Als ich gestern in der FR den Fall Grass kommentierte, bekam ich die Mail eines Freundes: Das sei ja nun die „Methode Eiermann“, Unentschiedenheit versteckt hinter der Forderung nach „Zwischentönen“. Ich hatte nichts anderes getan, als zu fordern, dass die Verdienste Grass‘ um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit nicht entwertet werden, weil er beim Umgang mit seiner persönlichen Geschichte versagt hat. Der Kritiker war einer, den ich sehr ernst nehme, aber ich muss sagen: diesmal konnte ich mir das nicht anziehen. Kann man über einen Fall wie diesen wirklich nicht anders diskutieren, als sich entweder für polternde Total-Verurteilung oder schwachsinnige Rundum-Verteidigung zu entscheiden?
Doch, man kann. Nachdem Martin Walser und Co. nach Bekanntwerden der verschwiegenenen SS-Vergangenheit von Grass sehr schnell und mit kaum verhohlener Freude eine ganze Lebensgeschichte in die Tonne zu treten versuchten, hat sich Tag für Tag mehr eine Bereitschaft zur differenzierung gezeigt. Ein ermutigendes Beispiel dafür – und zwar aus der eher konservativen Ecke – ist Bundestagspräsident Norbert Lammert, den mein Kollege Christian Thomas in einem FR-Beitrag ausführlich zitierte. So schwer ist das gar nicht, zwischen der erschreckenden Vergesslichkeit und der erschreckend eitlen Selbstverteidigung einerseits und einem Lebenswerk andererseits zu unterscheiden.
Es ist ganz beruhigend, dass die Kämpfe, in denen alte Herren möglichst laut trommeln und nichts dabei herauskommt als Blech – siehe Walser – einer entspannteren Sichtweise weichen. Zwischen Heldenverehrung, wie sie John Irving betreibt, und Verdammung ist Platz für die Beiträge von Jüngeren: sie haben weder das Problem, dass ein Denkmal ihres politischen Lagers vom Sockel zu stürzen droht, noch treibt sie die Rache für 68, als Leute wie Grass gegen das Vergessen kämpften.
Ich glaube, dass das Bewusstsein für die NS-Verbrechen in dieser jüngeren Generation (natürlich mit Ausnahmen) so fest verankert ist, dass sie nicht dauernd glauben müssen, für dieses Bewusstsein zu kämpfen oder die Vorkämpfer zu bejubeln.
Die Schriftstellerin Juli Zeh hat es sinngemäß so gesagt: Für sie sei Grasss nie ein Idol gewesen, also verliere sie auch keins. Wir sollten es ihr nachtun und ganz entspannt Grass lesen, wenn wir Lust haben. Seine Literatur weiß nämlich nicht, dass ihr Autor die Öffentlichkeit 60 Jahre lang getäuscht hat. Und wenn die verschwiegene Vergangenheit ein Motiv für diese Literatur war – geschadet hat es ihr nicht.
Mich interessiert, warum Günter Grass seine Mitteilung, Ende des Zweiten Weltkrieges Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, im Interview mit der FAZ und zu diesem Zeitpunkt abgab.
Dabei mag ich wirklich nicht mutmaßen, ob sein „Geständnis“ eine PR-Maßnahme (wie einige meinen) gewesen sein sollte, oder welche Beweggründe er sonst hatte, der FAZ solche Vorabinformationen aus seinem Buch mitzuteilen. Allerdings hat seine späte Mitteilung in diesem Rahmen tatsächlich einen unangenehmen Beigeschmack.
Diese PR- Aktion (wenn es denn eine war) ist jedenfalls total „in die Hose gegangen“ und sie hat Grass meines Erachtens mehr geschadet als genutzt.
Warum, frage ich mich, hat er sein Eingeständnis nicht am Tage der Buchveröffentlichung abgegeben?
Er hätte doch publikumswirksam am 01.09.06 (beispielsweise in Berlin) sein Buch selbst vorstellen und in diesem Rahmen die Mitteilung machen können.
Die zahlreichen Kritiker, die bestimmt seit langem auf eine Grass`sche Schwachstelle gewartet haben, wären dann zwar auch Sturm gelaufen, der Vorwurf einer PR-Aktion hätte er sich aber dadurch ersparen können.
Oder wäre Schweigen in diesem Falle Gold gewesen?
also, wenn der Kritiker der Elche selbst einer war, dann sollte er das auch offenlegen, und zwar nicht 60 Jahre später.
Ein PR-Berater
Der Markt ist aggressiv und es bedarf schon größter Anstrengungen eine Neuerscheinung unterzubringen……….. Ich kann – bei allem Respekt – leider nicht anders, ich muss diese, seine Beichte im Zusammenhang mit seinem neuerscheinenden Buch sehen.
Natürlich kann man aber wegen der nun bekannten Tatsachen nicht das Lebenswerk eines bedeutenden Schriftstellers „in die Tonne treten“! Der Wert seines literarischen Æuvres wird ja nicht durch die Beichte seiner Mitgliedschaft in der SS geringer. Doch muss sich Herr Grass schon gefallen lassen, dass man seine in der Vergangenheit getätigten – durchaus wichtigen – moralischen Apelle etwas differenzierter betrachtet. Wer sich selbst als moralische Instanz sieht, und das ist bei G. Grass sicher der Fall, muss auch einen scharfen Maßstab an sich legen, an sich legen lassen.
Ein schwarzer Fleck auf der grassschen Weste – der wird bleiben über seine Lebenszeit hinaus. Für mich ist die Art und Weise (nämlich das Schweigen über persönliche Schuld) wie er mit seinen Lesern umgegangen ist, höchst bedenklich!
Ich kann allerdings auch nicht anders, als glauben, dass G. Grass seine Schuld lebenslang belastet hat und das sein literarisches Wirken und seine Renitenz auch eine Arbeit an dieser Schuld war.
Ich habe aber auch große Bedenken über die Äußerungen einiger Zeitgenossen zu diesem Thema, die meinen, nun sei die Stunde der Abrechnung gekommen!
Wir Jüngeren, die den Krieg nicht erlebt haben, steht keine Selbstgerechtigkeit zu. Doch wir können lernen. Wir können lernen, dass Ehrlichkeit zur rechten Zeit die eigene Glaubwürdigkeit festigt. Hätte Grass früher gesprochen, es hätte den Wert seines Werkes um keinen Deut geschmälert.
Grass – ein Fall, der tatsächlich zu differenzierter Betrachtung und zu nichts anderem zwingt, wie St. Hebel richtig formuliert.
Alle paar Jahre müssen in Deutschlands intellektueller Öffentlichkeit offenbar diese unsäglichen Schein-Bewältigungs-Debatten geführt werden: Berufene und Unberufene sprechen im Brustton moralischer Überzeugung anderen das Recht ab, im Brustton moralischer Überzeugung zu sprechen.
In der journalistischen Philosophie erscheint die Posse dann als Tragödie: „Es überlagert sich der Status eines großen Literaten mit der Rolle als moralischer Mahner. Es überlagert sich das Tun des jungen Grass mit seinem allzu langen Schweigen über dieses Tun.“ (Stephan Hebel). Worte ohne Sinn. Etwas überlagert sich mit etwas? Wer liegt oben, wer unten, der große Literat oder der moralische Mahner? Hat das lange Schweigen das Tun des jungen Grass überlagert? Dann hat er wohl mit Recht geschwiegen?
Der tragischen Gattung gemäß erscheint der Protagonist als heroische Gestalt: „moralischer Mahner“, unterhalb solch biblischer Größe wird nichts verhandelt, ein durch Häme, Hass und Neid bedrohtes Lebenswerk bildet die Rahmenhandlung. Dabei hat Grass, als politischer Kopf im übrigen von eher bescheidenem Format, das Selbstverständlichste getan, was politische Vernunft und Aufklärung im post-nationalsozialistischen Deutschland gebieten, nämlich sich gegen den Nazismus ausgesprochen und vor seiner Verharmlosung gewarnt.
Dabei ist das Thema, traurig genug, nach dem hierzulande geltenden Spielplan für die Opfer, zumal für die Juden, reserviert, deren Vertreter auch jeweils pflichtgemäß, wie auf Abruf, vor den Vorhang treten, mit einem improvisierten Text, der dann auch schon einmal gründlich daneben zielen kann. Grass’ Schweigen führt keineswegs „seine früheren Reden ad absurdum“. Sie sind, wenn, dann wegen ihrer Inhalte richtig und berechtigt, unabhängig von seiner subjektiven Glaubwürdigkeit. Dass Grass als halbes Kind in das „System“ involviert war, verleiht seinen späteren Warnungen eher ein größeres Gewicht. Ob sie auch an unser Ohr gebracht worden wären, wenn er sich früher offenbart hätte?
„Seine Literatur weiß nämlich nicht, dass ihr Autor die Öffentlichkeit 60 Jahre lang getäuscht hat“ ?
Wer weiß, vielleicht ist Oskar ja ein kleines SS-Trommelmännlein, das sich beharrlich weigert, dem Herrn Grass aus dem Kopf zu wachsen? Die Psychoanalyse kann sicher einiges am Grasswitzen zur aktuellen ‚Debatte‘ beitragen. Würde nicht schaden, gibt es doch zu viel Lächerliches und zu wenig zu lachen.
Einwurf zu Grass, Irving und Trommler
John Irving irrt sich gewaltig. Er ist in Unterschied zu Grass immer noch verblendet, John’s Führer-Figur war und ist ist Grass, wogegen G. Grass seinen Kindheitsidol Hitler schon Ende der 40er begrub.
Irving schrieb „Grass ist ein wagemutiger Schriftsteller und war immer ein wagemutiger Mensch. Hat er sich nicht selbst einem Risiko ausgesetzt – erst mit 15, dann mit 17?“ und demonstriert damit zugleich, daß sein Urteilsvermögen nur beschränkt funktioniert. Die gläubige und abenteuerhungrige Verblendung eines 15 jährigen, die auch mit 17 anhielt, war nicht im Geringsten wagemutig, sie war höchstens Audruck einer gedankenlosen Unreife.
G. Grass hat alle – außer seiner Frau – über 60 Jahre bewußt und beabsichtigt belogen. Es stimmt nicht, daß er 1945 seine Waffen-SS-Zugehörigkeit freiwillig zugab. Er wurde samt Uniform gefangengenommen, daß er der SS angehörte war nur zu offensichtlich. Es stimmt auch nicht, daß er Freunden davon erzählt hat. Die Freunde lügen vielleicht aus Hilfsbereitschaft, aber G. Grass selber hat in einem Interview zugegeben, daß er nur mit seiner Gattin darüber gesprochen hatte.
Als Beweis seiner planmäßigen Irreführung der Öffentlichkeit über mehr als 60 Jahren stehen seine eigenhändige Lebensläufe, die letzte noch kürzlich verschickt, in welchen er sich als z.B. ehemaliger Luftwaffensoldat ausgibt.
Daß er in der SS war, sei ihm verziehen. Daß er ein bedeutender Künstler und verdienter Nobel-Preisträger ist, ist unbestreitbar.
Daß seine persönlichen Angriffe und sein öffentliches Keulenschwingen Ausdruck seiner ehrlichen Überzeugung waren, kann niemand ernsthaft in Zweifel ziehen.
Was alleine einen schalen Geschmack hinterläßt, ist sein jahrzenhtelanges Unvermögen, allen offen zu zeigen, daß er ein Phönix ist.
Der Fall Grass ist auschliesslich ein Fall der Feuilletons und der Bildzeitung. Beide überschätzen sich, wie auch Grass sich mächtig überschätzt. Der allgemeinen Bevölkerung regt allerhöchstens das allgemeine Getrommel um die Person auf. Es ist nicht unwichtig, was diese Person Grass sagt, aber nicht SO wichtig, dass dabei alles andere verdrängt würde. Es ist der Hype, der schwer erträglich ist. Das kommentieren müssen. Das Stellung beziehen überhaupt. Ich hoffe der nächsten Generation bleibt erspart zu hören: „Ich war ein IM“. Ein Roman um die Flakhelfergeneration wäre nützlicher gewesen. Aber so? Nix als PR, auch die Kommentare dazu, egal wie sie ausfallen, leider.
Der Koch, der sich westdeutsch seit 50 Jahren inszeniert, ärgert sich über die verpasste Chance eines Lebens in den dürftigen und bedürftigen Angeboten des Adenauer-Deutschlands und befördert die Provinz, die durchaus brutale Provinz, zum Blasebalg, nicht zur Blechtrommel seiner moralischen Einlagen, die deutsch an dem vorbeigehen, an dem noch jede hiesige Generation vorbeigegangen ist: an den leider noch immer Ermordeten einer und seiner und ihrer deutschen Geschichte. Die intellektuellen Qualitäten, die hier, wie denn sonst und ein jedes jahrzehntelang Mal, nur sich wünschen lassen, haben lediglich naiv sich überlebt: das bleibt das Passwort, mit dem die Tür zur BRD jetzt sich schliesst, an dem nicht allein die nur und nicht viel mehr als zweifelhafte Figur Frank Schirrmachers hängt, die deshalb einen Diskurs in Szene setzt, der in den feuilettonistischen Mitläufern nichts besseres weiss als fortgesetzt und vorsätzlich sich zu überschlagen. Die BRD schliesst sich in ihren Anfang, in den bedauerlichen Unfall des einmal verpassten Grössenwahns. Finis comoediae.
Rüdiger Gladen, Südkorea 21.8.06
Grass hatte sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet, als er jedenfalls noch nicht 17 Jahre alt war. Er kam vor Vollendung des 17. Lebensjahres zum RAD und wurde auch vorher schon zur Waffen-SS einberufen und sofort ausgebildet.
Ich gehöre zur Flakhelfer-Generation. Soweit mich meine Erinnerung nicht täuscht, sind Freiwillige, die noch nicht 17 Jahre alt waren, 1944 nur zur Waffen-SS, aber nicht zur Wehrmacht eingezogen worden. Kritiker hätten also schon anhand der biografischen Daten von Grass bei Abgleich mit den bekannten Daten seines Soldat-Seins erkennen können, dass er nur bei der Waffen-SS gewesen sein kann. Ferner konnte man daraus ablesen, dass er zwar Soldat, aber nicht unbedingt SS-Mann werden wollte. Davon scheint er ja auch selbst überrascht gewesen zu sein.
Als Flakhelfer und damit Oberschüler hatten wir die – auch weitaus von fast allen genutzte – Möglichkeit, uns als Offiziersbewerber bei den Waffengattungen der Wehrmacht zu melden. Damit wollten wir einem möglichen Einberufungsbefehl zur Waffen-SS entgehen. Erst in den letzten Kriegswochen gingen diese Regelungen im allgemeinen Chaos unter.
Wäre Grass ein wenig älter gewesen, als er sich meldete, hätte er wohl Aussichten gehabt, zur Wehrmacht einberufen zu werden. De facto hat die tatsächlich andersgeartete Entwicklung sein wirkliches Tun wohl nicht verändert. Seine „Zugehörigkeit“ zur Waffen-SS war wohl nicht mehr als etwas formales. Hätte ihm das aber jemand vor 30 oder 40 Jahren geglaubt ? Man muss selbst erlebt haben, wie die „Klugscheisser“-Generation das „Fehlverhalten“ von 15 bis 17-Jährigen verurteilt hat, als sie ihrerseits gerade eben so alt und „lebenserfahren“ geworden war.
Es ist leicht, mit dem beruhigenden Gefühl der Gnade der späten Geburt das lange Schweigen von Grass zu kritisieren.
Joachim Dittmar, Im Rosengarten 8, 61184 Karben, (06039) 2379
Hut ab!
Ich zweifle daran, dass es irgendjemand anderem gelungen wäre, dieses Thema im Jahre 2006 so wirkungsvoll in den Mittelpunkt des Deutschen Interesses zu bringen.
In einer Zeit, in der sich über „ENDLICH wieder Fahnen“ gefreut wird. In der man „ENDLICH wieder wer ist“ in der Welt. In der „ENDLICH das leidige Thema 2. Weltkrieg der Vergangenheit angehören mag“. In der man von Talkshow über Reality-TV zur nächsten Telenovela den Geist der Zeit konsumiert.
Dahinein dann dieser Knaller.
Und alle, alle wissen einen Urteilsspruch aufzusagen. Sehen gar gerne den eigenen Namen zusammen mit dem des Nobel-Preisträgers stehn. (Das Frühstück kam mir hoch, als ein erzwungenermassen geständiger kokainverschnupfter Sexkonsument, der es gerne mit „gehandelten“ Frauen trieb, sein Statement abschlug.)
Aber das geht vorbei.
Und mit ein bisschen Glück wird dann die Sache diskutiert. Das Unsagbare aussprechen ist eines – das Unsagbare nachfühlen, sich hineinversetzen in den jungen Mann, in diese Zeit, in diesen Geist. Sich selbst dort zu sehen und zu wissen, dass nicht nur ihm das riesengroße Glück zuteil wurde, nicht „handelnd schuldig“ zu werden. Dass wir, die „After-Klugscheißer“-Generation, verdammtes Glück haben, bisher nicht ernsthaft geprüft worden zu sein. Wer weiß, ob unsere Antworten, unsere Erkenntnisse, unser selbstsicheres Demokratentum nicht allzuschnell ins Wanken käme. Ob wir nicht genauso verführbar sind durch ein perfide aufgeblasenes Kollektiv-Ego. Damals mit national-rassistischer Luft gefüllt, heute vielleicht mit Phrasen wie „abendländische Kultur und christliche Werte“. Was wäre der Gewinn, für den wir unsere Erhabenheit aufgäben? Ökonomische und ökologische Sicherheit für unseren Lebensraum und unsere Nachkommen vielleicht? Unter welchen Zwängen – echten oder eingeredeten – sind wir bereit, Menschlichkeit dann doch nur für uns zu reservieren?
Diese Diskussion ist interessant – aber noch ist’s die Zeit des Feuilletons. Egal, immerhin. Hut ab!
@Petra
ja, ja, ja,….. zu allem Ja, was Sie schreiben.
Nur der kleine Einwand, bitte; Sie schreiben:
„Dass wir, die „After-Klugscheißer“-Generation, verdammtes Glück haben, bisher nicht ernsthaft geprüft worden zu sein. Wer weiß, ob unsere Antworten, unsere Erkenntnisse, unser selbstsicheres Demokratentum nicht allzuschnell ins Wanken käme.“
Wenn man die „Ernsthaftigkeit der Prüfung“ klassifizieren sollte, eine Wertigkeit zuweisen müsste, haben Sie recht. Wir sind noch nicht geprüft worden, ob wir der Verschleppung und der physischen Vernichtung unserer direkten Nachbarn zusehen würden.
Jedoch werden wir mittlerweile tagtäglich geprüft, ob wir der Vernichtung und Vertreibung unschuldiger Menschen an vielen Orten dieser Erde zuschauen wollen. Ob wir dem Abbau von Demokratie (auch bei uns) zuschauen wollen. Ob wir zulassen, dass Konzerne unsere Geschicke lenken, statt Regierungen.
Insofern haben wir tatsächlich nicht, aber auch garnicht, über Herrn Grass zu richten!
Nur: wenn ich ihn mein bisheriges, von Literatur und deren Autoren begleitetes Leben betrachte, muss ich über die Handlunsgweise eines Autoren nachdenken und diskutieren dürfen. Natürlich ohne ihn zu verdammen und ohne nachzutreten. Das muss er auch akzeptieren. Dummdreistes Gehabe und Besserwisserei, historische Ignoranz und blödsinnige Kommentare – das alles verdient er nicht! Punkt.
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten. Oscar Wilde
Pharisäer aller Feuilletons vereinigt euch!
Wo war euer moralischer Rigorismus als der deutsche Innenminister einige (schon vergessen?) Wochen zuvor den herbeigesehnten Nationalismus zur Fussball-WM mit dem Einsatz Bundeswehr gegen die Freunde aus aller Welt absichern wollte?
Wo hören wir euren Aufschrei der Empörung, wenn die Debatte um die innere Sicherheit immer groteskere Züge annimmt und zum Abbau von Bürgerrechten herhalten soll?
Wo sind eure klugen Analysen, wenn die Freiheit der Andersdenkenden zur Freiheit des Kapitals, zu tun und zu lassen, was es will, umgedeutet wird?
Wo ist euer Engagement, wenn es gilt den interkulturellen Dialog und die tägliche Auseinandersetzung mit denen zu führen, die „national-befreite Zonen“ errichten wollen und denen das, trotz aller noch so schlauen Elfenbeinbetrachtungen, auch gelingt?
Kann es sein, dass es euch um die Verklärung eurer eigenen Geschichte geht?
„Nimm dich in acht, wenn du durch Deutschland fährst und die Wahrheit unter dem Rock trägst.“
(Leben des Galilei)
Kann es sein, werter Rudolf Homann, dass sie nichts zu sagen haben, aber den Mund nicht halten?
@boris
Nur ein kleiner, freundlich gemeinter Hinweis: „Autor“ ist ein schwach gebeugtes Substantiv.