronski und S. Weber:
Eigentlich wollte ich mich nicht dazu äussern, weil ich meine Gedanken als inadäquat vorzensiert habe… Nun hat W. Engelmann noch eine zusätzliche Analyse draufgesetzt…
angerredekurzersinn: Noch immer bewegen mich die beiden „statements“… und ich finde keine Antwort für mich.
„Radikal“ gesehen, stimme ich S. Weber bei, strategisch eher Bronski. Und was nun?Ich bin ziemlich hilflos… und habe auch keine Lust mich allzu akribisch reinzuhängen… Aber Entscheidungen stehen an… Also: wählen in jedem Fall… ungültig oder grün oder links? Der – mir nicht allzu überzeugende – Wahlomat stuft mich – natürlich – grün/links ein… das hat er auch bei der lezten Bundestagswahl gemacht… und etliche meiner (zum ersten Mal) taktischen Mitwähler… Sorry, was nun?
Robert Menasse meint, dass die proeuropäischen Parteien das europäische Projekt nicht richtig erklären (Anm. nicht genügend schön reden?). Würde die EU-Politik den Tatsachen entsprechend erklärt, würden sich vermutlich alle Menschen von ihr abwenden. Ihr Prinzip: alles für die Großindustrie und gegen den Volkswillen.
Profil der EU: Eine „Filiale“ der USA, ein Lobbyistennetzwerk, das zu Lasten der Bürger/des Gemeinwohls die Wünsche Amerikas/der Banken und Großindustrie umsetzt. „Heldentaten“ der EU: EMS-Rettungsschirm zur Bankenrettung, Zerstörung des Mittelstandes, Förderung von Pfusch/Betrug, minderwertiger Dienstleitungen (Osterweiterung und Arbeitnehmerfreizügigkeit), Korruption, vermehrte Arbeitslosigkeit, zunehmende Verarmung, zerstörerische Gentechnik, Fracking, Umweltzerstörung, giftige Quecksilber-Birnen, Verbot verbilligter Liftkarten, Trickserei, Täuschung usw.
Hinterlistige Versuche: Industrialisierung des Allgemeingutes Wasser, Saatgutrichtline zu-gunsten der Konzerne/zum Nachteil der Bauern, nun das Freihandelsabkommen, über das der am Weltmarkt schwer verkäufliche amerikanische „Gentech-Müll“ nach Europa entsorgt werden soll… Sind diese „EU-Künstler“ nun Dilletanten oder Ganoven? Oder beides?
NARRENFREIHEIT: Nicht umsonst haben die EU-Bosse sich Narrenfreiheit in die Verträge geschrieben. Sie sind nichts/niemanden gegenüber verantwortlich, unterliegen keiner Kontrolle, sind für nichts haftbar, können von niemanden zur Rechenschaft gezogen werden … Na bravo! Ich wünsch mir eine EU mit ehrenhaften, dem Gemeinwohl dienenden Kommissaren/Abgeordneten. Wo sind sie?
@Josef Bechter #4
Und die 45.000 Brüsseler Beamten genießen Immunität – sowas gibt es in keinem EU-Mitgliedsland! Insbesondere bei Korruptionsdelikten ist der besondere Schutz vor Strafverfolgung natürlich problematisch.
@ Josef Bechter:
Auf die dem Gemeinwohl dienenden Kommissare / Abgeordenete werden Sie lange warten können.Im Gegensatz zur EG ist die EU ja genau für die von Ihnen angeprangerten, jetzt herrschenden Verhältnisse gegründet worden.
Besonders perfide sind ja die allgemeinen Presseverlautbarungen, die Euro- und/oder EU-Gegner mit nationalistischen (national gesinnt reicht wohl nicht) „Europa“-Gegnern gleichsetzen.
@ Josef Bechter
Da war aber wieder einmal der Vorschlaghammer in Aktion!
Tausend Weltprobleme, für die es nach Vorstellung der Freunde einfacher Weltbilder natürlich nur einen Schuldigen geben kann: Die EU. Wenn die Wahlen vorbei sind, vielleicht auch wieder die USA, ersatzweise Merkel und Co.
Um nur einige Beispiele aus dem Gruselkabinett herauszugreifen:
„Bankenrettung“: Ein „schwarzer Freitag“ à la anno 29 wäre natürlich viel besser gewesen!
„Zerstörung des Mittelstands“: Gab es in Südamerika z.B. schon nicht mehr, als noch gar keine EU existierte. Ist aber natürlich, wenn man die als Teufel schon mal entdeckt hat, ihr ebenso anzulasten wie alle künftigen Übel.
„Vermehrte Arbeitslosigkeit“, „zunehmende Verarmung“: Ist hier die Marxsche Prognose der Pauperisierung durch Monopolisierung schon vorweggenommen und gibt es nur noch einen Arbeitgeber: die böse EU? Oder ist die Verantwortlichkeit von Brüsseler „Dilettanten“ und „Ganoven“ mal zur Abwechslung 1 ½ Jahrhunderte zurückdatiert?
„Pfusch, Betrug, minderwertige Dienstleistungen“: Wer? Wann? Wo? Wie? Aufgrund welcher Verordnungen? – Bemerkenswert immerhin, dass EU-Hasser nicht umhin können, anhand der Wortwahl ihr eigenes chauvinistisches Weltbild zu dokumentieren: Wer von anderswo herkommt, kann nur „Minderwertiges“ leisten – was denn sonst. – Es lebe der deutsche Hochmut!
Ich halte hier ein, denn es wird mir wirklich zu blöde. Wiewohl ich den noch Schlimmeres gelesen habe.
Vielleicht kann noch eines festgehalten werden: Ich habe noch nicht einen Beitrag dieser Art gelesen, der auch nur in Ansätzen aufgezeigt hätte, was denn wie zu verbessern wäre, was mit Hilfe welcher Mechanismen zu erreichen wäre. Ist bei solcher Denkart auch kein Wunder. Der Populist scheut nun mal jede Konkretion wie der Teufel das Weihwasser.
Und zudem übt ja der Teufel, das Böse schlechthin eine eigenartige Faszination aus. So denn auch durch Jahrhunderte sich hinziehende Versuche, den „Teufel“ endlich zu packen, seiner mittels Teufelsaustreibung Herr zu werden. – So gesehen, sind solche Versuche, die von ähnlicher „Rationalität“ sind, ja nichts Neues.
Freilich kennt die Geschichte auch genügend Fälle, wie solche Versuche, das „Übel“ „mit der Wurzel“ zu packen, gewöhnlich enden: Operation geglückt. Patient tot.
@ Katja Wolf
Es wäre ja von einigem Interesse, hier Begründungen und Belege für Ihre abenteuerliche These zu erhalten, die EU sei „ja genau für die von Ihnen angeprangerten, jetzt herrschenden Verhältnisse gegründet worden“.
Zunächst ein Vorschlag: Es wäre von Vorteil für die Diskussion, sich wenigstens eines Mindestmaßes an Präzision zu befleißigen. Nur so können unsinnige Thesen erkannt werden.
Eine EU, ist niemals „gegründet“ worden, schon gar nicht „im Gegensatz zur EG“. Sie ist vielmehr, im Zuge der Erweiterung und der Integration in verschiedenen Bereichen und in einer Vielzahl von zusätzlichen Vereinbarungen und Verträgen, aus der ursprünglichen, auf wirtschaftliche Integration ausgerichteten EWG, dann EG, HERVORGEGANGEN. Maßgebend hierfür waren der Vertrag von Maastricht 1992 (Umbenennung der EWG zur EG, „da sie nun auch Zuständigkeiten in anderen Politikbereiche als der Wirtschaft erhielt“), die Verträge von Amsterdam und Nizza, 1997 und 2001, und definitiv der Vertrag von Lissabon 2007, mit Abschaffung der Blockademöglichkeit einzelner Mitglieder (Veto) in der auf 27 Mitglieder angewachsenen Gemeinschaft und Beschluss eines Verfassungsvertrags. (Vgl. Wikipedia).
Grundlegend für all das die von den 6 EWG-Gründerländern beschlossenen Vereinbarungen über die „Montanunion“ von 1951 auf der Grundlage des Schuman-Plans. Grundidee „in der Argumentation Schumans die Sicherung des innereuropäischen Friedens durch die ‚Vergemeinschaftung‘, also die gegenseitige Kontrolle, der kriegswichtigen Güter Kohle und Stahl, sowie die Sicherstellung dieser für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidenden Produktionsfaktoren“ (Wikipedia).
Es ist der vorausschauenden Weitsicht und Klugheit vor allem eines Robert Schuman (Grundideen schon während des 2. Weltkriegs) wie auch der Durchsetzungsfähigkeit von Konrad Adenauer und de Gaulle zu verdanken, erkannt zu haben, dass dies das zentrale Element einer Friedenssicherung darstellt: Wirtschaftliche Integration, die gegenseitige Verquickung wirtschaftlicher Interessen zieht notwendigerweise Integrationsbemühungen auch auf anderen politischen Feldern nach sich. Und eben dies ist in den nachfolgenden Verträgen und Beschlüssen erfolgt – mit der Konsequenz einer vorher nie dagewesenen Friedenssicherung auf europäischem Boden. Daher auch, allen Unkenrufen zum Trotz, die Strahlkraft dieser EU – ganz im Gegensatz zum Russland eines Wladimir Putin –auch auf ehemalige Staaten des Warschauer Pakts, die sich ihr alle samt und sonders freiwillig und auf Grundlage souveräner nationaler Entscheidung angeschlossen haben.
Dass dies auch zu gewichtigen EU-internen Problemen geführt hat, steht auf einem anderen Blatt.
Und diese historischen Fakten und Verdienste der EU können auch durch einzelne unüberlegte Entscheidungen, geboren aus der Euphorie, nicht in Frage gestellt werden. So etwa die zweifellos übereilte Einführung des Euro, ohne die notwendigen flankierenden Maßnahmen, etwa einer vereinheitlichten Steuerpolitik zur Verhinderung von Steuerdumping.
Dies, wie auch die Folgeprobleme der EU-Osterweiterung erfordern sorgfältige Bestandsaufnahme und Einzelannalysen. Sie sind sicher nicht im Rückwärtsgang zu bewältigen. Zudem, wo nun zusätzlich auch noch internationales Krisenmanagement gefragt ist, auf die man, insbesondere aufgrund noch völlig unzureichender außenpolitischer Koordinierung und Integration, offenbar nicht vorbereitet war. Und eben letzteres verweist darauf, dass, insbesondere in Hinblick auf Friedenssicherung, nicht ein Zurückdrehen oder gar eine Auflösung der EU, sondern nur ein Mehr an Integration in existentiellen Fragen (etwa Umweltproblematik, Finanztransaktionssteuer, Bankenregulierung usw.) zur Debatte stehen kann, bei gleichzeitiger Stärkung regionaler Selbstverantwortung in Fragen, wo dies zielgerechter und sinnvoller erscheint.
Indem alle diese Zusammenhänge negiert bzw. geleugnet werden, indem kritisierbare finanz- und währungspolitische Entscheidungen von – an sich diskussionsfähiger – Kritik isoliert, aus dem Zusammenhang gerissen und verallgemeinert werden, indem (zunächst wohl gemeinte) professorale Vorschläge, aus einer ausschließlich aufs Ökonomische (und aufs Nationale!) reduzierten Perspektive die Welt aus den Angeln heben zu können vermeinen, indem also Grunderfordernisse sachgerechter, differenzierter und rationaler Kritik missachtet werden, verkommt diese Kritik in den Gebetsmühlen der in ihrer Empörungshaltung und Negativität sich aufputschenden und gegenseitig bestätigenden „Wutbürger“ zu bloßer Destruktion. Und aus kritischer Bestandsaufnahme wird freche Geschichtsklitterung.
Dabei ließe das Studium der Abfolge der einzelnen Integrationsschritte zur heutigen EU erkennen, wie absurd eine von AfD-Jüngern und anderen „EU-Kritikern“ verfolgte Rückkehr zu vermeintlich idyllischen Zuständen eines von Konkurrenz und Gegeneinander bestimmten, ausschließlich von nationalstaatlichen Interessen geprägten Systems ist: Angenommen, dies wäre tatsächlich ohne massive ökonomische, soziale und politische Schäden möglich (die gegenwärtige Ukraine-Krise wird hierfür ein Lehrbeispiel sein können) – es müsste, mit zeitlicher Verschiebung, eben die gleiche Dynamik wieder in Gang setzen, deren Resultat die heutige EU ist. Dies freilich nur unter der Voraussetzung, dass die weltumspannenden, auf nationaler Ebene unlösbaren ökologischen und politischen Probleme in der Zwischenzeit nicht zu der Katastrophe geführt haben, die jede weitere Diskussion darüber überflüssig macht.
Zur Klage über „perfide“ Gleichsetzung von „EU-Gegnern“ mit „nationalistischen“ Europa-Gegnern:
Es ist durchaus sinnvoll, sich hier einmal zweierlei zu Gemüte zu führen:
1. Offizielle Verlautbarungen wie etwa das AfD-Europaprogramm: Welche konkrete Hinweise es hier für „nationale“ Fragen gibt (ziemlich viele), welche zu EU- und Gemeinschaftsfragen: Außer Sprechblasen (wie „europäische Idee“) nichts, was sich nicht selbst ad absurdum führen würde (wie das von vervielfachtem „Veto“-Recht, vgl. mein Beitrag #1), und absolut nichts, was das Funktionieren von EU-Gremien (vor allem EU-Parlament) beträfe. Und welche Festlegungen und Bekenntnisse – so zu den „Grundwerten der EU“ – tunlichst vermieden werden.
2. Inoffizielle, über Foren gepostete „Meinungen“ von „EU-Kritikern“, die in der Maßlosigkeit eigener Hassausbrüche keine Grenzen kennen, bei Kritik daran aber plötzlich zu Mimosen werden. Die Bezeichnung „Putinfreund“ ist für sie empörend (warum eigentlich?), andere als „EU-Faschisten“ zu verleumden ist dagegen Nachweis eigener Intellektualität. Hier die Empörung über „kriminelle“ „kriegstreiberische“ „Eurofaschisten“, dort der Jubel über nationalistische Autokraten à la Viktor Orban oder Marine Le Pen, und natürlich den Friedensfürsten Putin. – Und das alles zeugt nicht von nationalistischer Gesinnung? Wovon denn dann, bitteschön?
Dabei bin ich hier noch nicht einmal darauf eingegangen, was sich via Internet so an homophoben und fremdenfeindlichen Äußerungen auf Mitforisten ergießt, so sich denn die Gelegenheit dazu ergibt. Ein einziges Zitat hierzu möge hier genügen: „Was kommt? Quote? Homosexualität als Religion? Und viele empfinden beim Gedanken an die Praktiken Ekel. Das kann man nicht steuern. Und die Mehrheit? MUSS Toleranz üben, sonst Strafrecht?“
Kann es da noch Zweifel geben über die Gedankenwelt solch angeblicher „EU-Kritiker“, über die Gründe des Hasses, wo doch die in den „Kopenhagener Kriterien“ niedergelegten „Grundwerte der EU“ nicht nur „Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte“ vorsehen, sondern auch Minderheitenschutz und „Pluralismus“, und darüber hinaus „Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern“.
Es ist wohl richtig: Die EU zeichnet in erster Linie dafür verantwortlich, dass nicht nur totalitären Bestrebungen, sondern auch der Hetze gegen Andersdenkende und Andersartige Grenzen gesetzt sind. Und wir haben Grund, darauf stolz zu sein.
Dies ist wohl der entscheidende Unterschied zu wilder Polemik über „EUdSSR“ und „EU-Diktatur“, zu
emotionsgeladenen Sprüchen von schlimmen „herrschenden Verhältnissen“: Dass man auf der Grundlage präziser historischer Bestimmung und gesellschaftlicher Reflexion nicht umhin kommt, behauptete Missstände auf ganz konkrete, möglicherweise falsche Entscheidungen zurückzuverfolgen, um sie korrigieren zu können.
Das freilich ist mühevoller als, wie von Populisten vielfach geübt, geistige Minen in der politischen Landschaft zu verteilen.
Zur abschließenden Reflexion: Auch ein Karl Marx hat immerhin einige tausend Seiten benötigt, um seine Grundthese „Die herrschenden Gedanken sind die Gedanken der Herrschenden“ zu veranschaulichen.
Der „Teufel“ steckt eben immer im Detail.
genau, Herr Engelmann, der Teufel steckt im Detail:
So heißt es einerseits in Artikel 2 (Recht auf Leben) der CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION:
(1) Jede Person hat das Recht auf Leben.
(2) Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.
Aber eben auch in Artikel 52 (Tragweite der garantierten Rechte):
(1) Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tats‰chlich entsprechen.
(2) Die Ausübung der durch diese Charta anerkannten Rechte, die in den Gemeinschaftsverträgen oder im Vertrag über die Europäische Union begründet sind, erfolgt im Rahmen der darin festgelegten Bedingungen und Grenzen.
(3) So weit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird. Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt.
http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf
Also ist ein Abweichen von Artikel 2 möglich.
Zum Beispiel durch Artikel 2 (Recht auf Leben) der Europäischen Menschenrechtskonvention:
1.
Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt.
Niemand darf absichtlich getötet werden, außer durch Vollstreckung
eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt
hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist.
2.
Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet,
wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt
erforderlich ist, um
(a)
jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
(b)
jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die
Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
(c)
einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.
http://www.echr.coe.int/Documents/Convention_DEU.pdf
Schon möglich, dass die European Gendarmerie Force (http://www.eurogendfor.org) irgendwie damit zusammenhängt, oder?
Deren Aufträge sind in Artikel 4 des Vertrags zwischen dem Königreich Spanien, der Republik Frankreich, der Republik Italien, dem Königreich der Niederlande und der Republik Portugal zur Errichtung der European Gendarmerie Force beschrieben.
http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_66b/index.php?id=800
Folgende Seite zur eurogendfor mag polpulistisch erscheinen, ich finde sie dennoch interessant:
https://prosinnvollefreiheit.wordpress.com/2014/01/12/eurogendfor-2/
Zum Thema Hassausbrüche von „EU-Kritikern“ fällt mir ein ganz anderer Hassausbruch ein: Hier das Protokoll eines Besuchs im Jahr 2008 einer Delegation des EU-Parlaments beim tschechischen Präsidenten:
http://www.welt.de/welt_print/article2848566/Kein-Besuch-von-Freunden.html
Generell bin ich eine Gegnerin von zentralistischen Vorgaben. Ein Klassiker ist tatsächlich das Glühbirnenverbot (ich höre jetzt schon den größten Teil der Leser aufstöhnen, aber auch einige denken; so schlecht waren die Glühbirnen nicht!).
Mir ist gerade nicht bekannt, ob die Duschkopf-Energiespar-Vorschrift noch virulent ist
(http://www.welt.de/wirtschaft/article112246435/EU-will-Verbraucher-zum-Wassersparen-zwingen.html).
Aber klar, wenn z. B. in Spanien Wasserknappheit herrscht, müssen auch die „wasserarmen“ skandinavischen EU-Mitgliedstaaten Wasser sparen, warum sollte den dortigen Bewohnern in der kalten Jahreszeit eine kräftige, wärmende Dusche vergönnt bleiben.
Ein Nachtrag noch:
Herr Engelmann, sind Sie eigentlich generell ein Freund der Vereinheitlichung von allem? Wenn ja, hoffe ich, dass das auch für die europäische Energiepolitik gilt:
http://ec.europa.eu/energy/energy2020/roadmap/doc/com_2011_8852_de.pdf
In der EU kommt ja die Kernenergie besser weg als in Deutschland; immerhin etwas!
@ Katja Wolf, # 9,10
Zunächst vielen Dank für die Verlinkung der durchaus interessanten Dokumente. Ich vermute freilich, dass Sie nicht eine unverzügliche Einschätzung zu all dem erwarten. Aus dem hohlen Bauch Bekenntnisse und Bewertungen auszuspucken, gehört nicht zu meinen Idealen.
Sie fragen: „Herr Engelmann, sind Sie eigentlich generell ein Freund der Vereinheitlichung von allem?“
Ich übersehe hier mal die Polemik. Denn manche Frage diskreditiert sich von selbst. Zumindest dann, wenn sie zum Mittel verallgemeinerter Unterstellung greift, also die Person treffen will, umso mehr, als sich aus eigenen Äußerungen hierfür keinerlei Veranlassung ergibt.
Doktrinäre Vorfestlegungen und Verallgemeinerungen, verehrte Frau Wolf, gehören nicht zu meinem Stil und sollten es wohl auch hier im Blog nicht sein.
Vor allem bin ich ein Freund intellektueller Redlichkeit und ziviler Diskussionskultur, die auch bei Klarheit und Härte in der Sache den Respekt vor der Person zu wahren weiß. Und dazu gehört auch, Kritik zu berücksichtigen und zu reflektieren, sofern es dieser wirklich um die Sache geht und sie nicht zum Mittel bloßer Destruktion wird.
Nach dieser Vorrede nun die Stellungnahme zur Sache, soweit dies in der kurzen Zeit möglich ist.
1. Menschenrechtskonvention
Der Zusammenhang mit der Thematik und die Zielrichtung Ihrer Äußerungen sind mir völlig schleierhaft. Auffällig ist freilich, dass auch Sie Dokumente aus völlig verschiedenen Bereichen und Organisationen vermengen, so vom Europarat, von EU-Gremien und von interstaatlichen Vereinbarungen. Dass sich so keine sachorientierte Fragestellung ergibt, liegt auf der Hand. Allerdings lassen sich daraus Verschwörungstheorien basteln. So etwa habe ich gelesen, dass, im Zuge der verbindlichen Abschaffung der Todesstrafe für alle Europaratsmitglieder, diese durch die Hintertür gerade eingeführt werde. Dazu dienen eigenwillige Interpretationskünste von selbstverständlichen Vorsorgeregelungen für Fälle von Notwehr, Landfriedensbruch und Kriegsrecht. Oder wollen Sie, wenn bei einer Notwehraktion gegen einen Überfall der Aggressor zu Tode kommt, des Mordes angeklagt werden? – Könnte es sein, dass Sie die entscheidenden Verweise auf „rechtmäßiges“ Handeln bzw. „rechtswidrige Gewalt“ übersehen haben oder übersehen wollten?
2. „Vereinheitlichung der Energiepolitik“
Nun bin ich kein Spezialist für Energiepolitik und halte es für reichlich anmaßend, den „Alleswisser“ vorzugeben. (Bekanntlich war Leonardo da Vinci der letzte, der mit einigem Recht behaupten konnte, das Wissen seiner Zeit zu verkörpern. Und die Wahrscheinlichkeit, dass aus den Reihen der „EU-Kritiker“ ein Genie mit geschätztem 100.000fachem Wissen erwächst, ist wohl relativ gering.)
Nun bin ich auch keineswegs der Meinung, dass alles, was an Kritik gegen die EU vorgebracht wird, von vornherein Unsinn wäre. Mir ist aber nicht bekannt, dass irgendjemand in der EU derartige Absichten hegt, und der Widerstand dagegen wäre sicherlich berechtigt. Wenn überhaupt, dann erscheint es gerade auf Energie-Sektor als notwendig, der erheblichen, geografisch und geologisch gegebenen regionalen Unterschiede Rechnung zu tragen. Allein das Problem der Trassenführung zwischen Nord- und Süddeutschland zeigt die Problematik, selbst auf engerem Raum. Und natürlich sprechen auch sehr erfolgreiche Modelle kommunaler Selbstverwaltung beim Energiesektor für sich. So etwa das Selbstversorgungsmodell von Schönau im Schwarzwald oder die Umwandlung der früheren französischen Kasernen zum Umwelt-Vorzeigemodell „Cité Vauban“ in Freiburg/Br.
3. „Hassausbrüche von EU-Kritikern“
Zunächst eine Empfehlung: Vielleicht schauen Sie selbst mal in eines Foren zu Europathemen bei Faz.net rein (einem Sammelbecken von AfD-Freunden) – Sie werden mit den Ohren schlackern, was Sie da so alles finden!
Was nun damit das 6 Jahre alte Dokument über eine EU-Delegation bei Vaclav Klaus in Prag zu tun hat, entgeht leider meiner geschärften Aufmerksamkeit. Dennoch danke ich Ihnen für diesen m.E. sehr aufschlussreichen Link. Dies schon deshalb, weil ich selbst im heutigen Tschechien geboren bin, in beruflicher Hinsicht auch mehrfach mit Tschechen zu tun hatte und, besonders im Hinblick auf das deutsch-tschechische Verhältnis davon keineswegs unberührt bin.
Allerdings erfordert eine Bewertung auch hier die Berücksichtigung des historischen Kontextes. Hilfreich dazu auch Hinweise zur Person des Vaclav Klaus, daher meinerseits ein Link dazu:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-55593317.html
Da sich im Umgang mit „EU-Kritikern“ durchaus interessante Parallelen ergeben könnten, hier auch einige Hinweise zum historischen Kontext:
Sicherlich trifft es zu, dass ein Vaclav Klaus in vielfacher Hinsicht hassgeprägt war (bzw. ist): Zunächst gegenüber seinem Vorgänger Vaclav Havel (vermutlich vorwiegend wegen dessen vorbildlicher Versöhnungspolitik gegenüber Deutschen), in seinen Ressentiments gegenüber allem Deutschem, erkennbar vor allem an der zähen Verteidigung der „Benes-Dekrete“, auch noch 60 Jahre nach deren Erlass (von völkerrechtlichen Gutachten wegen der Kollektivbestrafung aufgrund nationaler Zugehörigkeit als „Tatbestand des Völkermordes“ bzw. „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ eingeordnet). Dazu sein Kampf gegen die Gleichstellung Homosexueller, die Verweigerung der Grundrechtecharta der EU mit dem „Antidiskriminierungsgebot“, sein Anrennen gegen jede Form des Klimaschutzes (von ihm als „Öko-Terrorismus“ bezeichnet) und seine Obstruktions- und Erpressungspolitik gegenüber den übrigen (damaligen) 26 EU-Ländern, insbesondere durch den Versuch, im Alleingang den Lissabon-Vertrag zu verhindern. Letzteres macht aus seiner, durch grandiose Selbstüberhebung geprägten, Sicht durchaus Sinn: Entzog doch die Abschaffung des Vetorechts für einzelne Staaten, um die Funktionsfähigkeit der enorm erweiterten EU zu erhalten bzw. wieder herzustellen, seiner Erpresserpolitik den Boden.
Dass in dieser Situation ausgerechnet eine solche Gestalt zyklisch die EU-Präsidentschaft übernehmen sollte, kam für die übrigen EU-Länder etwa einem Super-GAU gleich. Dies umso mehr, als sich dieser – vielleicht in Erinnerung an einen gewissen „Prager Fenstersturz“ – zum Empfang der EU-Delegation eine zusätzliche Provokation ausgedacht hatte: die Verweigerung des Hissens der EU-Flagge, wie es zum Protokoll gehört.
Und damit zur Dokumentation „Kein Besuch von Freunden“:
Wie richtig ein Vaclav Klaus von den EU-Parlamentariern eingeschätzt wurde, zeigt dessen weiteres Handeln: sein Blockadeversuch des Lissabon-Vertrags unter Missachtung des eigenen Parlaments und der tschechischen Verfassung. Dass er letztlich doch seine Unterschrift unter den Vertrag setzte, hat sicher nichts mit Einsicht zu tun, sondern mit einem drohenden Amtsenthebungsverfahren. Und das tschechische Verfassungsgericht verzichtete nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt nur deshalb auf ein Verfahren wegen „Hochverrats“, „weil Klaus bereits nicht mehr im Amt sei“.
Zur Verhalten während des Empfangs: Es ist schon erstaunlich, wie ein autokratischer Provokateur, der sich zur Verletzung jeglicher Anstandsregeln und des Respekts gegenüber Partnern für berechtigt hält, von diesen mit seinen Machenschaften konfrontiert, den Empörten mimt und sich zum Hüter des guten „Stils“ aufschwingt. – Und sicher auch ein Lehrbeispiel dafür, welche Art „Kooperation“ von eingefleischten EU-Hassern im künftigen EU-Parlament zu erwarten ist. Schließlich erweisen die letzten Verlautbarungen eines Herrn Klaus in Sachen Ukraine seine Ambitionen, sich mal wieder zum Führer einer Anti-Westen und Anti-EU-Fronde aufzuschwingen.
Nun, ein Vaclav Klaus, weder mit der Bauernschläue eines Schwejk noch mit dem Durchsetzungsvermögen einer Lady Thatcher ausgestattet, hat gute Aussichten, als Don Quijote des Thatcherismus in die Geschichte einzugehen. Eine EU aber, welche sowohl die Erpressungsversuche einer Thatcher und eines Klaus als auch die Clownerien eines Berlusconi einigermaßen unbeschädigt überstanden hat, dürfte gute Aussichten haben, auch eine zu dessen Destruktion angetretene versammelte Maulheldenschaft im EU-Parlament zu überleben.
@Werner Engelmann:
zu 1) Zitat:
„Könnte es sein, dass Sie die entscheidenden Verweise auf „rechtmäßiges“ Handeln bzw. „rechtswidrige Gewalt“ übersehen haben oder übersehen wollten?“
Nein, im Gegenteil. Ich sehe genau hierin die Gefahr, da eben keine Definition zu „rechtswidrige Gewalt“ gegeben ist. Hier ist ja der Willkür Tür und Tor geöffnet.
zu 2) Zitat:
„Mir ist aber nicht bekannt, dass irgendjemand in der EU derartige Absichten hegt…“
Mir schon:
http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sustainable-business/ecodesign/index_de.htm
@Werner Engelmann:
zu 1) Zitat:
“Könnte es sein, dass Sie die entscheidenden Verweise auf „rechtmäßiges“ Handeln bzw. „rechtswidrige Gewalt“ übersehen haben oder übersehen wollten?”
Nein, im Gegenteil. Ich sehe genau hierin die Gefahr, da eben keine Definition zu „rechtswidrige Gewalt“ gegeben ist. Hier ist ja der Willkür Tür und Tor geöffnet.
zu 2) Zitat:
“Mir ist aber nicht bekannt, dass irgendjemand in der EU derartige Absichten hegt…”
Mir schon:
http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sustainable-business/ecodesign/index_de.htm
Hallo Herr Engelmann,
ich würde Ihnen ja gerne antworten, aber meine Antwort ist seit dem 10.Mai hier noch nicht erschienen, ein erneutes Absenden hat auch nichts genutzt (keine Ahnung, ob ich gerade gesperrt bin).
Diese Kolumne sollte man nicht versäumen… Bei mir zumindest hat sie bewirkt, dass meine spärlichen Illusionen weiter geschwunden sind.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/europawahl-fleischhauer-kolumne-ueber-kandidat-martin-schulz-a-969108.html
@Werner Engelmann:
zu 1) Zitat:
“Könnte es sein, dass Sie die entscheidenden Verweise auf „rechtmäßiges“ Handeln bzw. „rechtswidrige Gewalt“ übersehen haben oder übersehen wollten?”
Nein, im Gegenteil. Ich sehe genau hierin die Gefahr, da eben keine Definition zu „rechtswidrige Gewalt“ gegeben ist. Hier ist ja der Willkür Tür und Tor geöffnet.
zu 2) Zitat:
“Mir ist aber nicht bekannt, dass irgendjemand in der EU derartige Absichten hegt…”
Mir schon:
http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sustainable-business/ecodesign/index_de.htm
@Werner Engelmann: zu #1
Zitat:
„Für die klarste sorgt (in Deutschland) gerade die Partei, die am massivsten gegen die EU hetzt: die AfD. Nun kandidiert sie sogar für das Europaparlament, hat auch ein „Wahlprogramm“ dazu verabschiedet. Wer aber der Meinung ist, man müsse darin doch Hinweise für eine von dieser Partei zu erwartende Politik im EU-Parlament finden, ist auf dem Holzweg: Dieses Wort kommt im „Wahlprogramm“ der AfD nicht einmal vor“.
Nun, das stimmt, die beiden Worte „Europäisches Parlament“ hingegen schon. Das ist übrigens genau die Bezeichnung, die ich auch auf meinem Wahlschein finde.
@Werner Engelmann: zu #1
Zitat:
„Und ebenso wird klargestellt, dass dies auch Auswirkungen auf bereits in Deutschland lebende Türken haben soll: Es ist dafür zu sorgen, „hier ausschließlich nach UNSEREN Regeln zu leben. Wer das nicht kann oder will, hat hier nichts verloren.““
Könnten Sie mir bitte zeigen, wo das im Programm der AfD stehen soll? Ich kann das beim besten Willen nicht finden.
@Katja Wolf,#16
Zu 1) Keine Definition von „rechtswidriger Gewalt“:
Ein Problem, das sich leicht klären lässt. Ich habe ja schon in #11 darauf hingewiesen, dass Sie Dokumente von ganz verschiedenen Organisationen zusammengetragen haben, die nicht verwechselt werden dürfen. Die hier vorliegende Menschenrechtskonvention stammt nun vom EUROPARAT und NICHT, wie Sie in #10 fälschlicherweise behaupten, von der Europäischen Union. Eine Konvention ist auch keine Verfassung und damit nicht der Ort, wo Definitionen hineingehören, die in der Verfassung der Einzelstaaten (bzw. der EU) oder ggf. auch im Strafrecht zu klären sind.
Ich bitte daher um entsprechende stichhaltige Belege für mögliche Verdachtsmomente. Solange diese nicht vorliegen, halte ich eine seriöse Diskussion darüber nicht für möglich.
Zu 2)
Danke für den Link!
Hier handelt es sich um die Website der Europäischen Kommission zu allen möglichen Fragen, einschließlich der jährlichen Rechenschaftsberichte, bei der Ökodesign Richtlinie dabei um einen „einheitlichen EU-weiten Rahmen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit“, unter dem Blickwinkel des „Umweltschutzes“ und der „Verringerung von Handelshemmnissen“.
Bei der großen Vielzahl einzelner Punkte ist es wohl kaum sinnvoll, global darüber zu diskutieren, bestenfalls über die zugrundeliegenden Prinzipien, deren Berechtigung kaum in Frage gestellt werden dürfte. Einen Zusammenhang zu der von Ihnen aufgeworfenen Fragestellung kann ich hier aber nicht erkennen.
Symptomatisch für die in die Öffentlichkeit gestreute Diskussion ist aber, dass aus zahllosen Punkten einer, die ominöse „Duschkopf-Verordnung“ herausgegriffen und mit höchstem Erregungsgrad bis zum Erbrechen durchgekaut wird.
Zu solchen Kindereien werde ich nun sicher nicht Stellung nehmen, umso weniger, als in den entsprechenden Wahlrunden, vor allen von Herrn Schulz, alles Nötige dazu gesagt wurde – sogar in einer kritischen Weise, die geeignet ist, dass man ihn darauf festnageln kann.
Fragen kann man allerdings diejenigen, die dies offenbar für wichtiger halten als etwa die Flüchtlingsproblematik oder gar Fragen des Friedenserhalts, warum denn dann noch keine Europäische Bürgerinitiative gestartet wurde, ähnlich zur erfolgreichen Petition „Wasser ist ein Menschenrecht!”, die ja demnächst der Kommission zur Beratung vorliegen wird.
Zu #18
Das Zitat zu fremdenfeindlichen Äußerungen „von bekennenden AfD-Freunden in Internet-Foren“ (nicht aus dem AfD-Programm!) stammt, wie in #1 unter Fußnote 4 angegeben, aus den Foreneinträgen zu: Doppelte Staatsbürgerschaft – Deutsch oder türkisch, das ist hier die Frage, FAZ, 12.4.2014.
Es ist eines von der mit sehr hohen Zustimmungsraten versehenen Zitaten aus meinen Recherchen zum Zusammenhang von „EU-Hass und Fremdenfeindlichkeit“ in Faz.net. Ich habe dieses Forum ausgewählt, weil sich durch die sehr gute Dokumentation zu allen vom jeweiligen Foristen mit Bezug und Kontext ein ziemlich klares Profil der einzelnen Personen erstellen lässt. Sehr viele davon bekennen sich in einem ihrer Beiträge ausdrücklich als Sympathisanten bzw. Wähler der AfD. Nur solche Beiträge verwende ich bei meinen Zitaten in der Untersuchung (hier nicht vollständig veröffentlicht). (Zudem habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, bei Antworten mir zuvor dieses Bild zu verschaffen, um nicht einer falschen Interpretation aufzusitzen – bei vielen, fast ausschließlich auf Verbalinjurien beschränkten Beiträge aber nicht nötig.)
Zu #17, Wahlprogramm der AfD:
Hier kann ich etwas Neues hinzufügen (was freilich für die AfD nicht unbedingt schmeichelhafter ist):
Inzwischen wurde auf der Website der AfD eine „vollständige“ Fassung ins Netz gestellt. Hier findet sich (S.24) ein Hinweis auf die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss, wo sich „die für die Eurorettungspolitik verantwortlichen Politiker der Länder (…) öffentlich rechtfertigen müssen“. Die dafür erforderliche Stimmenzahl wäre 25% von 751 (bei 96 deutschen Sitzen insgesamt!). Zusätzlich wird erklärt, dass dessen Befugnisse sich auch auf „nationale Regierungen“ erstrecken sollten. – Und das sind Forderungen einer Partei, die ständig über „EU-Zentralismus“ lästert!
Um Missverständnissen vorzubeugen: Inhaltlich hätte ich gar nichts dagegen einzuwenden.
Natürlich wirft es aber Fragen auf, wenn – von dieser sehr forschen Ankündigung abgesehen – das Gremium, für das man kandidiert, keinerlei Beachtung erfährt. Es kann aber auch als symptomatisch für die Verschleierungstaktik angesehen werden.
Dazu zwei Bemerkungen:
Wenn man (wie schon z.T. schon in #1 angeführt), mit den scheinbar wohlklingenden Formulierungen und Forderungen des Wahlprogramms die Äußerungen der bedienten und sich bekennenden Klientel vergleicht (von denen ich einige Tausend angesehen habe), ergibt sich ein völlig anderes Bild: Hier wird Tacheles geredet, sogar ein Herr Lucke vor sich hergetrieben. Die Jubelkommentare zu eindeutig rechtspopulistischen Parteiführern, so Marine Le Pen, Viktor Orban, die Herrn Wilders und Farange finden sich zu Hunderten.
Nun lebe ich in Frankreich, bin da auch gelegentlich mit Informationen nicht nur über Äußerungen, sondern auch Realitäten über den Front National versorgt. Deren Vertreter nehmen nun (anders als Herr Lucke) kein Blatt vor den Mund. So erklärte Marine Le Pen gegenüber dem Brüsseler ARD-Korrespondenten Krause unverblümt: Für den Front National gibt es für das EU-Parlament nur ein Programm: den Boykott.
Der FN-Bürgermeister von Hayange in Lothringen (der zu allem Überfluss auch noch meinen Namen trägt) bekennt sich ungeniert als Rassist. Eine Reportage aus Hayange zeigte, wie jedes Gerücht über Wohltaten des französischen Staats für fremde „Sozialschmarotzer“ geglaubt wird.
Freilich ist zu bedenken, dass dieser unverblümte Fremdenhass (zumindest in dieser Region) auf wirklichen Existenzängsten beruht, basierend auf dem Zusammenbruch der Industrie (Bergbau) und völlig fehlenden Ansätzen zu sinnvollem Strukturwandel unter der Ära Sarkozy. Eine Situation, die m.E. ernster zu nehmen ist als die entsprechende deutsche Debatte, geprägt von Arroganz, fehlender Empathie und Jammern auf hohem Niveau (vor allem in der Griechenland- und Zuwandererfrage).
Konkreten Anschauungsunterricht bieten in Frankreich auch die Verhältnisse in den schon länger vom Front National beherrschten Kommunen, so Toulon, Orange, Vitrolles: alle bestimmt von kulturellem Kahlschlag.
Aufschlussreich die Situation in Avignon bei den diesjährigen Kommunalwahlen. Nach dem 1. Wahlgang drohte auch hier eine Machtübernahme durch den Front National. Die Festspielleitung kündigte für diesen Fall an, von Avignon wegzuziehen. (Beteiligung des Theaters „off“ im letzen Jahr: über 2000 Vorstellungen). Ergebnis: Deutlicher Wahlsieg des sozialistischen Kandidaten. – Das Hemd sitzt dem Kleinbürger doch näher als die Hose!
Soviel für heute. Da ich wieder einige Tage verreise, werde ich in der Zeit nichts von mir hören lassen.