Vorausschauende Regierung

Mal ein anderes Thema. Eines, das im Finanzdesaster unterzugehen scheint, nicht nur medial. Da haben unsere werten Oberen nämlich zusammen mit vielen anderen Sachen neulich beschlossen, dass das Grundgesetz geändert werden soll. Stichwort Bundeswehr. Die soll künftig bei „besonders schweren Unglücksfällen“ auch im Inland eingesetzt werden können. Das ist prinzipiell auch bisher schon möglich: „Gefährdet die Naturkatastrophe oder der“ – Einschub: “ besonderes schwere“, Abs. 2 – „Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen“, heißt es in Absatz 3 des Paragraphen. Er steht also schon drin in der Verfassung, der „besonders schwere Unglücksfall“.  Nun soll dem Paragraphen, wenn es nach der großen Koalition geht, ein vierter Absatz hinzugefügt werden: „Reichen zur Abwehr eines besonders schweren Unglücksfalls polizeiliche Mittel nicht aus, kann die Bundesregierung den Einsatz von Streitkräften mit militärischen Mitteln anordnen.“ Was haben unsere Oberen da vor?

Es geht um „Nothilfe“. Siehe 9/11. Nachdem Innenminister Schäuble vor dem Verfassungsgericht mit seinem Versuch, den Abschuss von entführten Flugzeugen zu ermöglichen, gescheitert ist, versucht er es mit einer Änderung unserer Verfassung. Dumm nur, dass er dabei die Länder brüskiert, denen Kompetenzen genommen werden sollen. Ja, der Bund soll ihnen gegenüber sogar weisungsbefugt sein. Klingt ja gar nicht verkehrt, denn eine solche Entscheidung, ob ein Flugzeug abgeschossen werden soll, könnte natürlich nicht erst in langen Konferenzen und Ausschüssen beraten werden. Da müsste schnell gehandelt werden, beim „besonders schweren Unglücksfall“. Aber was ist das eigentlich, ein „besonders schwerer Unglücksfall“? Dazu gibt es bisher keine Informationen. Macht aber auch nichts, denn die Bundesländer bocken, und die Grundgesetzänderung wird den Bundesrat wahrscheinlich nicht passieren.

Ich meine: Der besonders schwere Unglücksfall droht unserer Verfassung. Bei aller berechtigten Furcht vor Terrorangriffen – wir dürfen nicht in Paranoia abgleiten. In den USA sind einige der wichtigsten freiheitlich-demokratischen Grundwerte wegen eben dieser Angst vor dem Terror bereits verraten und verkauft worden. Dafür bezieht die Bush-Regierung jetzt Prügel: Immer mehr Guantánamo-Häftlinge müssen freigelassen werden. Damit entsteht Öffentlichkeit – ein weiteres Thema, das in der globalen Finanzkrise unterzugehen droht (und nicht das einzige). Machen wir es ihnen nicht nach! Unsere Terrorabwehr scheint zu funktionieren, auch ohne Bundeswehreinsätze im Innern.

Die FR-Leser haben einen schwerwiegenden Verdacht. So Joachim Fischer, Bremen:

„Die Bundesregierung will das Grundgesetz ändern, damit die Bundeswehr mehr Kompetenzen im Inland bekommt. Nun wird nach der Außen- also auch noch die Innenpolitik militarisiert. Das wollte Innenminister Schäuble ja schon lange. Ich sehe hier eine äußerst bedenkliche Entwicklung und habe den Eindruck, dass der jetzige Zeitpunkt dafür nicht von ungefähr kommt. Da es derzeit an den Finanzmärkten arg turbulent zugeht, sind viele Sparer verunsichert, was sie mit ihren Spargroschen machen sollen. Sollte die Bevölkerung mal in größerem Umfang, weshalb auch immer, unruhig werden, hätte man dann sogar die Bundeswehr zur Verfügung, um sie gegebenenfalls im Zaum zu halten. Natürlich wird das nicht offen gesagt. Aber als die Bundeswehr anfänglich im Ausland eingesetzt wurde, hieß es ja auch, das seien nur humanitäre Einsätze. Mittlerweile befindet sie sich in Afghanistan im Kriegseinsatz. Wer soll da noch glauben, dass der Bundeswehreinsatz im Innern Deutschlands harmlos bleibt?“

Noch deutlicher wird Bernd Wiemann aus Coesfeld :

Da behaupte noch einer, diese unsere Bundesregierung arbeite nicht vorausschauend. Die nächsten Hungeraufstände kommen bestimmt, und Plan A liegt jetzt vor.

Karsten Neumann, Nürnberg:

„Na prima, die Bundeswehr sucht mit Wärmekameras nach vermissten Kindern, als ob es nicht genügend Polizisten gäbe, die das machen könnten. Im Übrigen ist das ein sehr schlechtes Beispiel. Der Sache, worum es den Damen und Herren Politikern, allen voran Kauder, Wöhrl, Schäuble, Struck und Co. in Wirklichkeit geht, hat sich beim G8-Gipfel in Heiligendamm gezeigt, da wurden nämlich friedliche Demonstranten mit Wärmebildkameras durch die Bundeswehr observiert. Und da geht der (europäische) Hase lang. Wer es z.B. bei einem der in Nürnberg, Berlin usw. stattgefundenen öffentlichen Gelöbnisse geschafft hat, an den Rand der weiträumigen Sicherheitsabsperrungen zu kommen, der konnte schön verfolgen, in welche Richtung das weitergeht. Die Bevölkerung wird an das Bild des Militärischen im Alltag, in ihren Straßen und auf ihren Plätzen sukzessive gewöhnt. Wer dann noch das militärische Herumgebrülle im Ohr hat, der weiß, wie dieses Europa aussehen wird in zehn, zwanzig Jahren, wenn die besagten Damen und Herren so weitermachen wie bisher.“

Werner Thiele-Schlesier aus Dannenberg:

„Soldaten sind Mörder, schrieb schon 1931 Kurt Tucholsky in seinem Artikel in der Weltbühne mit dem Titel „Der bewachte Kriegsschauplatz“. Gegen diese Art Bewertung haben sich einst Soldaten gewehrt. Jetzt können sie das nicht mehr. Inzwischen hat die Wirklichkeit die Soldaten eingeholt. Demnächst aber werden sie sogar möglicherweise gegen ihre Nachbarn oder Verwandten eingesetzt. In welchem Staat leben wir?
Wenn der Einsatz der Bundeswehr Gesetz wird, wie Schäuble es will, muss sich die SPD fragen lassen, was sie von solcherart Ermächtigungsgesetz hält. Einst hat der spätere Papa Heuss dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt, was er nach dem Krieg sehr bereute. Diejenigen, die sich sowas ausdenken und politisch fördern, müssen als verfassungsfeindlich eingestuft und aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden. So jedenfalls sieht es der Radikalenerlass vor. Ich werde, so der Einsatz des Militärs im Inland ausgeweitet wird, aus dem Verein BRD austreten.“

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9 Kommentare zu “Vorausschauende Regierung

  1. Wie bei unserem geschätzten Herrn Innenminister üblich, klaffen erhebliche Lücken zwischen der Faktenklage und seinen Wunschvorstellungen. Das ist mehr als ärgerlich, allein das Beispiel der WBG-Nutzung beim G8 war so unnötig. Auch Polizeien der Länder und des Bundes verfügen über solche Technik. Das ist, so wie es ablief, nur ein Versuch militärische Komponenten in Polizeiaufgaben einzubinden.
    Angeisichts der Terrorseligkeit des BMI und der GBA ist das Gesetzesänderungsvorhaben mehr als fragwürdig. Die GBA sabotiert öffentlich wirksame Proliferationsüberwachung und der BMI jubelt angestiftete Frömmler zu „Toppgefährdern“ hoch. Dazu kommen die fragwürdigen Begründungen für Amtshilfe im Bereich Luftsicherheit.
    Was denn, wenn irgendwelche Entführer sich mit Massenvernichtungswaffen etc im Flugzeuig befinden? Soll das dann auch abgeschossen werden?

    Karl

  2. Unsere Justizministerin hat gesagt, wenn keine Passagiere im Flugzeug sind…

    Ich frage mich ja seitdem, ob irgendwelche Terroristen dann sich hinstellen und sagen: Alle Passagiere aussteigen, wir fliegen nun nach Berlin…

    Und dann heißt es seitens den Innenministeriums:

    „Nach den uns vorliegenden Informationen sind keine Passagiere an Bord“

    obwohl ja doch welche an Bord waren. Und die Sicherheit Deutschlands ist schon dann extremst gefährdet, wenn man nur im Internet den Begriff „Moschee“ sucht.
    Und kann der Nachrichtendienst nix rausfinden, dann ist sowieso alles auf Alarmstufe rot gestellt.

    Und die Admiralität der Bundeswehr wird NICHT Schäuble seinen Amtes ebtheben, ihn wegschließen wegen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands, wenn er sagt: „Auf Jungs, schießt das Ding ab“ oder „raumt da mal auf…“
    Das darf dann drei Jahre später der BGH wieder in einem Urteil verkünden, ob die Anordnung rechtlich in Ordnung war. Wenn nicht, geht es zurück an den Bundestag. Darf dann neu darüber sinniert werden.

    Seit Kanther denken die Innenminister: Deutschland muß vor den Bürgern beschützt werden, weswegen das Grundgesetz mehr und mehr ausgehöhlt wird.

    Wenn sie ja ganz klar sagen würden, im Fall von Katastrophen, die durch Naturgewalten entstanden sind… damit habe ich keine Probleme. Die Soldaten sind ausgebildet dafür, gut in form, haben das Material… das THW hat zwar auch, aber jede Hand wird dann gebraucht.

    Bei Demonstrationen hat die Bundeswehr nix zu suchen.

    Und so einer angedachten Geschichte, wie mit den Flugzeugen auf Berlin oder in die Hochhäuser „Soll & Haben“ (Deutsche Bank Frankfurt)…

    Ein Polizeihubschrauber wird da nichts ausrichten können. Ich tendiere ja zu der Entscheidung, den Flieger vom Himmel zu holen. Die Botschaft an die Entführer schon bei der Enticklung des Planes: Bei Sichtung anfangen zu beten, unsere Luftwaffe steigt auf.

  3. Ich weiß…

    Aber folgendes Szenario: Frankfurt Flughafen, Flieger steigt auf, dreht seine halne Schleife über Offenbach, aber statt weiter über Frankfurt Seckbach ins Irgendwo den Flug fortzuführen, wird aus der Schleife eine kleine runde udn es geht Richtung Hochhäuser.

    Da macht niemand mehr was. Das sind vom merken, da ist was faul, bis zum Einschlag zwei Minuten.

    Gemäß der Fall, es kommt von irgendwoher – nicht innerdeutsch, da sind ja noch einige „Abfangstationen“ dazwischen. Kommt es aus der Nachbarschaft, da muß der Kurs schon ziemlich verkehrt liegen, damit wer das rechtzeitig merkt. Die Chance einer Abwehr, wenn das Ziel der Terroristen nicht Worte wechseln ist, sondern Vernichtung, sind äußerst Mminimal. Tendenz gegen 0.

  4. Die andere Seite: Gemäß der Fall über dem Ruhrpott steht die Entscheidung an… Bonn ist das Ziel (weiß nicht, ob Bonn noch wichtig ist…). Dann zu sagen, laß ihn fliegen ist wahrscheinlich besser, denn bei der Besiedlung des Ruhrpotts wäre der Schaden eines Abschußes viel größer.Dann eben alle Krafte Richtung Ziel, wennn man weiß wo es ist.

    Also, das was unsere Minister ständig aufführen, weswegen die Bundeswehr im Innern tätig werden muß, weswegen solche Gesetze entstehen, ist eine Geschichte die so ein Gesetz nicht rechtfertigt.

    Wenn’s passiert, macht die Bundeswehr auch nix, die Terroristen sind ja nicht doof, kapern einen Flug von Miami nach New York um Berlin zu versenken. Wenn ich Berlin versenken will, kaper ich einen Flug nach Berlin und so kurz vor Berlin, ändert sich das dann… für Frankfurt: Landeanflug Stadtwald, Richtung Türme – 2 Minuten.

  5. … und wenn wie geschehen so ein einzelner da ankommt, wie in Frankfurt geschehen, bis die kapiert haben… nun war der ein bißchen werwirrt, aber wenn das einer gewsen wäre, der gwollte hätte, wäre ein Loch eimm Turm gewesen.

    Und im vogelsberg ist’s Türmchen kaputt gegangen.

  6. tschuldige, aber die FR hat die Frage mehrmals unserer Jusizministerin gestellt. Am Ende kam das raus, was für mich unter Wunschdenken der Politik läuft. Und die Aussage: Kein Abschuß mit Passagieren. Macht man sich so seine Gedanken, schaut immer zum Himmel…

    Gut gut, bin dann hinter Offenbach anzutreffen und wenn „Waldeslust“ angeführt wird, schaue ich wieder mal rein 😉

  7. Das Geschäft mit der Angst hat viele Frazen und eine davon ist die Kontrolle.Mit Furcht läßt sich jedes Gesetz ändern und Angst muß immer neu geschürt werden um die Menschen zu beherschen.
    Allein diese Tatsache macht so manchen Terroranschlag so sehr Suspekt,möglicher weise wird nach einem Anschlag der wirkliche Terror vorbereitet.
    Wer über die Mittel verfügt muß die Anwendung auch begründen.
    Wenn man den 11. Sept nimmt und im nachhinein die jahrzehntelangen geschäftlichen Beziehungen vor dem Anschlag der Familie Busch und Bin-Laden nachvollzieht!!
    Ein Schelm der Böses dabei denkt.
    Aber ich glaube ich Irre mich wenn ich in der Vergangenheit und Zukunft einen direkten Zusammenhang sehe zwischen Angst und Willensbildung sehe „oder?“

  8. @ rü

    „Ich frage mich ja seitdem, ob irgendwelche Terroristen dann sich hinstellen und sagen: Alle Passagiere aussteigen, wir fliegen nun nach Berlin…“

    könnte auch sein, das die Passagiere so reagieren: „..ach nach Berlin?, so? Moment, da gebe ich Euch nocheine alte Co-Quelle mit…..“

    Natürlich ist aud die Geschichte mit den Passagieren realitätsfern, zumal bei Feststellung des Rechtfertigungsgrundes Krieg, der Schutz der Passagiere sowieso fortfällt.

    @ alterbuut

    Ein wunderbarer Anlass über ein in der Masse verblödendes Volk immer engmaschigere Überwachungsnetze zu ziehen. Mit der dargebotenen Begründungsgeschwätzwelle wurde früher zu Kreuzzügen „Gott will es“ (stupider Ansatz, aber gut improvisiert!) aufgerufen und jeder Mist gerechtfertigt. Nach überprüfbaren Inhalten fragt, damals wie heute, kaum jemand, die Masse versteht diese Fragen schon nicht und so wird jeder Mist umsetzbar.

    Allgemeine Presseschelte:

    Eine qualifizierte Fachbewertung beispielsweise der „Kofferbomber“ oder der „Informationen“ über die Sauerland-Gruppe hatte das Zeug zu einem Dauerbrenner über das Treiben des BMI und dessen Sympahtisantensumpf.

    Nachfragen scheint leider sehr unmodern zu sein! Ende der Presseschelte

    Die Angstindustrie läuft auf vollen Touren obwohl Zyniker die 9.11 Vorgänge schonmal als Verschwörung der Bauunternehmer bezeichnen.

    Was der Innenminister und seine Sympathisanten da versuchen läßt begründete Zweifel an dem geäußerten Bemühen die bestehende FDGO zu verteidigen aufkommen.

    Karl

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