Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat gelogen. Das ist eine der Schlussfolgerungen aus einer Studie Münchner Rechtsanwaltskanzlei Westphal Spilker Wastl zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Benedikt, bürgerlich Joseph Ratzinger, war Erzbischof von München und Freising, als in einer Sitzung über einen pädophilen Priester entschieden werden sollte. Er behauptete zunächst, nicht daran teilgenommen zu haben, aber der Gutachter konnte anhand eines Sitzungsprotokolls das Gegenteil belegen.
Das ehemalige Kirchenoberhaupt – der Lüge überführt! Dieser Skandal erschüttert die katholische Kirche. Inzwischen hat der 95-jährige Ratzinger zwar seine Erinnerung wiedergefunden, aber der Schaden ist angerichtet, das Ensetzen groß. Die Kirche demontiert sich selbst. Damit hat sie nicht erst jetzt angefangen. Im Zuge der Enthüllungen über die unzähligen sexuellen Übergriffe von Priestern auf schutzbefohlene Kinder ist nun hieb- und stichfest dokumentiert, was man längst wusste: Die katholische Kirche hat stets versucht, die Missbrauchsfälle zu vertuschen. Mit schwindendem Erfolg. Jetzt kommt das ganze unfassbare Verbrechen ans Licht: Obwohl die pädophilen Neigungen der betroffenen Priester bekannt waren, hat man sie weiter an die Kinder rangelassen. Sie wurden lediglich versetzt. Im Fall des oben genannten Priesters: von Essen nach Freising. Über ihn war bekannt, dass er sich in Essen an mehreren Jungen vergangen hat. Ratzinger hat die Vertuschung also mitgetragen und mitentschieden.
FR-Autor Joachim Frank nennt diese Lüge, dieses Versagen in seinem Leitartikel „Unfassbares Versagen“ beim Namen: Der Altpapst „versetzt in einem fast jämmerlich zu nennenden Versuch der Selbstexkulpation sich selbst und seiner Kirche einen Vernichtungsschlag.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Das muss natürlich Konsequenzen. Doch welche? Zurücktreten kann Ratzinger nicht mehr; das hat er schon Jahren getan. Und auf die Fähigkeit der katholischen Kirche zur Selbstreinigung braucht man nicht zu hoffen. Bleibt eigentlich nur eines: die Abstimmung mit den Füßen.
Mit päpstlicher Erlaubnis
Die uneingeschränkte Untersuchungspflicht und vor allem die Ahndung zum skandalösen und strafrechtlich relevanten, zutiefst unmoralischen, menschenver-achtenden und unchristlichen Verhalten des emeritierten Papstes Benedikt XVI., der nun auch nachweislich, auch als er noch in seinem Amt als Erzbischof war, schwerste Verbrechen eines katholischer Priesters, der über Jahre hinweg Kinder sexuell missbraucht hatte, steht bevor.
Er hat diese entsetzlichen Vorgänge nicht nur nicht verfolgt, sondern diesen Priester in eine andere Gemeinde versetzt, wo dieser weitere viele Jahre Kinder missbrauchen konnte. Quasi mit päpstlicher Erlaubnis.
Einen solchen Papst braucht die katholische Kirche nicht. Auch dann nicht, wenn er (viele Jahre zuvor aus anderen, kontextlosen Gründen) zurückgetreten ist. Gleiches gilt für Kardinal Marx, München, nicht nur Kardinal sondern immerhin ehem. Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft, der davon wusste und diesen inakzeptablen Papst deckte. Ja, der Fisch fängt halt immer an, am Kopf zu stinken.
Wann handelt hier die Katholische Kirche endlich nennenswert? Z.B. mit einem geschlossenen Rücktritt der Röm.-kath. Kurie. Dies wäre dann mal eine überfällige glaubwürdige Aktion. Viele Ausgetretene würden zumindest überlegen, wieder einzutreten und viele würden es tun.
Insgesamt könnte die Katholische Kirche dadurch an Reputation gewinnen und einen Teil Glaubwürdigkeit zurück erobern – ein langer Weg wäre es dennoch. Aber einer, der aus meiner Sicht nur so, nämlich mit einer auffälligen, starken Aktion, erfolgreich gegangen werden kann. Was bisher zu dieser Thematik geschah, war deutlichst zu wenig – und peinlich.
Mittlerweile muss man sich Fragen stellen lassen, wie „Warum bist Du noch Mitglied in der Katholischen Kirche“ und sich dafür verteidigen – zu Recht. Meine Antwort lautete bisher dazu: Ich weiß es nicht. Weil ich es tatsächlich nicht mehr weiß. Und es mir immer schwerer fällt, Mitglied in einer solchen Kirche zu bleiben. Ich schäme mich – für die Katholische Kirche, für den emeritierten Papst Benedikt XVI., für Kardinal Marx und für die unzählig vielen Priester, die Kinder sexuell missbraucht und körperliche wie seeliche Gewalt angetan haben, mit millionenfacher Folge jeweiliger lebenslänglicher Traumatisierung angetan haben.
Petra Reitzel, Heidelberg
Stockkonservativ bis reaktionär
Als ehemaliger, langjähriger hauptamtlicher Mitarbeiter des Bistums Limburg ist es mir ein Bedürfnis, kurz zu Ihrer Berichterstattung über die jüngsten Aspekte des Themas „sexueller Mißbrauch in der deutschen katholischen Kirche“ Stellung zu nehmen. Kann einen eigentlich in dieser jahrzehntelangen Katastrophe für die Betroffenen seitens der die kath. Kirche hierzulande repräsentierenden Personen noch etwas negativ überraschen? Mich leider nicht mehr.
Desillusioniert bin schon seit vielen Jahren; dazu beigetragen haben Erfahrungen, die ich insbesondere in der Limburger Bistumszentrale – nicht nur, aber gerade zu Zeiten des Lügners und Vertuschers, Ex-Bischof Tebartz van-Elst und seines Kölner Mentors, Kardinal Meissner – machen konnte und musste. Und nun Kardinal Ratzinger, noch lebender Ex-Papst. Zu denen, die bei seiner Wahl ins Amt ihre Freude kaum bändigen konnten, habe ich nie gehört. Mir als Nicht-Theologe, aber als Sozialwissenschaftler war Ratzinger stets suspekt, er war und ist ein Vertreter eines stock-konservativen bis reaktionären deutschen Katholizismus.
Es dürfte nicht das erste Mal gewesen sein, dass er eines der zehn Gebote, nämlich „Du sollst nicht lügen“ mit Füßen getreten hat, weil ihm im Zweifelsfall die Institution immer wichtiger was als der einzelne Mensch. Jetzt ist er im Münchener Gutachten eindeutig der Lüge überführt worden. Schlimmer noch: Wie der Münsteraner Kirchenrechtler Schüller (früher Limburg) zu recht festgestellt hat: Ratzinger beleidigt und beschmutzt die Mißbrauchsopfer ein weiteres Mal. Man lese nur nach, wie er Mißbrauch eines Priesters definiert – ein solcher konnte demnach so ziemlich alles mit den ihm anvertrauten Minderjährigen machen, solange es zu keiner Berührung kam! Geht’s noch?? Ob diejenigen meiner damaligen Vorgesetzten in Limburg heute noch, wie seinerzeit, von Ratzinger als großem Theologen sprechen würden? Der eine oder andere wahrscheinlich schon; man kann ja das eine fein säuberlich intellektuell vom anderen trennen….. Ich weiß, dass es viele der hauptamtlich und ehrenamtlich Beschäftigen nicht nur im Bistum Limburg innerlich zerreißt. Und ich fühle durchaus mit denen, die große innere Zweifel haben und/oder längst in der „inneren Emigration“ sind, aber aufgrund ihrer Ausbildung usw. als hauptamtlich Beschäftigte in dieser Kirche prinzipiell keine andere Wahl haben, als dort zu bleiben – schließlich geht es auch um ihre Existenz. Ich weiß sehr wohl um die große Zahl derjenigen, die ihr kath. Christentum und die Lehre Jesu ernst nehmen und versuchen, sie täglich gerade gegenüber ihren Mitmenschen zu leben. Aber da gibt es neben den verantwortlichen Ortsbischöfen und ihren Generalvikaren, die in der öffentlichen Debatte als Mit-Verantwortliche häufig unter den Tisch fallen, noch die üblichen Verdächtigen wie den aus Mainz stammenden Kardinal Müller im Vatikan: Der intern manchmal zu recht als Fascho-Müller Bezeichnete hat nichts anderes zu tun, als jetzt Ex-Papst Benedikt zu verteidigen – kein Wort zu den Hunderten von Opfern. Es ist jener Müller, der jüngst im Kontext mit den Corona-Lügnern als Verschwörungstheoretiker mit antisemitischen Untertönen aufgefallen ist.
Das ist nicht mehr meine Kirche; ich verlasse sie, so wie meine Tochter vor wenigen Jahren, es gibt ja durchaus Alternativen. Ich verlasse sie in dem Wissen, dass es viele Haupt- und Ehrenamtliche gab und gibt, von denen ich nicht nur viel gelernt habe, sondern deren vorbildlich tägliche gelebtes, den Menschen zugewandtes Christentum mich tief beeindruckt hat. Aber angesichts dieser reformunfähigen, teilweise menschenverachtenden und bigotten Institution bleibt letztlich nur der Aufruf: Geht, stimmt mit den Füßen ab!
Rainer Ratmann, Hünstetten
Jeden Bezug zur Wirklichkeit verloren
Missbrauchsskandal: „Vertuschung als System“, FR-Politik vom 21. Januar neu; div. „Wie eine Religion sich demontiert“
Der Fisch stinkt bekanntlich immer vom Kopf her! Aber die mutwillige Ignoranz und die intellektuelle Armseligkeit sowie das bis heute chronische Desinteresse an den vielen Opfern des geduldeten Kindesmissbrauchs von Joseph Ratzinger sind skandalös. Wir werden ihn als kirchlichen „Lügenbaron von Münchhausen“ in Erinnerung behalten, der jeden Bezug zur Wirklichkeit verloren hat. Das umfangreiche Gutachten zum Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Erzdiözese München und Freising belastet den emeritierten Papst Benedikt XVI. völlig zurecht schwer. Gerade das Abstreiten, Verharmlosen und Leugnen von Tatsachen ist ein alter, unwürdiger Bestandteil der katholischen Kirche und des Vatikanstaats . Besonders schockierend ist das immer wieder gezeigte Verständnis für die Straftäter! Die zahlreichen Opfer wurden bis zum heutigen Tage von der katholischen Kirche nicht angemessen entschädigt. Auch die angemessene Bezahlung von Therapiekosten ist nicht erfolgt. Hier zeigt sich die ganze Schäbigkeit und Bibeluntreue einer kirchliche Kaste, die ausschließlich an ihren eigenen Posten und Vermögen interessiert ist. Ratzinger ist für jeden ehrlichen gläubigen Katholiken eine Schande! Die „Bilanz des Schreckens“ und das skrupellose, gewissenlose und herzlose System des Institutionen- und Täterschutzes, das eine Spur der körperlichen und seelischen Verwüstung nach sich gezogen hat.
Klaus Jürgen Lewin, Bremen
Die katholische Kirche ist ein Sanierungsfall
Friedrich Merz beschrieb während des Wahlkampfes 2021 den Zustand der CDU als „Sanierungsfall“. Recht hatte er. Er wählte eine Formulierung die in treffender Weise auch auf die Katholische Kirche zutrifft.
Jörg Harraschain, Frankfurt
Kirche? Oder was ist das ?
Dieser Verein ist meiner Meinung nach zum großen Teil eine „pädophile, machtgierige“ Institution, die nach den letzten Veröffentlichungen keine Gnade mehr verdient.
Verbrechen der untresten Schublade werden verschleppt, vertuscht oder gar geleugnet von sog. Würdernträgern, die es nicht mehr sind, die mit roten Schuhen und ohne Gewissen unendliches Leid über eine Vielzahl von jungen Menschen gebracht aber auf der „Fettsuppe“ nach wie vor oben schwimmen. Es ist an der Zeit, diese Herrschaften dem allgemeinen Strafrecht zuzuführen, dem jeder kleinste Dieb unterliegt. Und die Politik schaut ebenfalls total gebremst diesem kriminellen Treiben zu.
Vielleicht gibt es ja nun einige Politiker mit Rückgrat die diesem schamlosen System die Konsequenzen aufzeigen und dadurch eventuell sogar Wählerstimmen dazu gewinnen. Eine Aussetzung der Kirchensteuer sollte da der Anfang sein.
Heinrich Schmitt, Großostheim
Die Kirche demontiert sich, nicht die Religion
„Religion“ und „Kirche“ sind semantisch nicht dasselbe und taugen nicht als Synonyme. Demontiert hat sich die klerikalistisch verfasste katholische Kirche, aber nicht die christliche Religion.
Carsten Hänche, Herborn
Sehr geehrte Damen und Herren,
gestern informierte die Rechtsanwaltskanzlei Westpfahl/Spilker/Wastl mit einem Gutachten zu Missbrauchsfällen der Katholischen Kirche unter Einbeziehung hoher kirchlicher Würdenträger incl. dem emeritierten Papst Benedikt XVI. sowie anderer Kardinäle im Erzbistum München und Freising. Dankenswerterweise war das Medien-Echo vielfältig.
Anbei erhalten Sie dazu eine von mir erstellte Foto-Lyrik-Kombination mit Persiflage des bekannten Weihnachtsliedes „Ihr Kinderlein kommet …“ und Hinweisen auf erhebliche Defizite kirchlichen Selbstverständnisses und Wirkens nicht nur der letzten Jahrzehnte.
Dies verbinde ich mit der ANREGUNG für weitere Recherchen und Berichte von Ihnen, ob es vertretbar ist, die KIRCHE als KRIMINELLE VEREINIGUNG einzustufen, begründet mit eine Fülle von Menschenrechtsverletzungen, entwürdigenden Behandlungen Andersdenkender und sehr vieler Missbrauchsfälle im physischen und psychischen Bereich bei mutmaßlich anhaltend hoher Dunkelziffer. Dies führt zur Folge-Frage, ob die Kirche noch mit Milliardenbeträgen wie bislang jährlich über Steuergelder gefördert werden soll.
Mein HAUPTARGUMENT ist Artikel 1 unserer Verfassung zur WÜRDE DES MENSCHEN, den auch die Bundesrepublik Deutschland zu achten und zu schützen VERPFICHTET ist. Weder die Kirche noch Deutschland als Staat werden dieser Verpflichtung gerecht, nachweisbar beispielsweise an entwürdigenden Behandlungen seit Jahrzehnten im Pflegebereich – bekannt mindestens seit den 1980er Jahren als Pflege-NOTSTAND. Artikel 1 GG verpflichtet in jedem Einzelfall die Würde zu wahren, unabhängig von Mehrheits-Entscheidungen der Demokratie und im Parlament. Insoweit stand und steht nicht nur die Kirche in der Pflicht (und hat dabei kläglich versagt, wenn Ihre Medienberichte – nicht nur zu diesem Gutachten – zutreffen), sondern auch die Bundesrepublik Deutschland mit Bundesregierung und Landesregierungen samt untergeordneten Stellen.
Die Missbrauchsfälle beschränken sich also letztlich nicht allein auf schwerwiegende Fälle sexueller Übergriffe von Priestern und anderem kirchlichen Personal bis hin zur Verletzung von Leitungs- und Kontrollverpflichtungen der Kirchen-Leitungs-Ebenen incl. Papst; sie betreffen auch HEIME für Kinder und Jugendliche ab Mitte des 20. Jahrhunderts und HEIME für ältere Mitbürger und Pflegebedürftige, teils „privatisiert“, teils in den Händen von CARITAS und DIAKONIE.
Zur menschenverachtenden Einstellung kirchlicher Seiten bei der CARITAS finden Sie in der Anlage Belege, fußend auf intensiven Recherche-Arbeiten des inzwischen verstorbenen Autors Ernst Klee – bezogen hier auf geistig Behinderte. Der Moraltheologe Dr. Mayer hatte noch VOR der sogenannten Machtergreifung des National-Sozialismus im diktatorischen Hitler-Regime sinngemäß geschrieben, warum Menschen, die dem „Gemeinwohl“ schaden, entfernt werden sollten und es „löblich und heilsam“ sei, sie zu töten (vgl. Anmerkung 1 auf Seite 3 der Anlage).
Geht es nach dem Apostolischen Schreiben SALVIFICI DOLORIS, müssten die Missbrauchsopfer bei konsequenter Interpretation sogar dankbar sein für ihre Misshandlungen, weil gemäß Papst Johannes Paul II. im LEIDEN „ein besonderer Ruf zur Tugend enthalten“ sei, „die der Mensch von sich her üben soll.“ (vgl. Details in Anmerkung 2 auf Seite 3 der Anlage).
All dies sind massive Indizien, die in Verbindung mit der undemokratischen Institution Kirche es ratsam erscheinen lassen, die vielen erzieherischen, gesundheitlichen, kulturellen und sozialen Bereiche, in denen die Kirche(n) federführend engagiert sind, anderen Organisationen zu übertragen und systematisch hier einen Perspektivenwechsel herbeizuführen. Kirchliche Organisationen sind, wie die vielfältigen Nachweise mindestens seit Bestehen der Bundesrepublik erwiesen haben, nicht mehr glaubwürdig, verlässlich und verantwortungsbewusst, um unsere Gesamtgesellschaft in diesen zentralen Aufgaben zu stützen.
Was sollte noch alles geschehen, damit diese Erkenntnis endlich auch im medialen Bereich kommuniziert wird?
Sehr dankbar wäre ich, von Ihnen eine Stellungnahme für diese Anregung erhalten zu können.
Als ein wahrer Nachfolger Petri erweist sich Benedict XIV. Laut Bericht der FR hat er drei Mal geleugnet, bei der Entscheidung über den straffälligen Priester dabei gewesen zu sein. Das Protokoll dokumentiert seine Anwesenheit. Drei Mal hat nach dem Evangelium des Matthäus Petrus im Hof des Hohepriesters geleugnet, bei Jesus gewesen zu sein. „Ich kenne den Menschen nicht“. Nach dem dritten Mal „krähte der Gänswein“: Das sind alles redaktionelle Fehler. Und es ward dunkel in der Kirche.
Der Erzbischof von München, Kardinal Reinhard Marx, spürt einen tiefen Schnitt, der durch die Katholische Kirche ginge. Er selbst sei „erschüttert und erschrocken“, vor allem über das Leid der Opfer. Missbrauch und Gewalt offenbarten die dunkle Seite der Kirche. Dennoch wolle er sich angesichts der Skandale nicht „aus dem Staub“ machen. Allerdings klebe er nicht an seinem Amt.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, zeigte sich bei „Anne Will“ hinsichtlich rascher Konsequenzen, die aus den Geschehnissen gezogen werden müssten, skeptisch. Denn die deutschen Bistümer seien Teil der Weltkirche und die habe ihren Sitz in Rom. Den emeritierten Papst Benedikt VI (bürgerlich: Joseph Ratzinger), der sich ebenfalls Inaktivität bei Verfolgung und Verhütung von Verbrechen vorwerfen lassen muss, schätzte er als schlecht beraten ein. Das lässt sich auch als Blockade der Kurie interpretieren, die sich gegen jede Veränderung wehrt.
Falls dem so sein sollte (und ich als ungläubiger Protestant halte das für realistisch), schlüge doch jetzt die Stunde des Reinhard Marx. Er könnte als Begründer eines religiösen Marxismus in die Geschichte eingehen, der die Trennung der deutschen Katholiken von Rom durchgesetzt hat. Und der dem zaghaften Schritt Martin Luthers vor 500 Jahren den notwendigen zweiten folgen ließ.
Eine Trennung von Rom würde die Abkehr vom päpstlichen Lehramt, von den Dogmen, von der Beschränkung des Priesteramts auf Kleriker und Männer und nicht zuletzt vom Zölibat bedeuten. Also jenes Milieu austrocknen, das den sexuellen Missbrauch Schutzbefohlener und eine inhumane Sexualmoral seit jeher befördert hat. Der Austritt aus der Weltkirche würde auch dazu führen, dass die katholische Theologie vom Kopf auf die Füße gestellt würde. Dass sie anerkennen müsste, dass die Rede von einem Gott den Erkenntnissen der historisch-kritischen Forschung widerspricht, dass sich ebenso der historische Jesus nicht beweisen lässt, dass die Legenden um Maria und Josef nichts anderes als fromme Geschichten sind. Dass es an der Zeit ist, sich auf eine Religion der Vernunft zu beschränken, in welche die positiven Errungenschaften der Kirchengeschichte einfließen könnten. Und dass die Katholische Kirche keine Parallelgesellschaft mit eigenen Gesetzen sein darf.
Ein Katholizismus ohne Vatikan böte die Chance, den Menschen die praktische Karitas zu verkünden und sie vor allem zu praktizieren. Das wäre ein Jahrtausendprojekt. Herr Marx, schreiten Sie zur Tat!
@ Klaus Philipp Mertens
Da ich ja selbst viele Jahre im kirchlichen Dienst gearbeitet habe, noch unter der Ära des Bischofs Kamphaus in Limburg, kann ich ganz gut die innerkirchlichen Strukturen und damit auch die Machtverhältnisse. Ich äußere mich jetzt hier nicht weiter dazu. Aber die Einrichtung, in der ich u.a. gearbeitet hat, nach der Feststellung eines gravierenden Mißbrauchsfalles, in 2020 konsequenterweise den Einrichtungsnamen des Namensgebers und Täters gestrichen.
Jedenfalls wollte ich nur noch sagen: Ich finde Ihren obigen Vorschlag klasse. Dann auch noch den Namen MARX! Jahrtausendprojekt!
Ich weiß z.B. dass die Katholiken im Kreis Limburg sehr kritisch und praktisch sind. Mir hat das als papierner Protestant und Beschäftigter dort in dieser Ära zu arbeiten, mental sehr gut getan.
Die Zwischenära von diesem anderen Bischof von Elst, war für die meisten in Limburg und im Bistum überhaupt ein Graus. Da war ich schon REntner.
Sorry!
In meinem Text oben stecken im ersten Absatz einige grammatikalische Fehler. Sollte aber trotzdem zu verstehen sein.
Wie soll aus etwas so krudem wie die christlich katholische Religion etwas positives entstehen ? Der Ansatz die Sexualität von vornherein auszuschließen beinhaltet das Scheitern, denn das Tier Mensch funktioniert nun mal mit Sexualität. So lange die Grundsätze in der Kirche nicht geändert werden wird es so bleiben, wie es über viele Jahrhunderte war und ist, alles Getue drumherum wird nichts bringen. Schafft Religionen ab ! Das sind Erfindungen des Teufels! Ja, ich weiß, ohne Religion keine Teufel. Sei’s drum.
@ Klaus Philipp Mertens, Jürgen Malyssek
Ich bin grundsätzlich offen für solche Überlegungen einer grundlegenden „Erneuerung der Kirche von außen“.
Freilich bedarf auch das – um nicht bei bloßer Spekulation zu verbleiben – einer gründlichen Analyse über die vorliegenden und notwendigen Bedingungen.
Ich möchte eine solche in Ansätzen versuchen, und zwar (1) anhand historischer Zusammenhänge und (2) eines persönlichen Erlebens.
Dabei gehe ich von der These aus, dass der Missbrauchsskandal lediglich ein Symptom darstellt und dass dessen eigentliche Ursachen tiefer liegen.
Zu (1) historische Bedingungen.
Hier wäre zurückzugehen mindestens bis zum verheerenden Wirken eines Papst Pius IX., meines Erachtens einem der übelsten in der Reihe der an üblen Gestalten nicht armen Nachfolgern auf dem Stuhl Petri.
Seine Seligsprechung im Jahr 2000 durch seinen Bruder im Geiste, Johannes Paul II. erscheint wie die äußere Bestätigung einer bigotten, in Dogmen und hierarchischem Denken erstarrten, skrupellos machtaffinen klerikalen Kaste, die sich gegenseitig ihre „Heiligkeit“ attestiert, sich mit allen Mitteln gesellschaftlichen Entwicklungen entgegenstellt und selbst in keinem größeren Gegensatz zu der verkündeten „christlichen Botschaft“ und der zu betreuenden „Schäflein“ stehen könnte.
Deutlichste Beispiele dazu sind das „Unbeflecktheits-Dogma“ (1854), das 1. Vatikanische Konzil mit dem „Unfehlbarkeits-Dogma“ (1869-70), schließlich das „Syllabus errorum“ von 1864.
Alles zusammen Zeugnisse eines „Kulturkampfes“ von oben mit explizit anti-aufklärerischem Impetus (besonders beim letzten), gerichtet vor allem gegen rationales Denken, geistige Selbstbestimmung und Menschenrechtsidee, kurz: gegen alles, was aus kirchlicher Bevormundung herausführen könnte. Symbolisch gesprochen in gewissem Sinn die Rücknahme eines Galilei und Reinstallation der geozentrischen Weltsicht mit der päpstlichen Allmacht in ihrem Zentrum.
Diese päpstliche Selbstinstallation als absolute, nicht hinterfragte Macht über alle Gläubigen war die Ursache des „Kulturkampfes“ in Deutschland, eines sich weiter manifestierenden Antisemitismus, vor allem in Frankreich, und als Folge der Dreyfus-Affäre der 1905 in Frankreich erfolgten, bis heute unangefochtenen Trennung von Kirche und Staat.
Es versteht sich, dass diese Form päpstlicher Selbstermächtigung und des heutigen Missbrauchsskandals auch vor dem Hintergrund einer perversen Sexualmoral, speziell der Sexualverleugnung zu sehen ist.
Theodor Fontane hat in „Effi Briest“ deren Verquickung mit patriarchaler und klerikaler Macht meisterhaft beschrieben. So in der perfiden „Zähmung“ von Effi und evt. in ihr ausbrechenden sexuellen Begierden durch ihren Mann mit dem Mittel des Einsatzes eines gruseligen und grausamen „Machtapparats aus Kalkül“ (17. Kap., Ed. Klett, S. 135).
Nicht anders ist der Einsatz seelischer Grausamkeit in der katholischen Ideologie zu verstehen.
Zu (2) Persönliche Erfahrungen.
Mit solchen Formen seelischer Grausamkeit habe ich als Kind schon sehr früh Bekanntschaft gemacht. Für meine Mutter, nach dem Krieg in die Arme der „allein seligmachenden katholischen Kirche“ geflohen, war deren Doktrin, dass allein durch den Vollzug ihrer „Sakramente“ (von der Taufe angefangen) Seelenheil zu erwarten war, vor allem auf mich bezogen ein Problem. Hatte doch mein Vater, „idealistischer“ Nationalsozialist, meine Taufe als Letztgeborenem verhindert. Das holte sie nun für mich, inzwischen über 2 Jahre alt,1946, nach dem Tod meines Vaters, schleunigst nach.
Als Kind infolge der Verhältnisse nach der Flucht lange krank, wurde mir schon ziemlich früh klar, wie hierbei mein „Seelenheil“ unmittelbar tangiert war. Die Frage, was denn mit ungetauften Kindern passiere, die gar nicht „in den Himmel kommen“ könnten, beschäftigte mich schon bald.
1953, im Alter von 9 Jahren, wurde das bei der Vorbereitung auf die „Heilige Kommunion“ sehr deutlich. Der Priester, von katholischer Dogmatik ebenso überzeugt wie von seiner Mission, uns die Bedeutung dieses nur „im Stand der Unschuld“ (also nach Beichte) zu empfangenden Sakraments zu vermitteln, tat dies an einem sehr drastischen Beispiel: Ein Mädchen, so erzählte er uns Knirpsen, habe dies testen wollen und habe die „Heilige Hostie“ ohne Beichte empfangen. Sie sei zur Strafe dafür am Altar tot umgefallen.
Auch wenn das lange nicht mit dem zu messen ist, was Missbrauchsopfer durchgestanden haben, so kann ich mich doch in ihre Lage, insbesondere das Gefühl des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit hineinversetzen.
Mir wurde schon ziemlich bald danach bewusst, dass das mit Erzeugen von Schuldgefühlen und Brechen eines eigenen Willens zu tun hatte, ich weigerte mich schon wenige Jahre danach zu beichten.
Dass es sich bei dem Ereignis nicht allein um einen bornierten Priester handelte, sondern dies mit Auswirkungen katholischer Dogmatik zu tun hatte, wurde mir während einer kurzen Mitarbeit in einer katholischen Studentengruppe vollends klar: Bei jeder kritischen Frage waren Blicke auf mich gerichtet, als sei gerade der Leibhaftige erschienen.
Klar, dass das den Ausschlag für die Erkenntnis gab, dass ich in dem Verein nichts mehr zu suchen hatte.
Soweit ein Einblick in psychologische Auswirkungen katholischer Dogmatik. Wie mir scheint durchaus hilfreich, um zu verstehen, was in der Psyche eines Missbrauchstäters geschieht.
Opfer- und Tätersein wirken da zusammen. Als Opfer haben ja alle Ähnliches erlebt, als ich eben geschildert habe: den totalen Zugriff einer „Macht“ auf die eigene Psyche.
Vorbereitung zum Tätersein stellt schon der Wechsel auf die Seite der „Macht“ dar: Worunter man zuvor gelitten hatte, das fügt man nun anderen, Abhängigen zu – und zwar im Auftrag und mit dem „Segen“ einer mächtigen Institution. Und wo Macht über „Seelen“ von Menschen gegeben ist, die einem ausgeliefert sind, wo man keine Sanktionen zu befürchten hat, da ist auch die Begierde nach Macht über deren Körper nicht weit.
Soweit zur Erklärung, warum die gesamte Missbrauchsdebatte, die allein die Täter und ihr individuelles Versagen in den Fokus stellt, deutlich zu kurz gegriffen ist. Diese sind lediglich die Instrumente einer Institution, die ihnen die Macht für ihre Verfehlungen verleiht – auch, wenn das in der Weise nicht unbedingt vorgesehen ist.
Ein Theologe und Psychoanalytiker wie Prof. Eugen Drewermann (er ist nun auch aus der Kirche ausgetreten) kann dazu eine gute Erklärung geben: Eine Ideologie oder Dogmatik kann zwar Macht über Denken ausüben, nicht aber über Unbewusstes, das sich dem entzieht. Und dessen Drang, eigenen Bedürfnissen zu entsprechen, wird bekanntlich umso mächtiger, je stärker eine sich erhaben glaubende „Ratio“ (hier als Dogmatik) Druck auf das Unterbewusste ausübt.
Die Missbrauchsskandale sind von katholischer Dogmatik und einem dadurch prä- oder deformierten Menschenbild nicht zu trennen. Als symptomatisch erscheint, dass selbst nach 10 Jahren „Diskussion“ kaum davon die Rede ist, wie die Opfer mit dem Erlebten zurechtkommen, aber viel von den Problemen der Kirche.
Fazit:
Ich halte eine innerkirchliche „Reform“ so gut wie ausgeschlossen, weil ein Machtapparat, dessen Funktion die Machterhaltung über die menschliche Psyche ist, wie am Beispiel von Pius IX. aufgezeigt, niemals seine eigene Existenzgrundlage – in dem Fall die gesamte Dogmatik – in Frage stellen wird. Eben das aber wäre notwendig, denn in dieser sehe ich das eigentliche Problem.
Ein Ratzinger ist von seiner ganzen Dogmatik her zu Empathie mit den Opfern gar nicht fähig, und diejenigen, die dies vielleicht versuchen, haben nicht die Macht, ihre menschliche Sicht durchzusetzen.
Veränderung ist unter solchen Bedingungen nur durch massiven Druck von außen möglich. Dies hat auch die Aufklärung und die auf ihr aufbauende Religionskritik, etwa eines Ludwig Feuerbach gezeigt.
Schließlich bliebe die Frage nach den Auswirkungen auf die „einfachen“ Gläubigen.
Nun erleben wir hier in Frankreich einen anderen Katholizismus. Und seit der Gründung unserer Flüchtlingshilfeorganisation arbeiten wir eng mit „Secours catholique“ und kirchlichen Kreisen zusammen. Dass wir einigen Familien zu Anerkennung und Integration verhelfen konnten, hat auch mit der Zusammenarbeit mit dem Bischof von Langres zu tun.
Dass die deutliche Mehrheit der von uns Unterstützten Muslime sind, war dabei nie ein Thema.
Das christliche Weltbild, das dem zugrunde liegt, bedarf der oben genannten Dogmatik nicht, denn es stellt das Handeln gegenüber den Menschen in den Mittelpunkt, ohne nach dem Glauben zu fragen.
Nun gibt es Missbrauchsskandale auch hier in Frankreich, und wir erfahren häufig, wie ehrliche Katholiken darunter leiden, sich auch „verraten“ fühlen. Für die geht es in erster Linie um Glaubwürdigkeit.
Dementsprechend wage ich die These, dass gerade solche Menschen, sofern eine glaubwürdige Alternative angeboten würde, sich von inneren Konflikten befreit und erleichtert fühlen würden.
@ Jürgen H. Winter:
Ich beschränke mich darauf, Ihnen meine volle Zustimmung zu Ihrem Kommentar mitzuteilen; darin ist nämlich alles Wichtige gesagt.
Hallo Herr Boettel,
danke für die Zustimmung. Es ist ja eigentlich ganz einfach. Ein wenig Nachdenken genügt. Ob man das Fachgebiet „Weihnachtsmann“ auch studieren kann ?
Da wird nicht davon gesprochen, dass der höchste katholische Würdenträger gelogen hat, nein man drückt sich vornehm aus und sagt, dass der ehemalige Papst sich „versehentlich“ fehlerhaft verhalten hat. Nicht nur die Kirchensteuerzahler, sondern alle Steuerzahler unterstützen seit dem 19. Jahrhundert finanziell die katholische Kirche. Wir als Staat – also alle Deutschen sorgen auf diese Art und Weise dafür, dass Missbrauch quasi staatlich „subventioniert“ wird. Wir alle bezahlen für das Geldverplempern durch teure Gebäude (z.B. Limburg) und die vielen teuren Gutachten (z.B. Kardinal Woelki). Bei der Säkularisation (Reichsdeputationshauptschluss von 1803) wurden Land, Vermögen und Rechte der Kirche enteignet. Dafür zahlen wir den Kirchen noch heute jährlich mehr als 540 Millionen Euro aus Steuermitteln. So werden z.B. alle hohen kirchlichen Würdenträger (ein Kardinal erhält fast 14 000 Euro monatlich) nicht von der Kirche, sondern vom deutschen Staat entlohnt. Zudem gibt es bis heute noch keine Aufstellung über das, was enteignet wurde und was dies tatsächlich Wert war. Insgesamt wurden dafür bisher mehr als 20 Milliarden gezahlt? Wird da nicht etwa schon das Enteignete in Gold aufgewogen und müsste da nicht mittlerweile ein deutscher Finanzminister einschreiten? Der Staat muss zudem für die vielen kirchlichen, denkmalgeschützten Gebäude Jahr für Jahr zusätzlich viel Geld aufwenden.
Gebt den kirchlichen Würdenträgern die enteigneten Kirchen, Kloster etc. wieder zurück. Danach sollen die Kirchen ihre teuren Würdenträger wieder selbst entlohnen! Warum kann man nicht auf Religionsunterricht in den Schulen gänzlich verzichten? Auf diese Weise hätten mögliche pädophilen Kirchenvertreter nicht mehr die Möglichkeit sich bereits dort den Kindern anzunähern.
Verleugnen, Vertuschen, Vergeben und Verdrängen – eine Institution, die an das Handeln ihrer Gläubigen strengste moralische Maßstäbe anlegt, muss zuallererst sich selbst daran messen lassen. Und diese Ska-len messen ungleich: ein Kirchenmusiker, nach einer Scheidung wieder verheiratet, verliert seine Stellung; ein Priester, der beschließt, mit einer Frau zu leben, wird unverzüglich mit dem Verlust seines Amtes und sämtlicher pastoraler Befugnisse bestraft, während klerikale Missbrauchstäter lediglich an eine andere – ahnungslose – Gemeinde weitergereicht wurden, wo sie ihre kriminellen pädophilen Neigungen erneut aus-leben konnten. Die Wege des Herrn sind eben unergründlich.
Der Versuch der Kirche, die Missbrauchsfälle selbst aufzuarbeiten, ist gescheitert. Er konnte nicht gelin-gen, weil die Ursache des Problems in der hierarchischen Struktur, der Selbstherrlichkeit und dem desas-trösen Verhalten eben jener Personen begründet liegt, die einst selbst aktiv zur Vertuschung beitrugen und sich jetzt als Chefaufklärer und Saubermänner aufplustern, ohne sich wirklich der Verantwortung zu stellen. Auch der amtierende Münchner Erzbischof Kardinal Marx, vor einem halben Jahr noch zum Rücktritt bereit, gibt sich jetzt der Illusion hin, die Kirche sei aus sich selbst heraus zu einer Reform und Erneuerung fähig und er könne als Amtsträger zu diesem Prozess beitragen. Er sollte es besser wissen. Selbst der ehemali-ge Papst hat die Chance vertan, seiner Kirche einen letzten Dienst zu erweisen, indem er persönliche Ver-antwortung für eigenes Fehlverhalten übernimmt, bevor er vor seinen Schöpfer tritt.
Eine Institution, die den Schutz des Systems über die Würde des Menschen stellt, hat die moralischen Werte des Evangeliums verraten. Würde Jesus noch unter uns wandeln, er wäre schon längst aus dieser Kirche ausgetreten, da bin ich mir sicher.
Sehr geehrter Herr Kardinal Marx, sehr geehrter Herr Bischof Bätzing, seit 2010 wird verstärkt über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche debattiert. Es sind seitdem mehrere Gutachten erstellt worden, die über das Ausmaß des Missbrauchs sowie mögliche systematische Gründe, Entschädigungen für die betroffenen Opfer sowie über mögliche Maßnahmen gegenüber den Tätern berichtet haben. Sie beide sind in der Debatte für mich in besonderer Weise aufgetreten, Sie, Herr Marx, haben sogar Ihren Rücktritt angeboten, der allerdings vom Papst abgelehnt wurde. Sie, Herr Bätzing, haben sich zuletzt im Fernsehen der Diskussion zu diesem Thema gestellt. Bei jeder Vorstellung eines Gutachtens haben Sie Ihre Betroffenheit und Ihr Verständnis für die Opfer kundgetan, aber bisher hat sich nicht wirklich etwas bewegt. Ich frage mich nun folgendes:
Sind Ihre Bekundungen wirklich ernsthafter Absicht oder sind es doch nur Lippenbekenntnisse, oder ist es sogar eine (allerdings sehr perfide) Strategie, um die Täter weiterhin vor strafrechtlichen Ermittlungen zu schützen. Immerhin ist das Thema nun schon seit über 10 Jahren in der Öffentlichkeit und es ist mir nicht bekannt geworden, dass die Kirche – die ihr bekannten Täter – der Staatsanwaltschaft gemeldet hätte, um strafrechtliche Verfahren einzuleiten. Sollten die Taten verjährt sein, würde die Staatsanwaltschaft das sicherlich feststellen und solche Verfahren einstellen.
Neben der Frage der strafrechtlichen Verfolgung der Täter geht es auch um Entschädigungen der Opfer, die die Kirche (auch ohne strafrechtliche Verfahren) einleiten könnte. Eine Verjährung für solche Ansprüche gibt es nur in der Form der Einrede des Schuldners, auf die die Kirche selbstverständlich auch verzichten könnte.
Insgesamt betrachtet erscheinen die vielen rechtlichen Fragen sowie der Hinweis, dass eventuell nur mit neuen Personen an der Spitze der Kirche die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle durchgeführt werden könnte, als Schutzbehauptungen. Sie als offizielles Personal der katholischen Kirche könnten sehr wohl die notwendigen Schritte einleiten. Sie könnten mittels ihres Amtes Meldungen an die Staatsanwaltschaften machen sowie wirkliche Entschädigungsleistungen für die Opfer anbieten.
Ich würde mich freuen, wenn Sie endlich zu einer ehrlichen Aufarbeitung bereit wären.
Vor der Französischen Revolution hat sich wohl kaum ein Adliger vorstellen können, dass einmal seine feisten Privilegien baden gehen könnten. Zu lange schon waren sie scheinbar so etwas wie ein gesellschaftliches Naturgesetz. Aber eben doch nur scheinbar. Dann ging es ziemlich schnell den Berg runter. Absturz. Totaler.
Ob die Katholische Kirche in diesem Jahr vor einer ähnlichen Situation steht? Privilegien hat sie nun wirklich genug: Kirchensteuer, die der Staat für sie einzieht. Ein eigene Rechtsprechung – von Bistum bis zur Kurie. Und auch arbeitsrechtlich immer noch Vorrechte, die im Grunde nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Dann befriedigt sie immer noch viele ihrer Mitglieder – und hier vor allem Frauen, die nach Hilfe suchen in ihrer Not – mit einem scheinbar üppigen Versprechen: Nach dem Tod wird eh alles viel besser. Für immer dann.
Selbst auf dem sogenannten Synodalen Weg gibt es zwischen den Klerikern und den Laien eine Sperrminorität der Bischöfe – so für alle Fälle, man weiß ja nie, wo hin so ein Weg noch führen könnte – mit der sie jeder „Reform“ die Würze nehmen kann.
Damit leben nun die Kirchenmitglieder schon so viele Jahrhunderte, dass eine Welt ohne Vatikan, ohne Bischöfe und ohne Dome schier unvorstellbar scheint.
Aber wie in der Französischen Revolution – da war es nicht zuletzt das ausschweifende Leben des steuerfreien Adels – könnte nun die elende Missbrauchsgeschichte ohne Ende das Ende schneller einläuten, als es sich die Bischöfe vorstellen können. (Da wird sich sicher einer der Bischöfe gequält bereit finden, als Konkursverwalter der Firma zu fungieren. Das würde ja seine Bezüge noch eine Weile strecken!) Und da wären bestimmt auch genügend andere da, um bei der Leichenfledderei selbstlos mitzuhelfen.
Die vielen Kirchen und Paläste könnten dem sozialen Wohnungsbau fast mietfrei zugeschlagen werden und die arbeitslosen Kirchenfunktionäre dürfen zurück auf Anfang und in einer ehemaligen Klosteranlage den Orden zur Neugeburt christlichen Denkens gründen. Das Zeitalter der Guillotine hat die bürgerliche Gesellschaft zum Glück ja nach der Abschaffung der Privilegien des Adels auch beendet.
Also keine Angst, zitternde Bischöfe: Euer Restleben dürft ihr zerknirscht in Reuehaltung abarbeiten.
Die Menschen in Europa werden ohne große Mühen andere und neue Formen finden, ihren religiösen Phantasien Raum und Zeit zu geben.
Darüber hinaus bleibt den Bürgern ja noch genügend Arbeit, das Missbrauchsthema im profanen Feld trocken zu legen – jedenfalls müssten sie sich dann nicht mehr mit den uneinsichtigen Bischöfen und Päpsten auseinandersetzen. Schluss im Dom!