Die Europäische Union steckt tief in ihrer bisher schwersten Krise, verursacht durch Fehler in der Architektur des Maastricht-Vertrags, mit dem die Grundlagen für die Währungsunion und die gemeinsame Währung gelegt wurden. Fast zwanzig Jahre ist es her. In den sogenannten EU-Konvergenzkriterien wurden zwar Defizitgrenzen für die nationalen Haushalte vereinbart, doch wurden diese von keinem der EU-Staaten eingehalten; die machten fleißig Schulden. Auf dem gerade vergangenen EU-Gipfel in Brüssel haben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy Korrekturen der Architektur angestoßen, die vermutlich in die richtige Richtung gehen. Unter anderem sollen alle Staaten Schuldenbremsen in ihre Verfassungen aufnehmen. Doch diese Änderungen kommen wohl zu spät. Sie werden die ohnehin schwächelnde Konjunktur abwürgen und die EU in die Rezession führen – wenn sie denn überhaupt kommen. Sie sind nämlich nicht ohne weiteres umzusetzen.
Bisher manifestierte sich die EU-Krise vor allem an den sogenannten Finanzmärkten, deren Vertrauen ja unbedingt zurückgewonnen werden muss. Auf dem EU-Gipfel man ein weiterer Krisensymptom hinzu: Der britische Premier David Cameron hat versucht, die Thatcher zu machen, und hat verloren. Cameron stand völlig isoliert da, nachdem klar war, dass die anderen EU-Staaten Großbritannien keine weiteren Extrawürste braten wollen. Merkel und Sarkozy haben ihn schlicht auflaufen lassen. Die britische Diplomaten sind grandios gescheitert. Haben sie im Vorfeld nicht ausgelotet, welche Chancen ihre Forderungen haben würden?
Cameron hatte wohl vorgehabt, den EU-Kritikern daheim endlich ein bisschen zu gefallen; stattdessen hat er sie erst richtig scharf gemacht. Im Unterhaus bekannte er sich zwar zur EU, doch die Kritik ist seitdem nicht verstummt, und es wird gar über einen Austritt Großbritanniens aus der EU spekuliert. Das EU-Parlament droht Konsequenzen an. Dabei geht es um den Briten-Rabatt, der 1984 von Margret Thatcher als Ausgleich für übermäßige Nettozahlungen an den EU-Haushalt durchgesetzt worden war. Er war als Ausgleich für die Hilfen zugunsten der EU-Agrarpolitik gedacht, die damals 80 Prozent des EU-Haushaltes ausmachten und von denen Großbritannien weniger profitierte als andere Länder. Heute gibt die EU weniger als 50 Prozent ihres Haushalts für die Agrarpolitik aus.
Die Briten, so der Vorwurf, ließen „europäische Solidarität“ vermissen. Das ist im Prinzip nichts Neues, doch während früher verhandelt und Kompromisse gefunden wurden, scheinen „Merkozy“ jetzt zu der Erkenntnis gekommen zu sein, dass es auch ohne die Briten geht. Die Londoner City – der größte europäische Bankenplatz – und das britische Pfund gelten nämlich als Profiteure der Eurokrise …
Werner Engelmann aus Luxemburg meint:
Was für eine voreingenommene Berichterstattung der FR in Sachen Eurogipfel! Da titeln Michael Bergius und Thorsten Knuf ihren wenig aufschlussreichen Bericht im reißerischen Stil mit „Der Riss“, um prompt von der Litauischen Präsidentin Lügen gestraft zu werden, welche deutlich macht: Soviel Einigkeit gegenüber der erpresserischen Haltung des britischen Premiers war nie.
Sachlich sicherlich angemessener der Leitartikel von Barbara Klimke „Glanzlos isoliert“ – nachdem es selbst auf der Insel Kritik von Seiten der Opposition wie des Koalitionspartners an David Cameron gehagelt hat. Immerhin wird hier der eigentliche Hintergrund für dessen Verhalten deutlich, auf Kosten Europas bei Europakritikern und –hassern der eigenen Partei zu punkten. Umso unverständlicher dann die Schlussfolgerung von Frau Klimke: „Es war ein Pyrrhus-Sieg – schlecht für Britannien, aber auch schlecht für Europa. Denn die EU wird auf ihre drittstärkste Wirtschaftsmacht kaum so leicht verzichten können.“ – Pyrrhus-Sieg für wen?
Hier wird völlig unkritisch die von britischen Konservativen gepflegte Sicht von Europa als bloßer Freihandelszone übernommen.
Wer so weitreichende Prognosen aufstellt, von dem wäre zumindest ein Hinweis darauf zu erwarten, wie es mit dieser „Wirtschaftsmacht“ tatsächlich bestellt ist. Ein Blick in die sehr detaillierte Diskussion bei Zeit-Online.de (9.12.2011: „Geht es auch ohne die Briten?“) könnte hier weiterhelfen: ein Haushaltsdefizit größer als das Griechenlands, eine marode Wirtschaft und ein erschreckendes Sozialsystem, das Jugendrevolten hervorruft. „Mächtig“ ist nur noch die Abhängigkeit von einer durch skrupellose Spekulation geprägten Finanzindustrie. Dass ausgerechnet ein solches Land von sich zur Weltregierung aufschwingenden demokratisch nicht legitimierten Ratingbüros, die gleichzeitig gegen ganz Europa Sturm laufen, als besonders kreditwürdig angesehen wird, sollte doch zumindest zu denken geben, ebenso die zeitlich so schön koordinierten Drohgebärden aus New York wie von der Britischen Insel.
Und es wäre auch zu erwarten, dass darauf eingegangen wird, wie denn die Alternative aussähe mit einem „Partner“, der eingestandenermaßen aus bestehenden Verträgen sich alleine die Rosinen herauspickt und gemeinsames europäisches Handeln boykottiert, wo mehr Europa nötig ist, um sich gemeinsam aus dem Würgegriff von außer Kontrolle geratenen Finanzmärkten zu befreien.
Die Brüsseler Beschlüsse mögen allein als Reaktion unzureichend sein. Doch sie stellen als gemeinsame Willenserklärung von 26 Partnerländern – und eben nicht nur eines deutsch-französischen Duos – die entscheidende Voraussetzung für weitere entschiedene Maßnahmen dar. Und sie stellen diejenigen ins Abseits, die im Stil der britischen „Sun“ chauvinistische Hetze betreiben. Und das ist alles andere als ein „Pyrrhus-Sieg“. Denn Europa ist eben keine bloße Freihandelszone und darf es auch nicht sein.“
Dr. Walter Unger aus Maintal:
„Ein Austritt Großbritanniens aus der EU wäre nicht nur schlecht für dieses Land, sondern auch für Europa, meint Barbara Klimke in ihrem Kommentar. Denn die EU werde auf ihre drittstärkste Wirtschaftsmacht kaum so leicht verzichten können.
Rein wirtschaftlich gesehen mag sie recht haben. Versteht man die Europäische Union aber als (schon recht weitreichenden) Zwischenschritt auf dem Weg zu einem vereinten, bundesstaatlich organisierten demokratischen und sozialen Europa (so sahen es die Gründungsväter und so sehen es auch Träumer wie ich), dann sieht die Sache schon ganz anders aus. Eine solche Union ist nur mit Staaten und Völkern möglich, die sich selbst als Teil eines zu vereinigenden Europas verstehen. Großbritannien sah aber schon in der damaligen EWG vor allem einen gemeinsamen Wirtschaftsraum und stand dem politischen Ziel der Römischen Verträge reserviert gegenüber – was de Gaulle seinerzeit zu einem Veto gegen den Beitritt veranlasste. Auch alle weiteren Einigungsschritte wurden auf den Britischen Inseln stets misstrauisch und widerwillig verfolgt oder – wie der Wegfall der Grenzkontrollen – abgelehnt.
Ein Austritt Großbritanniens aus der EU würde den weiteren Vereinigungsprozess daher eher erleichtern. Für die wirtschaftlichen Interessen Europas würde eine Mitgliedschaft dieses Landes im gemeinsamen Wirtschaftsraum (EWR) ausreichen. Und auch dem Selbstverständnis der meisten Briten dürfte dies am ehesten entsprechen.“
Heinz Markert aus Frankfurt:
„So wie Pubertierende im Übergang zum Erwachsenwerden manchmal beschließen, schlecht zu werden und sich der Droge hinzugeben, so hält Junkie London daran fest, sich dem Rausch der windigen Papiere – immer weiter rückwärts in der menschlichen Entwicklung und Sozialisation – zu verschreiben.
Vulgo Freud bedeutet das: Das polymorph-perverse Kind London-City hat entschieden, sich ins oral-anale, Sekt-Geld-Spiel progressiv rückfallend einzuigeln. London will mit dem Geld spielen, das den (noch) ehrlich Arbeitenden abgenommen bzw. vorenthalten wurde, wie das Klein-Kind versonnen und verloren mit dem Kot spielt.
Das „Kapitalverbrechen“ (Spiegel-Titel vom 17.11.2008) mit den spekulativen, ungedeckten Werten soll weitergehen, mangels wirklicher Ideen und wahrhaft produktiver Energien. Die Verkommenheit ward Gentleman. Und dies bei hoher Verschuldung des Landes. Wo sind die realen Wert in Sicht, die die Verschuldung wieder abbauen könnten?
Die Insel hat offenbar kaum mehr noch zu bieten als „Finanzmarktinnovationen“, nachdem eine Werte schaffende Industrie während drei Jahrzehnten niedergemacht wurde. Aber Blasen hat sie aufzuweisen: Geld der anderen zu Spielgeld gemacht, Event-Kultur, Pop-Geklingel, Schnupper-Tourismus, selbst-referentieller Mode-Hype, Kreativ-IT zum Hin- und Herschieben der Scheinwerte, –worte und -bilder.
„I want my money back“, rief Maggie aus. Ihre infantile Losung klingt immer noch verlockend in den Ohren ihrer Kinder und Kindeskinder, die in Verstockung immer kurz vor dem Erwachsenwerden verharren.“
Hans Oette aus Neuenstadt:
„Der Euro ist gerettet – nein, doch noch nicht“. Das Hin und Her nimmt kein Ende, und Durchblick ist Mangelware. Ein Blick auf die Geldströme kann hier Abhilfe schaffen. Offensichtlich muss der Staat z. B. eines Landes B immer neue Kredite aufnehmen, weil er Gehälter, Sozialausgaben, Schuldzinsen u. a. bezahlen muss und seine Steuereinnahmen zu gering sind. Die Finanzmärkte drohen damit, keine neuen Kredite mehr zu gewähren, und erhöhen schon mal die Zinsen. Nun wird die Schuldenbremse gefordert und damit das Sparen, also weniger auszugeben, um nicht zahlungsunfähig zu werden. Die Finanzmärkte honorieren die Sparbeschlüsse aber kaum, mit gutem Grund. Zum einen lassen sie sich schwer umsetzen, weil Menschen sich wehren, die dadurch in Armut gestürzt würden, z. B. durch Streiks. Werden die Sparbeschlüsse aber umgesetzt, stürzt die Wirtschaft des betroffenen Landes in die Krise, weil die Nachfrage nach Gütern einbricht. Natürlich gehen dann auch die Steuereinnahmen in den Keller.
Die Wirtschaft praktisch aller Länder leidet darunter, dass ein Teil der Einkommen in Form von nicht investierten Ersparnissen auf die Finanzmärkte abwandert. Diese Geldabwanderung gleichen die Staaten aus, indem sie von den Finanzmärkten Kredite aufnehmen. Exportüberschüsse von Land A gegenüber Land B ergeben einen Geldabfluss von B nach A, und der Staat des Landes B muss sich besonders stark verschulden. Irgendwann muss aber Land A per Rettungsschirm die Schulden von B mit übernehmen. Es treiben also alle Länder entweder auf die Staatspleite oder die Wirtschaftskrise zu, die Länder mit Importüberschuss lediglich etwas schneller.
Der Grund ist, dass die Geldabflüsse auf die Finanzmärkte nicht ewig durch Staatsverschuldung ausgeglichen werden können. Das auf den Finanzmärkten verwaltete Finanzvermögen verdoppelt sich etwa alle 7 Jahre und beträgt heute etwa 100 Billionen Euro. Aus der Sackgasse kommen wir daher nur heraus, wenn die Staaten durch Besteuerung die abfließenden überschüssigen Geldmengen abschöpfen und wieder der Realwirtschaft zuführen. Durch Verschuldung kann es nicht länger geschehen, und eine Schuldenbremse durch Sparen ignoriert die Geldabflüsse und führt in die Wirtschaftskrise.
Es ist notwendig, die Staatshaushalte nicht durch Sparen, sondern durch genügende Besteuerung von Finanztransaktionen, hohen Einkommen, Vermögen und Erbschaften und durch Bekämpfung der Steuerflucht in Ordnung zu bringen.“
Schuldenbremsen sind ein Irrweg , weil mit ihnen zur Zeit nur versucht wird , einseitige Ausgabensenkungen zu automatisieren.
Es stimmt , daß sie die Konjunktur abwürgen und es ist ein Widerspruch , dies zu erkennen , aber zur gleichen Zeit von einer richtigen Richtung zu sprechen.
Jetzt hilft nur , kontrazyklisch zu investieren und das kann nur der Staat , evtl. auch die EU , kurzfristig dürfte ohnehin nur die – von Deutschland beinahe blockierte – EZB die Mittel haben , einen Absturz zu vermeiden oder abzufedern.
Die Diagnose „Staatsschulden-Krise“ ist falsch , daher kann mit Schuldenbremsen kein Erfolg erreicht werden.
Die maroden Staatsschulden sind ein Symptom der Krise und wie die Krise selber Ergebnis einer langen marktliberalen Politik , die die Grundlagen einer gesunden Ökonomie sukzessive und gezielt zerstört hat.
Ein wesentlicher Aspekt war das gezielte Ruinieren des Staatshaushalts , vornehmlich durch ständigen Verzicht auf legitime Steuereinnehmen.
Eine Kette politischer Entscheidungen also , nicht Ergebnis eines wirtschaftlichen Prozesses.
Hans Oette beschreibt zutreffend , wie Maßnahmen aussehen könnten , die helfen , das Kind aus dem Brunnen zu ziehen , weil er die wesentliche Frage der Verteilung von Vermögen und Einkommen berührt , mithin eine der wesentlichen Ursachen der Krise.
Ich würde mich auch der meinung anschließen das GB die EU verlassen sollte. Wenn das Geschäftsmodell dieses Landes nur noch aus windigen Finazprodukten besteht wird das Land auch auf Dauer keine Hilfe für die Lösung der Probleme in der EU sein. Sollten Maßnahmen wie die Schuldenbremse in den EU Ländern doch Wirkung zeigen, oder auch noch weitere Maßnahmen, dann wird die Welt sich dem eigentlichen Problem der Überschuldung der Industrieländern der Erde zuwenden müssen. Die Euro Krise lenkt derzeit nur von dem eigentlichen Problem ab das zu viel Geld auf dem Markt ist und Anlagemöglichkeiten sucht. Die wirkliche Lösung kann nur sein dieses Geld weg zu besteuern oder weg zu inflationieren.
zu @ Agent 2010
Eine Schuldenbrense kann man durch Senkung der Ausgaben bedienen. Das ist ein Irrweg da gebe ich Ihnen recht. Man kann sie aber auch durch Erhöung der Einnahmen erreichen und das ist ein Teil der richtigen Vorgehensweise. Der wirkliche Weg sollte eine Mischung von beidem sein. Deutlich höhere Steuern auf Erbschaften, Vermögen und Finaztransaktionen abgesichert nach unten durch entsprechende Freibeträge und Abbau von unsinnigen Suventionen sollten der Weg sein zur Schuldenbremse. Ich denke das hätte auch die gewünschte Wirkung. Zu erwarten das eine schwarz/gelbe Regierung das tut ist allerdings naiv.
Verweigert sich das Vereinigte Königreich den ohnehin von vornherein allfälligen Anstiftern zu dem Unfug, die Unabhängigkeit Europäischer Gemeinschaften zu gefährden, drückt sich in dem derzeit zugleich überaus massiv vorgetragenen Verlangen, dass sich deren Premierminister stehenden Fußes dafür öffentlich zu rechtfertigen habe, derselbe ungeheuerliche Aberwitz aus. Wenn man so will, lässt sich feststellen, dass nicht wenige sich nur deshalb der Bevölkerung eines Mitgliedslandes auf höchst unzulässige Weise als einem Objekt bedienen, um die Existenz der von ihnen allein ausgelösten gleichsamen Stürme im Wasserglas doch noch nachweisen zu können.
Ich kann Hans Oette überhaupt nicht zustimmen.
Kein Land hat ein Recht auf sein Außenhandelsdefizit, genauso wie kein Land ein Recht auf seinen Außenhandelsüberschuß hat. Ein Außenhandelsdefizit kann nicht einfach so bestehen, ohne daß etwas passieren muß. Folgendes sind die in einer Situation des Außenhandelsdefizits möglichen Folgen, und zwar die einzigen, weitere gibt es nicht (bzw. fallen mir nicht ein):
1) Das Außenhandelsdefizit kann durch Schuldenaufnahme erhalten werden. Das funktioniert solange, bis sich keine Gläubiger mehr finden, die noch nicht eingesehen haben, daß das Land sich im Außenhandelsdefizit eingerichtet hat, d.h. zu ständig weiteren Schuldenaufnahmen gezwungen ist, zu einer ständigen Erhöhung der Gesamtschuldensumme, weil es dauerhaft über seine Verhältnisse lebt. Irgendwann wird der Zeitpunkt da sein, wo das Land weitere Kreditgeber nicht findet, dies wird dann der Zeitpunkt sein, an dem die Staatspleite erklärt werden muß. Vielleicht hat das Land aber auch Glück, und ein irgendein Doofer findet sich, der durch fortwährende Dauerschenkungen die dauerhafte Einrichtung im Außenhandelsdefizit, im „Über die Verhältnisse leben“ ermöglicht. Letzteres wird doch tatsächlich von vielen gefordert, diese Dauerschenkungen laufen unter dem Begriff „Transferunion“.
2) Das Land mit Außenhandelsdefizit kann die Preise seiner Exportwaren senken, und dadurch das Exportvolumen erhöhen (über die erhöhte Konkurrenzfähigkeit), und damit das Handelsdefizit verringern oder beseitigen. Wenn das Land eine eigene Währung hat, kann dieser Effekt auch über eine Abwertung der eigenen Währung gegenüber der Währung der Länder erzielt werden, in die man exportiert.
3) Das Land mit Außenhandelsdefizit muß auf bestimmte Importe halt verzichten, die man sich dann eben nicht leisten kann. Auch diese Maßnahme wird das Handelsdefizit verringern oder beseitigen.
4) Über besondere Anstrengungen, die etwas mit Kreativität, Unternehmergeist, Fleiß, innovativem Denken usw. zu tun haben, entstehen neue Unternehmungen oder alte Unternehmen entwickeln neue Produkte, die attraktiv auch an den internationalen Märkten sind, die Exporte erhöhen sich, das Außenhandelsdefizit verringert sich oder verschwindet oder kehrt sich gar um in ein Außenhandelsüberschuß!
Hans Oette kennt scheinbar nur Möglichkeit 1), die anderen Möglichkeiten interessieren ihn nicht bzw. kennt er nicht. Das ist schade. Damit kennt er nur einen ganz kleinen Ausschnitt der Realität.
Gerade Punkt 3) ist ein wichtiger Punkt, der aber auch eine besondere Lachnummer beinhaltet, indem nämlich manche Deutsche doch tatsächlich behaupten, dieser Weg sollte Griechenland nicht zugemutet werden, denn damit würde man der eigenen, deutschen Exportindustrie schaden, da die Exporte nach Griechenland dann einbrächen. Stattdessen soll also ein dauerhafter Geldtransfer nach Griechenland stattfinden, der dann im Grunde eine Subvention für die Exportindustrie ist. Verschwiegen oder vergessen wird dabei bloß, daß diese dauerhaften Geldtransfers irgendjemand bezahlen muß. Bezahlt die Exportindustrie sie, dann entsteht die amüsante Situation, daß sich die Exportindustrie selber subventioniert… so etwas ist hanebüchen. Finanzieren andere Wirtschaftszweige diesen Geldtransfer, so muß die Frage nach der Berechtigung gestellt werden: Warum sollen Wirtschaftszweige, die nicht nach Griechenland exportieren, andere Wirtschaftszweige, die nach Griechenland exportieren, subventionieren? Warum nicht umgekehrt? Warum nicht ganz anders? Fragen über Fragen.
Wem das zu kompliziert ist, hier einmal eine Analogie zur Veranschaulichung:
In einem Dorf (Weltgemeinschaft) stellt ein Bewohner (Land) Häkeldeckchen für 10 Euro her. 10 andere Dorfbewohner (Länder) kaufen diese Häkeldeckchen, weil sie es sich leisten können, weil ihre Einnahmensituation dies erlaubt. Der Hersteller erhält also 100 Euro. Es gibt aber einen Dorfbewohner, der sich aufgrund seiner Einnahmensituation ein Häkeldeckchen nicht leisten kann. Oh, das ist aber schade! Da sich keine Bank mehr finden lässt, der diesem Dorfbewohner noch einen weiteren Kredit gibt (schon Tischlampe und Fußabtreter kaufte er auf Pump), hat der Bürgermeister jetzt eine wunderbare Idee: Dieser Dorfbewohner soll auch sein Häkeldeckchen bekommen. Dazu muß der Häkeldeckchenhersteller vom Ertrag jedes Häkeldeckchens bloß 1 Euro abgeben. Beim Verkauf von 10 Häkeldeckchen ergibt dies 10 Euro, die dem armen Bewohner feierlich überreicht werden, der daraufhin damit sofort ein Häkeldeckchen kauft. Nun ist der Häckeldeckchenhersteller zunächst natürlich ein wenig beunruhigt wegen der 1 Euro-Abgabe, aber der Bürgermeister beruhigt ihn: Schau mal, du hast so doch deinen Umsatz (Export) steigern können! Hmm, sagt sich der Häkeldeckchenproduzent, mal rechnen: Vorher – 10 Deckchen – Ertrag 100 Euro… Nachher – 11 Deckchen – Ertrag 10*9 + 10 Euro = 100 Euro… Juhuuuuu, ich konnte tatsächlich meinen Umsatz (Export) steigern! Klasse!!!!
Jetzt hängt es von der Intelligenz des Häkeldeckchenherstellers ab, ob ihm auffällt, daß ihm das Verschenken eines Häkeldeckchens als ganz tolle Umsatzsteigerung verkauft wurde.
Auf so ein System steuern wir zu, wenn die Transferunion sich realisieren wird. Verkauft wird es uns als großartige Sache für unsere Exportindustrie, real verschenken wir bloß Werte.
Das zweite Argument Ottes, nämlich daß „ein Teil der Einkommen in Form von nicht investierten Ersparnissen auf die Finanzmärkte abwandert“, kann ich auch nicht nachvollziehen. Was wird damit gemeint? Ich verstehe es wirklich nicht. Welche Statistiken oder andere Datenquellen hat er dafür?
Wenn z.B. Geld in Aktien angelegt wird, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Handelt es sich um Neuemissionen, wandert das Geld direkt ins emittierende Unternehmen und ist damit sofort in der Realwirtschaft angelangt. Kauft man jemand anderem als dem Unternehmen die Aktie(n) ab, so hat man selber dieses Geld natürlich nicht in einer Realwirtschaft ausgegeben, sondern dieses Geld „wanderte in die Finanzmärkte ab“… aber der AktienVERkäufer, zu dem die Investition „wanderte“, läßt vielleicht das erzielte Verkaufserlös in die Realwirtschaft weiter-„wandern“, indem er sich z.B. dafür ein neues Auto kauft. Die Erlöse ganz großer und wichtiger Akteure an den Finanzmärkten, der US-Pensionsfonds, wandern z.B. ständig in die Realwirtschaft, sie finanzieren einen Großteil der Rentnergeneration in den USA, die das Geld überwiegend auch in der Realwirtschaft ausgibt… z.B. in Florida für ein Eis, weil die Hitze dort nicht auszuhalten ist usw.
Jahr für Jahr Wachstum bedeutet, daß sich auch die Gesamtsumme der Werte eines Landes erhöhen kann. Es wird dann auch die Geldmenge entsprechend wachsen, dafür sorgen die Zentralbanken. Wenn bei gestiegenen Geldmengen dann auch mehr Geld in die Finanzmärkte investiert werden, so bedeutet das jedenfalls nicht automatisch, daß das der Realwirtschaft zur Verfügung stehende Geld abnimmt, und zwar nicht nur weil eine große Zahl aller Investitionen direkt in die Realwirtschaft gehen, sondern weil ganz einfach bei einer Erhöhung der Geldmenge um 10% auch die Geldmenge in den Finanzmärkten um 10% steigen kann, ohne zu verhindern, daß auch die Geldmenge in der Realwirtschaft sich um 10% erhöht.
Pauschal eine Erhöhung der an den Finanzmärkten gehandelten Werte als Zeichen dafür zu sehen, daß Geld aus der Realwirtschaft „abwandert“, erscheint mir aus vorgenannten Gründen wirklich absurd.