Wie der „Boss der Bosse“ zum Knutschfreund Putins avancierte

Ach ja, unsere Altkanzler! Der eine lässt das Rauchen nicht, während er telegen die Zeitläufte kommentiert, und auch der andere ist immer mal wieder für Schlagzeilen gut. (Den dritten Altkanzler, der noch lebt, lasse ich mal außen vor.) Gerhard Schröder ist kürzlich 70 Jahre alt geworden. Das war der FR einen großen Artikel wert. Jetzt hat er auch mit seinem Freund Putin gefeiert – im St. Petersburger Jussupow-Palast. Die SPD reagiert befremdet, Außenminister Steinmeier betont, dass Schröder in keinerlei Regierungsverantwortung stehe und daher tun und lassen kann, was er will. Zugleich werden Spekulationen laut, Schröder könne auf Putin eingewirkt und so sein Teil zur Freilassung der OSZE-Beobachter geleistet haben, die in der Ost-Ukraine gefangen waren. Auch Günter Jauch befasste sich mit diesem Thema – in einer selten langweiligen Sendung am vergangenen Sonntag, in der er seine Gäste der Reihe nach interviewte und nur selten einen Schlagabtausch zuließ.

Doch warum soll Schröder nicht mit Putin feiern? Wenn wir derzeit etwas brauchen, dann sind es Gespräche mit Putin, bessere Beziehungen. Wenn Schröder seinen Teil dazu beitragen kann – warum nicht? Er hat vermutlich besser verstanden als so mancher andere, wie Putin tickt. Also lassen wir ihn machen. Wir können es sowieso nicht ändern. Schröder bleibt Schröder, basta!

Bemerkung am Rande: Für den CDU-Politiker Philipp Mißfelder könnte es dagegen schwierig werden. Der war nämlich in St. Petersburg auch dabei, als gefeiert wurde. Und das finde ich ehrlich gesagt interessanter als die Debatte über Schröder: Was hatte der da zu suchen?

Roland Klose aus Bad Fredeburg meint:

„Kurios, da wird Altbundeskanzler Gerd Schröder (SPD) für seine Teilnahme an der Putin‘schen Feier zu seinem 70. Geburtstag in St. Petersburg von der CDU in Deutschland rundweg verurteilt, aber bei CDU-Kollege, Feierbiest und Jungspund Philipp Mißfelder scheiden sich wieder einmal die Geister. CDU-Medienexperte Thomas Jarzombek begrüßt sogar Mißfelders Teilnahme an der Jubelfeier mit folgenden Worten: „In der Politik wird bei informellen Anlässen manchmal mehr erreicht als am Konferenztisch.“
Also, liebe Politiker, vor allem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), folgerichtig weniger Gipfeltreffen, Krisengespräche und schier endlose und sinnlose Konferenzen am Runden Tisch mit zweifelhaften Abkommen, die bereits nach wenigen Stunden wieder gebrochen werden. Beste Beispiele: die Abkommen von Kiew und Genf in der Ukraine-Krise. Deshalb lassen Sie sich einfach mal wieder von Ihrem Lieblingsdiktator zu einer Feier einladen oder laden Sie ihn zu sich nach Hause ein, das steigert sein Selbstwertgefühl und fördert seine Kompromissbereitschaft in Krisensituationen. Und vergessen Sie nicht: Kleine und auch große Geschenke erhalten die Freundschaft. Finden Sie heraus, wofür sich Ihr Lieblingsdiktator begeistert, und Sie werden ihn um den kleinen Finger wickeln.“

Dr. Uwe Landt aus Frankfurt:

„Schröder befremdet durch seine Geburtstagsfeier in St Petersburg nicht nur seine Partei, sondern auch viele Bundesbürger, auch wenn immer wieder betont wird, er sei ja inzwischen Privatmann und könne als solcher seinen Geburtstag feiern, wo und mit wem er wolle. Ich halte diesen Standpunkt für grundsätzlich falsch. Schröder hat als Bundeskanzler geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Formalrechtlich ist er natürlich schon lange von diesem Schwur entbunden, aber es kann, ja es muss von ihm – wie übrigens von jedem Politiker, der ein hohes politisches Amt bekleidet hat – aus moralischen und gesellschaftspolitischen Gründen erwartet werden, dass er sich auch weiterhin seiner besonderen Verantwortung für sein Land bewusst ist und danach handelt.
Schröders Verhalten gegenüber Putin in der gegenwärtigen heiklen poltischen Lage zeigt, dass er solche Rücksichten zu nehmen nicht gewillt ist. Soweit er damit deutschen Interessen zuwiderhandelt und sogar schadet, sollte man ihn entsprechend in Haftung nehmen (man denke an die üppige Pension, die er bezieht). Schröder schadet aber auch seiner Partei, der er viel zu verdanken hat, von der er aber offensichtlich nie viel gehalten hat. Er fällt seinem Parteigenossen Steinmeier in den Rücken, er diskreditiert dessen Außenpolitik. Dafür sollte ihm umgehend die Mitgliedschaft in der SPD entzogen werden.
In der ganzen Diskussion wird aber ein ganz anderer wichtiger Aspekt nicht beachtet, nämlich die Frage, wie Schröder in die Lage gekommen ist, zunächst der „Boss der Bosse“ zu werden und später zum Duz- und „Knutsch“-Freund Putins zu avancieren. Waren es nicht die Wähler, also die Bürger und Steuerzahler, die ihn in das hohe Amt gebracht und ihm damit ermöglicht haben, Kontakte auf hoher politischer und wirtschaftlicher Ebene zu knüpfen – Kontakte, die ihm dann den fast überganglosen Wechsel aus der Politik in die Position des Vorsitzenden des Aktionärsausschusses der russisch-deutschen Firma „Gazprom“ möglich gemacht haben? Ich glaube nicht, dass er als „kleiner“ Rechtsanwalt in Hannover aus eigenen Kräften (Intelligenz, Wissen, Durchsetzungsvermögen) einen solchen Aufstieg geschafft hätte. Man kann sein Verhalten nur als schäbig und charakterlos bezeichnen.“

Heinz Abraham aus Kronberg:

„Dass ausgerechnet Mißfelder mit Putin und Schröder in Moskau feierte, ist erhellend für den Charakter des Abgeordneten. Vor elf Jahren meinte er, dass künstliche Hüftgelenke für Leute über 85 nicht nur teuer, sondern auch sinnlos sind, und das Gesundheitssystem nur belasten würden. Er fügte nicht hinzu, daß für diese Giftpillen kostenlos abzugeben wären, damit dieses sozialpolitische Thema abzuschließen sei, was wir damals als seine angeblich private Meinung vermissten. Dafür will er das Rentenalter auf zunächst 70 Jahre heraufsetzen, damit – vernute ich – schneller wegen Überbeanspruchung gestorben wird und so wieder weniger Rentner 85 werden können.
Nun ist dies eine nicht nur neoliberale Ansicht, die man abwinkend überhören könnte, wenn er nicht neuerdings den Vater von Hartz-IV und Erzeuger prekärer Arbeitsverhältnisse, der 400-€ Jobs, sowie der Verringerung von Voll-Arbeitsstellen, nämlich Schröder, verehren würde und mit ihm den Autokraten in Moskau Gelegenheiten geben würde, sich als „Mensch“ zu zeigen. Daß er damit –aus einer autoritären Gesinnung heraus – den freiheitsliebenden Menschen in Kiew und in der Ukraine insgesamt in den Rücken fällt, und Putin sozusagen aufzuwerten hilft, ist mehr als nur dumm: es ist politisch gegen Westeuropa gerichtet und schürt weitere Ängste in den baltischen Staaten, in Polen und anderswo.
Sollten die Leute um Sarah Wagenknecht („Wir sprechen auch russisch!“) eines Tages wieder den Anschluß der ehemaligen DDR an die neue UdSSR verlangen und als Anwärter auf Posten unter Putin hoffen, Herr Mißfelder, werden diese vorgezogen und Ihre eigenen Hoffnungen, falls insgeheim vorhanden, fallen ins Wasser. Diese eher satirische Bemerkung außerhalb der Realität, aber dicht daneben, kann man sich nicht verkneifen…
Was nun Schröder angeht, der die beiden Niederlagen der SPD 2005 und 2009 mit verantwortet, kann man sich jeden innerlichen politischen Kommentar sparen. Wer einmal Bundeskanzler mit dem Anspruch der Verteidigung von Völker- und Menschen-Rechten war und dann gut bezahlt in die auch noch russische Wirtschaft geht, kann keinen Charakter haben; das hat er allerdings auch nie behauptet, oder? Wem er dient, ist egal, sei es scheinbar dem Deutschen Volke oder anscheinend dem Quasi-Zaren in Moskau. Und die SPD hält weiter zu ihm.
Beim nächsten Mal noch weniger Stimmen…!“

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Ein Kommentar zu “Wie der „Boss der Bosse“ zum Knutschfreund Putins avancierte

  1. Schröder geht nicht dadurch in die Geschichte ein das er mit Putin gefeiert hat sondern dafür das er aus der SPD eine 20% Partei gemacht hat. An dieser Zahl kann man unmissverständlich ablesen wie sehr das Volk ihn feiert für seine Leistungen.

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