Wir mutieren zur Lachnummer der Geschichte

Die SPD befindet sich in einer schweren Krise – und scheint dies doch nicht wahrhaben zu wollen. Der Streit entzündet sich an der Person Wolfgang Clements, früher Superminister im Kabinett Schröder und maßgeblich mitverantwortlich für „Reformen“ wie Hartz IV, die, wie man heute wohl konstatieren kann, vor allem ein Ergebnis erzielt haben: Umverteilung von unten nach oben. Damit steht Clement für eine Politik, die die SD schon bei Beschlussfassung gespalten hat; doch damals wurden diese „Reformen“ von weiten Teilen der Partei mitgetragen, weil ihre Ablehnung das Ende der rot-grünen Bundesregierung bedeutet hätten. Kanzler Schröder hatte in Basta-Manier sein ganzes Gewicht in die Waagschalge geworfen. Man erinnert sich: Wenn wir es nicht machen, machen es die anderen. Aber wir können es besser.

Besser also.  Gebessert hat sich die Lage der Bedürftigen keineswegs, im Gegenteil: Hartz IV bedeutet Verarmung. Die Energiepreise steigen, doch die Regelleistungen werden nicht angepasst – um nur ein Beispiel zu nennen. Schon damals haben sich viele gefragt, was an dieser Politik noch sozial sein soll. Heute würden viele in der SPD wohl am liebsten zurückrudern. An der Basis rumort es. Da liegt die Versuchung nahe, einen Sündenbock zu suchen. Wolfgang Clement bietet sich dafür bestens an, zumal er mit parteischädigendem Verhalten – vor der Hessenwahl rief er indirekt dazu auf, Andrea Ypsilanti nicht zu wählen – von sich reden gemacht hat. Doch Clement wäre nicht Clement, wenn er diesen Fehler einsehen würde. Stur beharrt er darauf, dass in der SPD Meinungsfreiheit herrschen müsse.

Doch nicht Clement ist das Problem der SPD, sondern ihre Orientierungslosigkeit. „Die Sozialdemokraten sind in Aufruhr“, schreibt Stephan Hebel im Leitartikel, „weil keiner mehr so recht weiß, was noch sozialdemokratisch ist und was nicht. Weil viele Genossen sich fragen, worin man sich als Partei der Agenda 2010 noch von anderen unterscheidet – erst recht, wenn man auch noch einen dulden soll, der öffentlich so redet wie die Atomfans in Union und FDP.“ Clement ist nur ein Symptom.

Die FR-Leser haben eine überwiegend klare Meinung zum Fall Clement. So Gerhard Vaupel aus Eppstein:

„Seit 1977 bin ich SPD-Mitglied. Diese Partei hat mir schon häufig Bauchschmerzen bereitet, aber noch nie habe ich daran gedacht auszutreten. In den letzten Tagen allerdings würde ich mein Parteibuch am liebsten in die nächste Papiertonne werfen. Wir mutieren doch zur Lachnummer der Geschichte, wenn jeder Genosse öffentlich verkünden darf: Wählt wen ihr wollt, nur nicht die SPD!
Ungeachtet dessen, wie viel Unsinn Genosse Clement – insbesondere als Bundeswirtschaftsminister – schon von sich gegeben hat, ist es nicht die Aufgabe einer Vielzahl von vermeintlich für alles zuständigen Parteigrößen, sich zum Parteiausschlussverfahren öffentlich wirksam zu äußern. Die Partei hat hierfür zuständige Gremien, die Verdienste und Verfehlungen Clements werten und dann entscheiden. Denkt denn von diesen Leuten keiner daran, was dieses chaotische Stimmengewirr in der Öffentlichkeit mal wieder für einen Eindruck an Inkompetenz hinterlässt?“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg meint:

„Das laufende Parteiausschlussverfahren gegen Wolfgang Clement und die politische Zukunft von Andrea Ypsilanti hängen eng zusammen. Auf Landes- wie auf Bundesebene stehen sich ein eher links tendierender SPD-Block und ein eher finanz- und wirtschaftspolitisches ‚rechtes‘ Lager einander gegenüber. Nur in den SPD-Ortsvereinen dominiert noch ein weitgehend traditionelles Verständnis der SPD als Interessenvertreterin der schwächeren Gesellschaftsmitglieder. Noch verbindet Kurt Beck die beiden Lager in seiner Person. Wie lange noch?
Es gibt nur einen, wenn auch ungemein heiklen Ausweg aus der ‚ideologischen‘ Krise: eine Basis-Befragung aller SPD-Mitglieder über das künftige Leitbild der Partei. Der Bundesvorstand fürchtet die Offenlegung der tiefen Spaltung der SPD. Aber die Partei kommt nicht darum herum und kann sich offenbar nur durch Verschlankung erneuern.“

Dieter Reiniger aus Sehnde:

„Ein Politiker ruft im Wahlkampf dazu auf, seine Partei nicht zu wählen – darauf läuft letztlich Clements Artikel hinaus, der zum Ausschluss geführt hat. Der Politiker versteht es nicht, redet von Meinungsfreiheit, ist zu einem Rückzieher nicht bereit, und andere, die ähnlich denken wie er, sind empört. Der Parteivorsitzende versteigt sich sogar zu der Aussage, man müsse die Lebensleistung Clements mit berücksichtigen. Als ob es darum gehen würde. (Welche Lebensleistung eigentlich? Mit Schröder, Müntefering und anderen die SPD ziemlich auf Null gebracht zu haben, durch die Einführung der Hartz-Gesetze völlig an der Basis vorbei für einen massenhaften Sozialabbau mit verantwortlich zu sein und zum Ausgleich dafür über so genannte Unternehmenssteuerreformen für eine Gewinnexplosion bei den Konzernen gesorgt zu haben?)
Es geht darum, dass Clement seiner Partei mit seinem Aufruf zur Hessenwahl Stimmen gekostet hat. Damit hat er ihr Schaden zugefügt. Punkt. Es geht nicht, wie Clement behauptet, um eine Ideologisierung der SPD (es ist immer schön zu hören, wenn Ideologen Leuten, die eine andere Meinung vertreten, Ideologie vorwerfen), es geht um die Konsequenzen seines Handelns.
Zum Schluss: Im April ist in Niedersachsen der Bundestagsabgeordnete Detlev von Larcher aus der SPD ausgeschlossen worden, weil er dazu aufgerufen hat, die Linke zu wählen, um so Druck auf die SPD auszuüben. Das ist sicher nicht besonders schlau gewesen, aber die Konsequenz ist dieselbe wie bei Clement – die SPD verliert Stimmen. Soll hier mit unterschiedlichem Maß gemessen werden?“

Hannah de Graauw-Rusch aus Frankfurt erinnert an sozialdemokratische Werte:

„Wolfgang Clement beschwert sich, dass in der SPD – ‚in der Partei Willy Brandts‘ – keine Meinungsfreiheit gegeben ist. Natürlich darf er seine Meinung äußern, aber manchmal hat das Konsequenzen! Und wenn Clement sich schon auf die Werte der SPD beruft, wie wäre es dann mit Solidarität? Das ist eine der uralten Werte der ‚Partei Willy Brandts‘, und Solidarität ist genau das, was viele in der SPD bei Wolfgang Clement vermisst haben, als er – wenn auch etwas verschlüsselt – dazu aufrief, Andrea Ypsilanti nicht zu wählen.
Kurt Beck spricht von den Leistungen Clements für die Partei. Die gibt es ohne Zweifel, aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist die Tatsache, dass Herr Clement der SPD vieles zu verdanken hat. Insbesondere sollte er nicht vergessen, dass seine Erfolge auch immer den vielen Wahlhelfer/-innen zu verdanken war, die ehrenamtlich Plakate geklebt, Wähler geworben, Veranstaltungen organisiert haben. Diese Leute fühlen sich von Wolfgang Clement unsolidarisch behandelt – mit Recht! Die Arroganz, mit der Clement auf die Vorwürfe seiner Genossen/-innen reagiert, zeigt, wie weit er sich von der Parteibasis entfernt hat.“

Wilbert Himmighofen aus Bonn:

„Wenn Wolfgang Clement Schwierigkeiten hat zu verstehen, warum er aus der SPD ausgeschlossen werden soll, empfehle ich ihm, doch einmal öffentlich dazu aufzurufen, kein Gas und keinen Strom mehr von der RWE zu kaufen. Vielleicht hilft es ihm aber auch, sich bei der hessischen Sozialdemokratie, namentlich Frau Ypsilanti, zu entschuldigen und ihr seine Unterstützung für eine Regierungsbildung und die Umsetzung ihres Regierungsprogramms anzubieten.“

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25 Kommentare zu “Wir mutieren zur Lachnummer der Geschichte

  1. Die SPD sollte sich fragen: Was bedeutet es eigentlich noch, das Wort bzw. der Begriff „sozial + demokratisch“, weil hier über den Köpfen der Parteioberen eine andere Bedeutungshoheit zu schweben scheint als bei Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher. Warum wohl hat die SPD nicht nur bei den Mitgliedern Federn lassen müssen, sondern auch bei Wählerinnen und Wählern? Lt. Umfragen ist sie zur 25%-Partei geschrumpft, mit Trend weiter abwärts. Wenn Sie so weitermacht, braucht sie kein neues Parteiprogramm, sondern kann einfach das der CDU oder notfalls auch das der FDP übernehmen.

    Aber wahrscheinlich ist es sowieso egal, weil der kommende Abschwung dazu führen könnten, das 2009 sich die SPD nur noch als drittstärkste Kraft hinter der Linkspartei wiederfindet. Kann natürlich sein, daß sich Beck, die Stones und andere schon darauf einrichten, Dauer-Juniorpartner der CDU zu sein.

    Wie werden sich Wähler und die noch verbliebenen Parteimitglieder verhalten, sollte Clement in der Partei verbleiben? Einsicht ist ja von ihm nicht zu erwarten, also dürfte bei der Schiedsgerichs-Entschei- dung genau der Hickhack herauskommen, der uns schon lange anwidert. Nur schade, daß jetzt nicht auch Schröder als Aufsichtsratsmitglied einer Mafia-Firma gleich mit raus befördert werden soll – aber das werden all die Neoliberalen vom Seeheimer Kreis schon zu verhindern wissen. Nur wer mit Scheuklappen durch die Gegend rennt, oder sich den Verstand mit Vorstands- bzw. Lobbyisten-Schampus vernebelt, übersieht, daß die SPD sich bei Wählern und Mitgliederzahlen inzwischen fast halbiert hat. Aber es sind natürlich die Bürgerinnen und Bürger, die nicht begreifen wollen, weswegen die ganzen „Reformen“ der letzten Jahre eigentlich gemacht wurden: damit der Aufschwung endlich im Züricher Bankenviertel und bei Liechtensteiner Stiftungen ankommt – sofern er da nicht schon längst ist.

    Parteivorstand und Präsidium der SPD scheinen der Ansicht zu sein: Clement muß bleiben, auch wenn alle Anderen gehen! Sie fragen „Ja, wie kann man nur so einen hochverdienten (oder hoch verdienenden?) Menschen aus der SPD ausschließen? Sie scheinen überzeugt zu sein: „Drin behalten, sich gar nicht um den Ausschluß-Beschluß des OV kümmern – dann kommen bestimmt all die von der SPD enttäuschten und frustierten ehemaligen Mitglieder in Scharen wieder zurück, und die Linkspartei schrumpft wieder zu einer unbedeutenden Splitterpartei.

    Doch wer Clement kennt, kennt auch das Mehdorn-Syndrom, von dem beide Herren befallen sind:

    1. Ich habe immer Recht.
    2. Wenn ich mal nicht Recht haben sollte, tritt automatisch 1) in Kraft.

    Da sich so viele Parteigrößen jetzt mit ihm solidarisieren: Liebe SPDler, die ihr noch Parteimitglieder seid, alle austreten, sollte Clement drin bleiben dürfen. Dann könnte der nächste Bundesparteitag bei Becks (nicht das Bier!) im Partykeller abgehalten werden.

  2. Ich denke, dies ist der Grund für die allgemein schwindende Bereitschaft der Menschen, sich in Parteien zu engagieren:

    Hier bekommen sie vorgeführt, welche Zwänge ausgeübt werden auf jemanden, etwas, das der für völligen Quatsch hält, als grandiose Sache anzupreisen (auch gern umgekehrt), nur der Parteiräson wegen.

    Hier im Fall Clemens bekommt der Bürger doch einmal überdeutlich bestätigt, was er schon weitgehend vermutet: Parteien sind dazu da, dort das nachzuquaken, was der große Vorsitzende vorquakt, und schert man da mal aus, dann gibts nen Tritt in den Hintern.

    Natürlich ist eine gewisse Bandbreite des Meinungsspektrums schon möglich in unseren Parteien, aber diese ist doch viel zu klein, ist mein Eindruck. Wenn eine SPD einen Clemens nicht aushalten kann, wenn die Grünen einen Metzger nicht aushalten können, und wenn die CSU eine Pauli nicht aushalten kann, dann dürfen sich diese Parteien doch nicht wundern, wenn sie zu Aktionsräumen für Berufspolitiker und Gschaftlhuber werden, die sonst nicht so recht wissen wohin mit ihrer Zeit… der Rest der Menschen engagiert sich woanders.

  3. Direkte Erwiderung auf Max Wedell, No. 2: Es geht doch nicht um Meinungsfreiheit innerhalb der Parteien. Natürlich spiegelt jede Partei ein Meinungsspektrum wieder. Wenn aber, wie es Herr Clement getan hat, ein Parteimitglied dazu aufruft, die eigene Partei nicht zu wählen, dann sollte er sich fragen,warum er noch Mitglied dieser Partei ist. Und wenn ein Parteimitglied wie Herr Metzger neoliberale Positionen vertritt, und offizielles Mitglied der „Initiative Neue Marktwirtschaft“ ist, dann muß auch dieser sich fragen, ob er nicht besser in der FDP oder CDU aufgehoben ist. Genau dies X-Beliebigkeit ist es doch, die den Wähler verdrossen macht, und ihm signalisiert: „scheiße, ist doch egal, was ich wähle, ich kriege immer das gleiche Programm, vertreten vom gleichen Personal!“. Widerborstigkeit ist völlig richtig, und auch wichtig, aber sie darf nicht dazu führen, dazu aufzurufen, die eigene Partei nicht zu wählen, wie es Herr Clement gemacht hat.

  4. Vorgestern hat mir ein Bekannter aufrichtig gesagt, die ?PD müsse Clement achtkantig rauswerfen, ehe er sich vorstellen könne, diese partei noch Mal zu wählen. Ich kenne ihn als ziemlich treuen sozialdemokratischen Wähler. Er weiter: „Wenn die den nicht entfernen (aus der Partei), wähle ich die nie wieder.“
    Ich meine, es ist völlig gleich, ob Clement rausgeworfen wird oder nicht. Die Politik muss sich ändern. Erst muss die Partei wieder sozialdemokratische Politik betreiben, ehe sie wieder mehr Wähler verzeichnen kann. Abgrenzungsbeschlüsse sind da kontraproduktiv. Mit wem will denn Frau Ypsilanti in Hessen ihr Wahlprogramm durchsetzen, wenn nicht mit Gruenen und Linken? Bisher jedenfalls zeichnet sich die hessische ?PD dadurch aus, dass sie kein zuverlässiger Partner sein kann.

  5. @Fladung:

    Die Kritik an Ypsilanti durch Clement war ja nicht pauschal, sondern machte sich ja an Themen fest, wenn ich recht erinnere Energiepolitik sowie Bildungspolitik. Was Clement an Vorstellungen zu diesen Themen an den Tag legt, verlässt meiner Meinung nach nicht das sozialdemokratisch vertretbare. Ebenfalls nachvollziehbar ist die Einschätzung Clemens, daß diese Themen so wichtig sind, daß es bei seiner Meinung nach falschen, ja schädlichen Zielen bei solch wichtigen und zentralen Fragen eigentlich besser wäre, man würde nicht gewählt.

    Ich persönlich halte dann die öffentliche Äußerung dieser Bedenken eher für ein Zeichen von Verantwortungsbewußtsein. Ich bin eigentlich entsetzt, daß so viele die gezeigte Prinzipientreue und das Verantwortungsbewußtsein von Clemens kritisieren. Merkwürdig finde ich, daß es höchstwahrscheinlich dieselben sind, die jetzt Clemens kritisieren, die ansonsten, so ganz im Allgemeinen, über die Politiker herziehen a là: „Die lügen und betrügen, nur um gewählt zu werden, nur weil sie machtgeil sind“. Hier verfährt ein Politiker mal andersherum, er sagt seine subjektiv empfundene Wahrheit, bewußt in Kauf nehmend, daß dies den Machterhalt (oder -gewinn) gefährdet, und sofort ist das auch wieder nicht recht.

    Warum es so vielen nicht recht ist, ist mir klar: Seine Positionen zu Energie und Bildung sind vielleicht einem rechten Parteiflügel, aber nicht dem linken Mainstream genehm. Es ist daher einfacher, ihn jetzt über sein angeblich parteischädigendes Verhalten „kaltzustellen“ als über inhaltliche Auseinandersetzungen zu diesen Themen.

  6. # 5 – Max Wedell: Haben Sie gestern in der „Münchner Runde“ Heinzer Geißler (zu-)gehört? Dieser sagte sinngemäß: Man kan durchaus anderer Meinung sind, und W. Clement hatte das Recht dazu, bestimmte Ziele von Frau Y. für falsch zu halten. Man darf aber nicht dies damit verbinden, zur Wahl einer anderen Partei aufzurufen, und dies mit seiner abweichenden Meinung begründen. Genau dies war ein Schritt zu weit. Hätten in der CDU-Geschichte Persönlichkeiten wie Stoltenberg oder Späth dazu aufgerufen, die eigene Partei n i c h t zu wählen, wäre wohl auch über einen Ausschluß debattiert worden.

    Hier hat Clement sich quasi als Stimme von CDU und FDP gegeben, da diese Parteien genauso die Vorhaben von Y. für falsch hielten und halten.

    Die inhaltlichen Auseinandersetzungen wurden übrigens geführt, in den Medien und in vielen Blogs. Wenn profunde Kenner der Materie wie Hans-Peter Dürr, oder auch Herr Töpfer und Franz Alt, beide CDU, für erneuerbare Energien plädieren, ist dies wohl ein Anzeichen und ein Beleg dafür, das Frau Ypsilanti und Herr Scheer nicht allzu falsch liegen können.

    Nochmals: Wenn Herr Clement, wie er durch Reden und Handeln in der Vergangenheit immer wieder bewiesen hat, eher seine Heimat in der CDU oder FDP verortet, dann soll der der Einladung dieser Parteien folgen, und übertreten. Und der ganze Seeheimer Kreis am besten gleich mit, denn es war genau diese Politik-Richtung und dieser Stil, der die SPD zu zerreißen droht. Die Mitglieder und Wähler sind doch nicht wegen der Parteilinken ausgetreten! Unterhalten Sie sich mal mit der Parteibasis (nicht unbedingt in Seeheim), was die Meinung dort ist. Eine von den Parteirechten vertretene SPD braucht keiner mehr, weil die von denen praktizierte Politik sich nicht mehr von der der CDU oder FDP unterscheidet.

  7. Wie kann die SPD das Programm von Oskar übernehmen ohne das Gesicht komplett zu verlieren ?
    DAS IST DAS PROBLEM DER SPD!
    Die neue Selbstzerfleischung zur Zeit wegen Clement ist nur ein Zustandsbericht dieser Partei und austauschbar.
    Clement geht wie viele vor ihm nach dem Motto: alles erreicht nun kann ich die(meine) Warheit sagen.
    Wir sollten sie kritiklos lassen um mehr zu erfahren über den wahren Zustand der Interna in den Parteien.

  8. Wenn die SPD glaubt, daß „der Wähler“ sich von so einer Einzelmeinung so stark beeinflussen läßt, kann sie mir bloß Leid tun.Diese ganze Sündenbocksucherei ist weit schädlicher, als die Äusserungen Clements.

    Da muß man ja aufpassen, daß man nicht unter die Freunde fällt. Wenn die Weichspüldemokraten weiter darauf beharren, daß es in der SPD nur noch die umfragefreundlichste Meinung geben darf,werden sie bald so berühmt und bedeutend sein wie Fernseh-Containerbewohner. Jeder kennt sie und ist froh, daß man weiß wo sie sind.

  9. @7
    lieber Jörg,
    kann man etwas verlieren, was nicht mehr vorhanden ist?

    Die SPD hat Jahr um Jahr immer mehr ihrer Grundsätze, weswegen sie zu einer Volkspartei geworden war, verraten.
    Wie kann man unter diesen Umständen noch SPD wählen? Auch weil sich jedes Parteimitglied, das eine gewisse Position erreicht hat und nun meint, mal was von der Sache gehört zu haben, äussert als vertrete es die Meinung der Partei!
    .. und die Journalisten stürzen sich drauf und meinen, jetzt eine wirkliche (im Sinne von wahrhaftige) Meldung zu haben. z.K.

    Aber Clement verhält sich doch nur wie viele Andere seiner „Branche“: wie Sau! Warum auch nicht: der Krug, der zum Brunnen geht, ist ja noch nicht zerbrochen (sch.. Made in Germany 😉 ).

  10. Zur Berichterstattung über die SPD und deren derzeitige Probleme sowie zu den durchweg einseitigen Leserbriefen möchte ich als Auch–SPD-Mitglied Stellung nehmen. Eines der Hauptprobleme der SPD scheint mir zu sein, dass die vorwiegend gewerkschaftsorientierte, linksintellektuelle Funktionärsschicht der Partei vor Ort und die potenzielle Wählerschaft aus aufstiegsorientiertem Facharbeitertum und sozial engagiertem Bildungsbürgertum, deren Stimmen die Partei für Mehrheiten braucht, nicht kompatibel sind. Zu unterschiedlich sind die politischen Positionen. Mit dem Idealbild einer „Arbeiterpartei“, wie es vielen Funktionären vorzuschweben scheint, kommt man heute nicht mehr über die 20-Prozent-Marke, der sich die SPD derzeit bedenklich nähert. Statt nur noch (!) dem Prekariat hinterher zu hecheln, das ohnehin nicht wählen geht oder, wenn doch, auf die populistischen Parolen der Rattenfänger von rechts und links hereinfällt, muss sich die Partei um neue Wählerschichten bemühen, die nun einmal nur in der politischen Mitte zu finden sind.
    Zum anderen ist es offensichtlich eben dieser beschriebenen Funktionärsschicht letztlich wichtiger, die Fahne althergebrachter Prinzipien und politischer Überzeugungen hoch zu halten, als Wahlen zu gewinnen – ganz anders als die sog. bürgerlichen Parteien, denen es vorrangig um die Macht und um nichts anderes geht. Diese Haltung der SPD-Funktionäre mag man für ehrenwert halten, sie bringt aber nichts ein. Nur der Erfolg zählt in der Politik.
    Stellen wir uns einmal ganz nüchtern die Frage: Wann und wie hat die SPD bisher Wahlen gewonnen? Das war zum einen mit charismatischen Führungspersönlichkeiten wie Willy Brandt, auch Helmut Schmidt und – der Ehrlichkeit halber – auch ein wenig mit Gerhard Schröder. Doch von einer solchen Führungspersönlichkeit ist in der derzeitigen SPD weit und breit nichts auch nur in Ansätzen zu sehen. Stattdessen weitgehend farblose und gesichtslose Funktionärstypen ohne eigene Meinung, die ihre ganze Existenz nur der Partei verdanken.
    Zum anderen hat die SPD Wahlen gewonnen, als sie sich zur bürgerlichen Mitte hin geöffnet hatte. Das war schon unter Schmidt so und erst recht unter Schröder. Es war bei allen Vorbehalten Schröders Verdienst, dass die SPD bei der letzten Bundestagswahl aus ihrem Stimmungstief heraus wieder zur CDU aufschließen konnte.
    Und wenn die Funktionärsschicht der SPD Schröder und seine Politik besser unterstützt hätte, dann hätte die Partei die wenigen fehlenden Prozentpunkte noch hinzu gewonnen, um die Nase vorn zu haben und in der dann notwendigen großen Koalition den Kanzler stellen zu können. Als die SPD jedoch nach den Wahlen Schröder (und seine Agenda-Politik) fallen ließ wie eine heiße Kartoffel (zugegebenermaßen nicht ohne dessen eigenes Zutun), gingen die Umfragezahlen wieder in den Keller.
    Auch Andrea Ypsilanti konnte in Hessen nur dadurch die Landtagswahlen fast gewinnen, dass sie mit ihrer Parole „Weg mich Weg, nicht mit den Linken!“ auch für Wähler aus dem bürgerlichen Lager wählbar war. Nach ihrem „Wortbruch“ und dem unglücklichen Geeiere von Kurt Beck zur Zusammenarbeit mit der Linken stürzten die Umfragezahlen noch weiter ab. Dass sich jetzt überall linke Stimmen aus der SPD melden, hat jedenfalls nicht zu einer Verbesserung der Umfragewerte geführt.
    Dass sich Wolfgang Clement vor der Hessenwahl parteischädigend verhalten hat, steht außer Frage. Das rechtfertigt jedoch keinen „automatischen“ Parteiausschluss. Ob seine Äußerung einen eindeutigen Sieg von Andrea Ypsilanti verhindert hat, erscheint mir angesichts der immerhin nicht unbeträchtlichen Stimmen, die sie für die Hessen-SPD hinzugewinnen konnte, doch etwas fraglich.

  11. @10 Wolfram Siegel
    Ihr Absatz, der mit “ Nur der Erfolg zählt in der Politik.“ endet, ist doch ein Aufruf zum „das Fähnchen in den Wind hängen“, das ist doch nicht Ihr werter Ernst. Was ist mit Authentizität? Sollte nicht wenigstens EINE der „etablierten“ Parteien diese Eigenschaft besitzen?

  12. Gerhard Schröder unser allgemein geliebter Volksschauspieler hat den Anfang gemacht mit seiner unverfrohrenen Art zu lügen und hat die Saat gelegt für weiteren Klüngel und Filz in der einst so großen Partei.
    Clement ist nur ein Beispiel für Parteiverdrossenheit die sich nicht zuletzt auch widerspiegelt in der schon in diesem Blog diskutierten Demokratieverdrossenheit.
    Der Kreis schließt sich somit.
    Gern erwarten wir weitere wahrheitsliebende Exgenossen ,aber gern auch in anderen Parteien.
    Allein ,dass sich so dolle Burschen wie Scharping melden und Stellung nehmen ist wie ein Stück aus der Augsburger Puppenkiste.
    Weiter so ,denn wenn wir sonst auch zur Zeit weniger zu lachen haben,sorgt das doch zumindest zur Füllung des Sommerloch,s

  13. Politik ist wie das Verteilen eines Kuchen und eigendlich Einfach.
    Ein runder Tisch auf dem die Mächtigen(muß es geben „kein Neid“) an die Verteilung gehen.
    Wir das Volk bestimmen wer am Tisch sitzt.
    Früher war es so,dass ,wenn die SPD oben saß sehr peniebel geteilt wurde und der CDU sagte man nach, dass diese gierig und gar nicht Vornehm mit den Händen gefressen haben.
    Nun stehe ich unter dem Tisch und warte auf das was da runterfällt.
    Mein Gefühl und meine Erfahrung sagte mir damals: Wähle die, die am meisten Krümmeln,die kein Besteck benutzen ,dann fällt mehr für dich ab.
    Da die SPD sehr genau teilte und zunächst nur Versprechungen unterm Tisch machte die auch noch schlecht finanzierbar waren und dauerten,habe ich mich zu den Gierigen unter den Tisch gestellt und siehe da ,sie fraßen was das Zeug hält und krümmelten in ihrer maßlosen Gier.
    Ich hatte keinen Neid ,denn es reichte zum Leben.
    Heute fehlt dieser Unterschied oben am Tisch
    und ich weis nicht wo die Krümmel fallen,egal wer da frisst.
    So einfach war Politik und wenn sie nicht gestorben sind fressen sie noch heute.

  14. SPD und Gewerkschften hatten ihre Daseinsberechtigung ,als es ihnen um die Belange von Arbeitnehmern ging.
    Heute in einem Zeitalter in dem der Faktor Arbeit an Wert verloren hat,war es richtig sich anders zu orientiern,damit war aber nicht gemeint das Kapital zu vertreten.
    Das können andere besser(Schuster bleib bei deinen Leisten)
    Die Instinktlosigkeit einiger Genossern läßt sehr tief blicken und reduziert diese Leute auf den einfachen Faktor „Mensch“,was ja auch nicht schlecht ist in der Beurteilung weiterer Versprechungen.
    Es ist eben schwerer geworden zu erkennen: Früher sagte man immer: Die Schweine werden am Gang erkannt,heute gehen aber alle im Lambadaschritt:-D watt nu

  15. # 10 – Wolfram Siegel: Wenn Sie behaupten, die Wähler und Parteigenossen, und die Umfragezahlen, wären erst dadurch der SPD überdrüssig geworden, weil die „Reformen“ auf dem Hamburger Parteitag ganz zart ein wenig wieder abgemildert wurden – lt. Beschluß – dann verdrehen Sie die Tatsachen, oder negieren Sie einfach. Was war denn der Erfolg der Linkspartei? Warum sind Wählerinnen und Wähler abgewandert, und Parteimitglieder ausgetreten – weil die „Reformen“ zu viel Rücksicht genommen haben?

    Gehen Sie doch mal von Ihrer Seeheimerkreis-Warte herunter, und schauen Sie ins Land: Diese bürgerliche Mitte, in der sich alle Parteien drängeln, hat doch schon längst sich zu einer Minderheit verabschiedet. Und sie wird viel besser von der, inzwischen sozialdemokratisierten CDU/CSU, und der FDP vertreten, als von den Sozis (welche den Namen nicht mehr verdienen).

    Sagen Sie mir mal, als ehemaligem, 1979 wegen des Schmidt’schen Atomkurses ausgetretenen Sozialdemokraten, warum ich diese Partei noch wählen sollte, und was sie so stark von den anderen Parteien, außer der Linkspartei, unterscheidet. Ja, Schmidt, tollster SPD-Kanzler, den die CDU je hatte, ohne ihn gäbe es vermutlich die Grünen nicht. Und ohne Schröder gäbe es keine Linkspartei im zweistelligen Bereich, mit einem möglichen Ministerpräsident Lafontaine an der Saar. Danke, SPD, für die hervorragende Politik. Mach weiter so, 18% sind zu schaffen, leider von der falschen Seite.

    Hören Sie mir auf mit Ihrer SPD, alles Nepper, Schlepper, Bauernfänger. Seit 10 Jahren hat sich unser Familieneinkommen um 1/3 vermindert, dank SPD. Die SPD kann ja auch toll rechnen, siehe MWST.-Erhöhung 2 + und keine Erhöhung machen 3+. Mathematik 6, setzen!

    Es gibt übrigens viele in meinem Bekannten- und Freundeskreis, die sich alle zum bürgerlichen Lager zählen, welche sich von der SPD verarscht, verraten, verkauft und über den Tisch gezogen fühlen,… und wahrscheinlich demnächst bei der 2009er Wahl ihr Kreuz bei der Linkspartei machen werden. Alles Irre?, oder in die Irre geleitete, die nicht wissen, welche phantastische Zukunft sie mit der neoliberalen SPD a la Clement, Steinmeier, Steinbrück, Müntefering etc. erwartet?

    SPD wählen, dann kommt der Aufschwung auch bei den Großkapitalisten an!!!

  16. Der Superminister ist zu nahe an das Krüpton gekommen!
    Supermann hatte auch das Pech.
    Aber wie heist es in diplomatischen Kreisen:
    Mit Aufrichtigkeit kann man bei diplom. Verhandlungen veblüffende Wirkung erzielen und jedes Dementi ist nach den Spielregeln der Politik das halbe Geständnis einer ganzen Dummheit.
    Dementis sind aber in der Politik an der Tagesortnung und sollten Meinungsbildung erleichtern helfen.
    Man muß nur gut zuhören:-D

  17. Was ich noch vergaß, zu erwähnen: Natürlich ist die vor 4 Jahren gegründete WASG, inzwischen mit der PDS zur Linkspartei vereinigt, auch aus dem Fleisch der SPD geschnitten. Und warum? Weil viele das Gesülze von der Globalisierung, der man Opfer bringen muß, und die nun mal Verzicht erfordert, nicht mehr hören konnten. Ja, Verzicht, beim Otto Normalverbraucher, aber die Parteibonzen, egal ob Scharping, Schröder, Tacke, Clement, Bodewig oder andere, waren ja nicht betroffen. Auch wenn die Leistungen mies waren, und sie sich als Fehlbesetzung entpuppten – nach ihrem Ausscheiden war ihnen ein warmes Plätzchen gewiß – in einem Energieversorgungsunternehmen, einer Leiharbeitsfirma (Adeccho = Clement), bei der Bahn (Bodewig) oder irgendwo sonst in einem Verband.

    Das Bodenpersonal, sprich Fußvolk, durfte immer nur die Lokalitäten ausmachen, die Aschenbecher leeren, die Stühle hochstellen, Plakate kleben, Handzettel verteilen, und wurde dann, wenn die maßgeblichen Herren sich zum Schoppen an die Bar zurückgezogen haben, mit einem huldvollen Lächeln abgespeist.

    Ich bin ja mal gespannt, welche Graben- und Diadochenkämpfe ausgetragen werden, wenn 2009 die SPD unter die 20%-Marge fällt – und das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

    Da es die SPD nicht schaffen wird, sich wieder zu besinnen (mit welchem Personal denn auch, Frau Nahles etwa???) auf alte Werte, könnte sie natürlich das machen, was der Kapitän auf der Titanic getan hat: Hand an die Mütze, und abdanken. Und der Seeheimer Kreis geht zur CDU oder FDP, und die echten Linken (nicht Frau Nahles), wie Schreiner & Co. vielleicht dann doch zur Linkspartei.

  18. @Fladung, #6

    Also es hat doch Clement niemals dazu aufgerufen, eine andere Partei zu wählen. Das müssen Sie oder Herr Geissler falsch verstanden haben. Er hat lediglich INDIREKT ANGEDEUTET, Frau Ypsilanti wäre nicht wählbar. Der Satz war folgendermaßen (nachdem er die seiner Meinung nach gefährlichen Auswirkungen der von Ypsilanti angestrebten Energiepolitik erläutert hatte):

    „Deshalb wäge und wähle genau, wer Verantwortung für das Land zu vergeben hat, wem er sie anvertrauen kann – und wem nicht.“

    Ein paar Tage später sagte er in einer Talkshow, er persönlich würde sie nicht wählen.

    Das ist alles. Deswegen die ganze Aufregung.

    Aber ich lese daraus weder eine direkte Aufforderung, sie nicht zu wählen (höchstens das er sie nicht wählen würde, sowie die Empfehlung, daß andere genau abwägen sollten, ob sie sie wählen), noch gar eine Aufforderung, eine andere Partei zu wählen.

  19. @alterbutt, #12

    Sie schreiben:

    „Clement ist nur ein Beispiel für Parteiverdrossenheit…“

    😀 😀 😀

    Also mein Eindruck ist nicht gerade, er wäre parteiverdrossen. Wenn man die Kröte schluckt, die er gerade schluckte („schulligung“), dann muß einem am Verbleib in der Partei noch einiges liegen…

    😀 😀 😀

  20. Zu Wolfram Siegels Kommentar wäre noch etwas zu ergänzen. Er hat richtig hervorgehoben, dass die SPD mit ihren „Linken“ allein nie eine regierungsfähige Mehrheit erringen kann. Wenn sie früher (z.B.1976 und 1998)große Wahlsiege errang, dann nur weil sie aus der viel beschworenen „Mitte“ Zulauf bekam, sei es wegen eines überzeugenden Kanzlers oder – und das ist ebenso wichtig – wegen des Überdrusses der Wähler gegenüber dem regierenden Kanzler (z.B. Kohl). Auch in Hessen erhielt sie im Januar 2008 wohl kaum soviel Stimmen, weil ihre Wähler von Frau Ypsilanti so begeistert waren, sondern weil diese Herrn Koch loswerden wollten.(Dazu hat es dann leider nicht ganz gereicht, siehe obige Begründung).
    Das Dilemma der SPD aber ist, dass die „Linken“ in ihr jeden Wahlsieg als den ihren angesehen haben und nicht erkannten, dass er nur mit der Hilfe aus der Mitte gelungen ist.So kam es z.B. zu dem was Willi Brandt in seinen „Erinnerungen“ als den „verschenkten Sieg“ (1976) bezeichnete.
    Nur mit den Kräften aus der Mitte und ihrem linken Flügel wäre die SPD eine Volkspartei.
    Mit links allein wird sie um die 20%-Marke pendeln. Sie muss den „Frieden“ mit der Mitte finden und aufhören, mögliche Siege allein ihren Linken zuzuschreiben und diese sie verwerten zu lassen

  21. Ich mag ihn nicht mehr hören, diesen Begriff der „Mitte“. Geht es nach den Propagandisten, besteht Deutschland eigentlich fast nur aus „Mitte“, mit schmalen Rändern Rechts- und Links-Außen. Schauen wir aber ins Volk, zeichnet sich, was den Finanzstatus, die Bildung, den Besitz und vor allem die Teilhabe an Wahlen anberifft, ein ganz anderes Bild ab. Wo z.B. ordnet ein Mitte-Fan die immer größere Anzahl all der WählerInnen ein, die (nicht) mehr zur Wahl gehen. Warum sollte auch ein Wähler sein Kreuz bei einer dieser Mitte-Parteien machen, bei denen sich die Wahlprogramme zwar noch formell unterscheiden, die umgesetzte, die gerade aber bei der SPD spürbare Umsetzung der Programmatik in der Praxis dann aber so austauschbar geworden ist, das im Grunde genommen eine Super-Koalition aus CDU/FDP/SPD und einem Großteil der Grünen herrscht.

    Ist es Mitte, dafür zu sorgen, das Reiche reicher werden und Arme ärmer? Ist es Mitte, nicht dagegen zu tun oder es hinzunehmen, das Prekariats-Kindern der Aufstieg verwehrt wird? Waren die Hartz-IV-Gesetze Mitte, die Rente mit 67, das Zusammenstreichen von Arbeitnehmer-Leistungen, verbunden mit immer höheren Eigenbeteiligungen, der Willen der Mitte? Ist es Mitte, bei allen „Reformen“ die Vermögenden zu schonen, und die Kosten des Sozialstaats zuvorderst von denen tragen zu lassen, die sowieso schon einen Großteil ihres Einkommens an diesen Staat abliefern? Auch die Lippenbekenntnisse der Entscheider und Macher scheinen ja aus dieser dubiosen Mitte entsprungen zu sein – sonst würden nicht Beschlüsse gefaßt, wie „mehr Geld für Bildung“, und dann doch gekniffen, wenn’s ans Eingemachte geht. Auch der Beschluß, sich an die Weltspitze zu setzen, was die Einsparung von CO2 und Ressourcen anbetrifft, scheint ja inzwischen schon das Siegel „war nicht so gemeint“ zu tragen, wenn ich mir die Umsetzung in der Realität anschaue. Hier wird nicht gesagt: Dies ist überlebenswichtig, und wir ziehen es durch, und schaffen dadurch Hunderttausende neuer Arbeitsplätze, und entwerfen und bauen die Produkte für das 21. Jahrhundert zum weltweiten Verkauf. Nein, es wird gekniffen, vor den anscheinend übermächtigen Lobbyverbänden. Auch Herr Clement ist ja hier ein würdiger Vertreter.

    Schaffen wir endlich diese in sich selbst verliebte „Mitte“ ab, und die Parteien gleich mit, weil diese Volkes Wille schon lange nicht mehr vertreten. Und da dies so einfach nicht geht, sollte zumindest bei den Abgeordneten in Ländern und Bund klar kenntlich sein, für welche Lobby sie arbeiten, so wie Rennfahrer auch Rennstall- und Sponsoren-Labels auf ihrem Overall haben. Herr Clement würde dann eine RWE-Mütze tragen und einen Adeccho-Blouson, Herr Mezger (ehemals Grüne, jetzt CDU) ein T-Shirt der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mit Päpperles oder Stickern der Sponsoren, etc.

    Wenn Mitte bedeutet, das zwei Parteien vor der Wahl 2005 angetreten sind, die eine mit der Forderung nach 2% MWSt.-Erhöhung, die andere dagegen war, und dann beim Zusammengehen dieser Parteien eine 3$ige Erhöhung herauskam, dann können wir Bürger uns schon über künftige Beschlüsse dieser Mitte-Parteien freuen.

    Vielleicht müssen sich die Mitte-Parteien aber auch bald ein neues Volk suchen, weil bei einem weiteren Abschwung oder einer Rezession noch mehr Bürger in den Wahlenthalt, Rechts- radikalen Parteien, oder zur Linkspartei abwandern.

    Ein schönes Kasperletheater, wie sie sich gegenseitig ihre wunderschönen Programme um die Ohren hauen: Ich bin Mitte, nein, ich – Ich bin viel mehr Mitte als Du, nein ich! Und ich bestimme, wer zum Exclusiv-Mitte-Club dazugehören darf. Frau Ypsilante steht ja schon kurz vor dem Ausschluß – sie will mit den Schmuddelkindern spielen.

  22. Der nachdenkliche Wähler, der nicht einfach traditionell entscheidet, wird immer nur teilweise mit „seiner“ Partei übereinstimmen können, also „Kröten schlucken“ müssen. Er trifft aus der Auswahl der Ziele eine Mehrheitsentscheidung bei sich und gibt danach seine Stimme ab. Er gehört zur „Mitte“. Politik ist immer nur die Kunst des möglichen und kompromissbeladen. Es ist der Fehler der Nichtwähler, auf die Stimmabgabe zu verzichten, weil sie erkannt haben, dass nicht alle ihre Vorstellungen von den Gewählten in der Vergangenheit umgesetzt wurden. Bei jetzt fünf Parteien in den Parlamenten (das dürfte wohl Standard werden) sind mehr Kompromisse bei der Wahlentscheidung und natürlich bei den Politikern nötig. Es ist aber sicher schlimmer, wenn eine politische Richtung – gleichgültig welche – keine Kompromisse mehr nötig hätte. Es erübrigt sich, in diesem Zusammenhang auf böse Beispiele hinzuweisen.

  23. Daß dem Problem der Wählerabwanderung der SPD die Gründung zweier Parteien an ähnlicher Stelle im politischen Spektrum zugrundeliegt (erst Grüne, dann Linke), ist eine so banale und auch inzwischen verbreitete Erkenntnis, daß man es schon nicht mehr wiederholen mag. Weiter zeichnen sich, Pech für die SPD, größere Gruppen mit homogenen Interessen, die von der SPD abgedeckt werden könnten (besser jedenfalls als von anderen „Mitte“-Parteien), wie z.B. Deutsche mit Migrationshintergrund (immerhin über 10% Wahlberechtigte), leider eher dadurch aus, daß das politische Interesse, bis in zum Interesse der Stimmabgabe bei Wahlen, unterdurchschnittlich ist. In der nahen Zukunft wird sich das Wo sind unsere Wähler-Problem für die SPD noch durch die Überalterung der Gesellschaft weiter verschärfen, denn Alte wählen eher konservativer als der Durchschnitt… Schlechte Karten für die SPD!

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