Mit fremden Federn geschmückt

Russland wäre so gern eine Weltmacht. Besser gesagt: Putin hätte so gern, dass Russland eine Weltmacht wäre. Wo immer sich ein Zipfelchen Gelegenheit ergibt, russische Ansprüche zu behaupten, nimmt er diese wahr, so zum Beispiel im Syrien-Konflikt oder – weniger laut, aber nicht weniger wichtig – beim Gezerre um die Arktis und ihre Bodenschätze. Doch Putin mag es drehen und wenden, wie er will: Russland war die längste Zeit Weltmacht. Es hat immer noch seine Atomwaffen, ja. Aber was sonst? Russland ist ein Land zahlloser schwelender Konflikte, von denen der in Tschetschenien nur der augenfälligste ist. Russlands Infrastruktur – auch die, mit der die Bodenschätze gefördert werden – ist veraltet und marode. Die wirtschaftlichen Strukturen des Landes sind nicht auf Innovation und künftige Entwicklung gepolt, sondern es herrscht weitgehend Stillstand. Und Putin gebärdet sich jeder Gelegenheit als starker Mann mit dicken Eiern, der vor Kraft kaum gehen kann.

Da ist die Sache mit der Beutekunst-Ausstellung in St. Petersburg nur eine Petitesse – aber vielleicht eine aufschlussreiche. Geplant war, dass Putin und Merkel die Ausstellung gemeinsam eröffnen. Da Politiker ja immerzu reden müssen, wären Grußworte fällig gewesen – von deutscher Seite mutmaßlich nicht, ohne die Rückgabe der Beutekunst zu fordern. Also wurden die Grußworte russischerseits beide abgesagt. Doch einer Merkel verbietet man nicht ohne weiteres den Mund. Es gab Krach, so heißt es – und das vor dem Hintergrund eines ohnehin angespannten Verhältnisses. Putin gab nach, und Merkel durfte die Rückgabe der Beutekunst fordern, und zwar ebenso alternativ- wie fruchtlos.

Ja, es gibt sie immer noch, die Beutekunst. Die Zahl der Kunstwerke, die von Soldaten der Roten Armee in Deutschland erbeutet wurde, wird auf eine Million geschätzt, darunter auch der bronzezeitliche Goldschatz, der jetzt in St. Petersburg gezeigt wird. Ich für mein Teil sage: Lassen wir das Thema ruhen. Wenn die Kunstschätze  schon 70 Jahre in Russland sind, können sie gern noch weitere 700 Jahre dort bleiben. Hauptsache sie sind der Öffentlichkeit zugänglich. Wo das nicht der Fall ist, hat Russland Nachholbedarf. Angela Merkel sollte ein bisschen leiser sein. Auch Deutschland hat nämlich Beutekunst und denkt nicht daran, sie zurückzugeben. Nein, ich meine gar nicht mal die Nofretete; die befindet sich wohl rechtmäßig in Deutschland, auch wenn sie eigentlich nach Ägypten gehört. Folgender Leserbrief  von Thomas Fix aus Frankfurt gibt weitere Aufklärung:

„Russland hat sich im Grunde richtig verhalten: Wieder einmal hat man den Moralischen von deutscher Seite raushängen lassen und besteht auf Herausgabe sogenannten „Raubgutes“ von den Sowjets. Doch vergisst man dabei seine eigenen Taten: Vor allem in Afrika und Asien haben deutsche Forscher und Corps reiche Beute gemacht. Die Türkei beispielsweise könnte um die Rückgabe der von Heinrich Schliemann mitgenommenen Güter von Troia bitten, und auch das in Kamerun beheimatete Volk der Duala, dem ein deutscher Arzt eine Herrschafts-Insignie wegnahm, hätte das Recht, diese wieder zurückzubekommen. Ein Nachfahre dieses Herrschers kämpft bis heute vergebens umd die Rückgabe.
Ein drittes Beispiel wäre der Wappenpfeiler, der sich im Deutschen Historischen Museum zu Berlin befindet, den kaiserliche Truppen vom Kap Kruuis in Namibia, dass damals deutsche Kolonie war, mitnahmen, obwohl es sich um ein weltgeschichtliches Denkmal des Entdeckers der Küste, Diogo Cao, mit den Insignien des portugiesischen Königs handelt. Allenfalls Namibia oder – mit Abstrichen – auch Portugal, hätten Anspruch auf den Wappenpfeiler. Was hat er in Deutschland zu suchen?
Solange man also selbst genügend Raubgut hat, sollte man nicht mit dem Finger auf die „bösen“ Russen zeigen, sondern vorbildlich handeln und die Sachen ihren Ursprungsländern zurückgeben.“

Michael Maresch aus München:

„Eines ist sicher: Hätte Nazideutschland den Krieg gewonnen, es hätte die Millionen Kunstwerke, die es in ganz Europa geklaut hatte, niemals wieder herausgegeben.
Auf der anderen Seite verzeihen sich Demokratien untereinander und rauben sich nicht gegenseitig ihre Kultur. Ob Russland also eine Demokratie ist oder wird, wird sich daran zeigen, wie es mit seiner Beutekunst umgeht.
Linz ist ein österreichisches Städtchen mit österreichischer Kultur und Moskau und St. Petersburg sollten russische Städte mit russischer Kultur sein. Da passt Beutekunst genauso wenig, wie sie in Linz gepasst hätte.
Mit fremden Federn schmücken sich Diktatoren, Herr Putin, liebe Duma, nicht Demokraten.“

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