Asylpolitik: Unter höchstem Krisendruck

Update: Dieser Artikel wurde ursprünglich am 25. Mai veröffentlicht. Inzwischen hat sich die EU auf „Geas“ geeinigt, einen „Asylkompromiss“, der mit dem hantiert, worüber ich unten geschrieben habe: Abwehr, Einbetonieren, Mauern hochziehen, Frontex. Das kann man nicht mehr Asylpolitik nennen. Es ist vielmehr das Eingeständnis eigener Hilflosigkeit, das nun vor allem die deutschen Grünen auf die Zerreißprobe stellt. Die rechten EU-Regierungen haben sich durchgesetzt und ziehen damit die gesamte EU nach rechts.

Neue Zuschriften von Ihnen, hereingekommen ab 9.6., finden Sie unten ab Kommentar Nr. 3. Und nun kommt mein Artikel vom 25. Mai.


Es beginnt gerade erst. Während wir heute noch vor allem damit beschäftigt sind, unseren Wohlstand zu bewahren, zu behaupten, zu verteidigen, deutet sich rund um Europa her bereits an, was in Zukunft wird: Ströme von flüchtenden Menschen, die gegen Europas Mauern branden wie der steigende Meeresspiegel.

Ich wähle dieses schiefe Bild von den Strömen absichtlich, weil die Dinge zusammenhängen. Ich kriege immer wieder zu hören: Flüchtende Menschen sind keine Welle, denn sie sind kein Wasser. Das stimmt natürlich, rein physisch-logisch-kausal. Das wird niemand leugnen. Trotzdem können flüchtende Menschen Wirkungen haben wie Naturgewalten, und deswegen ist eine solche metaphorische Zusammenziehung durchaus erlaubt: Was uns bevorsteht, wird mittelfristig die Dynamik einer Naturgewalt entfalten. Es gibt wenig, was wir in Deutschland jetzt noch dagegen tun können. Der Zug ist abgefahren. Keinesfalls wird uns eine Flüchtlingspolitik helfen, wie sie sich derzeit in der Europäischen Union manifestiert: Abwehr, Einbetonieren, Mauern hochziehen, Frontex. Denn diese Politik ändert nicht das Geringste an den Ursachen der Flüchtlingsströme. Diese Ursachen werden uns in der einen und in der anderen Form zu schaffen machen, egal wie hoch die Mauern jetzt gezogen werden sollen. Denn der Meeresspiegel wird steigen. Das wird auch uns betreffen. Und viele andere Menschen weltweit ebenfalls.

Diese Zusammenhänge sind längst erkannt und durchschaut. Die UNO warnt seit Jahren davor. Der kausale Zusammenhang: Global steigende Temperaturen führen zu Wetterextremen. Das Klima verändert sich. Dürren, Stürme, Überschwemmungen, Waldbrände, El-Nino und La-Nina – alles wird durch die zusätzliche Energie verstärkt, die durch klimarelevante Gase zusätzlich in unserer Atmosphäre gespeichert wird. Der wesentliche Grund dafür ist die Verbrennung von organischem, sprich: fossilem Material, das seit Millionen von Jahren unter der Erdoberfläche lagerte und im Lauf der Zeit zu Kohle, Erdöl und Erdgas wurde. Dieses Zeug, das dort abgeschlossen ruhte, haben wir wieder heraufgeholt, verbrennen es nun und fügen die Endprodukte in Form von CO2 und Methan unserer Atmosphäre hinzu. Kohlenstoffe, die vor Jahrmillionen von Tieren und Pflanzen aus der Atmosphäre gefiltert wurden, kommen also jetzt, in unserer Zeit, oben drauf. Alle, die logisch denken können, müssen erkennen: Das kann nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Klimaschutz ist also der wirksamste Weg, um etwas zur Verbesserung der Lebensumstände von Menschen zu erreichen, die auf dem Sprung zur Flucht sind. Aber es steht zu fürchten, dass dies alles zu spät kommt. Betrachtet man die Häufung der Klimaextreme der vergangenen Jahre – was sagt uns das über künftige Dürren in Äthiopien, über Fluten in Bangladesch, über das Abtauen des Permafrostes in Sibirien und Kanada, über die Gletscherschmelze in der Antarktis oder das Abschmelzen des Eispanzers von Grönland? Dies alles hat globale Auswirkungen, während wir hier in Deutschland noch über ein Tempolimit streiten – das vermutlich eine der billigsten Maßnahmen gegen künftige Ströme von Flüchtenden wäre.

Hinzu kommen noch die Verteilungskämpfe, die sich in regionalen Kriegen manifestieren und in deren Zug Millionen von Menschen vertrieben werden. Manche von ihnen sehen nach politischen Konflikten aus, und tatsächlich haben diese Konflikte viele Facetten. Doch selbst im Westjordanland, von Israel besetzt, spielen die Auseinandersetzungen um das knappe Wasser des Jordan eine große Rolle. Und das Gewicht dieses Problems der Wasserknappheit wird hier wie da in den kommenden Jahren sicher nicht geringer werden.

Ist es vor diesem Hintergrund nicht vielleicht sogar gerechtfertigt, wenn Europa die Mauern hochzieht und niemanden mehr hereinlassen will? Ist dies nicht gar eine konsequente Antwort? Ja – und zugleich ist es das Eingeständnis des Scheiterns: Wir können ohnehin nichts mehr machen. Verteidigen wir also immerhin das Wenige, das wir haben. Humanität, Menschenrechte, westliche Werte – das alles wird in ein paar Jahren, sagen wir mal: 20 oder 30 Jahren, nur noch Gewäsch von gestern sein. Dann werden wir anders darüber denken. Dann wird man dieser Abschottungspolitik zustimmen.

Wollen wir das? Sind wir dann noch Menschen?

Die Grünen wurden in Bremen bereits abgestraft

Im Leitartikel der FR vom 12. Mai 2023, – Seehofer lässt grüßen – zerrupft Pitt von Bebenburg nicht nur die enttäuschenden Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels zur Flüchtlingsfrage, nein, die gesamte Ampelpolitik im Umgang mit Geflüchteten kommt auf den Prüfstand.

Richtig ist, dass die Bundesregierung unter höchstem internationalen Krisendruck steht. Zugleich wird sie getrieben von diversen Landesfürsten, die ihr parteipolitisches Süppchen kochen möchten und sich mit ihrer Hardlinerpolitik tatsächlich auf die Spuren des längst abgedankten Innenministers Seehofer begeben. Dass aber die Bundesregierung dieses perfide Spiel mitmacht, indem Asylverfahren an die Außengrenzen der EU ausgelagert werden sollen, ist ein Zeichen der Hilflosigkeit und Inkonsequenz. Angetreten noch mit Plänen für eine humane Flüchtlingspolitik setzt sie damit nun unverständlicherweise auf fremdenfeindlichen Aktionismus, der absolut kontraproduktiv ist. Das ist für die Kanzlerpartei sowie für die Grünen in der Ampel absolut enttäuschend. Insbesondere Letztere wurden nicht zuletzt deswegen schon mal in Bremen abgestraft.

Weitaus besser wäre gewesen, international für eine friedenspolitisch gesunde Entwicklungszusammenarbeit zwischen den wohlhabenden Ländern des Nordens und den verarmten Südländern und für fairen Handel mit ihnen und Zusammenarbeit auf Augenhöhe einzutreten. Migrationsprobleme und Flüchtlingsleid wären dadurch bestimmt menschlicher und vor allem nachhaltiger zu lösen, als durch menschenverachtende Abschottung und Asylrecht verletzende „outgesourcte“ Verfahren an EU Außengrenzen.

Dieter H. Höper, Sittensen

Nach den Vorgaben von Hilfsbuchhalter Lindner

Weltweit fliehen Millionen Menschen vor Armut, Krieg und Unterdrückung aus ihren Heimatländern. Die meisten von jenen, die in Deutschland ankommen, stammen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Ende 2021 waren etwa 1,94 Millionen Schutzsuchende registriert. Mittlerweile dürften mindestens 100 000 weitere hinzugekommen sein. Außerdem haben seit März 2022 fast eine Million Ukrainer um (zumindest vorübergehendes) Asyl nachgesucht. Sie alle haben ein Recht auf eine humane Behandlung, sprich auf Unterkunft, Verpflegung und integrative Maßnahmen.
Doch das Deutschland der sogenannten Zeitenwende rechnet sich nach den Vorgaben des Berliner Hilfsbuchhalters Christian Lindner arm. Es ist zu befürchten, dass es wegen der Kosten zu Verteilungskämpfen kommt. Dass die Emigranten gegen die sozial Schwächeren ausgespielt werden, der Bau von Ghettos gegen den von Wohnungen, Schulen und Kulturstätten.

Die Katastrophen, denen die Geflüchteten entrinnen wollten, wurden vorrangig heraufbeschworen von Russland bzw. Staaten der ehemaligen Sowjetunion, der VR China, Saudi-Arabien, arabischen Emiraten, Iran sowie deren Verbündeten. Aus diesen Ländern zieht es viele Vermögende in die Bundesrepublik, wo sie in Betongold investieren. Am Beispiel von Frankfurt am Main lässt sich belegen, dass während der letzten 20 Jahre Luxusimmobilien zu einem nennenswerten Anteil an Kapitalanleger, Steuerflüchtlinge und Geldwäscher aus den erwähnten Ausbeuterstaaten verkauft wurden.

Während die Verursacher des Elends hierzulande im Reichtum schwelgen, vegetieren ihre Opfer in den neuen Ghettos am Rand der Großstädte. Es ist an der Zeit, die Lasten neu zu verteilen. Wenn man schon die diktatorischen Regime nicht von heute auf morgen besiegen kann, ihre Vermögen lassen sich legal und rasch zu Gunsten des Allgemeinwohls beschlagnahmen und enteignen.

Klaus Philipp Mertens, Frankfurt

Liebe Redaktion

Der Leitartikel von Pitt von Bebenburg zum Bund-Länder-Gipfel zum Umgang mit Geflüchteten ist in der derzeitigen Situation extrem wichtig und zutreffend. Ich möchte mich eigentlich nicht an der Diskussion über die finanziellen Aspekte beteiligen, die mir allerdings als seitens der Bundesregierung als sehr knauserig erscheinen. Ich fühle mich als Sozialdemokrat in dieser Situation fatal an das Jahr 1993 erinnert. Damals wurde das Asylrecht in der Bundesrepublik schon einmal fast abgeschafft. Und die Perle unserer Verfassung, das in Artikel 16 Grundgesetz garantierte Asylrecht, wurde damals fast abgeschafft. Die Konsequenz, die ich damals als Sozialdemokrat zog, war der Austritt aus der SPD weil diese der Asylrechtsänderung zustimmte. Nun, ich bin im Jahre 2018 wieder in die SPD eingetreten und muss leider feststellen, dass die Verantwortlichen in meiner Partei es wieder hinnehmen und sogar forcieren, dass das Asylrecht in der Praxis wieder abgeschafft wird. Viele Menschen aus vielen Ländern strömen nach Europa und in die Bundesrepublik weil sie bei uns Schutz, Hilfe und Perspektive suchen. Ich werde diesmal gewiss die SPD nicht verlassen aber ich werde in allen Bereichen, in denen ich Möglichkeiten dazu habe, und auch als aktives Mitglied bei Amnesty International, gegen die menschenrechtlich in der Tat höchst bedenklichen Beschlüsse der Bundesregierung argumentieren. Den Kommunen, das ist die eine Frage, muss geholfen werden, gerade auch finanziell. Doch wer von „irregulärer Migration“ und Schutz für die Bundesrepublik spricht, der hat nicht begriffen, dass die zu uns kommenden Menschen in einer verzweifelten Situation sind und diese immer noch sehr reiche Bundesrepublik auch im Sinne des Geistes des Grundgesetzes handeln muss und die Betroffenen nicht noch weiter diskriminieren darf. Gerade die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung muss dafür werben, Menschen aufzunehmen und dafür kämpfen, dass die Dämme der Humanität nicht gesprengt werden. Mit Verlagerung von Asylverfahren an die Außengrenzen ist letzten Endes keinem geholfen. Ja, Pitt von Bebenburg hat recht, diese Welt ist aus den Fugen geraten. Doch gerade in einer solchen Welt haben alle, die sich den humanitären Grundwerten verpflichtet fühlen, eine besondere Verantwortung. Man darf gespannt sein, wie die Grünen diese erneute Umorientierung in der Asylpolitik verkraften werden. Wer Menschenrechte hoch halten will, und ich gehe noch davon aus, dass das die Mehrheit der Ampelkoalition das will, der darf keine primitive Abschottungspolitik betreiben und die Festung Europa noch stablilisieren sondern muss sich schützend und unterstützend für die Menschen einsetzen, die unsere Hilfe brauchen. Ich befürchte allerdings, dass Deutschlands Rechte, von der CSU über die AfD bis noch weiter rechts, das sich abspielende Elend der Geflüchteten für sich ausnutzen werden und das politische Klima in diesem Land weiter vergiften werden. Ich sehe äußerst pessimistisch in die Zukunft.

Manfred Kirsch, Neuwied

In den Betonköpfen unserer Behörden

Dass sich nach einer Gesetzesänderung da etwas ändert? Allein mir fehlt der Glaube! Beispiel: Der Lebensgefährte meiner Tochter wurde 1990 als Sohn italienischer Eltern (eingewandert Mitte der 1980er) in Hessen geboren. Ging in die Kita, absolvierte Grundschule, Gymnasium, Ausbildung, hat in einer renommierten Firma eine sehr gute Stelle.

Vor einiger Zeit bemühte er sich um einen deutschen Pass. Musste sich von einer Behördenangestellten sagen lassen, dass kann fünf Jahre dauern, da sie O-Ton nur vier Anträge täglich gearbeitet. Zusätzlich solle er nachweisen, dass er die ganzen Jahre in Deutschland war…hallo…Kita, Schule, Ausbildung, Arbeitsstelle…und dazu noch einen Sprachtest…sind 14 Punkte im Abi nicht Beweis genug?…Das sind nicht alle Schikanen, nur das, was ich mir gemerkt habe, als er es mir erzählt hat.

Ach, doch noch was. Der Vater hat doch noch nach über vierzig Jahren nach seiner Pensionierung die Anerkennung seines italienischen Meisterbriefs bekommen.

Bevor man nicht den gelebten Rassismus aus den Betonköpfen unsere Behörden herausgemeißelt hat, wird sich gar nichts, aber auch gar nichts ändern. Die Dame in der Behörde macht dann einfach nur noch drei Anträge und klagt über ihre Überarbeitung nah am Burnout.

Ulrike Martin, Langen

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14 Kommentare zu “Asylpolitik: Unter höchstem Krisendruck

  1. Vor ein paar Wochen habe ich eigentlich aus Zufall eine Reportage im ZDF gesehen die davon handelte das es in der Antarktis Zeiten gab in denen es sich dort ganz gut hat leben lassen. Ich habe das nicht gewusst. Der Grund war das in zwei der ich glaube 4 großen Klimakrisen in denen ein großer Teil des Lebens auf der Erde ausgestorben ist dort angenehme Temperaturen geherrscht haben. In allen anderen Regionen war es so heiß das Leben nicht möglich war auch in den Meeren. Das Ganze wurde von Vulkanen verursacht die riesige Mengen an CO 2 an die Atmosphäre abgegeben haben und dadurch eine Heißzeit ausgelöst haben. Ob der jetzige Klimawandel auch so endet weiß ich nicht aber es hat auch etwas tröstliches zu wissen das es einen Kontinent gibt auf dem dann auch Menschen auf jeden Fall überleben können. Allerdings sicher nicht Milliarden. Derzeit ist damit zumindest in den nächsten Jahrzehnten erstmal nicht zu rechnen aber mit dem was man in der Schule als Völkerwanderung gelernt hat wohl schon. Es spricht einiges dafür das diese schon begonnen hat. Zu denken das wir in Europa das händeln könnten ist langfristig naiv. Es wird gar nicht anderes übrig bleiben als die Grenzen hoch zu ziehen. Das ist zwar klar, wie Bronski oben geschrieben hat, ein Scheitern der Klimapolitik aber dieses Scheitern ist schon vor vielen Jahren erfolgt. Das lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Dass das nichts anderes als eine Katastrophe biblischen Ausmaßes ist ändert genau nichts.

  2. !993 einigten sich die SPD und CDU auf den sogenannten ‚Asylkompromiss‘ GG, Art. 19a, der ein Paket von Durchlöcherungen des Menschenrechts auf Asyl gebracht hat, und den Einstieg bedeutete für die Erosion, die nunmehr nach 30 Jahren innerhalb der gesamten EU auf ihren Höhepunkt zutreibt. Unter Führung der sozialdemokratische deutschen Innenministerin Faeser – „ein historisches Momentum“- und mit Blick auf die kommenden Verhandlungen in Brüssel wird das Ziel ausgegeben, die Asylverfahren an die Außengrenzen der EU oder sogar in vorgelagerte Räume zu verlagern, um im Anschluss einen „solidarischen Ausgleich“ der Mitgliedstaaten bei der Aufnahme der anerkannten Asylbewerber vorzunehmen. Schutzsuchende können demnach nicht mehr innerhalb der einzelnen EU-Staaten ihren Antrag stellen. Stattdessen müssen sie unter der juristischen Konstruktion ‚Fiktion der Nichteinreise‘ ihre Verfahren durchlaufen. Solch drastische Einschränkungen hatte vor 5 Jahren von den demokratischen Parteien nur die CSU gefordert. Wenige Tage vor dem Flüchtlingsgipfel mit den Ländern mahnte der FDP-Generalsekretär Djir-Sarai „die katastrophalen Fehler …der Kanzlerin Merkel dürfen sich nicht wiederholen, andernfalls wird die Akzeptanz der Menschen vor Ort für Einwanderung und Inklusion schwinden“. Als ob ein Menschenrecht auf Schutz vor Krieg, Verfolgung und Entrechtung außer Kraft gesetzt werden könnte angesichts des Murrens örtlicher Bevölkerungsgruppen, denen man weder ausreichend erklärt hat, wie es in den Ländern, aus denen die Schutzsuchenden wie z.B. Afghanistan und Syrien kommen, aussieht und denen -das stimmt- wenig Hilfe der Länder und der Bundesregierungen zuteil wurde. Die hat man weitgehend Ehrenamtlichen aus der Zivilgesellschaft und NGO’s überlassen. Und als Blaupause für Abschreckung scheint nunmehr das höllische Lager ‚Moria‘ auf Lesbos zu fungieren, in dem Kinder weder Zugang zu medizinischer Versorgung oder zu Schulen hatten. Wie übrigens in der Abwehr und Zurückschiebung (Pushbacks) von Asylsuchenden verfahren wird, kann man schon heute an den Grenzen zwischen Österreich und Bayern besichtigen. Mehr als 25000 Personen wurde die Einreise verwehrt, mehr als 15000 der Einreisenden wurden von der Bundespolizei umgehen und ohne Prüfung ihres Asylanspruchs zurückgeschickt (s. FR v. 30.5.). Das Erste, was sie also in Deutschland erfahren haben, war ein Rechtsbruch. Gratulation! Und sage niemand, das seien Einzelfälle oder die Taten rechtsextremer einzelner Polizisten. Das war die Grenzpolizei, also Bundespolizisten, also die Anordnung des Bundesinnenministeriums. Im Vorgriff.

  3. Seit der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl 1993 durch CDU/CSU und SPD und die nachfolgenden Verschärfungen auf deutscher und europäischer Ebene kann von einer Menschenrechtspolitik nicht mehr gesprochen werden.
    Ein kurzer Rückblick auf die „menschenrechtsbasierte“ Asylpolitik: 1994 Tod von Bankole, eingeschnürt wie ein Paket. 1995: Abgeschoben, obwohl der Operationstermin feststand; Bayerischer Ex-Innenminister läuft Sturm gegen das neue Asylrecht. 1996: Zweijähriges Kind soll aus Niedersachsen in den Libanon zurück; Bonn will abschieben auch bei Verfolgung; Ausweisung aus Sozialhygiene. 1997: Falscher Arzt beim BG stellte Asylbewerber ruhig; UNHCR rügt deutsche Asylpraxis. 1998: Abschiebung war rechtswidrig; Abschiebehaft: Jede zweite Beschwerde begründet; Abschiebung in Nachthemd und Pantoffeln; Hans Koschnik: Bosnier-Abschiebung „Wie zu Gestapo-Zeit“. 2015: Europa treibt die Menschen aufs Meer. 2017: Die EU sieht dem Sterben einfach zu.
    Diese Liste könnte bis heute fortgesetzt werden. Im Jahr 2016 starben über 5 000 Menschen auf dem Seeweg nach Europa. Bis 11. Mai 2023 starben 1074 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer. Seit dem Jahr 2014 waren bis zu diesem Zeitpunkt mehr als 26 832 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken. Mindestens!
    Da wirkt es nur noch zynisch und menschenverachtend, wenn die sozialdemokratische Bundesinnenministerin Faeser von einem „Europa der offenen Grenzen“ spricht. Und dann will sie die Ausnahme für Kinder und Jugendliche von den Asylverfahren an den EU-Außengrenzen als Erfolg verkaufen. Eine Menschenrechtspolitik sieht anders aus!

  4. Grenzkontrollen wiedereinzuführen, würde bedeuten, den Güterverkehr in Europa empfindlich zu behindern. Das darf nicht geschehen, die Lastwagen müssen rollen.
    Kämen aber auch Flüchtlinge bis zur deutschen Grenze, müsste ihr Asylantrag in einem rechtsstaatlichen Verfahren geprüft werden, wobei bei Ablehnung noch der Klageweg offen stünde. Also müssen sie an den EU-Außengrenzen festgehalten werden. Die Grenzländer hatten die ihnen oktroyierte Aufgabe, die Unerwünschten zurückzuweisen oder gefälligst selbst aufzunehmen, nicht zufriedenstellend erfüllt.
    Frau Baerbock spricht mit Krokodilstränen von einem „bitteren Kompromiss“ – zu wessen Lasten? Zu Lasten des dann nicht mehr ganz so guten Gewissens der Grünen? Wohl eher auf Kosten der hilfesuchenden Menschen. Es klingt wie schwarze Pädagogik, wo man den Kindern bevor man sie verprügelte, „erklärte“, warum das notwendig und gerecht sei.
    Sogar auf dem Kirchentag lässt man diesen Offenbarungseid der Mitmenschlichkeit absegnen. Interessant, was unsere „wertebasierte Grundordnung“ so alles erlaubt.

  5. Geas ist nur die konsequente Weiterführung ausbeuterischer Freihandelsabkommen und Waffenlieferungen zum Vorteil westlicher Konzerne bzw. Sicherstellung politischer Einflussnahme in Drittstaaten! GFK funktioniert nur solange es relativ wenige gibt die sich darauf berufen. Nach Jahrzehnten postkolonialer Ausbeutung durch den Westen kommen doch aktuell nur die vorhersehbaren Auswirkungen ungeschminkt ans Tageslicht.
    Jetzt kann die Politik sich nur hinter keinem Feigenblatt mehr verstecken. Die teuflische Fratze der menschenverachtenden Ausbeutungspolitik ist für alle sichtbar! Es wird immer weniger Menschenrechte geben je mehr Flüchtlinge kommen. Wir werden es erleben! Dass der Westen dafür aus Steuergelder die Zeche zahlt, die Demokratie dabei von Rechten kaputt gemacht wird und die Steuerzahlungen vermeidenden Konzerne, die lachenden 3. sind und bleiben, ist nur der Preis den wir gerechter Weise (jedes Volk verdient seine gewählte Regierung auch) dafür zahlen müssen. Wie realitätsfremd und/oder korrupt müssen unsere Volksvertreter nach dem 2. Weltkrieg in der Mehrzahl denn gewesen sein um diese Rahmenbedingungen für ein neoliberales Wirtschaftssystem zu installieren? Es heißt so schön „der Markt wird es richten“, er hat es „hingerichtet“. Zumindest aus der Sichtweise der Mehrheit der Weltbevölkerung.

  6. Michael Kretschmer meint: Die Anzahl der Menschen sei einfach zu groß, deshalb müssten die Zahlen reduziert werden. Bitte, Herr Kretschmer: Reduzieren Sie Zahlen, so viel Sie wollen. Aber reduzieren sie nicht Menschen!

  7. Das Asylrecht ist nicht unter höchstem Krisendruck. Der wird erst noch kommen wenn die Klimakrise ihren lauf nimmt. Die UN hat gesagt das bis zum Ende des Jahrhunderts bis zu 3 Milliarden Menschen in Regionen wohnen in denen Wohnen eigentlich nicht möglich ist. Wie damit umgegangen werden soll weiß ich nicht aber man sollte sich darauf vorbereiten und zumindest die Hoffnung nicht aufgeben das es noch Schutz für politisch Verfolgte geben wird. Leute die das nicht sind werden wir hier sicher nicht mehr aufnehmen können und wollen.

  8. Wir werden von Flüchtlingen überschemmt. Ich bin der Ansicht, dass eine drastische Begrenzung der Flüchtlingszahlen geboten ist. Neben Flüchtlingen aus aller Welt hat Deutschland über 1 Million Flüchtlinge aus der Ukraine ausserplanmässig aufgenommen.
    Meine Frau und ich engagieren uns seit 2016 in der Flüchtlingshilfe : Sprachunterricht ; persönliche Betreung einer Flüchtlingsfamilie ( Behördengänge ; finanzielle Unterstützung usw.). Wir wissen, wie schwer es für diese Personen ist, hier Fuß zu fassen. Leider müssen wir auch feststellen , dass viele Flüchtlinge sich nicht integrieren wollen; sie wollen möglichst ihre eigene Sprache sprechen und wollen ihre Kultur beibehalten; ja sie wollen uns möglichst ihre Kultur aufzwingen. Viele kommen nur sehr unregelmäßig zum Sprachunterricht.
    Es ist leicht vom gemütlichen Bürosessel Forderungen zur Aufnahme aller Flüchtlinge zu stellen.
    Diese Personen sollten sich einmal selbst engagieren.

  9. Diesen fiesen Deal, der eine weitere Aushöhlung des Asylrechts bedeutet, als eine Reform zu bezeichnen, halte ich für zynisch. Das Ziel ist doch, Menschen in existenzieller Not und auf der Flucht mit möglichst rabiaten Mitteln abzuschrecken. Dabei wird das Recht, auf das sich alle so gerne beziehen, wenn es ihnen in den Kram paßt, so gebeugt und nach eigenem Gutdünken zurechtgeschustert, dass auch Polen, Ungarn und Österreich zustimmen können. Das deutsche Anliegen, womöglich gut gemeint, Familien mit Kindern besser behandeln zu wollen, zeugt leider auch von einem schrägen Rechtsverständnis, denn alle Menschen sollten doch vor dem Gesetz gleich sein. Und diesen unmenschlichen Deal verkauft uns Innenministerin Faeser als „ein historischer Erfolg“. AfD Wähler werden sich bedanken, natürlich nicht bei ihr oder ihrer Partei. Und nachher ist dann wieder die scheinheilige Verwunderung groß, wenn diese affektgeladene Bewegung, die sich Partei nennen darf, in Umfragen wieder zulegt. Die Grünen präsentieren mal wieder ihre Ambivalenz nach dem
    Motto: Wir würden ja gerne, aber mehr war nicht drin, weshalb wir jetzt als Schafe mit den Wölfen heulen.

  10. Die verbohrte und fanatische grüne Jugend muss endlich mal zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland nicht die „Tränen der Welt“ trocknen kann. Der Staat soll und der Staat soll! Keine Geschichtskenntnis vorhanden. Wo bleibt die eigene Opferbereitschaft, der Verzicht der „Wohlstandskinder“? Mal über den Tellerrand schauen!

  11. Weder hohe Mauern noch Migrationszentren werden die Zahl der Menschen, die nach Europa wollen, verringern. Doch es gibt wirksame Mittel: Man muss die Fluchtursachen bekämpfen – nicht die Flüchtlinge.
    1. Zerstörung der Lebensgrundlagen, Beispiel: Burkina Faso. Das Land hatte auch eine Milchviehwirtschaft. Aber dann exportiert Deutschland von der EU subventioniertes Milchpulver, das billiger ist, als die einheimischen Milchbauern produzieren können. Wo es genug Wasser gibt, wird heute Baumwolle angebaut, die dann in der Türkei und Bangladesch für unsere Textilien weiterverarbeitet wird. Landgrabbing „Pech“ für die einheimische Bevölkerung.
    Beispiel Kenia: Am Fuß des Kilimandscharo sind Gewächs-häuser mit Rosenplantagen für den Export nach Europa und fruchtbares Land für einheimische Bauern. In trockenen Jahren wurde das Land der Bauern früher vom Schmelzwasser des Kilimandscharo bewässert. Darauf haben jetzt die Gewächs-häuser den ersten Zugriff. Pech für die Bauern.
    Es gibt viele ähnliche Beispiele – von den Kakaobohnen aus Ghana und der Elfenbeinküste, die nahezu ausschließlich bei uns veredelt werden, bis zu den schwimmenden Fischfabriken, die das Meer an den Küsten Ostafrikas leerfischen. Wenn wir aufhörten, in den Ländern des Südens die Lebensgrundlagen der Einwohner für uns zu nutzen, würde viele lieber in ihrer Heimat leben.
    2. Waffenlieferungen. Beispiel: Im Jahr 2020 war die Türkei der größte Waffenkäufer von Deutschland. Die Waffenverkäufe wurde fortgesetzt, auch nachdem die Türkei in Nordsyrien einmarschiert war und dort in einem breiten Streifen Kurden vertrieben hat. Menschen aus Syrien gehören zu den drei größten Flüchtlingsgruppen in Deutschland. Viele wären gewiss lieber in ihrer Heimat geblieben. Auch unsere Waffen haben sie vertrieben. Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten.
    3. Klimazerstörungen. Weltweit nehmen Dürren und Flutkatastrophen zu, betroffen sind vor allem die Länder des Südens, die selbst am wenigsten zur Zerstörung des Klimas beigetragen haben. Bestenfalls erfahren wir, wenn aktuell ein Tropensturm in Bangladesch das tiefgelegene Land verwüstet. Ich war Jahre nach dem Sturm Ayla dort: Große Gebiete waren noch immer für den Reisanbau ungeeignet, weil die Böden durch das eingedrungene Meerwasser versalzen sind. Wenn wir mehr im Klimaschutz tun würden (Tempolimit auf der Autobahn), brauchten Menschen nicht ihre Heimat zu verlassen.
    Eine Flucht mit hohen Kosten und großen Gefahren ist wahrhaftig nicht attraktiv. Ein Flüchtling sagte mir einmal: So schön ist es für mich hier nicht, ich wäre lieber bei meinen Kindern. Ich bin hier und mache jede Arbeit für wenig Geld, damit sie leben können. Ist das ein Verbrechen? – Zudem gebe ich zu bedenken: 40 Millionen der 100 Millionen Flüchtlinge weltweit sind Kinder! Vor allem Frauen flüchten mit ihren Kindern, um ihnen Schutz und Zukunft zu geben.
    Eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung (keine Zerstörung der Lebensgrundlagen für unseren Nutzen), keine Waffenverkäufe und ernsthafter Klimaschutz sind nicht nur menschlicher, sie wären auch effektiver als die brutale Verteidigung der Festung Europa mit immer neuen Unmenschlichkeiten.
    Natürlich sind die dagegen, die an der jetzigen Situation verdienen.

  12. Zum Tag des Flüchtlings passt der sogenannte „Asylkompromiss“ wie die Faust aufs Auge. Bei einem Kompromiss werden Dinge verhandelt, die verhandelbar sind. Sind denn seit neustem Grundrechte und Grundlagen der Demokratie, wie sie weitgehend bisher verstanden und bei jeder sich bietenden Gelegenheit von Politikern fast aller Couleur lauthals beschworen wurden, verhandelbar?! Ich denke nicht. Dieser „Kompromiss“ ist ein Kotau und Ausverkauf und kein Kompromiss! – wenn man denn Grundrechte verkaufen kann.
    Bei diesem „Kompromiss“ werden die beschworenen Grundlagen und Grundrechte aufs mieseste unterlaufen bzw. nicht mehr wahrnehmbar und einklagbar ausgehebelt. Inzwischen haben sich mehrere namhafte ehrwürdige Organisationen gegen diesen „Kompromis“ ausgesprochen und mit gut begründeter Argumentation Stellung bezogen – so z.B. in der Wochenendausgabe der TAZ Rechtsanwälte, die sich mit der Migrationsproblematik engagieren, Pro Asyl, und viele andere mehr. Leider hat hier scheinbar keine Kommunikation untereinander stattgefunden – denn nur gemeinsam sind wir stark. Vielleicht gelingt dies ja noch – ich wünsche es mir sehr! Hier wird die Demokratie verteidigt – und nicht am Hindukusch und sonstwo!

  13. Ich habe erfreut zur Kenntnis genommen, dass es Herrn Koenigs nicht darum geht, auf Biegen und Brechen, die Zahl der Geflüchteten, die in Europa ankommen, zu reduzieren. Hier möchte ich daran erinnern, daß Europa, weltweit gesehen, nur einen kleinen Teil der Menschen aufnimmt, die derzeit auf der Flucht sind, daß nach wie vor Länder wie Libanon, Kenia, Bangladesh usw. viel stärker betroffen sind.
    Dann aber bin ich über eine Formulierung gestolpert, die man überall liest und hört und über die ich mich jedesmal ärgere: ,,Menschen ohne Bleibeperspektive“. Das suggeriert, als sei die ominöse ,Beleibeperspektive‘ eine genetische Eigenschaft von Menschen, besonders natürlich von solchen aus dem globalen Süden, die diese entweder haben oder eben nicht. Diese ,Bleibeperspektive‘ wird den Menschen aber doch zugeschrieben, Ukrainer z.B. haben sie automatisch. Man müßte also
    formulieren: ,,Menschen, denen eine Bleibeperspektive zugesprochen werden soll“ – das wäre korrekter.
    Der Interviewer Claus-Jürgen Göpfert ist da genauer, denn er schwächt wenigstens ab, wenn er formuliert: ,,Menschen, die keine Bleibeperspektive haben, wie das so schön heißt“ und macht damit deutlich, daß die ,Bleibeperspektive‘ zugesprochen wird und nicht angeboren ist. Herr Göpfert hätte da ruhig noch deutlicher werden dürfen.
    Auch die Menschen ohne sog. Bleibeperspektive können ja gute und nachvollziehbare Gründe haben, weswegen sie in Europa leben wollen, und sind keine lästigen Insekten, die es abzuwehren gilt.

  14. Bei dem ausgehandelten Kompromiss werden ja nicht Grundrechte „verhandelt“, wie Herr Rüth meint, sondern es wird der Versuch gemacht, die Politik der EU-Staaten besser abzustimmen. Das ist auch dringend nötig.
    Und dabei kann man durchaus Kompromisse schließen. Europa funktioniert nicht anders. Und wer Kompromisse in unserem Land, auch in der Asylpolitik, ausschließen will, muss dann auch Teile der Realität ausblenden: Geflüchtete Menschen sind auf Ressourcen angewiesen, die in unserem Land -u.a. wegen des Fachkräftemangels- sehr knapp sind: Wohnung, Bildung, Gesundheit, soziale Betreuung. Das führt natürlich zu Konflikten, diese lassen sich nur über Kompromisse lösen.
    NGOs, die sich auf die Flüchtlingspolitik konzentrieren, dürfen das alles ausblenden und Kompromisse verurteilen. Politiker sind aber gerade auch den Menschen verpflichtet, die hier leben und arbeiten, Steuern und Abgaben entrichten und auf die genannten Ressourcen auch angewiesen sind. Das muss mit dem Beitrag, den Deutschland zur Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen leisten kann, abgewogen werden. Auch da führt an Kompromissen kein Weg vorbei.
    Insofern ist der Asylkompromiss nachvollziehbar, genau so wie die stärkere Arbeitsmarktorientierung im künftigen Einwanderungsrecht.

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