Schade, dass dieser Fall nicht vor Gericht entschieden wurde

In Berlin steigen die Mieten. In anderen deutschen Ballungsräumen auch. Dabei scheinen sich die Mieten keineswegs nur am Gesetz von Angebot und Nachfrage zu orientieren, wonach freie – oder zumindest weitgehend deregulierte – Märkte angeblich am besten dazu geeignet sind, die Bedürfnisse der Menschen zu decken und zu erfüllen. Was hier dem Augenschein nach als erstes erfüllt und befriedigt wird, ist das Bedürfnis der großen Immobilien- und Wohnungsgesellschaften nach möglichst hohem Profit. Die „Deutsche Wohnen“ etwa steht in dem Ruf, dass sie sich bei Mieterhöhungen nicht am Mietspiegel orientiere und die Mieten nach oben treibe. Dass jede sich bietende Gelegenheit genutzt wird, um die Mieten heraufzusetzen, ist darüber hinaus ohnehin vielfach zu beobachten.

Darum hat sich in Berlin eine Bürgerinitiative gegründet, die sich den schmissigen Namen gegeben hat: „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ Sie beruft sich auf Artikel 15 des Grundgesetzes: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“ Dieser Artikel bezieht sich auf Artikel 14, in dessen zweitem Absatz es heißt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil von 1981 die Enteignung als „zielgerichteten Entzug einer Eigentumsposition zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe“ neu definiert. Ausreichend bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, ist durchaus eine öffentliche Aufgabe, die aber – aus verschiedenen Gründen – immer schwerer zu erfüllen ist.

Seitdem ist in Berlin Dampf im Kessel. Es ist klar, dass etwas passieren muss. Allerdings ist Artikel 15 GG noch nie angewendet worden.

Um Mieterhöhungen geht es auch im folgenden Gastbeitrag aus der Nähe von Osnabrück, der sich um einen anderen Wohnungskonzern dreht, die Vonovia. Der Leserbrief von Friedel Glüder aus Lotte konnte im Print-Leserforum nur gekürzt veröffentlicht werden. Hier folgt die ungekürzte Fassung.

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Von Friedel Glüder, Lotte

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Ich möchte gern noch ein Beispiel beisteuern zum Thema zügellose Mietsteigerungen. Berlins größte Wohnungsgesellschaft, die Vonovia, besitzt auch in Osnabrück sehr viele Mietwohnungen und die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) berichtete in mehreren Artikeln über einen Skandal. Kurz gefasst:

Die vier Parteien eines Vonovia –Hauses sollten monatlich je 117 € Mieterhöhung zahlen, es war für 53.810 € eine neue Heizung eingebaut worden. Die alte 37 Jahre alte Heizung hatte schon im Jahr zuvor Ausfallerscheinungen gezeigt, trotzdem berechnete die Vonovia lediglich 2 % als Instandhaltungskosten und wollte 98% als Modernisierungskosten geltend machen, die laut Gesetz auf die Mieter mit 11% im Jahr (ab Januar diesen Jahres nur noch 8%) umgelegt werden dürfen.

Einer der Mieter klagte dagegen und die NOZ berichtete darüber. Daraufhin meldete sich der Innungsobermeister der Osnabrücker Heizungs- und Sanitärbetriebe und erklärte, dass die Osnabrücker Firmen für eine Heizung in einem Vier-Parteien-Haus 12.000 – 15.000 € berechnen würden, insbesondere monierte er die Ingenieurleistung von 14.000 €, die in der Vonoviarechnung enthalten war. Für eine Heizung in einem solchen Haus benötigten die Sanitärbetriebe keine Ingenieur-berechnungen.

Die Vonovia entgegnete, eine ihrer Tochterfirmen habe die Heizungserneuerung getätigt und sich im Preis an Ausschreibungsergebnissen orientiert, diese konnte oder wollte sie aber der NOZ nicht vorlegen.

Die klagenden Mieter haben sich mit der Vonovia auf einen Vergleich geeinigt, statt 117 Euro Mieterhöhung „nur“ 35 €uro mehr im Monat für die neue Heizung. Schade, dass dieser Fall nicht vor Gericht entschieden wurde. Vielleicht wäre man zu einem noch wesentlich niedrigeren Ergebnis gekommen!

Ich möchte folgende laienhafte Rechnung aufmachen: Eine 37 Jahre alte Heizung muss instandgesetzt – sprich erneuert – werden, nicht nur wegen der bereits erfolgten Störung, sondern auch wegen der Umstellung auf ein anderes Gas. Der Obermeister der Heizungsbauerinnung spricht von realistischen 12.000 bis 15.000 Euro für eine Heizung in einem Vierfamilienhaus. Man kann also von Instandsetzungskosten von 12.000 € ausgehen, dem Minimalbetrag. 3000 € E wären dann der Aufschlag für eine effektivere Heizung, also Modernisierungskosten. Diese 3000 € sind auf die Mieter umlegbar, also 20% von 15.000 €, nicht 98% von 53.810 €. Die 3 000 € werden geteilt durch 4 Parteien, macht 750 € pro Mietpartei. Wiederum laut Gesetz können davon 11% pro Jahr den Mietern auf die Miete draufgeschlagen werden, also 82,50 € im Jahr. Diese 82,50 € werden dann durch 12 Monate geteilt und das gibt dann eine monatliche Mieterhöhung von 6,88 € pro Mietpartei. 35 € pro Monat sind ungefähr das Fünffache, die geforderten 117 € das 17-fache. Für meine Begriffe liegt hier ein klarer Fall von Betrug vor, die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat auch Ermittlungen eingeleitet.

Insbesondere das Vorhandensein eines firmeneigenen Heizungsbetriebes lässt mich vermuten, dass ähnlich fantasievolle Kostenberechnungen möglicherweise mehreren Vonoviamietern ins Haus geflattert sind. Vielleicht kann dieses Beispiel die vielen Mieter der größten deutschen Wohnungsgesellschaft bewegen, ihre Modernisierungskosten noch einmal zu überprüfen.

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