Heute jährt sich der Tag, an dem der erste Mensch den Mond betrat, zum vierzigsten Mal. Damals, vor vierzig Jahren, holten meine Eltern einen kleinen Jungen aus dem Bett und setzten ihn vor die Mattscheibe, damit er Zeuge dieses Menschheits-Ereignisses werde. In der Tat, dieses Ereignis hat mich geprägt, und ich stimme den Sätzen des deutschen Astronauten Ulf Merbold absolut zu, der im FR-Interview sagte: „Das ist in meinen Augen ein Merkmal von Kultur: das Bestreben, unser Wissen immer weiter zu vertiefen. Genauso, wie auch genug Geld für die schönen Künste da sein muss. Eine Welt, die nur nach Optimierungsmaximen funktioniert, ist für mich eine sinnlose Welt.“ Mit anderen Worten: Wir brauchen Visionen. Houston, habt ihr nicht ’ne Vision für uns? Man könnte auch sagen: Hey Jungs, vor vierzig, ja, VIERZIG Jahren wart ihr zu so einer Leistung, so einem Ereignis in der Lage. VIERZIG Jahre. Was ist seitdem technisch alles passiert! Mann! Wird es nicht Zeit, dass wir mal wieder den Horizont ins Visier nehmen?
Die einfachen, energischen, entschlossenen Worte, mit denen John F. Kennedy damals ankündigte, binnen weniger Jahre einen Menschen auf den Mond zu bringen, wirken heute umso erstaunlicher, als die technischen Möglichkeiten heute ganz andere sind. Damals war dieses Unterfangen geradezu wahnwitzig, und viele Details der Apollo-Missionen sind einfach abenteuerlich – so etwa, nur eines dieser Details, die dünne Außenhaut der Mondlandefähre, die etwa so dick war wie zwei Lagen Alumiumfolie. Aber es hat funktioniert. Für einige Tage waren die Bewohner der blauen Murmel aus dem Häuschen. Dann kehrten sie zum Tagesgeschäft zurück.
Kleiner Sprung: Es war noch in der Bush-Ära, teilweise sogar noch davor, dass amerikanische Wissenschaftler ankündigten, die gesamte USA könne mit Solarstrom ausreichend versorgt worden; der sollte aus einem großen, zentralen Solarkraftwerk in der Wüste New Mexicos stammen. Natürlich hatte diese Vision bei Bush und Co., allesamt Fans der Atomenergie, keine Chance, und auch Umweltschützer hatten berechtigte Einwände: Warum ein großes zentrales Kraftwerk, warum nicht viele dezentrale, kleine Kraftwerke? Spannungsschwankungen ließen sich leichter abfedern, der Energieverlust bei der Übvertragung über tausende von Kilometern fiele weg, billiger wäre es zudem auch, und die Bevölkerung würde das Ganze unmittelbarer erleben und daher auch leichter mitziehen. Inzwischen haben alle, selbst die USA eingesehen, dass wir angesichts des Klimawandels neue Konzepte benötigen, und für viele mag es überraschend gekommen sein, dass kürzlich ein Konsortium europäischer Firmen (größtenteils der Energiebranche, mit dem größten Rückversicherer der Welt, der Münchner Rück, im Rücken – zu einem großen Teil übrigens solche Firmen, die den Ausbau erneuerbarer Energien widerwillig verfolgt, wenn nicht bekämpft haben) den Bau eines großen Solarkraftwerks in der Sahara ankündigte, um Europas Energiesicherheit in der Zukunft zu gewährleisten. Eine Vision? Über dieses Stadium ist das Projekt bereits hinweg. Desertec befindet sich bereits in Planung, es gibt sogar Planzahlen, was das Projekt kosten soll: 400 Milliarden werden veranschlagt. Man kennt das von solchen Projekten: Am Ende dürfte es mehr werden, um Europa bis 2050 zu 17 Prozent mit grünem Strom zu versorgen.
Trotzdem: „Wer das vor zehn Jahren vorausgesagt hätte, der wäre wohl zum Arzt geschickt worden“, schreibt Joachim Wille im FR-Leitartikel. Ein riesiges Elektrizitäts-Verbundsnetz mit Fernleitungen nach Europa wird benötigt, politische Probleme müssen ausgeräumt, die nordafrikanischen Staaten, auf deren Territorien das Kraftwerk stehen wird, angemessen am Kuchen beteiligt werden und und und. Trotzdem: Ist diese Vision es nicht wert, dass man sich dafür ins Zeug legt? Auch wenn die Visionäre heute nicht aus der Politik kommen und es nicht darum geht, Punkte im Kalten Krieg zu sammeln? Diese Visionäre kommen aus der Wirtschaft, und sie wollen natürlich Geld verdienen. Sie scheinen eingesehen zu haben, dass das ewige Bremsen und Granteln rückwärtsgewandt ist. Jetzt setzen sie sich an die Spitze der Bewegung – oder haben das zumindest vor. „Doch“, schreibt Joachim Wille weiter, „altgediente ‚Solarpäpste‘ wie der SPD-Umweltpolitiker Hermann Scheer und der Publizist Franz Alt sowie Unternehmer wie Solarworld-Chef Frank Asbeck lehnen das Projekt ab oder machen zumindest große Fragezeichen. Desertec könne eine ‚Fata Morgana‘ werden, führe Europa in eine neue Energieabhängigkeit, tauge allenfalls zur Versorgung der nordafrikanischen Metropolen – und werde von den Konzernen dazu benutzt, den Ausbau erneuerbarer Energien hierzulande zu behindern.“
Desertec scheint trotzdem ein Schritt in eine neue Energiezukunft zu sein, die allerdings in vielen kleineren Schritten lange vorher begann – so wie auch die Weltraumfahrt begann, bevor die Nasa die Sache übernahm. Heute lief ja auf 3sat die Reportage über den Testpiloten Kitinger und seine Flüge mit Höhenballons an die Grenze zum Weltraum.
Doch die FR-Leserinnen und -Leser beargwöhnen das Desertec-Projekt. So schreibt mir Wolfgang Doster aus Erding:
„Wenn ein so ausgewiesener Experte wie Hermann Scheer, Chef von Eurosolar und Träger des alternativen Nobelpreises das Projekt als Fata Morgana bezeichet, sollte das zu denken geben. Dieser unkritische Jubelartikel übergeht geflissentlich die Schatternseiten der Sonnen-Landung. Dieses Projekt wird nur mit gigantischen Subventionen durch die Steuerzahler funktionieren. Genau das haben diesselben Leute der Photovoltaik immer vorgeworfen. Dabei wird der Solarstrom nicht über Steuern sondern über den geringfügig erhöhten Strompreis bezahlt. Dafür gibt es wertvollen weil umweltfreundlichen Strom. Das ist das Geld wert. Die Gefahr besteht, dass mit einigen hundert Milliarden EU-Geld ausgegeben für die Fata Morgana, nichts mehr für die anderen Solarprojekte übrig bleibt. Es bleibt der Verdacht, daß es eigentlich nur um die zukünftige Marktmacht der Stromkonzerne geht.
Ein Eine-Million-Dächer-Programm wäre sicher wirkungsvoller und billiger.“
Sigrid Meißner aus Hamburg meint:
„Zwei Sätze nur, aber sie sind so wichtig bei dem medialen Jubel über Sonne aus der Sahara, der über uns hereingebrochen ist: Die Energielieferanten in Afrika müssen Vorteil aus den Investitionen haben, fordert Klaus Töpfer und weist zu Recht auf den Zusammenhang von Energiemangel und Armut hin. Wo aber kann man lesen oder hören, dass die beteiligten deutschen Unternehmen mit den beteiligten afrikanischen Ländern die erzeugte Energie teilen wollen? Wann hat ein Journalist gefragt, was die riesigen Anlagen für die in der Sahara umherziehenden Nomadenfamilien bedeutet? Ihr Lebensraum ist bereits sehr eingeschränkt, wie wird das künftig sein? Ich habe den Eindruck, in deutschen Medien wagt niemand den Spielverderber in diesem grandiosen Spektakel zu geben, Kritische Fragen ? Fehlanzeige. Leider auch in der FR. Für mich ist das ein neuer Kolonialismus.“
Willi Henß aus Flörsbachtal:
„Natürlich gibt es Einwände gegen Solarenergie aus der Wüste. Es gibt auch in der Wüste Sahara kein Gebiet das keinen Besitzer hat. Schnell würden wir in Abhängigkeiten geraten, wenn die Eigentümer dieser Gebiete ein Geschäft wittern. Abhängigkeiten, die viel gravierender wären als die von anderen Energielieferanten.
Wir Europäer und besonders Deutschland sind wohl in der Lage, den Energiebedarf unseres Landes nachhaltig zu decken. Wir haben die technischen Möglichkeiten dazu. Dieses Wissen und die realen Möglichkeiten dazu würden uns eine Führungsrolle mit ungeahnten Möglichkeiten eröffenen.
Warum sind wir so zögerlich um diese Tatsache zu nutzen. Oder wagen es die politisch Verantwortlichen nicht, diese Chance zu nutzen? Oder haben wir noch immer nichts dazu gelernt? Werden solche Dinge erst realisiert wenn sie aus dem Ausland kommen? Oder steht unsere Regierung so unter dem Druck der Energiekonzerne, dass sie nichts mehr entscheiden können?“
Die Energiekonzerne sollen ihre Solarenergie aus Afrika behalten, in 20 Jahren kleben wir dünne Folien aufs Dach, an Fenstersxcheiben, fertig ist die Laube. Können sich ihre Netzgebühren und anderes selbst auf den Schornstein kleben.
Es gibt auch andere Wege, aus dem Norden, mit dem Weg aus Gleichstrom Wechselstrom zu machen, aber davon weiß wieder niemand was, auch nicht die FR. Afrika ist hipp, bis wer kommt und die Leitungen kappt, Steine auf die Dächer dort wirft. Seltsam, seltsam, kein Terminus aus dem Netz – so und so.
… und in 20 Jahren braucht man nur eine Leitung von Spanien nach DE zu legen, Spanien plant wiederum Meerwasserentsalzungsanlagen zu bauen.
Da gibt es doch so ein schönes Lied:
Hol‘ Wasser o Bronski o Bronski und dann kommt das mit dem Ein Loch ist im Eimer… wer singt freiwillig?
Mondlandung und Solarenergie kann man nicht vergleichen. Die Visionen, die man über sie entwickeln kann, sind grundverschieden.
Die Mondlandung war eine gigantische Horizonterweiterung des Menschen, er bewies sich selbst, daß er fremde Himmelskörper besuchen kann. Der praktische Nutzen hingegen lag so ziemlich bei Null, Teflonpfanne hin oder her.
Die Solartechnologie hingegen hat einen hohen praktischen Nutzen. Die menschliche Fantasie wird sich aber nur beschränkt an ihr entzünden lassen, die menschliche Selbsteinschätzung sich mit ihr nicht weiterentwickeln können.
Ich habe Bronski nicht so verstanden als ob er die Mobndlandung mit dem Solarprojekt vergleichen wollte, Herr Wedell. Das sind zwei Paar Schuhe. Aber was die Vision betrifft, ich erinnere mich noch gut an die vielen Kritiker der Idee, zum Mond zu fliegen, und die Kritiker der Raumfahrt sind ja bis heute nicht ausgestorben. Dabei ist längst klar dass wir die Raumfahrt brauchen, nicht nur wegen der Wettervorhersage.
# 4 Gesine
…“dass wir die Raumfahrt brauchen“…
Ich hab ja nichts dagegen, dass auch in dieser Richtung geforscht wird. Aber, wozu „brauchen“ wir denn die Raumfahrt wirklich ?
Mir ist das so klar auch wieder nicht.
Bronski machte irgendwie auf mich den Eindruck, als wäre er auf der Suche nach Visionen (jedenfalls Visionen der Art, daß Altkanzler Schmidt ihn damit nicht zum Arzt schicken würde). Ich wollte nur darauf hinweisen, daß es schwer werden wird, in einem für die Menschheit gesuchten „Anstrengungsthema“ sowohl das praktisch Nützliche als auch das erhebend Grandiose zu vereinen. Aber vielleicht fällt ja irgendjemandem doch was ein… 😉
@maderholz, in ca. 1 Mrd. Jahre, also nur ca. 1000 mal länger als Gabriel die Sicherheit von Atommüllendlagerstätten BEWIESEN haben will, wird die Sonne alles Leben auf der Erde vernichten. Wenn sich bis dahin die Menschheit nicht ausreichend um Raumfahrt gekümmert hat, ist es aus mit uns. Na ja, ein wenig Zeit ist noch, aber andererseits: „Morgen, morgen, nur nicht heute…“
@ Max
Es wird ein bisschen länger dauern, bis die Sonne zum Roten Riesen wird. Sie ist jetzt 4,5 Milliarden Jahre alt, so richtig gefährlich für die Erde wird sie mit etwa 12 Milliarden Jahren. 😉
Was die Vision betrifft: Stimmt. Ich würde uns allen wirklich wünschen, dass es etwas gäbe, was uns einen könnte. Desertec ist das nicht, so viel ist mir auch klar. Zu technisch, zu kühl – aber wenn das Kraftwerk mal steht, wird es natürlich trotzdem zu den modernen Weltwundern gehören. Allein die Übertragung der Strommengen nach Europa erfordert innovative Halbleitertechnik. Das wird spannend!
@ maderholz
Wenn ich nicht aufpasse, wird das jetzt hier ein Plädoyer für die Raumfahrt. Ich werde vorsichtig sein.
Ich trenne bemannte und unbemannte Raumfahrt. Die bemannte ist teuer und steht in dem Ruf, letztlich nichts zu bringen, sondern nur prestigeträchtig zu sein. Wobei ich mich als Teilhaber dieses Prestiges betrachte, denn die Internationale Raumstation ISS beispielsweise habe ich mit meinen Steuergeldern mitfinanziert, und ich finde es fasziniert, sie gelegentlich am frühen Abend über den Nachthimmel ziehen zu sehen. Wegen ihrer Sonnensegel reflektiert sie dann noch das Licht der Sonne, die auf der Erde zu dieser Zeit schon untergegangen ist, und strahlt wie ein heller Stern, der sich auffällig schnell bewegt. An Bord finden unter den speziellen Bedingungen der Schwerelosigkeit zahlreiche wissenschaftliche Experimente statt.
Die unbemannte Raumfahrt ist dagegen etwas völlig alltägliches. Satelliten werden in die Umlaufbahn geschossen und übermitteln von dort Daten. Telekommunikation und Fernsehen werden über Stationen im All vermittelt. GPS ebenso. Erderkundungssatelliten sammeln Daten über den Zustand unseres Planeten, die Verschmutzung der Meere, der Luft. Wir schicken Sonden zum Jupiter und Saturn, um deren Monde wie Titan oder – ich las es gerade erst in Spektrum der Wissenschaft – Enceladus zu erkunden, wo es organische Verbindungen und damit möglicherweise Leben gibt. Wir schicken Teleskope wie Hubble hinauf, um unsere interstellare Umgebung, aber auch den Ursprung des Universums zu erforschen, ohne dabei durch die Einschränkungen behindert zu sein, denen Observatorien auf der Erdoberfläche ausgeliefert sind. Und nicht zuletzt könnte es sein, dass wir die Raumfahrt noch brauchen könnten, um einen – unwahrscheinlichen, aber nicht unmöglichen – verheerenden Asteroideneinschlag auf der Erde zu verhindern.
Überzeugt?
@Bronski:
Wikipedia: „… in 0,9 Milliarden Jahren, überschreitet die mittlere Temperatur auf der Erdoberfläche den für höhere Lebewesen kritischen Wert von 30 °C (Bounama, 2004).“
Es drängelt also schon doch etwas… vielleicht könnte man dem Global Warming diesen Sinn abringen: Einübung in die späteren Verhältnisse…
# 3, Max Wedell,
danke für den Hinweis, dass die Menschheit noch ca. 1 Milliarde Zeit hat, bis der Ernstfall eintritt. Hat mich sehr beruhigt.
# 7, Bronski,
danke für die ausführliche Beschreibung, was alles zur Raumfahrt gerechnet wird. Diese „un
mannte/unbeweibte“ Forschung stelle ich nicht in Frage.
In meiner Einfalt dachte ich nur an die bemannte Raumfahrt, da sich die Bemerkung von Gesine ja von der Kritik an der Mondlandung ableitete.
An der präzisen Ausdrucksweise arbeite ich noch… ;-).
Ein möglicher Zweck bemannter Raumfahrt wurde vergessen: Tourismus. Die Preise müssten schon noch etwas sinken, aber wenn es die ersten Angebote bei ALDI gibt, bin ich sofort dabei.
Für die Suche nach Visionen:
http://www.forschungsportal.net/
Zum DESERTEC hätte ich eine Alternative:
Da ja bekanntlich die Pole abschmelzen und also Milliarden Tonnen Süßwasser sich in die Meere ergießen, deren Salzgehalt verändern und eine Erhöhung des Meerespiegels verursachen, könnte man wie folgt vorgehen:
Man legt eine Pipeline aus Glas von Agadir in Richtung In Salah mit einem Gefälle, welches die Ausnutzung der Meerespiegelerhöhung gestattet.
Am Anfang dieser Pipeline steht eine Turbine, mit deren Hilfe durch das Gefälle Strom erzeugt wird.
Das Meerwasser wird auf dem Weg durch die Pipeline erhitzt und kommt mit ca XX Grad in In Salah an. Dort wird es durch Dampfturbinen geleitet, wo der Dampf Strom erzeugt und gleichzeitig Süßwasser und Salz produziert.
Das Salz wird gelagert und zur Ent-oder Rücksalzung des Meeres verwendet, das Süßwasser wird zur Kultivierung der Wüste genutzt und wird wieder Teil des Wasserkreislaufes.
Die kultivierten Flächen dienen zur Ernährung der Bevölkerung vor Ort.
Gleiches Vorgehen etwa in Australien, der Mongolei und anderen Wüsten.
>b>Das nenne ich eine Vision, nicht den Solarkindergarten der DESERTEC.
Aber wahrscheinlich kommt wieder bloß ein total irres Dampfbügeleisen für die Tuareg dabei heraus.