Sigmar Gabriel hat Hebron besucht und dann was auf Facebook geschrieben. Immerhin hat er sich dabei diesmal nicht verschrieben, wie er es sonst gern tut. Kurz und knackig schreibt er:

„Ich war gerade in Hebron. Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keine Rechtfertigung gibt.“

Später bezeichnete er diese Äußerung als „drastisch“, aber da war es schon zu spät, der „shitstorm“ war schon über ihn hereingebrochen. Antisemitismus und Rassismus wurde ihm auf Facebook vorgworfen. Auch politisch ging es rüde zur Sache. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe: „Verbaler Totalausfall.“ CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder: „Inakzeptabel.“

Ach, wenn man nur mal in Ruhe über Israel und seine Palästinenserpolitik reden könnte! Aber da scheint es nur die extremen Lager zu geben. Leider sind solche Äußerungen wie die Gabriels – Pegelstände einer Populistenseele – kein Stück dazu angetan, irgendetwas in dieser Debatte zu bewegen.

Ist Israel ein Apartheidsstaat? Historische Vergleiche hinken so gut wie immer. Die Apartheid war eine Rassentrennungspolitik in Südafrika. Die schwarze Bevölkerung hatte keinerlei Wahlrecht, war mit Berufsverboten belegt – insbesondere durfte sie nicht in den Staatsdienst eintreten -, war von höherer Bildung abgeschnitten. Und es gab zahllose diskriminierende Bestimmungen darüber, wie sich die schwarze Bevölkerung im öffentlichen Raum zu verhalten, zu bewegen, am besten unsichtbar zu sein hatte.

Das alles trifft auf Israel nicht zu – zumindest formal nicht. Die Muslime in Israel haben volle Bürgerrechte, Arabisch ist neben Hebräisch Amtssprache. Muslime finden sich im öffentlichen Dienst und haben eigene Parteien in der Knesset. So weit die Form. Es gibt in Israel keine Apartheid-Gesetze wie damals in Südafrika. In der Praxis aber gibt es Rassismus und Ausgrenzung. Das hat nicht nur Sigmar Gabriel erlebt, dessen Empörung man ihm bei aller indiplomatischen Tapsigkeit wohl abnehmen darf, sondern das schrieb vor rund vier Monaten auch Amos Schocken, der Eigentümer und Herausgeber der liberalen israelischen Zeitung Haaretz, in seinem Gastbeitrag „Die israelische Apartheid“ für die FR:

„Die palästinensischen Bürger Israels werden ebenfalls diskriminiert, indem ihre Bürgerrechte beschnitten werden oder ihnen die Staatsbürgerschaft entzogen wird. Es ist eine Strategie der Landnahme und Apartheid. Trotz vieler Unterschiede zur ursprünglichen Verwendung des Begriffs für die Unterdrückung der Schwarzen durch die Weißen in Südafrika gibt es Gemeinsamkeiten zu den von Israel besetzten Gebieten: In einer Region leben zwei Bevölkerungsgruppen, von denen eine alle Rechte und jeden Schutz genießt, während die andere ihrer Rechte beraubt und von der ersten Gruppe unterdrückt wird. Das sind abscheulich undemokratische Zustände.“

Maritta Tkalec kommentierte die Gabriel-Äußerung kritisch kommentiert. Der Kommentar ist online nicht erhältlich; was drinstand, ergibt sich leicht aus den folgenden Leserbriefen.

Frank Schwab aus Bickenbach meint:

„Mit Befremden habe ich den Kommentar von Maritta Tkalec bzgl. Herrn Gabriels Apartheids-Äußerung auf Facebook in der FR vom 17. März gelesen. Wieso meint Frau Tkalec nur mit haltlosen Unterstellungen etwas erreichen zu können: Herr Gabriel ist also „ahnungsarm“. Woher weiß sie das? Und woher will sie wissen, wen Herr Gabriel da angeblich adressiert hat? Wieso sollte Herr Gabriel sich plötzlich bei angeblichen links-deutschen Israelhassern einschmeicheln wollen, die er bis jetzt noch nie beachtet hat und die sowieso nur ein imaginiertes Feindbild sind? Warum diese Unterstellungen? Warum diese Aggressivität? Viel wahrscheinlicher ist es, dass Herr Gabriel einfach geschockt war von dem, was er gesehen hat und diesen Schock einfach und klar benannt hat. So einfach ist das und da braucht man gar keine komplizierten Gründe, Feindbilder und schon gar keine Unterstellungen.“

Friedrich Gehring aus Backnang:

„Maritta Tkalek behauptet, das Thema Apartheid in Israel sei „nicht so tabu, wie jetzt aufgeregte Geister tun“, aber sie bestätigt das Tabu, wenn sie die „linksdeutschen Palästinafreunde“ an den Pranger stellt mit der verleumderischen Behauptung, ihr Engagement speise sich aus „pazifistisch ummanteltem Israelhass“. Sie bläst dabei in das Horn Menschenrechts verachtender Israelfreunde und scheint nicht zu bemerken, in welche Kreise sie sich damit begibt. In der Frankfurter Rundschau vom 15.3.2011 hätte sie auf S. 31 erfahren können, dass der Israelfreund Axel Springer den „Sechstagekrieg als israelische Fortsetzung von Rommels Taten“ darstellen ließ. Solche Israelfreunde wollen die Lektion aus der deutschen Nazivergangenheit nicht lernen, sonst wüssten sie, wie die Verachtung der Menschenrechte endet. Wahre deutsche Freunde Israels warnen Israel davor. Sigmar Gabriel hat seine Stimme zu Recht erhoben.“

Dr. Dietmut Thilenius aus Bad Soden:

„Ich finde es sehr gut, dass Maritta Tkalec die liberale israelische Zeitung Haaretz aus dem Nov. 2011 zitiert, die zweierlei Bevölkerungsgruppen in Israel/Palästina beschreibt: die eine Gruppe hat alle Rechte, genießt jeden möglichen Schutz, die andere Gruppe ist ihrer Rechte beraubt und wird von der 1. Gruppe unterdrückt. „Das sind abscheulich undemokratische Zustände“. Es gab daraufhin eine hitzige und ernsthafte Debatte in Israel.
Dann aber zieht M. Tkalec über Sigmar Gabriel und über Menschen her, die entsprechend der Haaretz Menschenrechte einfordern. Weil Gabriel undiplomatisch und aus dem Bauch heraus ins Facebook sein Entsetzen über die von ihm erlebten Menschenrechtsverletzungen an Palästinensern schrieb, wurde er von M.T. samt allen Kritikern des pazifistisch ummantelten Israelhasses angeklagt, in die linke Ecke, die Sündenbockecke, gestellt und aussortiert. Hat M. Tkalec keine Geschichte gelernt, dass sie nicht weiß, dass viele Linke (Juden und Nichtjuden) sich für soziale Gerechtigkeit bis heute einsetzten? So etwas Unqualifiziertes wie der 2. Teil in dieser Meinung hätte nicht abgedruckt werden sollen. Das ist verallgemeinernde Hetze. Auch in der deutschen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit gibt es zum Glück Menschen, die wie in der Haaretz Menschenrechte auf beiden ! Seiten einfordern.“

Jürgen Glökler aus Hirschberg:

„Sigmar Gabriel mag sich für einen Deutschen mit dem Begriff Apartheid in Israel/Palästina zu weit aus dem Fenster gelehnt haben. Es gibt aber ernst zu nehmende Leute, die sagen, dass damit eine Situation gemeint ist, in der verschiedene Bevölkerungsgruppen, die innerhalb eines Territoriums leben, unterschiedliche Rechte haben. Dies ist z.B.in Hebron ganz massiv der Fall, wie ich selbst erlebte. Die Siedler haben alle Rechte, hier nur einige wenige Beispiele: Sie bauen ihre Häuser hoch über die der einheimischen Bevölkerung, umgeben sie mit Natodraht und werfen ihren Müll auf die Häuser und das Abwasser leiten sie in die Basare unter ihnen. Die Schulkinder können nur aus Angst vor den Siedlern unter Schutz in die Schule , und all dies unter massivem israelischen militärischen Schutz.
Die FR-Korrespodentin Inge Günter hat viele Jahre äußerst einseitig aus diesem Krisengebiet berichtet, inzwischen aber wesentlich ausgewogener.Der Kommentar von Maritta Tkalec vom 17.3.12: „Gabriels Apartheidfrage“ ist aber vor allem im Schlusssatz unerträglich ;“Es sind jene linksdeutschen Palästinafreunde , deren Palästinaliebe sich aus pazifistischem Israelhass speist.“ Ich frage mich , wer da seinen Hass zeigt?
Als jahrzehntelanger FR-Leser verbitte ich mir so einen unerhörten und unqualifizierten Kommentar. Versöhnung tut Not.“

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123 Kommentare zu “Das bestätigte Tabu

  1. To Toulouse & Montauban:

    Will we be able to create a new culture DIFFERENT from this brute and primitive judeo-christian-muslimic-capitalist-communist world EVERYWHERE?

  2. Leider ist der Antisemitismus eine Gefahr, weil er immer wieder in neuer Form aufersteht.
    Den Staat Israel in Frage zu stellen führt in jedem Falle zu Antisemitismus.
    Auch das Übersehen von Antisemitismus bei Salfisten, Muslimbrüdern, Milli Görüs oder Grauen Wölfen führt zu Antisemitismus.
    Ebenso das Wegdiskutieren der Attentate von Toulouse, Frankfurt oder Madrid führt zu Antisemitismus.

  3. Dank an Herrn Liel für seinsen Gastbeitrag. Ich hoffe, seine fundierten Argumente kommen bei seinen Landsleuten an und machen viele nachdenklich. Wer wirklich in Frieden in Israel leben will, muss dies auch dem palästinensischen Volk möglich machen. Er zeigt den Weg dahin, der sicher nicht einfach sein wird. Die Verantwortung für die nachfolgenden Generationen sollte Grund genug sein, diesen Weg zu wählen. Ein neuer Krieg wird Israel keinen Frieden bringen. Es ist sehr zu hoffen, dass die Verantwortlichen dies begreifen, bevor es zu spät für eine Umkehr ist.

    http://www.fr-online.de/meinung/gastbeitrag-die-wuerde-der-anderen,1472602,11983064.html

  4. Im Thread „Schnatterecke? Plauderstübchen?“ spricht Wolfgang Fladung als „heikles Thema“ an: „Kann man pro-israelisch sein, und trotzdem Israel kritisieren? Ist man automatisch Antisemit, wenn man Israel kritisiert? Kann man den Holocaust als Begründung dafür (miß-)brauchen, um z.B. den Iran zu bombardieren?“

    Heikel ist nicht das Thema, sondern der Umgang damit. Es erinnert mich zu sehr an das in rechten Kreisen beliebte „Man wird doch sagen dürfen“, dem mit Sicherheit eine Ungeheuerlichkeit folgt. Sicher kann man Israel kritisieren und sicher ist nicht jede Kritik an Israel antisemitisch. Aber genauso sicher ist, dass es berechtigte, unberechtigte und dumme sowie antisemitische Kritik gibt. Und es gib merkwürdig verzerrte Wahrnehmungen des Konflikts, wofür Fladung gleich ein Beispiel liefert: Wer hat denn in Israel den Holocaust als Begründung dafür verwendet, „um Iran zu bombardieren“? Die auch in den Sicherheitskreise Israels kontroverse Debatte geht darum, wie die für Israel tödliche Gefahr einer Atombombe in den Händen jenseitsorientierter, von Hass auf Israel getriebener religiösen Fanatiker abgewendet werden kann. Die Befürworter eines militärischen Eingreifens (wobei nicht „der Iran“, sondern Irans militärische Atomanlagen angegriffen werden sollen) beziehen sich nur insofern auf den Holocaust, weil die jüdische Erfahrung zeigt, dass sich Juden nicht auf „die Welt“ verlassen können, sondern sich selbst wehren müssen. Diese Argumente kann man für falsch halten, nur ist es tatsächlich mehr als „heikel“, das Problem so wie Fladung zu verkürzen.

  5. Den Staat der Palästinenser in Frage zu stellen, der es bis heute immer noch nicht existiert, ist Antisemitismus und ich finde, Herr Fladung hat nichts verkürzt, denn mittlerweile wird von bestimmten Kreisen jede, auch noch so berechtigte Kritik an der Politik des Staates Israel mit dem Totschlagsargument des angeblichen Antisemitismus belegt. Die Politik dieses Staates Israel ist in weiten Teilen rassistisch gegenüber den Palästinensern, die ebenfalls Semiten sind, der palästinensischen Bevölkerung werden die Menschenrechte in weiten Teilen vorenthalten und die palästinensische Erfahrung zeigt, dass sich die Palästinenser nicht „auf die Welt“ verlassen können, weil bestimmte Staaten, allen voran die USA und auch Deutschland, ihnen das Recht auf einen eigenen Staat bis heute vorenthalten und mehr oder weniger tatenlos zusehen, wie ein Volk sämtlicher Bürgerrechte und seiner Würde weitgehend beraubt wird und Israel weiter eine extrem aggressive Siedlungspolitik auf fremdem Gebiet betreibt. Übrigens hat Israel schon seit langem atomare Waffen und ein Staat, der von einem anderen Staat verlangt, keine Atomwaffen zu bauen, sollte erstmal seine eigenen Atomwaffen abschaffen. Mit dem gleichen Recht könnte nämlich der Iran ebenfalls Israels militärische Atomwaffenanlagen angreifen. Israel ist bewaffnet bis an die Zähne und wer seine Mitmenschen, die Palästinenser, ohne Ende demütigt, abriegelt und ihrer Würde beraubt, der schafft keinen Frieden, sondern erzeugt Fanatismus nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Das „Übersehen“ dieser ungerechten und rassistischen Politik gegenüber den Palästinensern ist m.E. ebenfalls Antisemitismus. Die Palästinenser waren nicht schuld am Holocaust und es gibt keinen Grund, dass sie jetzt seit Jahrzehnten unter den Folgen dieses Menschheitsverbrechens leiden sollen und müssen.

  6. @abraham

    „weil die jüdische Erfahrung zeigt, dass sich Juden nicht auf „die Welt“ verlassen können“

    Die glückliche Tatsache, daß der Vernichtungswillen der Nationalsozialisten, zwar zu spät, aber dennoch gestoppt wurde, täuscht darüber hinweg, daß dieser nicht allein gegen Juden, Roma, Homosexuelle und viele andere Feindbilder oder angebliche Minderheiten gerichtet war, sondern gegen alle, die dem verengten, aus dem denkbar negativsten Sinne Begriff der Reinheit gespeisten Ordnungsbegriff nicht entsprechen.

    Es waren nicht Verbrechen gegen Menschen, gegen die Menschlichkeit oder gegen die Freiheit, die das Ungeheuerliche aufzeigen.

    Schon die Reduzierung auf Antisemitismus ist falsch. Es war nicht nur Unmenschlichkeit, es war Lebensfeindlichkeit.
    Man kann es nicht oft genug sagen: Wir alle sind potentielle Opfer, wir alle müssen deshalb Gegner solcher Gedanken sein.

  7. @ Sulaika

    Es ist genau diese „Auge um Auge, Zahn um Zahn“-Debatte, die dazu geführt hat, dass die Zustände festgefahren sind, und diese Debatte hatten wir hier im FR-Blog schon häufiger. Sie führt zu nichts. Kritik an Israel – wo sind die Grenzen zur Beschimpfung oder gar zur Hetze gegen Israel, wenn man bedenkt, dass, wie Abraham geschrieben hat, „die jüdische Erfahrung zeigt, dass sich die Juden nicht auf ‚die Welt‘ verlassen“ können, „die Welt“ – das sind jetzt meine Worte – den Juden aber die ganze Zeit Tipps gibt? Darunter auch den Tipp, den Islamisten von der Hamas – zusammen mit den gemäßigten Kräften – einen eigenen Staat zu geben, obwohl sie Israel ganz grundsätzlich das Existenzrecht abgesprochen haben bzw. absprechen?

    @ Standort

    Dass die Nazis auch Angehörige anderer Minderheiten verfolgt, gequält und ermordet haben, ist richtig, steht aber hier nicht zur Debatte. Es geht hier um Antisemitismus, diskutiert am Beispiel (?) einer spontanen Äußerung des SPD-Vorsitzenden. Der Gedanke, hinter der Nazi-Ideologie eine generelle Lebensfeindlichkeit zu vermuten, verstellt den Blick auf den Antisemitismus eher.

  8. Ich finde nicht, dass das eine Auge um Auge Zahn um Zahn Debatte ist, Bronski – die Zustände sind m.E. auch nicht wegen dieser Debatte festgefahren, sondern wegen der jahrzehntelangen Demütigung der Palästinenser und die Resolutionen der Uno, gegen die Israel fortgesetzt verstößt, sind kaum mehr zu zählen. So wird Frieden jedenfalls auf keinen Fall entstehen und ich verweise auf den von Frau Zimmer eingestellten Link – hier nennt der ehemalige Staatssekretär und Botschafter Alon Liel die Dinge in ähnlicher Weise beim Namen. Schon in 2003 hat Israel Übrigens ein Gesetz gegen Mischehen erlassen, das nicht nur von Amnesty International und vielen anderen Menschenrechtsorganisationen, sondern auch von vielen Israelis als eindeutig rassistisch definiert wird und ich schließe mich dieser Auffassung ausdrücklich an.

    Und um mit Alon Liel zu sprechen, der hierzu einen hervorragenden Kommentar in der FR geschrieben hat (obiger Link)
    „Wenn es aber nicht zur Zwei-Staaten-Lösung kommt – die zu einer globalen Endlosschleife von Lippenbekenntnissen verkommen ist –, wird der Apartheid-Vorwurf noch virulenter. Das ist reine Arithmetik, die keiner komplizierten Mathematik bedarf: Auch wenn es keine Zwei-Staaten-Lösung gibt, leben immer noch zwölf Millionen Menschen zwischen Mittelmeer und Jordan. Ein Staat ist vorhanden – Israel –, aber der zweite fehlt. Da drängt sich die Frage auch: Welche Rechte besitzen jene, die in dem Land leben, das kein Staat ist? Wo sind ihre Wahllokale? Was ist mit ihren individuellen und kollektiven Rechten?

    In der Welt werden diese Fragen immer lauter gestellt. Es gibt Antworten darauf. Doch in Israel wird nicht einmal gewagt, diese Fragen überhaupt zu stellen. Ohne Antworten jedoch mehren sich allerorten die Zweifel und die Anschuldigungen gegenüber Israel. Sigmar Gabriel ist einer von vielen besorgten Menschen, die diese schwierigen Fragen stellen, so wie andere Freunde Israels auch. Jene unter uns, die Israel lieben und sich um seine langfristige Zukunft Sorgen machen, müssen bereit sein, diese schwierigen Fragen zu artikulieren. Es ist an der Zeit für uns alle, sowohl in Israel als auch im Ausland, eine ehrliche Diskussion über Israels lang angelegte Politik zu beginnen, bevor es das Land genauso wie einst das Apartheid-Südafrika in den Abgrund stürzt.“

    Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Fortsetzung der israelischen Politik in dieser Form nicht nur die Palästinenser, sondern auch Israel in den Abgrund stürzen wird und diese Fragen müssen endlich gestellt werden. Diese Kritik einer rassistischen Politik hat mit Antisemitismus m.E. nicht das Geringste zu tun, das Gegenteil ist m.E. der Fall. Und das was in Nahost seit Jahren geschieht, ist m.E. geeignet, nicht „nur“ den Nahen Osten, sondern die ganze Welt in den Abgrund zu stürzen.

  9. @bronski

    Vielleicht sollten die Deutschen einfach mal aufhören, sich in die Politik anderer Staaten einzumischen.

    Mit Großmannsucht, Totalität, Teilungsschmerz und zuletzt mit Schuld- oder Relativierungsdebatten spielen sich die Deutschen auf, als käme ihnen ein Anteil am Schicksal der Welt zu.

  10. Nicht nur zu # 6, Abraham: Ich hatte mit meiner Äußerung im anderen Blog „Schnatterecke“, das der Holocaust keine Rechtfertigung für einen israelischen Angriffsschlag gegen den Iran herhalten kann, sagen wollen, daß ich Selbstmord aus Angst vor dem Tod für äußerst irrational halte.

    Selbst wenn der Iran, was ja von US-Geheimdienstkreisen bezweifelt wird, bereits über das Know-How für Atomwaffen verfügt, würde dies noch nicht einen Erstschlag Israels rechtfertigen. Dazu müßte dann eine konkrete Angriffsabsicht, jenseits aller blumigen Verkündigungen von Herrn Ahmadinedschad vorliegen. Wenn Israel losschlagen würde, so wie damals gegen Syrien, würde das – was – konkret bedeuten? Solidarisierung der arabischen Welt, einschl. der Palästinenser, Sperrung der Straße von Hormus, Versorgungsengpässe in unbekanntem Ausmaß an Gas und Öl, nicht bekannte Haltung von China und Rußland, und und und. Und daher habe ich meine Zweifel, ob Israel, aus durchaus berechtigtem Eigeninteresse, die internationalen Auswirkungen mit im Auge behält. Möglicherweise wird der Iran irgendwann über Atomwaffen verfügen. Pakistan hat sie bereits heute, und eine Garantie für israelfreundliche Regierungen gibt es nicht. Bleibt das Regime in Saudi-Arabien stabil? Wir machen uns da einen schlanken Fuß, indem wir Panzer an Saudi-Arabien und U-Boote an Israel liefern – alles kein Kinderspielzeug für die Sandkästen.

    Ich möchte gerne, das Israel nicht die furchtbaren Taten der Shoah der Nazi-Zeit 1 : 1 auf die heutige Zeit überträgt. Die Rechte, die Israel, als Selbstbestimmungsrecht der Völker, für sich einfordert, müssen auch für die semitischen Brüder & Schwestern, die Palästinenser gelten, egal ob jetzt der Prophet Abraham oder Ibramhim genannt wird. Und für die Palästinenser gilt, daß sie ihren berechtigten Protest, auch um international ernst genommen zu werden, friedlich austragen müssen, weil das alte „Auge um Auge, Zahn und Zahn“-Prinzip nur neue Blutrache und neues Elend herbeiführt. Solange allerdings sich Israel, im Gegensatz zu dem Israel der 60er und 70er Jahre, immer mehr radikalisiert, und die Schläfen-Gelockten immer mehr Einfluß in der Knesset erhalten, wird sich nichts ändern, weil dann den unversöhnlichen in der Hamas die unversöhnlichen radikalen Juden gegenüber stehen, und beide sich dann die Begründungen um die Ohren hauen, warum die andere Spezies gefälligst das Land verlassen sollten. Ob ein radikaler Muslim oder ein radikaler Jude vor einer Frau ausspuckt, ist doch im Ergebnis wurscht, oder?

    Nachbarn sind gehalten, miteinander auszukommen, und nicht dem Anderen das Existenzrecht zu beschneiden, ihm das Wasser (buchstäblich) abzugraben, auf seinem Land ohne Berechtigung illegal Bauten zu errichten und ihm das Leben und dessen Bedingungen auch sonst zu erschweren.

    Wenn diese meine Meinung jetzt als „antisemitisch“ eingestuft wird, dann, hallelujah, soll es so sein. Trotzdem, shalom, oder shlomo, wie meine christlich-syrische Änderungsschneiderin mir beigebracht hat.

  11. Lieber Wolfgang Fladung,
    danke für Ihre Antwort. Sie schreiben „Selbst wenn der Iran, was ja von US-Geheimdienstkreisen bezweifelt wird, bereits über das Know-How für Atomwaffen verfügt, würde dies noch nicht einen Erstschlag Israels rechtfertigen. Dazu müßte dann eine konkrete Angriffsabsicht, jenseits aller blumigen Verkündigungen von Herrn Ahmadinedschad vorliegen.“ Könnte es aber nicht zu spät sein, darauf zu warten, bis Iran die Atomwaffen hat und dann die konkrete Angriffsabsicht fasst? Das ist die Angst, die ich mit dem Großteil der israelischen Bevölkerung teile. Und ich teile auch die jüdische Erfahrung des Holocaust, dass man Drohungen von Diktatoren ernst nehmen muss und nicht abwarten kann, ob sich die Sache doch noch zum Besseren wenden könnte. Wenn dann doch das Schlimmste eintritt, was alle Experten für undenkbar hielten, kann es für Widerstand zu spät sein. Ich halte es für töricht, auf ein rationelles Handeln eines Regimes zu vertrauen, dass eigene Kinder zu Tausenden über Minenfelder geschickt hat, und zwar in der felsenfesten Überzeugung, ihnen mit dem Märtyrertod nur eine Erlösung aus dem irdischen Jammertal zu bieten. Den Plastikschlüssel zum Paradies hat man den Kindern um den Hals gehängt.

    Eine andere Frage ist, welche Folgen eine militärische Aktion gegen den Iran hätte. Darüber wird auch in Israel heftig gestritten. Wir können nur hoffen, dass wir nicht erfahren werden, welcher der Experten Recht hatte, weil der diplomatische Druck Irans Führung doch noch zur Aufgabe ihrer Atombombenpläne zwingt.

    Zu dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern will ich als Antwort auf Sulaikas Beitrag mehr schreiben. Nur eine Anmerkung zu Ihrer Frage, „Ob ein radikaler Muslim oder ein radikaler Jude vor einer Frau ausspuckt, ist doch im Ergebnis wurscht, oder?“ So ganz egal ist es nicht. In Israel hat die Spuckattacke eines durchgeknallten Haredim auf eine Schülerin zu Aufschrei der Medien und zu einer Großdemonstration geführt und von dem Täter haben sich Vertreter des orthodoxen Lagers (einschließlich einiger haredischen Gruppen) distanziert. Dass Frauen in Gaza wegen „unzüchtiger Kleidung“ drangsaliert werden, ist die tägliche Realität, über sich in Deutschland kaum ein Mensch aufregt.

  12. Sulaika, es ist das in Ihren Zeilen enthaltene Übermaß an höchst einseitig verteilten moralischer Empörung, die eine Diskussion über Israel so schwierig machen. Geht es nicht auch ein Tick nüchterner und faktenorientierter? Ich weiß nicht, aus welchen Quellen Sie sich informieren. Mein komplexes Bild der Realität in Israel und Palästina, das ich aus zahlreichen Besuchen in Israel und aus Kontakten zu Bürger- und Menschenrechtsgruppen dort gewonnen habe, deckt sich mit Ihrer Schwarz-Weiß-Darstellung nicht. Genauso wenig deckt sich meine Beobachtung der in deutscher Öffentlichkeit überwiegender kritischen Auseinandersetzung mit der Politik Israels mit Ihrer Klage, „von bestimmten Kreisen (werde) jede, auch noch so berechtigte Kritik an der Politik des Staates Israel mit dem Totschlagsargument des angeblichen Antisemitismus belegt“, für die Sie weder Ross noch Reiter benennen. Zu Ihrem – meiner Meinung nach unzutreffenden – Vorwurf, Israel sei rassistisch, verweise ich auf den von mir eingestellten Link des Rundfunkbeitrags von Micha Brumlik.

    Ich beobachte, dass die Mehrheit der Israelis keineswegs einen „Staat der Palästinenser in Frage“ stellt. Zu der Zwei-Staaten-Lösung hat sich sogar Netanjahus Likud (zähneknirschend) bekannt, auch unter Druck der Mehrheitsmeinung in den USA (die auch die jüdischen Organisationen dort mittragen). Was die Mehrheit in Israel aber befürchtet, ist die Bedrohung ihrer Sicherheit, die von einem palästinensischen Staat ausgehen würde. Dafür ist Gaza ein abschreckendes Beispiel. Außerdem ist die Erinnerung an die Zeiten der Bombenanschläge noch sehr lebendig. Diese Angst kann man für falsch halten, muss sie aber als ein Teil der Realität sehen, wenn den Nahostkonflikts verstehen will. Dort steht, um Amos Oz zu zitieren, auf beiden Seiten Recht gegen Recht und Unrecht gegen Unrecht.

    Eine meiner Beobachtungen ist auch, dass auch regierungskritische Israelis äußerst allergisch auf „gute Ratschläge“ von „Israelfreunden“ aus dem Ausland reagieren, die kein Risiko einer Fehlentscheidung tragen.

    Ich frage mich auch, warum gerade Israel so viele Emotionen weckt, während die nicht minder menschenrechtsverletzende Besatzungspolitik z.B. in Tibet oder in Westsahara kaum zu Kenntnis genommen wird.

  13. @ Abraham

    Sie schrieben auf Wolfgang Fladungs Anmerkung, dass es doch im Ergebnis wurscht sei, ob ein radikaler Muslim oder ein radikaler Jude vor einer Frau ausspuckte, folgendes:

    „So ganz egal ist es nicht. In Israel hat die Spuckattacke eines durchgeknallten Haredim auf eine Schülerin zu Aufschrei der Medien und zu einer Großdemonstration geführt und von dem Täter haben sich Vertreter des orthodoxen Lagers (einschließlich einiger haredischen Gruppen) distanziert. Dass Frauen in Gaza wegen „unzüchtiger Kleidung“ drangsaliert werden, ist die tägliche Realität, über sich in Deutschland kaum ein Mensch aufregt.“

    Es ist doch allgemein bekannt, dass Israel ein Land ist, in dem zumindest den eigenen Bürgern, also den Israelis, alle persönlichen Freiheiten gewährt werden, die für ein modernes westliches Land normal sind. Da war es dann eben doch sehr erstaunlich, dass plötzlich vermehrt von Fällen zu hören war, wo Frauen von radikalen Religiösen in ihren Rechten beschnitten werden sollten.
    Da wohl allgemein an moderne, aufgeklärte Gesellschaften höhere moralisch-ethische Maßstäbe angelegt werden als an eher autoritär-traditionelle, erübrigt sich für mich die Frage, warum sich hier zu Lande keiner darüber aufregt, dass Frauen in Gaza wegen „unzüchtige Kleidung“ drangsaliert werden.

    Und für mich persönlich erklärt sich die massive Kritik an der Politik Israels auch allgemein damit, dass von einem modernen, aufgeklärten Staat erwartet wird, dass er andere Lösungen findet, als mit Gewalt gegen vermeintliche und tatsächliche Bedrohungen vorzugehen.

    Israel provoziert doch fortwährend mit dem ungebremsten Siedlungsbau auf den palästinensischen Gebieten und hat damit doch schon lange eine Zwei-Staatenlösung faktisch unmöglich gemacht.
    Tatsache ist doch, dass die Israelis bei der Staatsgründung davon ausgegangen sind, dass sich die Palästinenser über kurz oder lang in die umliegenden arabischen Nachbarländer verziehen würden. Und als dieses Kalkül nicht aufgegangen ist, wurden eben die Daumenschrauben angezogen, was bis heute noch gemacht wird.
    Wundert Sie es da wirklich, Abraham, dass Israels Politik so heftig kritisiert wird?

  14. Abraham, es ist die Art, wie Sie nicht auf Argumente eingehend unangenehm persönlich werden, welche die Diskussion mit Ihnen so schwierig macht. Mein Beitrag war weder einseitig moralisch empörend, noch mangelt es mir an Fakten, ich bin absolut nüchtern (…)

    Es ist nun leider eine Tatsache, dass der Staat Israel regelmäßig sämtliche UN-Resolutionen missachtet und es lässt sich auch nicht mit Angst vor Bedrohung erklären, dass der Staat Israel in fremdem Land aggressiven Siedlungsbau betreibt und den Einwohnern jegliche Bürgerrechte vorenthält. Und leider ist es auch eine Tatsache, dass deutsche linke Politiker, die sich für die Rechte der palästinensischen Bevölkerung einsetzen, ständig mit dem Vorwurf des angeblichen Antisemitismus konfrontiert werden. Ebenso ist es eine Tatsache, dass der Staat Israel ein zutiefst rassistisches Gesetz gegen Mischehen verabschiedet hat, und nicht nur das – er betreibt eine rassistische Politik gegenüber Minderheiten und das sind nun mal die nüchternen Fakten. Und es tut mir wirklich leid, aber dae entstehen bei mir Erinnerungen an Zeiten, die ich mir nicht wieder wünsche.

    Im Übrigen ist die Kritik an dieser Politik bei der israelischen Linken und der israelischen Friedensbewegung mindestens genau so laut, wenn nicht noch viel lauter, als hierzulande. Und ich bleibe dabei – wer von anderen verlangt, auf Atomwaffen zu verzichten, der muss unbedingt auch selbst auf solche Waffen verzichten und man kann von anderen immer nur das verlangen, was man selbst zu tun bereit ist. Mit dieser aggressiven Politik wird kein Frieden entstehen und ich persönlich habe starke Zweifel daran, ob die israelische Regierung ( nicht die Bürger in ihrer Mehrheit) wirklich Frieden will. Wer Frieden will, der provoziert den „Gegner“ nicht mit aggressivem Siedlungsbau und schafft auch nicht vollendete Tatsachen, die eine Zweistaatenlösung unmöglich machen. Wer Frieden will, der rüstet ab, der rüstet nicht auf, wer Frieden will, demütigt nicht den „Feind“ und wer Frieden will, der beraubt den „Feind“ nicht seiner Menschenrechte und seiner Menschenwürde. Ich bin der festen Überzeugung, dass die rechten Hardliner in der israelischen Regierung nicht im Mindesten an Frieden und Abrüstung interessiert sind und da befinde ich mich in allerbester Gesellschaft – und zwar in der Gesellschaft der israelischen Friedensbewegung und der israelischen Linken.

    (…): Passage gelöscht, Anm. Bronski

  15. @ Anna

    Das Argument, dass „an moderne, aufgeklärte Gesellschaften höhere moralisch-ethische Maßstäbe angelegt werden“, höre ich oft. Wenn die Unterdrückung der Palästinenser erst dann kritisiert wird, wenn diese von Israel ausgeht, erhöht dies aber nicht die Glaubwürdigkeit der Kritiker. Gehört die Aufmerksamkeit nicht den Taten, sondern ausschließlich dem „Täter“ Israel, wird bereits die schiefe Ebene betreten, auf der man in den Antisemitismus abzurutschen droht. Es ist nämlich eines der Merkmale von Antisemitismus, Juden anders als vergleichbare soziale, nationale oder religiöse Gruppen zu behandeln. Die Kritik an den Handlungen gegen Palästinenser, zum Beispiel an der Besatzungs- und Siedlungspolitik, wird in Israel und unter den Juden im Ausland oft in gleicher (oder noch größerer) Schärfe geübt. Die Abwehrrektionen, die bis zu dem (berechtigten oder ungerechtfertigten) Vorwurf des Antisemitismus führen, werden vielmehr durch das Gefühl der einseitigen „Überbeobachtung“ hervorgerufen. Allergisch reagieren Viele in Israel auch auf gute Ratschläge derer, die keine Konsequenzen zu tragen haben.

    Weiter schreiben Sie, „dass von einem modernen, aufgeklärten Staat erwartet wird, dass er andere Lösungen findet, als mit Gewalt gegen vermeintliche und tatsächliche Bedrohungen vorzugehen.“ Auch dieser Satz zeigt einen Teil des Problems: Positive Entwicklungen, die es sowohl auf der palästinensischer als auch auf der israelischen Seite gibt, werden in deutschen Medien kaum thematisiert und von der Öffentlichkeit so gut wie nicht wahrgenommen. Dabei hat die Zusammenarbeit der palästinensischen Administration im Westjordanland mit Israel weitgehend zur Eindämmung des Terrors beigetragen, der nicht nur Israel, sondern auch die palästinensische Bevölkerung bedroht hat. Von der höheren Sicherheit profitieren die Bewohner Westjordanlands, das in den letzten Jahren einen deutlichen Zuwachs an persönlichen Freiheiten und an Wohlstand erlebt hat. Zu den positiven Entwicklungen zählt auch eine deutliche Reduzierung der Sicherheitskontrollen des israelischen Militärs innerhalb der palästinensischer Gebiete. Die meiner Meinung nach politisch unkluge Konzentration der „Friedensgespräche“ auf einen Siedlungsbaustopp (obwohl es sich bei den Bautätigkeit nicht um neue Siedlungen, sondern um neue Wohnungen innerhalb von Siedlungen handelt, die zum großen Teil bei der Realisierung der Zwei-Staaten-Lösung im Zuge eines Gebietstausches zu Israel kommen werden; wobei ich die Genehmigungen dafür ebenso für einen politischen Fehler halte) verdeckt diese Fortschritte und stärkt die Hardliner auf beiden Seiten gegenüber den Pragmatikern, für die die Verbesserungen für die Menschen Vorrang vor Ideologie oder „großen“ politischen Lösungen haben.

    „Tatsache ist doch, dass die Israelis bei der Staatsgründung davon ausgegangen sind, dass sich die Palästinenser über kurz oder lang in die umliegenden arabischen Nachbarländer verziehen würden“, schreiben Sie weiter. Auch dieser Satz offenbar ein weiteres Symptom, an dem die Debatte um Israel leidet, nämlich mangelnde Kenntnis der geschichtlichen Abläufe. Kürzlich hat selbst Abbas eingeräumt, dass es ein Fehler war, 1947 den Teilungsplan der UNO gänzlich abzulehnen, der nicht nur die Gründung des Staates Israel, sondern auch die Errichtung des Staates Palästina ermöglicht hätte. Die Umstände der Flucht und Vertreibung eines Großteils der Araber aus dem „jüdischen“ Teil Palästinas im Unabhängigkeitskrieg von 1948 sind umstritten. Dass eine Vertreibung oder forcierte Abwanderung der Palästinenser aus den 1967 von Israel besetzten Gebieten in die umliegenden arabischen Nachbarländer jemals ein Teil der israelischen Regierungspolitik wären, hat meines Wissens bisher kein ernsthafter Historiker behauptet.

  16. @ sulaika101

    Ich denke, Abraham ist nicht in unzulässigem Maß „persönlich“ geworden, wenn er Sie wegen „höchst einseitig verteilter moralischer Empörung“ kritisiert. Das mögen Sie als unangenehm empfinden, aber anstatt ihm dies vorzuwerfen, hätten Sie im Sinne einer Verständigung auch erst einmal nachfragen können, warum er meint, dass Sie über die israelische Politik nicht empört sein dürften.

    „Und ich bleibe dabei – wer von anderen verlangt, auf Atomwaffen zu verzichten, der muss unbedingt auch selbst auf solche Waffen verzichten und man kann von anderen immer nur das verlangen, was man selbst zu tun bereit ist.“

    Das ist ein sehr idealistischer Standpunkt. In der Realität funktioniert Politik genau anders herum: Es wird aufgerüstet, um abzuschrecken. Vielleicht würde Israel heute schon nicht mehr existieren, wenn es keine Atomwaffen hätte?

  17. @ Sulaika

    Das Urteil darüber, ob ich „nicht auf Argumente eingehend unangenehm persönlich“ werde, überlasse ich gerne anderen. Sie haben offensichtlich auch nicht verstanden (…), warum ich die Diskussion um Israel für problematisch halte. Wie ich eben in meiner Antwort auf Anna geschrieben habe, ist es nicht die Kritik selbst, an der ich mich stoße, sondern wie diese vorgetragen und überzeichnet wird. Ich will versuchen, es an Ihrem letzten Beitrag deutlich zu machen. So schreiben Sie, „dass der Staat Israel in fremdem Land aggressiven Siedlungsbau betreibt und den Einwohnern jegliche Bürgerrechte vorenthält“. Wäre es nicht ausreichend, die Verletzung der Bürger- und Menschenrechte der Palästinenser durch Israels Besatzungspolitik zu kritisieren? Warum müssen Sie überdrehen und die unzutreffende Behauptung nachschieben, Israel würde den Palästinensern „jegliche Bürgerrechte“ vorenthalten? Bei allem Leid, das die Palästinenser im Westjordanland durch Israels Besatzungspolitik erfahren, ist deren Bürger- und Menschenrechtslage deutlich besser als z.B. im von Hamas beherrschten Gaza. Wenn beispielsweise Palästinenser vor Israels oberstem Gericht den Zugang zu einer durch die besetzten Gebiete führenden Autobahn erstritten haben, den die Militärbehörden aus Sicherheitsgründen bisher verwehrt haben, widerspricht das nicht deutlich Ihrer Behauptung, ihnen seinen „jegliche Bürgerrechte“ vorenthalten?

    Als „nüchterne Fakten“ wiederholen Sie die Behauptung, Israel betreibe „eine rassistische Politik gegenüber Minderheiten“. Als Beleg dafür berufen Sie sich auf das „zutiefst rassistische Gesetz gegen Mischehen“. Das von der jetzigen Regierungsmehrheit in der Kneset erlassene Gesetz richtet sich keineswegs gegen interreligiöse oder inter-nationale „Mischehen“, sondern beschränkt das Recht israelischer Bürger auf den Zuzug ihrer Ehepartner aus den besetzten Gebieten. Dies wird von der Bürgerrechtsbewegung in Israel (und einem Teil der Oppositionsparteien in der Kneset) als Verletzung der Bürgerrechte der hauptsächlich betroffenen israelischen Araber heftig kritisiert (ich wünschte mir, die Kritik an den in Deutschland bestehenden Beschränkungen für den Nachzug von ausländischen Ehepartnern wäre genauso laut). Den Vorwurf, Israel betreibe eine rassistische Politik gegenüber Minderheiten oder sei ein Apartheid-Staat, weist aber die überwiegende Mehrheit der in der Bürgerrechts- und Friedensbewegung engagierten Israelis zurück.

    Ihre Ungeheuerlichkeit, dass in Bezug auf Israel bei Ihnen „Erinnerungen an Zeiten, die ich mir nicht wieder wünsche“, entstehen, möchte ich lieber unkommentiert lassen, um Bronski keine zusätzliche Arbeit zu machen.

    (…): Passage gelöscht, Anm. Bronski

  18. @ Abraham

    1. „Gehört die Aufmerksamkeit nicht den Taten, sondern ausschließlich dem ‚Täter‘ Israel, wird bereits die schiefe Ebene betreten, auf der man in den Antisemitismus abzurutschen droht.“

    Passend zu diesem Verdacht/Vorwurf brachte mich kürzlich auch eine Rede, die Broder im Zusammenhang mit seinem neuem Buch „Vergesst Ausschwitz – Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage“. gegeben hatte, ins Grübeln.
    In seiner gewohnt provokanten Art soll Broder sich u.a. folgendermaßen geäußert haben:

    „Das Tätervolk der Deutschen, so Broder (erstes Buch zum Thema: „Der ewige Antisemit – Über Sinn und Unsinn eines beständigen Gefühls“), nähme sich gerade aufgrund seiner Geschichte das Recht heraus, die israelische Besatzungspolitik zu geißeln. Und je mehr Israel in der Kritik stünde, erklärt Broder einem ziemlich freundlichen Publikum, desto besser gehe es den Deutschen. Die wiederum hielten mit Wonne den Kindern der ermordeten Juden vor, sie benähmen sich schlecht – und verharmlosen gleichzeitig die Äußerungen der Palästinenser und die des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, die allesamt das Existenzrecht Israels abstritten.“

    Ok, mag sein, dass in der deutschen Gesellschaft ein latenter Antisemitismus vorhanden ist, ich persönlich fühle mich jedoch auch nach intensivem „In-mich-Gehen“ frei davon.
    Und natürlich sind die Taten an sich immer kritikwürdig. Aber: je überlegener, liberaler, demokratischer, aufgeklärter der Täter ist desto empörender sind eben die Taten.
    So ähnlich verhält es sich doch auch auf zwischenmenschlichen Ebene: Wenn ein armer, umgebildeter Habenichts mein Portemonnaie klaut, dann ist das doch lange nicht so kritikwürdig wie wenn ein wohlhabender, gut gebildeter Zeitgenosse das tut. Oder bin ich, wenn ich so argumentiere, in Ihren Augen dann etwa ein Neidbürger?

    2. „Positive Entwicklungen, die es sowohl auf der palästinensischer als auch auf der israelischen Seite gibt, werden in deutschen Medien kaum thematisiert und von der Öffentlichkeit so gut wie nicht wahrgenommen.“

    Immerhin dauert der Konflikt zwischen Israel und Palästina schon über 6 Jahrzehnte, ohne dass sich bis dato eine wirkliche Wende abzeichnen würde. – Sogar ganz im Gegenteil: Jetzt werden schon wieder die Kriegstrommeln gegen den Iran gerührt.
    Kein Wunder treten angesichts einer solch drohenden Eskalation Meldungen darüber, dass die Palästinenser im Westjordanland „einen deutlichen Zuwachs an persönlichen Freiheiten und an Wohlstand“ erlebt hätten, in den Hintergrund.

    3. „Die Umstände der Flucht und Vertreibung eines Großteils der Araber aus dem „jüdischen“ Teil Palästinas im Unabhängigkeitskrieg von 1948 sind umstritten.“

    Ja stimmt, die Umstände sind umstritten und auch die Zahlenangaben differieren. Von Israels Seite werden diese viel niedriger eingeschätzt als von den Palästinensern.
    Aber es führt nichts an der Tatsache vorbei, dass mehrere Hunderttausend Palästinenser im Unabhängigkeitskrieg 1948 in die arabischen Nachbarländer flüchteten und ihnen danach die Rückkehr von der israelischen Regierung untersagt und auch erfolgreich verhindert wurde und diese nebst ihrer Nachkommen immer noch in der Diaspora leben.

    Die geschichtlichen Hintergründe sind sicher sehr wichtig. Was für mich aber viel dringender ist, wäre endlich eine friedliche Lösung zu finden. Es ist doch weiß Gott schon genug Leid und Elend entstanden – und das halt vor allem auf der palästinensischen Seite.

  19. Ich finde es nicht gut, wenn Diskussionen nicht anhand der Fakten, sondern in einer m.E. unsachlichen Weise so geführt werden, dass man dem Diskussionspartner einen angeblichen „Mangel an Fakten“ vorwirft, Einseitigkeit und so weiter und der Abraham hätte ja auch begründen können, welches meiner Argumente aus welchem Grund angeblich höchst einseitig moralisch empörend und angeblich auch noch mangelhaft sein soll. Ein solcher Diskussionsstil bringt m.E. eine völlig unnötige Schärfe in die Diskussion und ja, ich finde so etwas höchst unangenehm und es hat auch nichts mit den Fakten zu tun und nüchtern ist es schon gleich gar nicht. Ich für meinen Teil würde es also begrüßen, wenn solche auf angebliches Unwissen und angebliche Charaktereigenschaften des Diskussionspartners zielende Anwürfe unterlassen würden. Das ist meine persönliche Meinung und ich hoffe, dass ich diese auch äußern darf.

    Zum Siedlungsbau: Engegen dem, was Abraham behauptet,will Israel den Siedlungsbau massiv vorantreiben und anscheinend weiter 10 % des Westjordanlandes für den Siedlungsbau beschlagnahmen. Die Grenzen der für den Siedlungsbau vorgesehenen Gebiete sind an vielen Stellen mit der Sperranlage identisch, was darauf schließen lässt, dass Israel die Sperrmauer nicht in erster Linie aus Sicherheitsgründen gebaut hat, sondern um die israelischen Siedlungen auf besetztem Gebiet zu vergrößern. Schon jetzt existieren auf dem für den Siedlungsbau vorgesehenen Gebiet provisorische Häuser von Siedlern.

    „Nach Ansicht des israelischen Siedlungsgegners Dror Etkes belegt dies, dass die Siedler von den Regierungsplänen wussten. Die Regierung sei somit tief in die systematischen Rechtsbrüche der Siedler verstrickt.“

    „Gegenwärtig nehmen die Siedlungen eine Fläche von knapp zehn Prozent der West Bank ein. Nach Angaben des Uno-Büros für humanitäre Hilfe in den Palästinensergebieten (Ocha) haben israelische Behörden zudem 35 Prozent der Fläche Ost-Jerusalems für Israels Siedlungsausbau beschlagnahmt.“

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,824823,00.html

    Das sind leider die Fakten und sie stehen in völligem Gegensatz zu dem, was Sie, Abraham, hier glauben machen wollen. Und selbstverständlich ist ein Gesetz gegen Mischehen rassistisch , was denn sonst? Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Halten Sie, Abraham, ein Gesetz gegen Mischehen etwa nicht für rassistisch?

    Es wird angeblich aufgerüstet, um abzuschrecken – mit diesem Argument kann man in gleicher Weise auch den angeblichen Atomwaffenbau des Iran „erklären2 – der Iran baut also eventuell Bomben, um abzuschrecken, weil er und andere Staaten im Nahen Osten sich von der militärischen Übermacht des waffenstrotzenden Israel bedroht fühlen. Wo also soll das alles noch hinführen? Ich finde, wer nicht auch die Interessen und die Rechte der Pälästinenser beachtet und alle Provokationen der israelischen Regierung mit angeblichen Sicherheitsbestrebungen erklärt, der argumentiert einseitig. Wer Frieden wünscht, provoziert den Gegner nicht mit immer massiverem Siedlungsbau, der erlässt keine Gesetze gegen Mischehen und der sorgt dafür, dass auch der „Feind“ seine Menschenrechte und seine (Bewegungs)Freiheit sowie einen eigenen Staat erlangt. Die israelische Regierung macht genau das Gegenteil. Mein Standpunkt mag idealistisch sein, aber Idealismus ist ja kein Fehler und wohin die aggressive Politik der israelischen Regierung, unterstützt von den USA und einigen europäischen Staaten gegen die Meinung der UN-Mehrheit geführt hat, das finde ich verheerend. Ich bin der festen Überzeugung, dass auf diese Weise der Friegden nicht die geringste Chance hat und schlimmer noch: M.E. hat die derzeitige israelische Regierung daran auch kein Interesse und die Siedler aus dem rechten Lager erst recht nicht.

  20. @ sulaika101

    „… und der Abraham hätte ja auch begründen können, welches meiner Argumente aus welchem Grund angeblich höchst einseitig moralisch empörend und angeblich auch noch mangelhaft sein soll.“

    Sie können ihn aber auch fragen. Ich glaube, das ist nicht zu viel verlangt in einer Runde, die sich über ein Thema auszutauschen versucht. Und dazu möchte ich Sie auffordern: Bitte sehen Sie in Ihrem Gegenüber nicht in erster Linie jemanden, der Ihnen Böses will, sondern jemanden, mit dem Sie sich argumentativ über ein Thema austauschen WOLLEN. Daher auch die Aufforderung: Unterlassen Sie bitte künftig Formulierungen wie „… in völligem Gegensatz zu dem, was Sie, Abraham, hier glauben machen wollen …“ Sie unterstellen Abraham damit, dass er zu manipulieren versucht. Er hat seine Argumente aber sehr sachlich vorgetragen.

    Waren Sie jemals in Israel?

  21. Israel hat vor kurzem dem UNO-Menschenrechtsrat die Einreise verweigert – das Gremium wollte die israelische Siedlungspolitik und die Auswirkung auf die Rechte der Palästinenser von einer unabhängigen Kommission untersuchen lassen und für die Resolution hatten 36 von 48 Mitgliedern gestimmt. Die USA war (wen wundert es?) dagegen, der Rest hatte sich enthalten. Und ich sage mal so: Wer in Sachen Verletzung der Menschenrechte nichts Schlimmes zu verbergen hat, der müsste eigentlich daran interessiert sein, die Vorwürfe zu entkräften. Das muss man sich mal vorstellen: Ein angeblich demokratischer Staat verweigert einem Ermittlerteam von der UNO die Einreise und setzt sämtliche Arbeitsbeziehungen zum UNO-Menschenrechtsrat aus. Netanjahu bezeichnet den Menschenrechtsrat als „heuchlerisch“ und ist der Meinung der Menschenrechtsrat „solle sich schämen“. Weil er doch tatsächlich so dreist war, die Menschenrechtssituation in den besetzten Gebieten untersuchen zu wollen. Und nach Ansicht von Avigdor Lieberman ist der Rat angeblich „parteiisch und nicht objektiv“ – obwohl er ja bisher noch gar nichts untersucht hat und deshalb auch in keinster Weise der Vorwurf der angeblichen Parteilichkeit und fehlenden Objektivität erhoben werden kann. Für mich lässt das nur einen logischen Schluss zu: Israel will die massiven Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten vor der Weltöffentlichkeit verbergen, da soll keiner genauer hinsehen und sieht deshalb bereits in Untersuchungen zur Menschenrechtssituation ein zu verurteilendes Ansinnen, dessen sich die Weltöffentlichkeit schämen soll. Ich halte das für ungeheuerlich.

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,823877,00.html

  22. In dem Punkt haben Sie recht, Bronski – das war im Eifer des „Gefechtes“ unglücklich formuliert und das kann man so verstehen, war aber so von mir nicht gemeint. Ich möchte Abraham ganz sicher nicht unterstellen, er würde manipulieren. Und deshalb ziehe ich diese Formulierung mit Bedauern zurück und werde zukünftig auch versuchen, solche Formulierungen zu unterlassen. Den Rest kann ich zwar nicht wirklich nachvollziehen – aber eventuell ist es ja möglich, das Thema jetzt abzuschließen. Der Abraham findet „das in meinen Zeilen enthaltene Übermaß an höchst einseitig verteilten moralischer Empörung“,(das m.E. in meinen Zeilen nicht enthalten war) unangenehm, weil das angeblich eine Diskussion „schwierig macht“. Er hätte mich gerne „nüchterner“ und „faktenorientierter“, weil ich ihm anscheinend zu wenig nüchtern und zu wenig faktenorientiert bin (was m.E. ebenfalls unzutreffend ist) und ich finde solche Aussagen unangenehm und die Diskussion erschwerend. Da werden wir vermutlich keine Einigkeit erzielen, aber wenn Sie es wünschen, frage ich doch in Zukunft gerne immer nach.

  23. @Anna, 20
    „Wenn ein armer, umgebildeter Habenichts mein Portemonnaie klaut, dann ist das doch lange nicht so kritikwürdig wie wenn ein wohlhabender, gut gebildeter Zeitgenosse das tut.“

    Das sehe ich anders. Es ist in meinen Augen grundsätzlich auf die gleiche Weise kritikwürdig, weil es das gleiche Vergehen ist. Dein Satz impliziert darüber hinaus, ungebildete Menschen hätten schwächere moralische Maßstäbe als gebildete. Meines Erachtens steigen die moralischen Maßstäbe aber nicht mit der Zunahme von Bildung. Ganz einfache Menschen haben oft die größte Herzensbildung. Dein Satz hört sich ein bisschen nach „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ an. Ich möchte nicht abstreiten, dass in Situationen von existentieller Bedrohung die Zivilisation auf eine stärkere Probe gesetzt wird, als in stabilen Lebensverhältnissen. Nichts desto trotz, gerade in den bittersten Zeiten muss man sich doch auf moralisches Handeln verlassen können, nämlich darauf, dass der eine dem anderen nicht noch sein letztes Stück Brot raubt. Und soweit ich weiß, sind arme Menschen statistisch gesehen, wesentlich stärker dazu bereit ihr geringes Hab und Gut zu teilen als wohlhabende.

    Beste Grüße
    maat

  24. @ Anna

    1. Es ist mir nicht klar, warum Sie auf meinen Versuch zu erklären, wann eine Israelkritik in Antisemitismus abzugleiten droht, mit Verweis auf ein Zitat von Henryk Broder reagieren. Ich schätze zwar sein polemisches Talent, durch Überzeichnung die Fragwürdigkeit mancher Äußerungen aufzuzeigen, nicht aber, dass er immer öfter übers Ziel hinausschießt. Seine generalisierenden Schlussfolgerungen teile ich nicht.

    2. Es gibt Konflikte, bei denen nicht der gordische Knoten mit einem Schlag gelöst werden kann, sondern viele kleine Schritte nötig sind. Nur sie schaffen es, die Angst vor dem „Feind“ abzubauen, für die beide Seiten gute Gründe haben. Von außen kann man mehr durch die Unterstützung positiver Entwicklungen als durch überlaute Kritik des vermeintlichen Hauptschuldigen helfen.

    3. Es gibt kein historisches Beispiel dafür, dass Flucht und Vertreibung rückgängig gemacht werden konnte, ohne wiederum neues Unrecht und neue Konflikte zu schaffen. Eine Zwei-Staaten-Lösung, bei der das Flüchtlingsproblem durch Entschädigung und nicht durch Rückkehr gelöst wird, ist meiner Meinung nach die einzige Lösung. Würde der Konflikt nicht durch dauernde Einmischung Dritter aufgeheizt, wie sie z.B. Iran über seine „Hilfstruppen“ Hamas und Hisbollah betreibt, wäre es für die Israelis und die Palästinenser einfacher, eine Lösung zu finden.

  25. @ Sulaika

    Sie picken sich lediglich Nebensetze heraus und gehen auf meinen Einwand der „Überkritik“ nicht ein. Die Legitimität Ihrer Kritik an Israels Siedlungspolitik, habe ich in keiner Weise in Frage gestellt. Sie haben also keinen Grund, diese Kritik mir gegenüber verteidigen zu müssen. Was ich in Frage gestellt habe, ist Ihre Behauptung, Israel würde den Palästinensern „jegliche Bürgerrechte“ vorenthalten. Darauf haben Sie nicht geantwortet.

    Auch für Ihre weitere Behauptung, Israel betreibe „eine rassistische Politik gegenüber Minderheiten“, bleiben Sie die von mir angemahnten Belege schuldig und gehen auch nicht auf den von mir verlinkten Beitrag von Micha Brumlik ein. Sie widerholen lediglich, dass „selbstverständlich ein Gesetz gegen Mischehen rassistisch“ ist. Nur: In Israel gibt es kein „Gesetz gegen Mischehen“, das interreligiöse oder inter-nationale Eheschließungen verbietet. Was Sie als „Gesetz gegen Mischehen“ bezeichnen, ist ein Gesetz, das den Zuzug von Ehepartnern aus den besetzten Gebieten einschränkt. Dieses Gesetz verletzt die Bürgerrechte und ist (wie die deutschen Zuwanderungsgesetze) kritikwürdig. Warum dieses Gesetz rassistisch sein soll (was es meiner Meinung nach nicht ist), begründen Sie nicht.

    Zum UN-Menschenrechtsrat und seiner von Israel bezweifelten Objektivität verweise ich auf Wikipedia, wo unter anderem zu der Nachfolgeorganisation der mehr als umstrittenen UN-Menschenrechtskommission folgendes zu finden ist: „Der ehemalige deutsche Menschenrechtsbeauftragte Günter Nooke meint, dass das Beste daraus gemacht werden musste, wenngleich auch ‚dieser Spatz in der Hand vielleicht schon halb tot ist, weil der prozentuale Anteil menschenrechtsfreundlicher Staaten noch weiter abgenommen hat‘. Aufsehen erregte kurz vor Ende der Genfer Tagung die Forderung der kanadischen Regierung an Deutschland, den iranischen Generalstaatsanwalt Said Mortasawi bei seinem Rückflug aus Genf auf dem Flughafen Frankfurt festnehmen zu lassen, weil ihm direkte Verwicklungen in den Folter- und Mordfall der iranisch-stämmigen kanadischen Journalistin Zahra Kazemi vorgeworfen wird. Kazemi war im Teheraner Evin-Gefängnis bei Verhören unter anderem mit Mortasawi zu Tode gekommen. Said Mortasawi war iranischer Vertreter bei dem in Genf tagenden UN-Menschenrechtsrat.“

  26. @abraham #17

    Zwei Äusserungen scheinen mir bedenklich:

    1. „Allergisch reagieren viele in Israel auch auf gute Ratschläge derer, die keine Konsequenzen zu tragen haben.“
    2. „Es ist nämlich eines der Merkmale von Antisemitismus, Juden anders als vergleichbare soziale, nationale oder religiöse Gruppen zu behandeln.“

    Zum ersten Punkt ist zu sagen, daß sehr viele die Konsequenzen (der Krisen in der Region Nahost) zu tragen haben, unter anderen ich selbst:
    In Form von politische und finanzieller Teilnahme, ständiger moralischer Einbezogenheit, lebensbegleitender Nachrichten zum Thema usf.

    Der Begriff „vergleichbare Gruppen“ ist sehr seltsam. Trotzdem läßt sich sagen, daß „soziale,nationale und religiöse Gruppen“ jeweils aus sich selbst heraus erwarten, anders behandelt zu werden und, besonders mit Rücksicht auf die Geschichte, geradezu erwartet wird, Juden mit besonderer Sensibilität zu begegnen. Solche besondere Sensibilität können allerdings alle Völker der Welt von Deutschen erwarten, es war nämlich ein Krieg gegen die Welt und gegen die Menschlichkeit, nicht gegen Gruppen.
    Juden, Roma und andere Gruppen waren nur die ersten und wehrlosesten Opfer eines grenzenlosen Vernichtungswillens, der zum Glück gestoppt wurde.

    Immer wieder verschwiegen wird dabei eine große Bereitschaft in der deutschen Öffentlichkeit, jede Gruppe „anders“, aber eben nicht diskriminierend zu behandeln, und, wo es nicht dem Gebot der Gleichbehandlung oder Gesetzen widerspricht, auch Sonderrechte und besondere Traditionen zu respektieren.

  27. @Abraham: Mir ist nicht bekannt, dass in Deutschland ausländische Ehepartner von Deutschen mit ihren Ehepartnern nicht in Deutschland leben dürfen, mir ist auch kein solches deutsches Gesetz bekannt. Nach meiner Kenntnis dürfen in allen demokratischen Staaten, außer eben in Israel, Staatsbürger des jeweiligen Landes mit ihren Ehepartnern im Lande leben. Würden Sie bitte Ihre diesbezüglichen von angeblichen Zuzugsbeschränkungen Aussagen erläutern?

    Bezüglich des Rassismus in Israel, – Uri Avnery, israelischer Friedensaktivist hat sich hierzu schon mehrfach geäußert, und er ist beileibe nicht der Einzige jüdische Friedensaktivist, der das tut.

    „Das Phänomen als solches ist nicht neu. Was neu ist, ist der Verlust jeder Spur von Scham. Die Rassisten schreien ihre Botschaft an jeder Straßenecke heraus und ernten Applaus von Politikern und Rabbinern.“

    „Es begann mit der Flut rassistischer Gesetzesentwürfe, die dazu bestimmt waren, die arabischen Bürger zu delegitimieren und zu vertreiben: »Zulassungskomitees«, »Treueeid« und vieles mehr. Dann kam das religiöse Edikt des Chef-Rabbiners von Safed, das Juden verbot, Arabern Wohnungen zu vermieten; es rief Entsetzen und Beschämung hervor. Seitdem sind alle Dämme gebrochen. Eine Bande 14-Jähriger überfiel Araber mitten in Jerusalem, benützte ein 14-jähriges Mädchen als Köder und schlug es bewußtlos. Hunderte von Rabbinern im ganzen Lande verfaßten dann gemeinsam ein Manifest, das verbietet, Wohnungen an »Ausländer« (gemeint sind Araber, die seit Jahrhunderten im Lande lebten) zu vermieten. In Bat Yam, das an Tel Aviv grenzt, verlangten Demonstranten, alle Araber aus der Stadt zu vertreiben. Am nächsten Tag verlangten Demonstranten in Tel Avivs ärmstem Stadtviertel die Vertreibung der Flüchtlinge und Fremdarbeiter aus dem Viertel.“

    Das Buch „Die Besatzung der Gebiete“ besteht aus Berichten von Soldaten, die nicht mehr schweigen wollen.

    „Es gibt Berichte von nächtlichen Überfällen auf ruhige palästinensische Dörfer zu Übungszwecken: Soldaten brechen in beliebige Häuser ein, in denen es keine »Verdächtigen« gibt. Sie terrorisieren Kinder, Frauen und Männer, richten Chaos im Dorf an – und all dies nur, um die Soldaten zu trainieren.“

    „Junge Freiwillige für jeden dieser Kämpfe – und für alle zusammen – sind heute nötiger denn je angesichts des Rassismus, der in ganz Israel sein häßliches Haupt erhebt – ein offener Rassismus, schamlos und tatsächlich stolz auf sich selbst.“

    Wie kommen Sie auf die Behauptung, die Mehrheit der in der Friedensbewegung engagierten Israelis weise den Vorwurf des Rassismus zurück? Das ist mir völlig anders bekannt – die Vorwürfe, die m.E. mehr als berechtigt sind, werden immer lauter in der israelischen Friedensbewegung.

    http://www.sopos.org/aufsaetze/4d2a1cb003dd1/1.phtml

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,731316,00.html

    http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Israel/friedensbewegung.html

    Hier einige wenige Link-Beispiele von israelischen Friedensaktivisten, die den Rassismus sehr deutlich benennen – ich könnte noch viel mehr einstellen, aber das soll jetzt erstmal genügen.

  28. @ Standort

    Bei Ihrem Kommentar # 28 habe ich Bauchschmerzen, aber ich habe ihn trotzdem veröffentlicht. Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen: dass „besonders mit Rücksicht auf die Geschichte, geradezu erwartet wird, Juden mit besonderer Sensibilität zu begegnen“. Wer erwartet das? Und wenn es so sein sollte, würde das dann nicht bedeuten, dass diese „besondere Sensibilität“ nicht freiwillig waltet, sondern quasi aus Staatsräson? Dass man also nicht dahinterstehen muss, so lange man die erforderlichen Lippenbekenntnisse erbringt?

    Der Halbsatz „es war nämlich ein Krieg gegen die Welt und gegen die Menschlichkeit, nicht gegen Gruppen“ lässt außer acht, dass der Antisemitismus der Kern der nationalsozialistischen Ideologie war.

  29. @bronski #30

    Diese Forderung nach der besonderen Sensibilität ergibt sich mir aus der Virulenz des Themas, die sich hier im Blog, in der besonderen Bedeutung der Kontakte, der Staatsbesuche und ritualisierten Schuldbekenntnisse zeigt. Verstehen Sie mich nicht falsch, alles dies ist nötig angesichts der Leiden, die verursacht wurden.

    Diese besondere Sensibilität steht aber allen Menschen zu und sie ist nicht auf jene beschränkt, denen das größte Leid getan wurde. Ich bemühe mich, diese Sensibilität in mir zu erhalten, als persönliche Verantwortung, ohne Staatsräson, ohne Rituale, sowohl denen gegenüber, die das größte Leid erfahren haben, als auch denen gegenüber, die ein anderes Leid erfahren.

    Ihre Frage nach den „Lippenbekenntnissen“ ist himmlisch und teuflisch zugleich: Wieviel Leid kann ich in meinem Leben verhindern? Nur soviel, als mein eigenes Leben wert und wirksam ist. Zu wieviel „Leidverhinderung“ reicht mein Leben wohl aus?
    Zu allem, was darüber hinausgeht, bleiben mir nur Bekenntnisse, ein „Nein“, sei es gehört oder ungehört.
    Ob es „Lippenbekenntnisse“ sind, entscheiden leider andere, ich kann nur in einer konkreten Situation mein Leben auf’s Spiel setzen und wenn ich gewinne, wieder und wieder… Eine grundsätzliche Klärung ist am Kreuz zu suchen.

    Ob der Antisemitismus der Kern der nationalsozialistischen Ideologie war, vermag ich nicht zu entscheiden. Ich glaube das nicht. Diese Ideologie ist eine willkürliche, ohne Sinn und Verstand, ohne „Kern“, ihr einen Kern zuzubilligen unterstellt ihr einen Sinn, den sie nicht hat.

  30. @abraham

    hat sich leider überschnitten – ich hoffe ich habe jetzt genügend Belege für den in Israel leider herrschenden Rassismus eingestellt. Die israelische Journalistin Amira Hass geht übrigens da noch deutlich weiter: Sie bezeichnet die israelische Politik als:
    „Apartheidspolitik“, da es hauptsächlich Juden seien, die Privilegien genießen: „Das Volk der Palästinenser ist in Gruppen unterteilt; das ist etwas, was an Südafrika unter dem Apartheidsregime erinnert“.
    Quelle: Wikipedia

    Dass ich auf Ihren Micha Brumlik Link nicht eingegangen bin, liegt schlicht daran, dass ich diesen nicht öffnen konnte. Im Übrigen sind Sie auf den von mir und von Isolde Zimmer eingestellten Link (Alon Liel) auch nicht eingegangen – der bezeichnet als Israeli die israelische Politik ebenfalls als rassistisch (ebenso wie Uri Avneri und viele, viele andere, siehe Links). Wehalb also meine Kritik eine angebliche „Überkritik“ sein sollte, erschließt sich mir nicht.

    Das Gesetz gegen Mischehen ist keineswegs das einzige rassistische Gesetz – und selbstverständlich ist ein Gesetz als rassistisch zu beurteilen, wenn es den ausländischen Ehepartnern von israelischen Bürgern den Zuzug verwehrt. Mir ist jedenfalls auch kein einziger weiterer demokratischer Staat bekannt, der ein solches Gesetz verabschiedet hätte. Und dass ein Holocaust-Überlebender in Israel schlimmsten Anfeindungen ausgesetzt ist, weil er es wagt, Wohnungen an arabische Studenten, die israelische Staatsbürger sind, zu vermieten, das ist m.E. uneträglich und ganz klar auch rassistisch.

    Und da Sie sich so sehr an meinen Worten: „jegliche Bürgerrechte“ stören, da sag ich`s jetzt eben anders:

    „Der harsche Rassismus, den Sigmar Gabriel in Hebron vorgefunden hat, würde auch nicht so viel Interesse wecken, wenn dieses Phänomen nur auf das städtische Gebiet begrenzt wäre. Das internationale Interesse in diesem Fall rührt daher, dass Israels Vorgehen in den palästinensischen Gebieten insgesamt viele an den Gestank der Apartheid erinnert. In diesem Sinne wurde das Mahl, das in Hebron gegessen wird, in Jerusalem gekocht.

    Der Staat Israel besitzt, wie wir alle wissen, weitreichende Meinungs- und Pressefreiheit. Alle seine Bürger haben das Recht zu wählen – ganz im Unterschied zu denen im Apartheid-Staat Südafrika früher. Dennoch verfolgt uns der Vergleich. Warum? Vor allem aus zwei Gründen. In vielen Teilen der Welt herrscht das Gefühl vor, dass Israel den Palästinensern nicht nur ihre nationalen Grundrechte vorenthält, sondern ihnen ihre Ehre, ihre Würde und selbst ihr Narrativ raubt. So als ob die Palästinenser für die Israelis im Wortsinne nicht zählten.“ (Alon Liel, obiger Link)

    Und in der Vorenthaltung der nationalen Grundrechte und im Raub der Würde und der Ehre und des Narrativs sehe ich persönlich ein Vorenthalten jeglicher elemantarer Bürgerrechte. Und ganz gewiss bin ich nicht die Einzige, die das so sieht – andere, wie Sie sehen können, drücken das noch deutlich drastischer aus.

  31. @ Standort

    „himmlisch und teuflisch zugleich“ – na ja. Ich wollte nur eine Klarstellung. 😉

    Mit dem Punkt, dass diese Sensibilität allen Menschen zustehe, treffen Sie sich mit Abraham, der zuvor die berechtigte Frage aufwarf, warum wir uns immer über Israel streiten, nicht aber über den Westsahara- oder den Tibet-Konflikt. Das ist tatsächlich kurios, erklärt sich aber vielleicht gerade daher, dass der Nahost-Konflikt eben untrennbar mit der deutschen Geschichte verknüpft ist.

  32. “himmlisch und teuflisch zugleich“..

    Da geb‘ ich die Verantwortung zurück an die Verantwortlichen.

    Nicht die Friedlichen tragen die Verantwortung für den Frieden.

    Nur zur globalen Klarstellung der Verhältnisse.
    🙂

  33. @ Abraham

    Ich habe das Broder-Zitat eingebracht, weil es mir ganz einfach aufgrund Ihrer Anmerkung wieder eingefallen ist, und weil ich Broders Polemik ebenfalls schätze. Ich finde, so überspitzt wie er die Dinge ausspricht, bringt er einem schon zum Nachdenken. – Außerdem wollte ich damit ausdrücken, dass ich nicht leichtfertig über die Politik Israels urteile.

    Übrigens ist der Konflikt zwischen Israel und Palästina nicht nur ein Thema für Deutsche. Ich lebe seit ein paar Monaten wieder im südlichen Afrika und auch hier wird überall heftig darüber diskutiert und die ausweglos erscheinende Lage der Palästinenser beklagt.

    @ maat

    Schön, auch wieder mal etwas von dir zu lesen – ich grüße dich! 🙂

    Mein Beispiel war möglicherweise nicht ganz glücklich gewählt. Da mir aber kürzlich mein Portemonnaie tatsächlich geklaut wurde und ich mich nach dem ersten Schreck und der Empörung damit getröstet habe, dass der Dieb ein armer, einfacher Mensch war, kam mir das eben spontan. Leider gibt es eben immernoch Menschen auf dieser Welt, die so arm und verzweifelt sind, dass für sie „das Fressen“ wichtiger als die Moral ist.

  34. Sari Nusseibeh, ein prominenter palästinensischer Intellektueller, hat übrigens in seinem neuen Buch, „Ein Staat für Palästina? Plädoyer für eine Zivilgesellschaft in Nahost“, über eine bedenkenswerte Alternative zur Lösung des Konfliktes nachgedacht.

    Hier ein Link, über den mehr von seinem ungewöhnlichen Vorschlag zu erfahren ist:

    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/1714362/

  35. Es übersteigt längst mein verfügbares Zeitbudget, auf alle Beiträge, in denen ich angesprochen werde, angemessen zu reagieren. Ich will trotzdem nach und nach die für mich wesentliche Aspekte „abarbeiten“, bitte dafür aber um Geduld.
    @ # 28 Standort

    Sie werden doch nicht bestreiten wollen, dass die Palästinenser durch die israelische Besatzung und die Unterdrückung durch die Hamas sowie die Israelis durch die Raketenangriffe sowie Terroranschläge der Islamisten in einer anderen, nämlich existenziellen Weise als wir in Deutschland von dem Konflikt betroffen sind.

    Eine Grundsatzdiskussion darüber, wo Antisemitismus beginnt, sprengt den Rahmen dieser Diskussion. Wenn Angehörige einer Gruppe nur wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit anderen Bewertungsmaßstäben unterworfen werden als diejenigen, die dieser Gruppe nicht angehören, beginnt eine Ausgrenzung dieser Minderheit, ob es sich um Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Muslime oder welche Gruppe auch immer handelt. Können Sie diese Position mit der nun vorgenommenen Erweiterung akzeptieren?

  36. Im UN-Menschenrechtsrat, gewählt von der Vollversammlung der UN, sind ja immerhin 47 Staaten vertreten – und bei aller, teilweise auch berechtigten Kritik: Diesem Gremium in seiner Gesamtheit von vorne herein die Objektivität abzusprechen, das halte ich schon für ziemlich starken Tobak. Der Resulution haben u. a. auch Österreich, Belgien, die Schweiz und Norwegen zugestimmt, die EU außer den beiden genannten Staaten hat sich aus den bekannten Gründen enthalten. Dass nun die israelische Regierung die Botachafter der genannten Staaten herbei zitiert hat (erstere) bzw. noch herbei zitieren will (letztere), um sie zu rüffeln, ist m.E. ziemlich heftig. Und weshalb eine Abstimmung unter immerhin 47 Mitgliedern, die von der Vollversammlung gewählt wurden, angeblich einseitig sein soll, erschließt sich mir nicht. Da erscheint mir doch eher die israelische Haltung, unterstützt wie üblich von den USA, einseitig. Aber anscheinend ist es eben so, dass alles angeblich einseitig ist, was geeignet wäre, ein Licht auf die unhaltbare Menschenrechtssituation zu werfen. Und der überwiegende Rest der Staatengemeinschaft, außer Israel und den USA ist angeblich einseitig. Fakt ist, dass Israel sich mit dieser Art der Politik, die nicht zum Frieden führen wird, in der Staatengemeinschaft immer mehr isoliert. Und dass eine Regierung, die angeblich den Frieden will, sich ständig neue Provokationen in Sachen Siedlungsbau und Demütigung des „Gegners“ ausdenkt, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Wer mit seinen Nachbarn in Frieden leben will, der besetzt nicht ihr Gebiet und mit angeblichen Sicherheitsbesterbungen hat das m.E nicht das Mindeste zu tun.

  37. @ Abraham

    1. „Wenn Angehörige einer Gruppe nur wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit anderen Bewertungsmaßstäben unterworfen werden als diejenigen, die dieser Gruppe nicht angehören, beginnt eine Ausgrenzung dieser Minderheit, ob es sich um Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Muslime oder welche Gruppe auch immer handelt.“

    Das ist nun eine solch allgemeine Aussage, gegen die wohl niemand etwas einzuwenden hat.

    Der Ausgangspunkt war aber doch der, dass ich zu Ihrer Anmerkung in # 13 zu bedenken gab, dass eben gerade ein Verhalten, das nicht „alltäglich“ ist stärker auffällt und kritisiert wird, weil da möglicherweise eine zunehmende Radikalisierung einer bestimmter Gruppen zu befürchten ist. Wenn in Deutschland plötzlich irgendwelche „durchgeknallte“ Religiöse vor jungen Mädchen, die zu freizügig gekleidet sind, ausspucken würden, so wäre das todsicher ebenfalls in den Schlagzeilen.
    Von daher haben Sie offenbar meinen Kommentar # 15 falsch verstanden.

    2. „Eine Grundsatzdiskussion darüber, wo Antisemitismus beginnt, sprengt den Rahmen dieser Diskussion.“

    Ja, das finde ich auch. Deshalb wäre es vielleicht ganz angebracht, dieses Argument, das ja letztendlich bei jedem kritischen Argument angeführt werden könnte, mal nicht ganz so sehr in den Mittelpunkt zu stellen. Das könnte nämlich gleichermaßen zu unerwünschten Abwehrreaktionen führen.
    Überhaupt finde ich, dass hier nun schon sehr ausgiebig kritisiert wurde, was im Israel-Palästina Konflikt bisher so alles schief gelaufen ist. Ich finde nicht, dass das sehr ergiebig ist. Erinnert mich alles ein wenig an die Diskussionen bezüglich der „Islamkritik“, die auch zu nichts anderem führte als Dinge zu problematisieren und aufzubauschen statt Lösungsansätze zu finden.

    Mich würde deshalb viel mehr interessieren, was Sie zu Sari Nusseibehs Vorschlag meinen.

  38. @ # 40 Anna

    In Eile, weshalb ich unsere früheren Postings nicht nachschauen kann.

    Die Berichterstattung über die Spuckatacke der Haredim in Beit Schemesch und die dadurch ausgelöste Protestwelle habe ich mit keinem Wort kritisiert. Mich stört nur, wenn aus der Spuckatacke (unter Weglassung eines Hinweises auf die Proteste) zur Grundsatzkritik Israel hochstlisiert wird, während schlimmere Vorfälle z.B. im Gaza mit Achselzucken übergangen werden.

    Ich will hier nicht den Nahostkonflikt diskutieren (den wir hier alle nicht verändern können), sondern laut darüber nachzudenken, wie wir über diesen Konflikt diskutieren. Ich versuche klarzumachen, wann Kritik in „Überkritik“ abgleitet, die dann nur noch zu Abwehrreaktionen führt. Dazu werde ich, vielleicht morgen, nochmals auf Sulaika eingehen.

    Und noch zur Klarstellung möchte ich widerholen: Es gibt berechtigte Kritik an Israel, es gibt einseitige und ungerechtfertigte Kritik und es gibt antisemitische Kritik. Das zweite halte ich z.B. Sulaika vor. Antisemitische Kritik ist hier (vielleicht Dank Bronskis Moderation) nicht geäußert worden.

  39. @ # 29 Sulaika

    „Mir ist nicht bekannt, dass in Deutschland ausländische Ehepartner von Deutschen mit ihren Ehepartnern nicht in Deutschland leben dürfen, mir ist auch kein solches deutsches Gesetz bekannt. Nach meiner Kenntnis dürfen in allen demokratischen Staaten, außer eben in Israel, Staatsbürger des jeweiligen Landes mit ihren Ehepartnern im Lande leben. Würden Sie bitte Ihre diesbezüglichen von angeblichen Zuzugsbeschränkungen Aussagen erläutern?“

    Das deutsche Gesetz heißt Zuwanderungsgesetz und es enthält eine Reihe von einschränkenden Bedingungen für den Zuzug von ausländischen Ehepartnern von Deutschen oder in Deutschland lebenden Ausländern (Sprachkenntnisse, Mindestdauer der Ehe, Wohnung, finanzielle Absicherung), die z.B. für einen US-Amerikaner „großzügiger“ als für einen türkischen Staatsbürger sind. Auch ein Ausländer, der sich rechtmäßig in Deutschland aufhält, erwirbt durch die Heirat mit einem deutschen Staatsbürger nicht sofort und bedingungslos ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht; er kann, z.B. bei Straffälligkeit, abgeschoben werden. Laut deutscher Rechtsprechung widersprechen diese Einschränkungen nicht dem im Grundgesetz garantierten Schutz der Ehe, weil es den Ehepartnern frei stehe, Ihre Ehe in der „Heimat“ (gemeint war die Türkei) zu führen, so die zynische Begründung. Die gleiche zynische Begründung benutzt auch die israelische Regierung: Wenn eine israelische Araberin einen Palästinenser aus den besetzten Gebieten heiratet (das ist die häufigste Konstellation), könne das Ehepaar ja in die besetzen Gebiete ziehen.

    Das israelische Gesetz diskriminiert alle Bewohner der besetzten Gebiete, ohne Unterschied der Religion oder nationaler Herkunft. Es diskriminiert nicht generell nicht-jüdische Israelis, die einen Ausländer heiraten; den Zuzug eines Palästinensers z.B. aus Ägypten schließt das Gesetz meines Wissens nicht aus. Deshalb halte ich dieses Gesetz für eine Verletzung der Bürgerrechte, nicht aber für rassistisch. Das mögen Sie, Sulaika, für Wortklauberei halten. Ich bin aber davon überzeugt, dass nur eine differenzierte Kritik die Chance hat, gehört zu werden.

    Zum Rassismus in Israel später mehr.

  40. Wenn Sie mir etwas vorhalten, dann sollten Sie das zumindest begründen, Abraham. Ich jedenfalls halte meine Kritik weder für einseitig, noch für ungerechtfertigt und mittlerweile habe ich mir auch den Brumlik-Link angesehen. Der äußerst seine Meinung, so wie ich meine Meinung äußere und ich stimme mit Brumliks Meinung nicht in vollem Umfang überein. Ich muss auch die Meinung Brumliks nicht übernehmen.

    Ich stimme dagegen in vollem Umfang mit der Kritik von Alon Liel, Uri Avnery, mit den jungen israelischen Aktivisten von Refugee Voice, mit dem israelischen Journalisten Gideon Levy überein. Gideon Levy äußert sich u. a. so über den Rassismus in Israel:

    „Nun, da wir den Terminus „Rassismus“ verwenden können, ist der Zeitpunkt gekommen, um zuzugeben, dass unsere Gesellschaft absolut rassistisch ist, dass all seine Bestandteile rassistisch sind. Z.B. das Rechtssystem hat nicht weniger den Ruf, rassistisch zu sein, wie die Morasha-Schule in Petah Tikwa. In vielen Fällen gibt es ein Gesetz für Juden und ein anderes für Araber. Die Bank von Israel, eine staatliche Einrichtung mit 900 Angesellten ist immer „araberrein“ gewesen, wenn man von ein oder zwei Angestellten absieht. Etwa 70 000 israelische Bürger – natürlich alle Araber – leben in nicht anerkannten Dörfern ohne Strom und fließendes Wasser, ohne Zufahrtstraße und manchmal auch ohne Schule. Warum?“

    http://zmag.de/artikel/aethiopische-schueler-affaere-zeigt-weit-verbreiteten-rassismus-in-israel

    http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/themen/155081/index.html

    Ich äußere diese Kritik auch nicht, um den israelischen Staat „unangemessen und einseitig“ an einen Pranger zu stellen, ich äußere sie, weil ich, ganz genauso wie viele Aktivisten in Israel des festen Überzeugung bin, dass mit dieser Politik ein Frieden unmöglich gemacht wird. Die Zwei-Staaten-Lösung ist durch die Schaffung vollendeter Siedlungs-Tatsachen mittlerweile zu einem reinen Lippenbekenntnis geworden, und Israel weigert sich, den Siedlungsbau zu stoppen, um in Friedensverhandlungen überhaupt eintreten zu können. Mein Herz schlägt auf der Seite derer, die den Frieden wollen, auf der Seite der Israelis, die gegen Rassismus aufstehen und auch den Palästinensern volle Bürgerrechte zugestehen wollen. Und nicht auf der Seite der rechten Hardliner in der israelischen Regierung, der Ultraorthodoxen, die die Palästinenser aus dem Land treiben wollen. Mein Herz schlägt für die Schwachen – und es ist nun einmal eine Tatsache, dass in diesem Konflikt die Opferzahlen auf Seiten der palästinensischen Zivilbevölkerung bei Weitem höher sind, es ist eine Tatsache, dass Araber in Israel Bürger zweiter Klasse sind und es ist eine Tatsache, dass durch den aggressiven Siedlungsbau immer mehr Palästinenser aus ihren Häusern vertrieben werden. Und das, Abraham, das kann ich nicht gutheißen und da spielt die Rasse oder die Religion nicht die geringste Rolle. Alle Menschen, unabhängig von der Rasse oder der Religion, haben Ansruch auf ein menschenwürdiges Leben und die Bürgerrechte. Auch die Palästinenser.

    Ich gehe in meiner Kritik nicht so weit, wie Herr Gabriel oder die israelische Journalistin Hass – von Apartheid habe ich nichts geschrieben. Sie haben behauptet, „die überwiegende Mehrheit der in der Bürgerrechts- und Friedensbewegung engagierten Israelis würde den Vorwurf des Rassismus zurück weisen“ – ich habe mittlerweile sehr viele Quellen eingestellt, die das Gegenteil belegen. Und da Sie immer wieder bemängeln, ich würde auf ihre Quellen nicht eingehen und meine Behauptungen nicht unter Beweis stellen, würde ich Sie bitten, ihr obiges Zitat freundlicherweise zu belegen, so wie ich meinen Vorwurf des Rassismus und dass dieser von der israelischen Friedensbewegung geteilt wird, mit sehr vielen Quellen belegt habe.

    Auch vermisse ich eine Stellungnahme zu dem Mischehengesetz, das Sie in einen Zusammenhang mit den Zuzugsbeschränkungen für Familienangehörige ausländischer Bürger in Deutschland gebracht haben. Ich kritisiere auch letzteres vehement, aber das ist hier nicht das Thema: Beim Mischehegesetz, das in Israel auch die Zustimmung des höchsten Gerichts gefunden hat, geht es um israelische Staatsbürger, um israelische Juden, die in Israel nicht mit ihren arabischen Ehepartnern leben dürfen. Und so etwas gibt es nach meiner Kenntnis in keinem anderen demokratischen Staat und ich halte es für zutiefst rassistisch.

    Es wäre also nett, wenn Sie einmal konkret inhaltlich zu diesen Dingen sich äußern würden. Das haben Sie bisher nämlich noch nicht getan, satt dessen wiederholen Sie ständig Ihren Vorwurf, ich würde einseitig und ungerechtfertigt argumentieren – wenn dem so sein sollte, argumentieren Uri Avnery, Frau Hass und alle anderen von mir genannten israelischen Fiedensaktivisten und Journalisten ebenfalls einseitig und ungerechtfertigt. M. E. steht es Ihnen nicht zu, meine Meinung und die zahlreicher um den Frieden und die Menschenrechte in Israel und den besetzten Gebieten besorgter Friedensaktivisten und Journalisten als einseitig und ungerechtfertigt zu bezeichnen, ich bezeichne Ihre Meinung ja auch nicht als einseitig und ungerechtfertigt. Sie mögen die gegebenheiten in Israel und denm besetzten Gebieten für nicht-rassistisch halten, Sie mögen von mir aus auch der Meinung sein, den Palästinensern würden nicht die Menschen- und Bürgerrechte vorenthalten, ich sehe das anders und viele israelische Staatsbürger sehen das ebenfalls anders. Kein Grund, uns „Einseitigkeit“ „Überkritik“ oder „ungerechtfertigte“ Kritik vorzuhalten.

    Ich habe hier nicht alle Beiträge bis aufs letzte I-Tüpfelchen gelesen – Ihren Eindruck, antisemitische Kritik sei eventuell dank Bronskis Moderation nicht geäußert worden, teile ich nicht. ich habe jedenfalls bisher nicht den Eindruck gewonnen, dass hier in diesem Blog eventuell verkappte Antisemiten am Werk sein könnten, die ihren Antisemitismus lediglich wegen Bronskis Moderation nicht zu äußern wagen.

    Ich hoffe allerdings sehr, dass Sie mich mit Ihrer Dreiteilung der Kritik an der israelischen Politik nicht in eine wie auch immer geartete Nähe zu Rassisten und Antisemiten stellen wollen, denn nichts liegt mir ferner und das ehrliche Bemühen für die Rechte aller Menschen eintzutreten und dem Rassismus, egal wo und wie er sich äußert, entgegen zu treten, das bitte ich Sie, mir abzunehmen.

  41. Auch ich mußte mir erst einmal die begrifflichen Unterschiede aneignen zwischen „Anti-Semitismus“ und „Anti-Zionismus“. Letzterer beinhaltet polemische Kritik am Staat Israel, ersterer am Judentum insgesamt. Ersterer wäre in sich blöd, weil dann auch alle neutral, selbstkritisch und versöhnlich gestimmten jüdischen Staatsbürger Israels und außerhalb Israels wohnenden Angehörigen des mosaischen Glaubens mit „eingemeindet“ würden, abgesehen von der Tatsache, daß wohl auch Pälästinenser, und die Mehrheit der Bevölkerung Nordafrikas, des vorderen und mittleren Orients, Semiten sind.

    Also kann die Zuweisung wohl eher in die Kategorie „Antizionismus“ erfolgen. Und da wird es dann spannend, weil dann z.B. ein Artikel, wie der auf Seite 84 des neuesten SPIEGEL „Im Zentrum des Sturms“ vom Author Mathieu von Rohe auch als antizionistisch eingestuft werden könnte. (Habe leider keinen Link gefunden). Darin steht, daß Israel seit einiger Zeit falsch macht, was man nur falsch machen kann, und kaum etwas richtig. So hat es sich z.B. immer noch mit der Türkei vergrault, einem früheren 100%igen Israel-Freund. So hält es immer noch Herrn Assad die Stange. So begreift es nicht, daß es sich mit seiner fortdauernden Apartheid-Politik gegenüber den Palästinensern keine Freunde zusätzlich schafft und die letzten noch vorhandenen auch noch vergrault.

    Ich hatte in einem früheren Blog mal geschrieben, daß ich früher beruflich auch Kontakte zu jungen Israelis hatte. Das dies Juden waren, habe ich nicht gemerkt und war mir auch egal. Ich spürte bei ihnen noch die alte Aufbruchsstimmung der Kibbuzim, und eine eher links-sozialdemokratische Gesinnung. Ich habe 1967 in der Türkei Urlaub gemacht während des 6-Tage-Krieges und dort mit jungen Türken und Israelis gemeinsam zu „Hava Nagila“ getanzt. Natürlich wurde über den Krieg geredet. Und selbstverständlich waren die Aussagen: wir müssen irgendwie zu einem gemeinsamen Zusammenleben finden.

    Mir scheint der Hund in der fortschreitenden und andauernden Religiolisierung Israels begraben zu sein, abgebildet auch in der Staatsführung. Livni war wohl die letzte nicht-Radikale. Jetzt haben wir einen Erz-Konservativen wie Netanjahu, ein toller „Roll back“ der Politik. Sah ich früher Bilder und Berichte, waren Kippa und Schläfenlocken-Träger die Ausnahme, heute fast eher die Regel. Und wir wissen ja, auch hier in Europa und hier in Deutschland, was passiert, wenn der Glaube das Denken ersetzt – es muß ja nicht der an irgendeinen Gott sein. Es langt schon, wenn das „höhere Wesen“ in der Vorstandsetage im Turm der Deutschen Bank sitzt.

    Dies gilt natürlich gleichermaßen auch für die arabisch-muslimische Welt. Jetzt treffen eben radikalisierte Gläubige auf andere radikalisierte Gläubige. So wie bei uns die Mammon-Anbeter auf die, noch wenigen, die das Goldene Kalb zerschlagen wollen.

    Vielleicht sollten wir mal die 10 Gebote etwas umbenennen, z.B. eines davon:

    Du sollst, wenn Du in der Tiefsee nach Gas oder Öl bohrst, und aus einem Leck (könnte auch bei einem AKW sein) tritt Substanz aus, nie die Schuld auf Dich nehmen und jede Verantwortung von Dir weisen.

    Aber das wäre, lieber Bronski, bereits wieder an anderes Thema.

  42. @ Sulaika

    Es steht Abraham durchaus zu, Ihre Kritik als einseitig und ungerechtfertigt zu bezeichnen. Er muss das allerdings auch begründen – aber wie Sie sehen, hat er inzwischen damit angefangen. Lassen Sie ihm doch bitte die Zeit dazu. So weit auseinander sind Ihre Positionen meines Erachtens gar nicht.

    „ich habe jedenfalls bisher nicht den Eindruck gewonnen, dass hier in diesem Blog eventuell verkappte Antisemiten am Werk sein könnten, die ihren Antisemitismus lediglich wegen Bronskis Moderation nicht zu äußern wagen.“

    Natürlich können Sie diesen Eindruck nicht gewinnen, wenn entsprechende Postings die Moderation nicht durchdringen.

    @ Abraham

    „Ich bin aber davon überzeugt, dass nur eine differenzierte Kritik die Chance hat, gehört zu werden.“

    Darin stimme ich völlig mit Ihnen überein. Sie sprechen davon, dass die Bestimmungen des israelischen „Mischehegesetzes“ eine Verletzung der Bürgerrechte darstellen, aber nicht rassistisch seien. Halten Sie sie aber für diskriminierend? Oder werde ich jetzt wortklauberisch? 😉

  43. Der Ehegattennachzug in Deutschland, der hängt lediglich von Sprachkenntnissen auf niedrigstem Niveau ab, außerdem müssen beide Partner mindestens 18 sein (damit soll der Zuzug zwangsverheirateter sehr junger Frauen und Mädchen verhindert werden). Nur im Ausnahmefall kann die Zuzugsgenehmigung von der Sicherung des Lebensunterhaltes abhängig gemacht werden. Da kann man jetzt dazu stehen, wie man möchte, rassistisch sind diese Regelungen jedenfalls in keinster Weise. Großzügiger wird beispielsweise bei Hochschul- und Fachhochschulabsolventen verfahren, die müssen keine Sprachkenntnisse nachweisen. Eine Mindestdauer der Ehe existiert nicht – die Mindestdauer ist lediglich relevant, wenn im Falle einer Trennung der ausländische Ehepartner ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erwerben will, in dem Fall muss die Ehe mindestens drei Jahre bestanden haben. Wie Sie, Abraham, diese freizügige Regelung mit dem Mischehegesetz in Israel auch nur im Mindesten vergleichen können, bleibt mir schleierhaft.

    In Israel dürfen Mischehepaare grundsätzlich nicht in Israel leben, die Partner können nur und ausschließlich in palästinensischem Gebiet leben, und zwar mit Billigung des obersten Gerichtes. Lediglich Mischehepartner, die vor der Verabschiedung des Gesetzes schon in Israel lebten, werden noch geduldet, alle anderen dürfen nicht mehr auf israelischem Boden leben. Dieses Gesetz ist m.E. zutiefst rassistisch und es wäre in Deutschland und in allen mir bekannten demokratischen Staaten mit der Verfassung/dem Grundgesetz nicht vereinbar. Und das Mischehegesetz gilt eben für alle Mischehen, nicht nur für die mit straffälligen Ehepartnern.

    Ja, und nachdem solche Formulierungen sozusagen von Bronski abgesegnet wurden, stelle ich jetzt mal fest: Ihre Argumentation zum Mischehegesetz in Israel ist einseitig und ungerechtfertigt. Und nach gutter Sitte habe ich die Begründung gleich mitgeliefert.

  44. Das Gesetz, Abraham diskriminiert alle Palästinenser und hier die Stellungnahme von AI und HRW:

    „AI und HRW hatten das israelische Parlament, die Knesset, in einem gemeinsamen Brief aufgefordert, das Gesetz abzulehnen. In einer Erklärung sagte AI: „Ein Gesetz, daß eine derart eklatante Rassendiskriminierung aufgrund von Volkszugehörigkeit oder Nationalität erlaubt würde eindeutig internationale Menschenrechtsgesetze und Verträge, die Israel ratifiziert hat, verletzen.“

    Quelle: http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Israel/ehegesetz.html

    Also, wie Sie sehen können, sprechen auch AI und HRW (nicht nur israelische Aktivisten und Journalisten) von Rassendiskriminierung und Rassendiskriminierung ist nun mal rassistisch.

    Das Gesetz wurde trotzdem ratifiziert und vom obersten Gericht abgesegnet, und zwar obwohl es eindeutig gegen internationales Menschenrecht und von Israel ratifizierte Verträge verstößt.

  45. Und last not least, Abraham – in 2009 hat die israelische Regierung mit der Jewisch Agency einen TV-Spot gestartet, der nach heftigen internationalen Protesten wieder abgebrochen wurde. Darin wurden Juden im Ausland generell vor Mischehen mit Nichtjuden gewarnt. Steckbriefe mit jüdisch klingenden Namen wurden darin mit dem Wort „Lost“ (verloren) versehen. Zuschauer sollten sich melden, wenn sie junge Menschen im Ausland kennen, die „in Gefahr“ seien, Nichtjuden zu heiraten. Das ist doch ungeheuerlich, das ist m.E. ein unglaublicher Affront und bei allem Rassismus, der in Deutschland leider immer noch vorhanden ist: Ich halte es für undenkbar, dass die deutsche Regierung sich an einem TV-Spot beteiligt, in dem deutsche Christen im Ausland vor der Ehe mit Nicht-deutschen Menschen anderer Glaubensrichtungen gewarnt werden. Es geht hier bei der Kritik nicht um Juden, es geht um das, was die israelische Regierung leider treibt. Und es hat auch nichts damit zu tun, dass hier Sicherheitsinteressen eine Rolle spielen würden, es ist m. E. eindeutig rassistisch.

  46. Es ist ja beinahe schon witzig. Sulaika, es ist Ihnen wohl nicht bewusst, aber im Grunde verhalten Sie sich nicht anders als die israelische Regierung: Sie beharren auf Ihrer Position und ziehen jedes Argument herbei, um nicht um eine endgültige Friedenslösung verhandeln zu müssen. In Ihrem Weltbild ist ganz klar, wer die Bösen sind, und Sie sind nicht bereit, von dieser Position auch nur ein Zentimeterchen abzurücken. Die Sündenliste der israelischen Regierung ist lang, aber in Ihrer Argumentation kommen Terror gegen Israel, Kassam-Raketen, Intifada, Hamas und Hisbollah nicht vor. Da haben Sie es sich aber hübsch einseitig eingerichtet.

  47. @ Bronski/Sulaika

    Selbstverständlich ist das Ehegesetz von 2003 diskriminierend; zu denen, die dieses Gesetz (und andere Formen der Diskriminierung sowie die Besatzungspolitik) aktiv bekämpfen, gehört das Israel Religious Action Center (IRAC), das von der Bewegung der (jüdischen) Reformgemeinden in Israel getragen wird. Das ist die „Schwesterbewegung“ der liberalen jüdischen Gemeinden in Deutschland. Als aktives Mitglied einer dieser Gemeinden unterstütze ich voll und ganz die Position von IRAC. Sie können auch sicher sein, dass ich nicht ein Anhänger der jetzigen Regierung Israels bin.

    Dass ich meine, diese persönliche Klarstellung schreiben zu müssen, ist ein Symptom dafür, wie verquer die Diskussion über Israel verläuft, bei der – möglicherweise unbewusst – manche so diskutieren, als ob sie im Besitz der unumstößlichen Wahrheit und Moral wären, und damit diejenigen, die sich um Differenzierung bemühen, in die Rolle der Verteidiger der Unmoral drängen. Ich unterstelle damit keineswegs Sulaika unlautere persönliche Motive und stelle Ihre Integrität nicht in Frage.

    Die Problematik, wie in Deutschland (und auch in anderen europäischen Ländern) über Israel diskutiert wird, zeigt auch der Begriff „Mischehengesetz“, der eine parallele zu Gesetzen der Nazis oder der Apartheid nahe legt. Dabei sind von dem Gesetz keineswegs „Mischehen“ betroffen, sondern Ehen muslimischer Palästinenser, also von Partner gleicher Religion und gleicher Ethnie, von denen der Eine Bürger Israels und der Andere Bewohner der besetzten Gebiete ist. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob dieser polemische Begriff in der innerisraelischen Auseinandersetzung verwendet wird, in der den Beteiligten die Einzelheiten und der Hintergrund bekannt sind. Während dort Überspitzungen für klare Konturen in einer (für Israel typischen) lebendigen Debatte sorgen, haben solche Schlagworte außerhalb von Israel völlig andere Wirkung. Hier treffen sie auf eine Öffentlichkeit, die weder den Hintergrund noch die facettenreiche Wirklichkeit der israelischen Gesellschaft kennt – aus Überspitzung wird Überzeichnung, hinter der eine komplexe Wirklichkeit verschwindet. Ich bezweifle, dass vor unserer Auseinandersetzung hier den Blogteilnehmern der Inhalt des Ehegesetzes bekannt war und sie die Kritik daran einordnen konnten.

    Sulaika, wenn Sie mich belehren (sorry, Bronski, ich empfinde es so, ohne gegenüber Sulaika unhöflich sein zu wollen), dass es in Israel Rassismus gibt, dann reden wir aneinander vorbei. Selbstverständlich gibt es diesen in Israel, wie wohl in jeder Gesellschaft, ich könnte dafür noch weitere Beispiele und Zeugen nennen. Die von Ihnen zitierten Stimmen zeigen, dass der Rassismus in Israel genauso offen kritisiert wird. Nicht nur das: In Israels Zivilgesellschaft gibt es nicht wenige Gruppen, die sich aktiv gegen den Rassismus engagieren und z.B. den afrikanischen Flüchtlingen helfen. So wie es in Teilen der israelischen Gesellschaft Rassismus gibt, gibt es im anderen auch eine hohe Offenheit gegenüber dem Anderssein. Bekanntlich ist Tel Aviv auch zum Zufluchtort etlicher Schwuler Palästinenser (oder auch schwuler Orthodoxer), die in ihrer eigener Gemeinschaft Verfolgung ausgesetzt sind. Ist also Israel „rassistisch“ oder „tolerant“?

    Können Sie sich, Sulaika, auf diese Diskussionsebene einlassen? Das bedeutet, nicht nur zu prüfen, ob die von Ihnen vorgetragene Kritik richtig ist, sondern auch, wie diese in dem Diskurs wahrgenommen wird und welche Wirkung sie erzielt.

    Und auch noch in einem weiteren Punkt erwarte ich Ihre Antwort: Warum richtet sich Ihre Empörung in dieser Diskussion ausschließlich gegen Israel und nicht auch z.B. gegen das Unterdrückungsregime der Hamas in Gaza, das mit Sicherheit keine Mischehen duldet. Einer Hamas, die einen antisemitischen, frauenverachtenden und aggressiv intoleranten Islam vertritt?

    Auf viele Einzelheiten in der mich überfordernden Anzahl der hier geposteten Beiträge kann ich nicht eingehen. Ich hoffe trotzdem, dass etwas klarer geworden ist, was meine Intention ist. Wenn nicht, dann bringt es auch nichts, mich weiter an der sich im Kreise drehenden Diskussion zu beteiligen.

  48. @ # 45 Wolfgang Fladung

    Von Israel scheinen Sie wirklich nicht viel zu wissen: Die Radikalen in Netanjahus Regierung sind kommen aus der betont antireligiösen Partei „Unser Haus Israel“ von Avigdor Lieberman, die überwiegend von säkularen jüdischen Zuwanderern aus der früheren Sowjetunion gewählt wird. Auch Netanjahus Likud ist keine religiöse Partei. Hingegen zählt die Gruppe „Rabbiner für Menschenrechte“, in der auch orthodoxe Rabbiner tätig sind, zum aktiven Teil der Friedens- und Menschenrechtsbewegung. Auf die IRAC, einen Teil der (wachsenden) progressiven jüdischen religiösen Bewegung in Israel, habe ich schon hingewiesen.

  49. Schön, dass Sie meine Argumentation witzig finden. Auf meiner Position beharre ich, weil ich diese Position richtig finde und ich ziehe auch nicht Argumente herbei, was ich geschrieben habe, sind ja alles nachprüfbare Tatsachen. Die Sündenliste der israelischen Regierung ist ja nicht von mir erfunden, sie ist in der Tat sehr lang und ehrlich, ich habe noch lange und bei Weitem nicht alles „herbei gezogen“ und ich bin in der Tat fest davon überzeugt, dass auf diese Weise der Frieden keinerlei Chance hat. Ich ziehe auch keine Argumente herbei, um nicht über eine Friedenslösung verhandeln zu müssen, denn erstens liegt es außerhalb meiner Macht, über eine Friedenslösung verhandeln zu können und zweitens halte ich die Beendigung dieser Politik für die notwendige und unabdingbare Voraussetzung, damit die Beteiligten über eine Friedenslösung überhaupt verhandeln können.

    Schlimmer noch, ich befürchte, dass die derzeitige Regierung in Israel an Frieden keinerlei Interesse hat, denn mit dieser Politik stärkt Israel meines Erachtens seit Jahren die Hamas, sie stärkt die Gewalt und schwächt den moderaten Abbas und man darf sich da berechtigterweise fragen, warum die israelische Regierung das tut. Auch mit dieser Einschätzung stehe ich beileibe nicht allein. Ich verweise noch einmal auf die israelische Journalistin Amira Hass. Sie schrieb u.a. anlässlich der Offensive im Gazastreifen:

    …”Die Bevölkerung des Gazastreifens hat die Nase voll von der Hamasregierung. Sie hat sich vor allem gegenüber Fatahmitgliedern als ein Regime der Angst und Erpressung erwiesen. Aber die Art von ( isr.) Straftaktik, die im Augenblick dort praktiziert wird, stärkt die Hamas. Statt die Bewegung nach ihrer Fähigkeit, Regierungsgeschäfte durchzuführen und Regierungsverpflichtungen zu übernehmen und für das Wohlbefinden der Bevölkerung zu sorgen, kann die Schuld für jede Bekundung von Unreife und Stümperhaftigkeit dem Mangel an Strom/Kraftstoff gegeben werden, der durch die Belagerung verursacht wird”…

    http://www.hagalil.com/archiv/2009/03/11/hamas-8/

    Beispielsweise auch der Deal mit der Freilassung Ghilad Schalits im Austausch mit zahllosen Gefangenen diente nach meiner Ansicht der Stärkung der Hamas und der Schwächung des moderaten Palästinenserpräsidenten Hamas:

    „Dies bedeutet einen Schlag ins Gesicht von Abbas, eine Stärkung der Hamas innerpalästinensisch, wohl auch in Hinblick auf die kommenden Wahlen. Israel hat scheinbar klargemacht, dass die Hamas, die kein Isreal anerkennt und mit Terror gegen sie vorgeht allemal eher ein Gesprächspartner ist als die PLO, die friedlich einen Palästinenserstaat vor der UNO und die 2-Staatenlösung fordert.Freilich will Israel keinen Frieden mit der Hamas wie auch umgekehrt. Es hat mehr den Anschein, dass Israel die Hamas fördert, um die moderate PLO , auch im Westjordanland,zu beseitigen. So könnte dieser Gefangenaustausch eher damit zu tun haben, dass Netanjahu-Liebermann die Hamas stärken wollen und damit auch automatisch eine Eskalation der Gewaltspirale in Gang setzen wollen, die dann Israel den Vorwand liefert, die im Westjordanland verbliebenen Palästineser mittels einer zweiten nakba auch noch zu vertreiben.Der Zweck des Deals war es die UNO-Anerkennung der Palästinenser zu hintertreiben und die Voraussetzung für einen kommenden Konflikt zu schaffen, bei dem die Hamas trotz grosser Sprüche und Militanz die unterlegenen sein werden—und damit die Palästinenser.“

    http://www.global-review.info/2011/10/18/ghilad-schalit-israel-starkt-hamas-warum/

    Ich sehe das ganz genau so und wer eine solche Politik betreibt, stärkt die Kräfte der Gewalt auf seiten der Palästinenser, schwächt die moderaten Kräfte, hintertreibt die Zwei-Staatenlösung und schafft die Voraussetzung für neue Konflikte. Und für so einfältig, dass dies alles ohne jeden Plan geschieht, halte ich die israelische Regierung nicht.

    Im Übrigen haben es sich weder die israelischen Friedensaktivisten, noch die genannten Journalisten, deren Meinung ich nach reiflicher Überlegung absolut teile „hübsch einseitig eingerichtet.“ Und ich auch nicht.

  50. Sorry, es musste natürlich heißen: „schwächt den moderaten Palästinenserpräsidenten Abbas.“ (nicht Hamas). War ein Schreibfehler, ohne Absicht.

  51. @ # 49 Sulaika
    „Mischehen“ sind ein schwieriges Thema für jede nationale und religiöse Minderheit. Wenn Angehörige einer Minderheit interreligiöse oder multiethnische Ehen eingehen, besteht die Gefahr, dass sich deren Kinder der religiösen oder ethnischen Tradition der Minderheit abwenden. Damit besteht die Gefahr, dass solche Minderheiten (wie die Sorben in Ostdeutschland) allmählich verschwinden. Dass sich die jüdischen Gemeinden in der Diaspora, die eine solche Minderheit sind, darüber Gedanken machen, ist meiner Meinung nach verständlich und legitim. Die selbstverständlich zu achtende Freiheit jedes Einzelnen und der Fortbestand der Gruppenidentität sind nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen. Nun zeigt die Erfahrung, dass sich interreligiöse Familien häufiger für eine jüdische Erziehung der Kinder entscheiden, wenn jüdische Gemeinden ihren Mitgliedern eine positive Identifikation mit dem Judentum und gleichzeitig dem nicht-jüdische Ehepartner ein Zugehörigkeitsgefühl vermitteln können. Ob ein Jude, der einen Nichtjuden heiratet, der jüdischen Gemeinschaft „verloren“ geht, hängt also auch von dieser Gemeinschaft. Diesem komplexen Zusammenhängen ist der verunglückte Spot der Jewish Agency nicht gerecht geworden.

    Einen Bezug zur israelischen Politik hat dieses Thema aber nur insofern, weil diese Kampagne ein Umdenken innerhalb der Jewish Agency zeigt: Während früher ihre Hauptaufgabe die Werbung für die Einwanderung von Juden nach Israel war, kümmert sie sich zunehmend um die Stärkung der jüdischen Gemeinschaft in der Diaspora.

  52. Von dem Gesetz, Abraham, sind Mischehen zwischen Israelis und Palästinensern betroffen, es ist nicht richtig, dass „nur“ Partner gleicher Religion und gleicher Ethnie (also „nur“ Palästinenser) betroffen seien. Das Gesetz verbietet den Partnern von „Mischehen“ (Israelis und Palästinensern) sich auf israelischem Gebiet niederzulassen. Und jetzt mal ehrlich: Würden Sie das Gesetz etwa weniger verwerflich finden, wenn es so, wie Sie schreiben „nur“ Palästinenser beträfe? Der Begriff „Mischehe“ ist insofern ein gebräuchlicher Begriff, weil es eben Ehen zwischen israelischen Juden und Palästinensern betrifft. Zu diesem Thema habe ich mehrere „Belege“ eingestellt und ich würde Sie bitten, Ihre Behauptung, hier seien „nur“ Palästinenser betroffen, zu belegen. Ich habe jedenfalls in allen seriösen Quellen die eindeutige Aussage gefunden, dass die Ehen zwischen israelischen Juden und Palästinensern betroffen sind, und das sind nun einmal Mischehen. Einen anderen Begriff für dieses Gesetz habe ich nirgends gefunden, und wenn Sie der Begriff „Mischehe stört, wie soll dieses Gesetz denn Ihres Erachtens genannt werden?

    Ich habe Sie, Abraham nicht über Rassismus in Israel „belehren“ wollen, vielmehr war das doch genau umgekehrt: Sie haben sich an meiner m.E. zutreffenden Formulierung „Israel betreibe eine rassistische Politik gegenüber Minderheiten“ gestört und haben bereits zuvor in 14 behauptet, mein Vorwurf, Israel sei rassistisch, sei unzutreffend. Weshalb ich mich nun seit unzähligen Beiträgen veranlasst sehe, meinen Vorwurf entsprechend guter Sitten zu belegen. Jetzt drehen Sie das Ganze plötzlich um und behaupten, „selbstverständlich gäbe es Rassismus in Israel“ und ich wolle Sie angeblich belehren. Da komme ich jetzt nicht mehr mit, ja wie denn nun, ist der Vorwurf nun zutreffend oder nicht? Und weshalb bemühe ich mich hier eigentlich seit Tagen, einen Ihres Erachtens angeblich unzutreffenden Vorwurf zu belegen, wenn Sie, wie Sie jetzt plötzlich schreiben, „selbstverständlich gäbe es Rassismus in Israel?“

    Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, da fühle ich mich jetzt aber doch ziemlich veräppelt. War nämlich ziemlich viel Arbeit, die Belege für den angeblich unzutreffenden Vorwurf, der jetzt plötzlich nicht mehr unzutreffend sein soll, einzustellen und den Vorwurf zu begründen.

    Die Antworten auf die von Ihnen gestellten Fragen habe ich an vielen Stellen gegeben, lesen Sie beispielsweise auch meinen Beitrag zu 53. Und in meiner Kritik ging es allenfalls am Rande um die israelische Zivilgesellschaft, sondern um die israelische Regierung und deren Politik. In der israelischen Zivilgesellschaft gibt es, so wie auch in Deutschländ, nämlich solche und solche. Ich erwarte von einer demokratischen Regierung, dass sie sich um Ausgleich mit den moderaten Kräften bemüht und die moderaten Kräfte stärkt, dass sie mit den moderaten Kräften verhandelt und nicht der Gewalt und Radikalisierung weiteren Auftrieb verleiht, indem sie die Hamas durch Blockadepolitik stärkt, aggressive Siedlungspolitik betreibt, den Palästinensern einen Staat vorenthält und mit der Hamas Geschäfte macht.

    Ich hoffe, ich habe Ihre Fragen ausreichend beantwortet und erlaube mir den Hinweis, dass Sie meine an mehreren Stellen gestellten Fragen überwiegend immer noch nicht beantwortet haben. Ich habe mittlerweile den Eindruck, Sie fühlen sich womöglich durch meine, wie ich finde berechtigte Kritik an den Hardlinern in der israelischen Regierung persönlich angegriffen. Dafür gibt es aber keinerlei Grund, ich diskutiere dieses Thema, das mir sehr am Herzen liegt, auch im realen Leben und zwar auch mit Juden und israelischen Staatsbürgern in meinem Bekanntenkreis. Und bisher hat sich da noch niemand von mir angegriffen gefühlt. Im Gegenteil, wir stimmen überwiegend völlig überein. Das ist keine Frage der Religion, keine Frage von Jude oder Nichtjude oder Christ und keine Frage der Staatsangehörigkeit. Das ist m.E. eine Frage, in welcher Menschen, die den Frieden wollen, wie beispielsweise auch viele israelische und palästinensische und deutsche Friedensaktivisten, in der Regel weitgehend übereinstimmen. Und ich finde, diese Kräfte, die israelische und palästinensische Friedensbewegung, die moderaten Kräfte um Abbas, verdienen Unterstützung, nicht die Hardliner in der israelischen Regierung, nicht die Ultraorthodoxen, nicht die rechten Siedler und selbstverständlich auch nicht die Hamas.

  53. @ Abraham

    Vielleicht sollten Sie erstmal gar nicht mehr so sehr auf einzelne Kritikpunkte gegen die Politik Israels eingehen, weil da womöglich mitunter etwas simplifiziert und pauschalisiert wird, weil die komplexen Zusammenhänge übersehen werden oder ganz einfach nicht bekannt sind.

    Sie schrieben in # 41
    „Und noch zur Klarstellung möchte ich widerholen: Es gibt berechtigte Kritik an Israel, es gibt einseitige und ungerechtfertigte Kritik und es gibt antisemitische Kritik.“

    Ich denke es wäre effektiver für die weitere Diskussion, wenn Sie kurz skizzieren würden, was Sie denn nun unter „berechtigter Kritik“ verstehen.
    Dem kann dann ja widersprochen oder auch zugestimmt werden.

  54. Nein, Abraham, dafür habe ich nicht das geringste Verständnis (bezogen auf Ihren Beitrag 55). Das Thema hat insofern einen Bezug zur israelischen Politik, als die Kampagne von der israelischen Regierung mit getragen wurde. Ich finde, es ist absolute Privatangelegenheit, sich von Traditionen oder Religionen abzuwenden oder nicht abzuwenden. Und es ist absolute Privatangelegenheit, zu heiraten wen immer man heiraten möchte. Man kann doch Tradition oder Religion nicht erzwingen (wollen), indem man Menschen davor warnt, Mischehen einzugehen. Und zwischen „sich um etwas Gedanken machen“ und der Warnung anderer Menschen, keine Mischehen eingehen zu sollen, besteht ein erheblicher Unterschied. Wenn Menschen sich vom Glauben und der Tradition abwenden oder abwenden wollen, hat kein Staat der Welt, keine Regierung und auch nicht die Jewish Agency ein Recht, derartige diskriminierende Kampagnen zu starten. Das fanden Übrigens auch die meisten Juden in der sogenannten Diaspora ziemlich ungeheuerlich.

  55. @ Sulaika

    Kommentar # 56: „… und ich würde Sie bitten, Ihre Behauptung, hier seien “nur” Palästinenser betroffen, zu belegen.“

    Abraham hat in Kommentar # 43 geschrieben:

    „Das israelische Gesetz diskriminiert alle Bewohner der besetzten Gebiete, ohne Unterschied der Religion oder nationaler Herkunft.“

    Kommentar # 58:

    „Ich finde, es ist absolute Privatangelegenheit, sich von Traditionen oder Religionen abzuwenden oder nicht abzuwenden.“

    Vielleicht ist das ein Ansatzpunkt, um mal darauf hinzuweisen bzw. noch einmal darüber zu sprechen, dass dies eben für manche Juden so nicht zutrifft. Wir hatten vor zwei Jahren eine recht interessante Debatte über das Buch „Die Erfindung des jüdischen Volkes“ des Historikers Shlomo Sand aus Tel Aviv, das damals viel Aufsehen erregt hat. Sand vertritt die These, dass es sich beim Konstrukt des jüdischen ‘Volkes’ um eine typische Annahme des späten 19. Jahrhunderts handle, in dem Historiker allerorten historische ‘Ursprünge’ ihrer meist sprachlich zusammengehaltenen Bevölkerungsgruppe gesucht und gefunden hätten. Im 19. Jahrhundert entstanden die meisten Nationalismen, auch der Zionismus, der für die Staatsdoktrin Israels noch heute von Bedeutung ist. Wenn hier viel über Missachtung der Menschenwürde, Diskriminierung, Rassismus gesprochen wird, dann geschieht dies meist in Kategorien von Recht/Gerechtigkeit und Unrecht/Ungerechtigkeit. Dieses Handeln des Staates Israel hat aber eine ideologische Basis, die sein Handeln erklärlich macht. Darum hat er in den Augen derer, die diese Doktrin vom jüdischen Volk vertreten, jedes Recht der Welt zu versuchen, „Mischehen“ zu unterbinden.
    Um das hinzufügen: Dieses Denken ist nicht meines, aber es macht manche Handlung des Staates Israel nachvollziehbar. Und wieder ist dies – außerdem – ein Beispiel dafür, dass die schärfste Kritik an Israel aus Israel selbst kommt.

  56. @ Sulaika
    „Von dem Gesetz, Abraham, sind Mischehen zwischen Israelis und Palästinensern betroffen, es ist nicht richtig, dass ‚nur‘ Partner gleicher Religion und gleicher Ethnie (also ‚nur‘ Palästinenser) betroffen seien.“

    Sie halten mir etwas vor, was ich nicht behauptet habe. Ich habe geschrieben, dass das Gesetz greift, „wenn eine israelische Araberin einen Palästinenser aus den besetzten Gebieten heiratet (das ist die häufigste Konstellation)“. Weiterhin habe ich geschrieben: „Das israelische Gesetz diskriminiert alle Bewohner der besetzten Gebiete, ohne Unterschied der Religion oder nationaler Herkunft. Es diskriminiert nicht generell nicht-jüdische Israelis, die einen Ausländer heiraten; den Zuzug eines Palästinensers z.B. aus Ägypten schließt das Gesetz meines Wissens nicht aus.“ Schließlich habe ich geschrieben: „Dabei sind von dem Gesetz keineswegs „Mischehen“ betroffen, sondern Ehen muslimischer Palästinenser, also von Partner gleicher Religion und gleicher Ethnie, von denen der Eine Bürger Israels und der Andere Bewohner der besetzten Gebiete ist.“

    Das Wort „keineswegs“ mag missverständlich sein. Theoretisch sind von dem Gesetz auch „Mischehen“ betroffen, z.B. eines jüdischen Israeli mit einer christlichen Palästinenserin oder einer christlich-arabischen Israeli mit einem muslimischen Palästinenser. In der gespaltenen Gesellschaft Israels kommen aber Ehen zwischen jüdischen Israelis und israelischen Arabern nur selten vor, solche zwischen jüdischen Israelis und palästinensischen Arabern muss man fast mit der Lupe suchen, weil es zwischen diesen Gruppen kaum private Kontakte gibt. Auch unter den Arabern sind interreligiöse Ehen selten (es sei den, die christliche Frau tritt zum Islam über). Von dem Gesetz sind deshalb fast ausschließlich Ehen zwischen muslimisch-arabischen Israelis und muslimischen Palästinensern, überwiegend, wie ich bereits geschrieben habe, Ehen einer israelischen Araberin mit einem Palästinenser betroffen. Damit wurde auch das Gesetz begründet, nämlich mit der Abwehr der angeblichen Gefahr, dass unter Deckmantel der Eheschließung massenweise potenzielle palästinensische (männliche) Terroristen aus den besetzten Gebieten eingeschleust werden.

    Wenn Sie „in allen seriösen Quellen die eindeutige Aussage gefunden (haben), dass die Ehen zwischen israelischen Juden und Palästinensern betroffen sind“, und Sie diese so interpretieren, dass dies der (hauptsächliche) Zweck des Gesetzes sei, so haben Sie entweder falsche Quellen genutzt oder diese falsch verstanden.

    Noch eine Anmerkung zu den Zitaten, die Sie, tatsächlich völlig unnötig, als Beleg für Rassismus in Israel gebracht haben. Der unbestrittene (individuelle) Rassismus in der israelischen Gesellschaft ist aber noch kein Beweis dafür, dass „Israel eine rassistische Politik gegenüber Minderheiten” betreibt oder dass „Israel“ (also der Staat als Ganzes) rassistisch sei. Sehen Sie den Unterschied nicht?

  57. @ # 58 Sulaika

    Ich will nicht überheblich klingen, aber was „die meisten Juden in der sogenannten Diaspora“ meinen, kann ich wahrscheinlich besser als sie beurteilen.

    Wenn Sie meinen, betonen zu müssen, es sei „absolute Privatangelegenheit, zu heiraten wen immer man heiraten möchte“, haben Sie dann meinen Verweis auf die „selbstverständlich zu achtende Freiheit jedes Einzelnen“ nicht zur Kenntnis genommen?

    Die deutsche Regierung setzt sich selbstverständlich durch Unterstützung der bestehenden Institutionen, Vereine und Gemeinschaften für den Erhalt der deutschen Minderheit in Polen, die ungarische Regierung unterstützt „Auslandsungarn“ in der Slowakei sowie in Rumänien und die türkische Regierung unterstützt Türken in Deutschland. Genauso darf Israel durch die Jewish Agency die jüdischen Gemeinden in der Diaspora dabei unterstützen, nicht kulturell und religiös assimiliert zu werden. Dass die „Warnung“ vor „Mischehen“ das falsche Mittel dazu war, ist unumstritten.

    Lieber Bronski, es ist völlig schnuppe, ob das „jüdische Volk“ ein Konstrukt des 19. Jahrhunderts ist oder bereits vom rabbinischen Judentum nach dem endgültigen Verlust der Eigenstaatlichkeit als „Am Jisrael“ „erfunden“ wurde (was ich ja in der damaligen Debatte ausführlich begründet habe). In beiden Fällen ist es eine Realität, dass sich eine überwiegende Mehrheit der Juden wie ich dem jüdischen Volk zugehörig fühlt, das aus Juden in Israel und der Diaspora besteht.

  58. @ Sulaika (Nachtrag)

    Ihren Ausführungen unter # 53 und ihrem Schlusssatz in # 56 stimme ich weitgehend zu. Gegenüber vorangegangenen Beiträgen haben Sie, so empfinde ich es, deutlich verbal abgerüstet und sind konkret geworden. Das macht es mir möglich, die Diskussion zu beenden.

  59. # 52: Abraham: Danke, Herr Abraham, für die zusätzliche Information. Sie haben Recht, so eingehend kenne ich die inner-israelischen Verhältnisse nicht. Mir war zwar bekannt, daß „Unser Haus Israel“ der Ursprung von Netanjahus Regierungspartei ist, jedoch der, wie Sie sagen, „antireligiöse Charakter“ nicht bekannt. Ich hatte nur mitbekommen, daß hier aufgrund Einwanderung und wohl auch Vertreibung aufgrund Schikane russischer Behörden die orthodoxen Juden aus Rußland nach Einwanderung nach Israel sich breit gemacht hatten und die eher sozialdemokratisch-säkular gesinnten somit verdrängt hatten. Allerdings war ich von der Formel:
    Orthodox = religiös, sozialdemokratisch/sozialistisch = säkular ausgegangen. Aber so einfach scheinen die Verhältnisse in Israel nicht zu sein.

    Allerdings bleibt dann für mich immer noch die Frage: Wenn Sie Recht haben, wieso räumen dann angeblich säkulare Gruppierungen den ultra-Orthodoxen so viel Raum ein? Irgendwo muß doch dann auch bei den säkularen das alttestamentarische Prinzip „AUGE UM AUGE, ZAHN UM ZAHN“ voll durchschlagen, oder?

    Und trotz radikaler Hamas und Kazam-Raketenbeschuß ist für mich nach wie vor nicht beantwortet:

    – warum es o.k. sein soll, entgegen jedem Völkerrecht auf fremden Land Siedlungen zu errichten, im Westjordanland und in Ostjerusalem
    – sich nicht an UNO-Resolutionen zu halten
    – sich den Großteil des Wassers, siehe Jordan, anzueignen (am Jordan siedelt soweit ich weiß keine Hamas)
    . den Gaza-Streifen permanent von jeder Versorgungsmöglichkeit abzuschneiden und ihm damit seine Existenzberechtigung zu entziehen

    Ich könnte mir vorstellen, bei vertauschten Rollen zwischen Israel und Palästinensern, das in diesem Fall die USA schon längst versucht hätten, eine UNO bzw. Sicherheits-Resolution für einen Einmarsch hinzubekommen.
    Leider gibt es jedoch an der Wallstreet hier zuviel Einfluß der einen Seite.

    Ich hatte ja in meinem Beitrag # 45 noch etliche andere wunde Punkte angesprochen, und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie darauf genauso eingehen würden wie auf den Punkt mit den „Mischehen“ mit Suleika.

    Ansonsten wird es für mich uninteressant, mich hier weiter zu tummeln.

  60. Korrektur: „Unser Haus Israel“ ist natürlich n i c h t der Ursprung von Netanjahus Regierungs-p a r t e i, (das ist und bleibt der Likud), sondern ein Teil, wenn auch ein mächtiger und überaus einflußreicher seiner Regierung.

  61. Abraham hat aber auch geschrieben, Herr Bronski: „Dabei sind von dem Gesetz keineswegs „Mischehen“ betroffen, sondern Ehen muslimischer Palästinenser, also von Partner gleicher Religion und gleicher Ethnie, von denen der Eine Bürger Israels und der Andere Bewohner der besetzten Gebiete ist.“

    Und darauf bezog sich mein Einwand und meine Bitte, diesen m.E. unzutreffenden Sachverhalt zu belegen.

    Von dem Gesetz sind nämlich nicht „nur“ Partner gleicher Religion und gleicher Ethnie betroffen, sondern sehr wohl „Mischehen.“ Und insofern ist der Begriff „Mischehegesetz“ keineswegs polemisch, wie Abraham ebenfalls behauptet hat, sondern ein zutreffender Begriff. Das Gesetz betrifft ausdrücklich auch jüdische Israelis, die palästinensiche Partner aus den besetzten Gebieten heiraten. Und das hatte ich ja bereits mit verschiedenen Quellen belegt. Abraham hat das anscheinend nicht zur Kenntnis genommen.

    Hier noch ein ganz aktueller Bericht der Ehepaars Jasmin (jüdische Israelin) und des Palästinensers Ossama, die in Israel nicht zusammen leben dürfen. Sie leben derzeit in Berlin-Neukölln und haben einer jüdischen Zeitung ihr Schicksal geschildert. Jasmin ist Tochter einer deutschen Holocaust-Überlebenden. „Leben wollen wir“.

    http://www.j-zeit.de/archiv/artikel.1537.html

    Ich sag jetzt lieber nicht, wie ich es finde, dass die Tochter einer deutschen Holocaustüberlebenden aus Israel auswandern muss, weil sie wegen ihres palästinensischen Ehemanns gezwungen wird, in den besetzten Gebieten zu leben. Dann würde man mir hier vermutlich wieder einmal unsachliche Emotionalität vorwerfen.

    Die klare Aussage von Jasmin:
    “ In den Besetzten Gebieten wäre das Leben aus Sicherheitsgründen unerträglich geworden.“

    Genau so ist es: In den besetzten Gebieten ist weder ein sicheres und auch kein menschenwürdiges Leben möglich, in Israel schon, jedenfalls für israelische Juden. Aber da dürfen sie nicht leben, die israelischen Juden mit dem falschen Ehemann. (ebenso auch nicht palästinensische israelische Staatsbürger mit dem falschen Ehepartner).

    Im Übrigen halte ich den Begriff „Mischehe“ in diesem Falle keineswegs für polemisch, wie Abraham behauptet hat, sondern für eine korrekte Bezeichnung eines m.E. rassistischen Gesetzes. Und ich verstehe auch nicht, was daran der gewaltige Unterschied sein soll, ob dieses unsägliche Gesetz im Ausland oder in Israel selbst als Mischehegesetz bezeichnet wird, denn der Begriff ist inhaltlich zutreffend, und eine andere Bezeichnung für dieses Gesetz ist mir nicht bekannt.

    Und zu dem Rest Ihres Beitrags: Ich lehne solche Nationalismen ab, und ich lehne es auch ab, wenn angeblich demokratische Staaten sich auf eine derartige „Doktrin“ berufen. Eine „ideologische Bassis“ kann zwar als Erklärung für solche Ideologien dienen, aber solche Ideologien und religiöser Fundamentalismus haben m.E. in einem demokratischen Staatsgebilde nichts verloren.

    Ich halte es da eher mit Norman Finkelstein: „Er vertritt die Theorie, dass das Schlagwort „Zionismus“ von manchen israelischen Parteien dazu benutzt würde, Israel in einem Dauerkriegszustand zu halten, um damit die eigene Macht zu festigen. Er unterstellt dabei den heutigen zionistischen Interessengruppen eine Art Pakt mit den palästinensischen Terrororganisationen.“
    Quelle: Wikipedia

    Für mich sind alle Menschen, unabhängig von Ihrer Rasse und Religion mit gleichen unveräußerlichen Rechten ausgestattet und ein demokratischer Staat hat sich audrücklich nicht in die Partnerwahl seiner Staatsbürger oder in der Diaspora lebenden jüdischen Menschen einzumischen. Die Menschenrechte und die Menschenwürde stehen für mich an erster Stelle und religiöse und auf Nationalismen beruhende Doktrin hat m.E. schon genug Unheil über die Menschheit gebracht. Mir ist durchaus bewusst, auf welchem Denken das angebliche Recht beruht, Mischehen zu unterbinden zu versuchen. Und sie haben recht, die schärfste Kritik an dieser fundamentalistisch-religiösen Denke kommt aus Israel selbst und auch aus der jüdischen Diaspora. Diese Stimmen verdienen die größte und bestmöglichste Unterstützung auch aus dem Ausland und m. E. ist es der völlig falsche Ansatz, wenn das Ausland sich aus der Kritik sozusagen weitgehend heraus halten soll. Das stärkt allein die reaktionären, von Ideologien bestimmten Kreise, die einen Frieden zu verhindern suchen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass die meisten Menschen in Israel und den besetzten Gebieten den Frieden wollen.

    Im Übrigen halte ich es für fragwürdig, einen „gewaltigen“ Unterschied herbei zu reden, hinsichtlich der Kritik an der israelischen Regierung in Israel selbst und der im Ausland. Ich bin der Meinung, der israelische Staat darf ebenso berechtigt kritisiert werden, wie jeder andere Staat auch. Die israelische Friedensbewegung ist integriert in die globalen Friedensbewegungen und Teil derselben. Und die „Trennlinie“ verläuft nicht zwischen denen, die die israelische Regierung kritisieren, egal ob im Inland oder im Ausland und den israelischen Bürgern. Die Trennlinie verläuft, wie überall auf der Welt zwischen reaktionären Kräften, die den Frieden zu verhindern suchen und sich aufgrund ihrer Ideologie zu einer „Auge-um-Auge-Zahn-um-Zahn-Politik berechtigt fühlen und denen, die den Frieden wollen und herbei sehnen. Und genau deshalb hat die israelische und palästinensische Friedensbewegung breite Unterstützung verdient. Auf einer Stärkung dieser Kräfte beruht m.E. die einzige Hoffnung auf Frieden.

    Ich gebe also freimütig zu: Ich denke in Kategorien von Recht und Gerechtigkeit und Menschenwürde und halte jede Form von ideologischer, auf Nationalismen oder Religion beruhender Dokrin für extrem gefährlich, weil solche Ideologien m.E. den Frieden und gleiche Menschenrechte für alle Menschen, unabhängig von ihrer Rasse, ihrer Religion und ihrer Herkunft verhindern.

  62. Der Versuch, diese Ideologien zu verstehen, heißt noch lange nicht, dass man sie gutheißt oder gar übernimmt. Man gewinnt auf diese Weise aber vielleicht wertvolle Erkenntnisse darüber, warum sich der Staat Israel so verhält, wie er sich verhält – ohne dieses Verhalten billigen zu müssen. Ihre Kritik, Sulaika, verbleibt im Stadium der Katalogisierung des Unrechts, des Ist-Zustands. Anprangern von Unrecht ist hier kein gangbarer Weg, die Ursachen dieses Unrechts zu beseitigen. Die israelische Politik wird sich erst verändern, wenn der Eindruck der unmittelbaren, greifbaren Bedrohung schwindet. Und Sie werden der Aussage doch sicher zustimmen, dass „die Palästinenser“ ebenso Opfer wie Täter sind? Oder muss ich Ihnen wirklich vorrechnen, wie viele Mordtaten auf das Konto der Palästinenser gehen?

  63. @abraham: Selbstverständlich habe ich Ihren Hinweis zur Kenntnis genommen, ich habe ja nicht Sie, sondern die israelische Regierung kritisiert und das entsprechende Gesetz bleibt (wie viele andere Gesetze, zu deren Inhalt ich mir weitere Ausführungen ersparen möchte) auch dann rassistisch, wenn Sie Abraham, auf die „selbstverständlich zu achtende Freiheit jedes Einzelnen“ verweisen.

    Denn genau darum geht es: Diese Freiheit wird in dem Gesetz eben nicht geachtet. Und da nützen dann auch alle Verweise nichts. Ich habe nicht Sie, Abraham, sondern das Gesetz und vieles andere kritisiert, das scheinen sie irgendwie zu verwechseln. Und meine Belege waren auch nicht zu dem Zweck eingestellt, individuellen Rassismus zu belegen (den gibt es in jeder Gesellschaft, leider), sondern den staatlichen Rassismus. Haben Sie die zahlreichen Aussagen der israelischen Friedensbewegung und israelischer Journalisten zum Rassismus in Israel, der sich eben keineswegs nur auf individuellen Rassismus beschränkt, überhaupt gelesen? Darauf eingegangen sind Sie jedenfalls an keiner Stelle und deshalb führt diese Diskussion auch nicht weiter. Das Gesetz wurde nicht von bestimmten Individuen in Israel erlassen, sondern von der Regierung, die Regierung ist auch für die restlichen Gesetze verantwortlich, die aus Palästinensern leider Menschen zweiter Klasse machen. Und demzufolge handelt es sich eben nicht allein um individuellen Rassismua. Mischehen sind nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch betroffen (ich verweise u.a. auf obigen Link) und ob das eher selten oder häufig ist, ist in diesem Zusammenhang meines Erachtens absolut unerheblich. Es ist auch völlig unerheblich, ob dies „der hauptsächliche Zweck des Gesetzes“ ist (was ich nie behauptet habe), für eine entsprechende Beurteilung reicht es vollkommen aus, wenn das Gesetz zu einer Diskriminierung von Mischehen (und natürlich auch anderen Ehen zwischen israelischen Palästinensern innerhalb Israels und deren Ehepartnern aus besetztem Gebiet) führt.

    Die Unterstützung von Minderheiten durch die deutsche Regierung hat mit der Warnung der israelischen Regierung vor Mischehen im Ausland nun wirklich nicht das Geringste gemein und es erstaunt mich schon sehr, dass Sie das in einen Zusammenhang bringen wollen. Wenn ich von einer angeblichen „Gefahr der kulturellen oder religiösen Assimilierung“ höre, kriege ich die Krise und zwar völlig unabhängig davon, ob diese Gefahr von Sarrazin oder der Jewish Agency oder der israelischen Regierung oder wem auch immer beschworen wird. Sehen Sie, Abraham, nicht den gravierenden Unterschied zwischen einer Unterstützung von Minderheiten im Ausland und der Warnung vor Mischehen? Und das ist eben nicht nur irgendwie ein „falsches Mittel“, das ist ein absolutes Unding.

    (…) Ich habe die Information der seriösen Presse entnommen und die Empörung in der jüdischen Diaspora war nach dieser Berichterstattung sehr laut, v.a. auch in den USA, wo sich immerhin rund 50 % der jüdischen Einwohner in den letzten 25 Jahren mit Nichtjuden vermählt haben. Die Jewish Agency hat hunderte von negativen Reaktionen erhalten und deshalb den Spot zurück gezogen. Es gibt m.E. keinerlei Anlass, den Wahrheitsgehalt dieser Berichterstattung zu bezweifeln und es erstaunt mich schon ein wenig, dass Sie meinen, das besser „beurteilen“ zu können, als es der Berichterstattung zu entnehmen ist. Haben Sie Informationen, über welche die Presse nicht verfügt? Hat die Jewish Agency den Sachverhalt nachträglich unrichtig dargestellt? Oder berichtet gar die Presse die Unwahrheit?

    Ich würde die Diskussion jetzt sehr gerne auch beenden, sie führt nämlich zu nichts und alles dreht sich immer nur im Kreis. Auf die Beantwortung der Fragen von Wolfgang Fladung wäre ich allerdings auch gespannt und eventuell ist es ja möglich, sich diesen Fragen zuzuwenden und das „Kreisen“ zu beenden.

    (…): Passage gelöscht, Anm. Bronski

  64. „Der Versuch, diese Ideologien zu verstehen, heißt noch lange nicht, dass man sie gutheißt oder gar übernimmt. Man gewinnt auf diese Weise aber vielleicht wertvolle Erkenntnisse darüber, warum sich der Staat Israel so verhält, wie er sich verhält – ohne dieses Verhalten billigen zu müssen. Ihre Kritik, Sulaika, verbleibt im Stadium der Katalogisierung des Unrechts, des Ist-Zustands. Anprangern von Unrecht ist hier kein gangbarer Weg, die Ursachen dieses Unrechts zu beseitigen. Die israelische Politik wird sich erst verändern, wenn der Eindruck der unmittelbaren, greifbaren Bedrohung schwindet. Und Sie werden der Aussage doch sicher zustimmen, dass “die Palästinenser” ebenso Opfer wie Täter sind? Oder muss ich Ihnen wirklich vorrechnen, wie viele Mordtaten auf das Konto der Palästinenser gehen?“

    Ich bin doch an keiner Stelle davon ausgegangen, dass Sie diese Ideologie billigen, Bronski. Ich bin allerdings der Meinung, dass die Überwindung einer derartigen Ideologie der Schlüssel zum Frieden ist. Und das Verstehen der Ursachen einer solchen Ideologie führt m.E. ebensowenig weiter, wie eine Beschreibung des Istzustandes. M.E. ist eine Überwindung solcher Ideologien der einzige Weg zum Frieden und was hierzu erforderlich wäre, meine ich beschrieben zu haben:

    sofortige Beendigung der Besiedelung von fremdem Land, um in Friedensverhandlungen überhaupt erst mal eintreten zu können. Das verweigert die israelische Regierung und mit einer gefühlten Bedrohung hat das m.E. nichts zu tun, im Gegenteil wird die Bedrohung und die Radikalisierung bei einer Fortsetzung des Siedlungsbaus steigen.

    Beendigung der Blockade

    Verhandlungen mit und Stärkung der gemäßigten Kräften um Abbas

    Beendigung der „Zusammenarbeit“ und der „Deals“ mit der Hamas

    Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung nicht nur als ewiges Lippenbekenntnis, sondern real

    Gewährung voller Bürgerrechte auch für die in Israel und den besetzten Gebieten lebenden Palästinenser um die Autonomieregierung zu stärken und den radikalen Kräften den Nährboden zu entziehen

    Einhaltung der UN-Resolutionen von beiden Seiten

    Anders wird der Frieden nicht funktionieren. Die greifbare Bedrohung ist zumindest teilweise dieser Politik geschuldet und mir erschließt sich beim besten Willen nicht, weshalb illegale Siedlungen, ein verstärkter Siedlungsbau oder ein Vorenthalten gleicher Bürgerrechte die Bedrohung reduzieren sollten. Das Gegenteil ist m.E. der Fall, diese Politik führt zur Radikalisierung und stärkt die reaktionären Kräfte der Hamas. Und das weiß die israelische Regierung sehr genau.

    Sie brauchen mir die israelischen Opfer nicht vorrechnen, Bronski, ich hab ja auch nichts vorgerechnet. Mir geht es nicht um das Vorrechnen von Opfern aus der Vergangenheit, sondern um die Vermeidung von Opfern in der Zukunft. Abbas will verhandeln und er benötigt sehr dringend Erfolge, um ein Erstarken der Hamas zu verhindern. Statt dessen verhandelt Israel mit der Hamas und weigert sich sogar, den Siedlungsbau zu stoppen, sondern verstärkt ihn sogar. Und dabei geht es nicht um die Vergangenheit, sondern um die Gegenwart. Da kann man noch so viel verstehen und hin und her diskutieren – Wenn Israel diese Politik nicht beendet, wird es keinen Frieden, nicht einmal Verhandlungen geben. Die radikalen Kräfte werden damit gestärkt und das wird m.E. mit Sicherheit zu neuem Elend und neuem Unrecht führen.

  65. @ # 63 Wolfgang Fladung

    Ich gebe zu, dass ich Mühe habe, Ihren Beitrag zu beantworten, ohne Bronskis Anforderung an Netiquette zu verletzen. Sie geben zu, kaum Ahnung von Israel zu haben, was sie aber nicht hindert, sehr pointierte Meinung zu äußern. Hätten Sie die gleiche Chuzpe, wenn es z.B. um den Konflikt in der Elfenbeinküste ginge (von dem Sie vermutlich so viel wissen wie ich, nämlich fast nichts). Dabei müssen Sie sich auch noch die antijüdische Klammotte ausgraben, das „alttestamentarische Prinzip ‚AUGE UM AUGE, ZAHN UM ZAHN‘”, das doch nur als Übermaßverbot den Rechtsfortschritt beschreibt. Und gänzlich in die braune Kacke greift Ihr Satz „Leider gibt es jedoch an der Wallstreet hier zuviel Einfluß der einen Seite“, der dem Stürmer-Duktus entspricht, das Wallstreet-Judentum würde die Welt beherrschen. Auf dieser Ebene diskutiere ich wirklich nicht.

  66. Oder aber lieber Bronski, die israelische Politik ändert sich erst dann, wenn auf beiden Seiten die alten Kröpfe in den Ruhestand gehen, die Jungen es versuchen. Schlechter kann es nicht werden, eher besser, was viele Projekte zeigen, die Israelis und Palästinenser gemeinsam betreiben (die Hamas war dort allerdings nicht anzutreffen).

  67. Das heute veröffentlichte „Gedicht“ von Günter Grass, wonach „die Atommacht Israel“ den Weltfrieden gefährde und durch „das behauptete Recht auf den Erstschlag … das iranische Volk auslöschen könnte“, bringt mich zurück zum Beitrag # 7 von Sulaika. Alle mir bekannten Militärexpertisen (außer der von Herrn Grass) sind sich darin einig, dass von Israel keine Gefahr eines atomaren Erstschlags ausgeht, sondern seine Zweitschlagfähigkeit (die sich vor allem auf U-Bote stützt) einen atomaren Angriff auf das Land abschrecken soll. Genauso haben es in den vergangenen Jahrzehnten die Staaten gesehen, die mit Israel im Krieg standen. Erst jetzt, nachdem Iran auch nach Einschätzung der IAEO nach Kernwaffen strebt, soll Israel plötzlich zur atomaren Bedrohung des Weltfriedens geworden sein?

    Ob Israel tatsächlich einen Angriff auf Irans Atomanlagen plant und welche Folgen dieser hätte, wissen wir nicht. Dass ein Einsatz von israelischen Atomwaffen oder eine „Auslöschung“ des iranischen Volks drohen würden, haben bisher auch die ärgsten Kritiker Israels nicht behauptet. Wenn aber Irans Präsident offen sagt, dass das „Zionistische Regime von den Seiten der Geschichte“ verschwinden soll, dann ist er laut Grass bloß ein „Maulheld“.

  68. „Anprangern von Unrecht ist hier kein gangbarer Weg, die Ursachen dieses Unrechts zu beseitigen.“

    Stimmt. Aber immerhin hat diese lebhaft geführte Diskussion sehr eindrucksvoll verdeutlicht, dass die an der Realisierung zionistischer Ideologie ausgerichtete Politik Israels in Kauf nimmt, dem palästinensischen Volk Unrecht und großes Leid anzutun. Und diese Haltung hat eben bisher nicht dazu geführt, dass die arabischen Welt die Bedingungen Israels akzeptiert, sondern Israels „Konzept der eisernen Mauer“ hat ganz im Gegenteil stark dazu beigetragen, dass sich immer mehr radikal-islamistische Gruppierungen bilden konnten (und wohl auch weiterhin bilden werden), wodurch die weltweite Sicherheitslage anhaltend prekär geworden ist.

    Damit sich die Lage nicht immer weiter zuspitzt und nicht immer wieder neue Kriege entfacht werden, muss weiterhin sowohl der israel-interne als auch der internationale Druck auf die israelische Regierung aufrecht erhalten bleiben. Es muss darauf gepocht werden, dass kurzfristig die Lebensbedingungen der Palästinenser in den besetzten Gebieten verbessert werden, und dass die anhaltende Landnahme durch israelische Siedler sofort unterbunden wird
    Des Weiteren muss eine Politik von Israel gefordert werden, die den Palästinensern langfristig die politische Selbstbestimmung ermöglicht.
    Nur so kann erreicht werden, dass sich die Lage nicht nur im Nahen Osten, sondern weltweit wieder entspannt und Ziele wie weltweite Armutsbekämpfung und Demokratisierung wieder in den Vordergrund gerückt werden können.

  69. Ich kopiere hier einfach mal eine Anmerkung von Wolfgang Lieb, einem der Herausgeber der „NachDenkSeiten“, zur Entrüstung über das Grass-Gedicht, in diesen Blog, auch wenn Du, lieber Bronski, es nicht so mit den NDS hast. ZU links, zu kritisch, oder vielleicht links= unreflektierte Israel-Kritik? Ich kann mich dem Kommentar nur anschließen. Er gibt das wieder, was ich auch denke. Irrationales Handeln muß nicht schon deshalb richtig werden, weil es von Israel ausgeht. Und wenn dieses unabsehbare Folgen hätte, schon gar nicht. Wohlgemerkt – irrationales Handeln des Irans wäre genauso verdammenswert. Aber auf bloße Drohungen hin Selbstmord aus Angst vor dem Tod zu begehen, und dann womöglich noch um Verständnis zu bitten, wäre für mich mehr als bekloppt.

    Hier der Kommentar von Wolfgang Lieb: „Ist es Grund zur Entrüstung, wenn in dem Gedicht kritisiert wird, dass Planspiele über einen militärischen Erstschlag, womöglich mit Atomwaffen gegen den Iran geübt werden. Ist es falsch, zu vermuten, dass Israel über nukleares Potential verfügt, das geheim gehalten wird, auch weil Israel den Atomwaffensperrvertrag nicht ratifiziert hat. Ist es der Kritik entzogen, dass Deutschland an Israel ein U-Boot liefert, von dem auch Atomraketen abgefeuert werden können. Darf man nach den Lügen, die zur Begründung des Irak-Krieges herangezogen werden, nicht befürchten, dass die Beweise für die Entwicklung einer Atombombe im Iran, (noch) nicht ausreichend sind. Wer könnte bestreiten, dass ein Militärschlag Israels gegen den Iran, den „brüchigen Weltfrieden“ gefährdet. Was löst ein solcher Erstschlag in der arabischen Welt, gar nicht daran zu denken unter den ohnehin radikalisierten Islamisten aus?
    Man mag Günter Grass vorhalten, dass er die Gefahr, die vom Iran für die Existenz Israels ausgeht unterschätzt, das ist jedoch noch lange kein Grund auf Israel einzuwirken, weder einen militärischen Erstschlag zu führen, noch gar mit Atombomben.
    Der Vorschlag von Günter Grass das israelische Atompotenzial und die iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz permanent zu kontrollieren, mag angesichts der verhärteten Fronten in Nahost naiv klingen. Aber gibt es bessere Vorschläge, einen (atomaren) Krieg zu verhindern?
    Was Entrüsten sollte, das ist die Art der Entrüstung die Grass entgegenschlägt. Wenn man den CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe liest, dann wird erkennbar, dass sich die hiesige Regierung schon längst mit einem Militärschlag abgefunden hat. Und natürlich darf der rechtspopulistische Brandstifter Henryk M. Broder nicht fehlen, der Grass als „Prototyp des gebildeten Antisemiten“ beschimpft. Die Debattenkultur in Deutschland über einen Angriffskrieg, gar einem Präventivschlag mit Atombomben ist furchterregend. Statt den derzeitigen israelischen Politikern einen solchen Bruch des Völkerrechts auszureden und auf eine friedliche Lösung hinzuwirken, wird ein Literat beschimpft, der vor nichts anderem warnt als sogar auch US-amerikanische wie auch israelische Geheimdienstler und führende Militärs.“

    (Link abgelehnt, Anm. Bronski, siehe Blog-Regel Nr. 8 )

  70. Ich finde nicht, dass Herr Fladung in die „braune Kacke“ gegriffen hat und es ist genau diese Abwehr von Argumenten (es ist doch kein Geheimnis, dass jüdische Wähler in den USA über erheblichen Einfluss verfügen und dass ein amerikanischer Präsident es kaum wagen wird, sich gegen diese Wähler in Sachen Nahostpolitik zu stellen, weil er sonst mit Sicherheit die Wahlen verliert) mit dem Vorwurf „brauner Kacke“ oder gar „Antisemitismus“, welche ich empörend finde. Nach der Berichterstattung zieht Israel einen Angriff auf die angeblichen Atomanlagen im Iran zumindest in Erwägung und anstatt hier von allen Seiten auf Günther Grass einzudreschen, sollte sich die Staatengemeinschaft lieber ernsthaft darum bemühen, diesen den eltfrieden massiv gefährdenden Irrsinn zu verhindern. Und zwar nicht erst, wenn es zu spät ist.

    Israel verfügt über Atomwaffen und zwar unrechtmäßig, und da sollen sich die umliegenden Staaten angesichts der recht aggressiven Politik der rechten fundamentalistischen Regierung etwa nicht bedroht fühlen? Israel ist nicht so bescheuert, wie der iranische Schreihals, die werden ihre potentiellen Angriffe vorher vermutlich nicht ankündigen.

    Ich hab mich in vielen Blogs der anderen Medien umgeschaut, beispielsweise beim Spiegel, der ebenfalls stark gegen Günther Grass polemisiert – die Leserschaft zeichnet da ein ganz anderes Bild, ich habe sogar den Eindruck, dass eine deutliche Mehrzahl Günther Grass weitgehend recht gibt. Und Günther Grass als Antisemiten zu beschimpfen, wie es die Medien, fast alle Politiker und natürlich auch Herr Graumann etc. tun, das geht m.E. aber wirklich zu weit.
    Ich finde die Nachdenkseiten ganz hervorragend, Herr Fladung und ich schließe mich diesem Kommentar ebenfalls an, vollumfänglich.

  71. @ # 67 Sulaika

    Durch die Moderation überschneiden sich die Beiträge und die Diskussion geht gänzlich durcheinander. Dies mag auch der Grund dafür zu sein, dass Sie meinen Anmerkung ‚ # 61 auf das Ehegesetz bezogen haben. Wie Sie aber unter # 55 nachlesen können, habe ich den Satz „Die selbstverständlich zu achtende Freiheit jedes Einzelnen und der Fortbestand der Gruppenidentität sind nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen“ ausschließlich auf das Thema „Mischehen“ in der Diaspora und nicht auf das israelische Ehegesetz (das ja gerade die Freiheit jedes Einzelnen missachtet) bezogen.

    Die jüdischen Proteste gegen den Spot der Jewish Agency vor allem in den USA richteten sich überwiegend nicht dagegen, dass das Thema Mischehen angesprochen wurde, sondern wie es angesprochen wurde, indem diejenigen, die Mischehen eingegangen sind, pauschal als „verloren“ abgestempelt wurden). Es zeigt, dass Sie von den Problemen der jüdischen Gemeinschaft in der Diaspora keine Ahnung haben, wenn Sie schreiben: „Wenn ich von einer angeblichen ‚Gefahr der kulturellen oder religiösen Assimilierung‘ höre, kriege ich die Krise und zwar völlig unabhängig davon, ob diese Gefahr von Sarrazin oder der Jewish Agency oder der israelischen Regierung oder wem auch immer beschworen wird.“ Darüber, wie die kulturelle und religiöse Assimilierung der Juden verhindert werden kann, wird innerjüdisch seit dem 19. Jahrhundert diskutiert, gestritten und nach Antworten gesucht. Daraus haben sich sehr unterschiedliche Ansätze entwickelt, wie der orthodoxen Abgrenzung, der liberalen Anpassung der jüdischen Tradition an die Moderne, des Kulturzionismus und des politischen Zionismus. Im 21. Jahrhundert suchen wir Juden nach neuen Lösungen, die einer offenen und pluralistischen Gesellschaft entsprechen. Dabei müssen wir auch über das Thema Mischehen nachdenken. Ob Sie Krise bekommen oder nicht: Auf das Recht, meine jüdische kulturelle und religiöse Tradition erhalten und sie an die nächsten Generationen weiter geben zu wollen, werde ich weder als Einzelperson noch als verantwortliches Mitglied einer jüdischen Gemeinde nicht verzichten.

    P.S.: Wenn Sie diejenigen angreifen, die Minderheiten vor der Gefahr kultureller oder religiöser Assimilierung schützen wollen, dann stehen Sie nicht gegen Sarrazin, sondern auf seiner Seite.

  72. @ # 75 Sulaika

    Bei Israel sind sie mit dem Rassismusvorwurf sehr schnell, bei Israel-Kritikern verteidigen Sie selbst das recycelte NS-Vokabular (bezieht sich auf #63 von Wolfgang Fladung, nicht auf Grass). In Israels Auge sehen sie jeden Splitter, in dem von Iran nicht einmal den Balken.

    Nun zum Grass: Hätte erIsrael kritisiert, weil dort ein militärischer Angriff gegen Irans Atomanlagen überlegt wird, hätte ihn kaum jemand zur Kenntnis genommen, denn das wurde bereits hundertfach in den Zeitzungen so oder ähnlich geschrieben und kommentiert. Deshalb wohl die groteske Überzeichnung eines drohenden atomaren Erstschlags und einer Auslöschung des iranischen Volks durch Israel. Und nicht einmal das bringt „Israel-Kritiker“ zum Nachdenken. In einer so aufgeheizten Stimmung sind diejenigen, die um eine differenzierte Betrachtung werben, auf verlorenem Posten. Dann weiter viel Spaß, aber ohne mich.

  73. Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt, Abraham – Sarrazin warnt vor der Abschaffung der deutschen Kultur und der christlich abendländischen Tradition, die angeblich über kurz oder lang in Ihrem eigenen Land in der (kulturellen) Minderheit sein würde(n) und lamentiert über Geburtenraten und sonst noch was und die Jewish Agency warnt vor Mischehen im Ausland, und diskriminiert damit sowohl die mit Nichtjuden verheirateten Juden, als auch deren Ehepartner und deren Kinder, die angeblich eine Gefahr bedeuten für die jüdische Identität, um die „Assimilation“ zu verhindern,da sehe ich durchaus starke und mich erschreckende Paraallelen.

    Wissen Sie was, Abraham, mit diesem ganzen Religions- und kulturellen Traditionsgedöns habe ich nicht das Mindeste am Hut, unabhängig davon, ob es nun von Christen, von Juden, von Moslems oder wem auch immer betrieben wird. Und ich halte das Treiben Sarrazins und das der Jewish Agency in Sachen Mischehen für ähnlich abstoßend. Mir ist es völlig wurscht, wer oder was sich in was oder wen assimiliert oder nicht assimiliert und ich bin eine Anhängerin der Aufklärung, der Vielfalt und der Veränderung. Nix ist für ewig und schon alleine die Tatsache, dass über derartige „Ansätze“ seit dem 19. Jahrhundert gestritten und diskutiert wird, finde ich unglaublich. Dass aber Menschen, die Nichtjuden heiraten und ihre Kinder gar als „VERLOREN“ tituliert werden, ist m.E. wirklich ohne Worte.

    Sie, Abraham, können für sich selbst (und NUR für sich selbst) selbstverständlich entscheiden, ihre Tradition zu erhalten und weiter zu geben. Aber wenn andere Menschen, die daran kein oder wenig Interesse haben, geradezu genötigt werden sollen, dies auch zu tun, ist das mehr als erschreckend. Und auch darauf, ob die eigenen Nachkommen der EIGENEN religiösen Tradition folgen wollen oder eben auch nicht, sollten aufgeklärte Menschen m.E. keinerlei Druck ausüben. Denn jeder Mensch, auch die Nachkommen haben das Recht, selbst zu entscheiden.

    Sie werfen mir nun zum wiederholten Male vor, ich hätte angeblich nicht nur wenig, sondern keine Ahnung. Lassen Sie sich deshalb gesagt sein: Ich bin über die von Ihnen genannten innerjüdischen Ansätze sehr wohl völlig ausreichend informiert. Ich lehne solche „Ansätze“ allerdings vollumfänglich ab, egal ob es sich um Ansätze der Juden, in dieselber Richtung zielende Ansätze von Christen, Moslems oder welcher Religion auch immer handelt. Über Mischehen anderer Menschen „nach zu denken“ und versuchen Einfluss auszuüben, dazu hat m.E. niemand das Recht. Ich denke noch mit Schrecken an die Zeit, als katholische und evangelische Christen andere Menschen und ihre Kinder massiv diskriminierten, weil die evangelisch-katholische „Mischehen“ eingingen. Da wurden solche Ehen auch gerne verboten, man hat es jedenfalls versucht und mir ist jeder Fundamentalismus in religiösen Angelegenheiten zutiefst zuwider, weil er nichts als Unheil über die Menschheit bringt und gebracht hat.

    Sie sollten sich also bitte mit dem Gedanken vertraut machen, dass nicht jeder, der sich gegen solche „Bestrebungen“ wendet, ob sie jetzt als Zionismus, othodoxe Abgrenzung oder als angebliche liberale Anpassung daher kommen, keine Ahnung hat, nur weil er dem Ganzen ablehnend gegenübersteht. Bei mir ist jedenfalls genau das Gegenteil der Fall. Und glücklicherweise gibt es, ebenso wie bei den Christen auch bei den Juden, sehr viele Menschen, die sich keinerlei Gedanken über Mischehen und Gefahren einer Assimilation machen. Und auf denen, Abraham, ruht meine einzige Hoffnung für eine bessere Zukunft.

  74. @ Abraham # 76

    „Auf das Recht, meine jüdische kulturelle und religiöse Tradition erhalten und sie an die nächsten Generationen weiter geben zu wollen, werde ich weder als Einzelperson noch als verantwortliches Mitglied einer jüdischen Gemeinde nicht verzichten.“

    Ich glaube nicht, dass hier Ihnen jemand dieses Recht absprechen möchte.
    Wogegen so vehement Stellung bezogen wird, ist doch, dass ein Staat es sich zum obersten Ziel macht, den Angehörigen einer bestimmten Religion exklusive Vorrechte einzuräumen, von denen „Andersgläubige“ ausgeschlossen sind. Man muss das ja nicht gleich reaktionär nennen, aber ein Anachronismus ist das für meine Begriffe schon – und kaum nachzuvollziehen, wenn man in einem Land wie Deutschland aufgewachsen ist, wo sich ohnehin kaum einer mehr über eine Religionszugehörigkeit definiert.
    So stellte ich anfangs auch mit einigem Erstaunen fest, welch große Bedeutung Religionen hier im südlichen Afrika noch haben – wobei es aber als absolute Privatangelegenheit angesehen wird, ob und welcher Religionsgemeinschaft man angehört. Und ich finde, so sollte das auch sein.

  75. # 69 – Abraham: „Und gänzlich in die braune Kacke greift Ihr Satz „Leider gibt es jedoch an der Wallstreet hier zuviel Einfluß der einen Seite“, der dem Stürmer-Duktus entspricht, das Wallstreet-Judentum würde die Welt beherrschen.“

    Klasse mal wieder, man spricht über den doch etwas kräftigen Einfluß der Wallstreet auf die Entscheidungen der US-Regierung, auch dieser als Teil des Sicherheitsrates bei UN-Resolutionen, und schon ist man drauf auf dem „Stürmer-Niveau“. Ich habe von Lobbyismus gesprochen, was wohl etwas anderes ist als Verschwörungstheorien von „Weltbeherrschung.“

    Aber wenn Sie mir das weiterhin unterstellen, erübrigt sich jede weitere Diskussion. Anscheinend sind bestimmte Wahrheiten für Sie so unerträglich, daß Sie gleich die Neonazi-Keule schwingen müssen. Und da ich keine Ahnung habe über die Konflikte in der Elfenbein-Küste, werde ich mich künftig auch hier heraushalten, weil Ober-Moralist Abraham wohl eine Co-Moderatoren-Rolle übernommen hat.

    Vielleicht möchte sich Bronski noch zur „braunen Kacke“ äußern. Ich kenne ihn eigentlich als Person, die sich nicht gemein machen würde mit diesem „PC“-Niveau.

  76. Hier stelle ich noch einen Link ein – ein Interview des Nahost-Experten Michael Lüders, der einen Militärschlag Israels gegen den Iran als „fast schon sicher“ (mit an sICHERHEIT GRENZENDER wAHRSCHEINLICHKEIT stünde ein solcher bevor) bezeichnet, und die m.E. zutreffenden Hintergründe eines solchen Militärschlags beschreibt – und da geht es eben nicht um die Sicherheit Israels, das wird vordergründig zwar vorgeschoben, sondern um die Ausschaltung eines „geostrategischen Rivalen.“ Er beschreibt, welche verheerenden Folgen ein solcher Militärschlag für die Weltbevölkerung hätte, vergleicht die Folgen mit denen der Ersten Weltkriegs: „Ein solcher Krieg würde das Jahrhundert prägen, wie der Erste Weltkrieg das vorige Jahrhundert geprägt hat.“ Mit dem Krieg gegen Afghanistan oder Irak wären die verheerenden Folgen nicht vergleichbar, wie er sich äußert.

    Zu den Behauptungen, der Iran bastle an einer Bombe äußerte er sich so:

    „Nein, das ist absoluter Unfug. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Iran nach der Atombombe greift. Der ranghöchste amerikanische General Martin Dempsey hat im vorigen Monat in einem CNN-Interview gesagt, die USA hätten keinen Beweis dafür, dass der Iran an einer Bombe baut und sie hielten den Iran für einen rationalen Akteur.“

    Und weil mittlerweile in sämtlichen Medien immer wieder behauptet wird, der Iran habe Israel angeblich mit Vernichtung gedroht, die erforderliche Richtigstellung:

    „Aber dieses Zitat, was immer wieder in den deutschen Medien zu vernehmen ist, ist sachlich falsch. Der Iran hat nicht damit gedroht, Israel zu vernichten. Das ist eine falsche Übersetzung einer Rede von 2005, wo Ahmadinedschad erklärte, dass der Zionismus vor der Geschichte keinen Bestand haben werde. Er hat gesagt, das Besatzerregime müsse Geschichte werden, so wie das Apartheitsregime in Südafrika Geschichte geworden ist.“

    Der Westen führt mit dem Iran keine ernsthaften Verhandlungen, er setzt dem Iran die Pistole auf die Brust um den einzigen verbliebenen Widersacher „im weiten Feld zwischen Marokko und Indonesien“ auszuschalten, der keine pro-westliche Politik verfolgt.

    Die Forderung nach Kontrolle durch die Atomenergiebehörde kommentiert er so:

    „Dazu muss man sich mal ganz genau die Arbeitsweise der Atomenergiebehörde anschauen. Wenn die IAEA beispielsweise auf ein bestimmtes Militärgelände möchte, dann sagt der Iran: ‚Das ist militärisches Sperrgebiet, da lassen wir euch nicht drauf‘. Dann sagt die IAEA hinterher: ‚Wir haben nicht alles sehen können‘. Lässt man die Inspektoren aber auf das Militärgelände, besteht die Gefahr, dass Amerikaner und Israelis die Informationen hinterher militärisch auswerten.“

    Und zu den geforderten „Zugeständnissen“ äußert er sich so:

    „Welches Zugeständnis sollen die Iraner denn machen? Durch die wirtschaftlichen Sanktionen setzt man ihnen die Pistole auf die Brust. Und egal, welche Zugeständnisse sie in der Vergangenheit gemacht haben, es wurde ihnen immer negativ ausgelegt …“

    Genau so ist es – hier geht es wieder einmal um rein machtpolitische Interessen, es wird uns wieder einmal das Märchen vom Atombombenbau verkauft, um einen Angriff zu rechtfertigen, für den es nicht den geringsten Grund gibt. Und dass ein erheblicher teil der „Zuschauer“ mal wider auf die Märchen von der Atombombe hereinfällt, das ist schon zum Verzweifeln.

    Ein Krieg würde die gesamte Region, und nicht nur die, zum Explodieren bringen und es ist einfach zum Verzweifeln, wie verantwortungslose Kriegstreiber wieder einmal die Welt belügen, um ihre geostrategischen Planspiele umzusetzen und unzählige Menschen in ihr Verderben zu stürzen. Auch der Ex Mossadchef und israelische Generäle warnen vor einem Angriff auf den Iran – die Kriegstreiber in der israelischen Regierung haben sich davon anscheinend nicht beeindrucken lassen und Deutschland liefert Gerät.

    http://www.tagesschau.de/ausland/iraninterview104.html

    Anstatt Herrn Grass zu beschimpfen und zu denunzieren, sollte Deutschland alles dafür tun, um diesen von der israelischen Regierung geplanten Krieg zu verhindern.

  77. Meine Anfrage nach meinem „verschütt“ gegangenen Beitrag hat sich somit erledigt – ich lese ihn gerade als # 80. In den USA gibt es viele, mehr oder weniger mächtige bzw. die US-Regierungsentscheidungen beeinflussende Lobbygruppen und Lobbyistenvereinigungen, als da wären der industriell-militärische Komplex, Monsanto & Co., die Finanz- und Bankenlobby von FED und Wallstreet, die Tea-Party-Bewegung, die rechtskonservativen Print- und TV-Medien usw., und eben auch die JEWISH COMMUNITY, welche sich – unter Anderem – um die Interessen Israels kümmert und eben mit ihrer Vernetzung auch Einfluß auf Regierungsentscheidungen nimmt.

    Das Herr Abraham bei Erwähnung des Begriffes „WAllstreet“ gleich hochgeht wie eine Rakete und bei mir „braune Kacke“ und „Stürmer-Duktus“ sowie „recyceltes NS-Vokabular“ (# 77) sieht, kann ich nicht wirklich glauben. Es sei denn, er gehört zum Club der sich chronisch beleidigt Fühlenden. Das erinnert mich an eine von Paul Wawzlawik in seinem Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ beschriebene Szene, in der ein Hobby-Handwerker einen Hammer braucht, keinen passenden findet, sich entschließt, beim Nachbarn zu fragen, und sich auf dem Weg zum Nachbarn alle möglichen Gründe überlegt, warum dieser die Frage nach dem Hammer verneinen könnte. Als dann der Nachbar auf das Klingeln öffnet, sagt er nur noch wütend: „Behalten Sie ihren blöden Hammer“, und rauscht wieder ab.

    Ernst wird das ganze für mich, wenn ich Abrahams Verhalten auf das der israelischen Regierung übertrage. Da könnte dann irgendein unbedachtes Wort vom iranischen Präsidenten A. eine Katastrophe auslösen.

  78. @ 77 Abraham

    Ich bin weder mit Rassismus Vorwürfen gegen Israel sehr schnell, noch verteidige ich „recyceltes NS-Vokabular“. Herr Fladung hat nämlich kein recyceltes NS-Vokabular verwendet, und Ihre diesbezüglichen „NS-braune-Kacke“-Vorwürfe sind m.E. (…)

    Meine Rassismus-Vorwürfe gegen die israelische Regierung werden von zahlreichen israelischen Bürgern, Kommentatoren, Aktivisten geteilt und ich muss hier auch nicht eine Gesamtschau dessen abliefern, wo es überall noch Rassismus gibt, um diese Vorwürfe äußern zu dürfen. Die Elfenbeinküste ist nicht das Thema dieses Threads und wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass jede Kritik von Deutschen an der derzeitigen israelischen Regierung mittlerweile reflexhaft mit Antisemitismusvorwürfen und NS-Vorwürfen zum Schweigen gebracht werden soll, dann haben die Kübel von Dreck, die jetzt über Günther Grass vom überwiegenden Teil der Medien und den Herren Graumann etc. ausgegossen werden und auch Ihre unsäglichen „braune Kacke“-Vorwürfe gegen Herrn Fladung, der mit Sicherheit nicht dem braunen Lager angehört, das eindrucksvoll bewiesen.

    Ich stelle hier noch einen m.E. ganz hervorragenden Kommentar von Thomas Wehls vom WDR ein, der in das hysterische, mit Schasum vor dem Mund geäußerte Antisemitismusgeschrei nicht einstimmt und hoffe, dass diejenigen, die sich ernsthafte und mehr als berechtigte Sorgen wegen der Kriegstreiberei, der Besatzungspolitik und der Angriffspläne der israelischen Regierung machen, nicht verstummen und sich nicht zum Schweigen bringen lassen.

    „Friedenspreis statt Schelte für Günter Grass“

    http://www.tagesschau.de/kommentar/grass106.html

    Es gehört Mut dazu, sich von diesem lauten Antisemitismusgeschrei und den NS-Vorwürfen nicht einschüchtern zu lassen und wenn mich überhaupt noch etwas zuversichtlich stimmen kann, diesen Angriff, der unendliches Leid über den Nahen Osten bringen würde, eventuell noch zu verhindern, dann sind das die vielen Stimmen derer, die sich nicht einschüchtern lassen. Und ich freue mich über die vielen, meist sachlichen Beiträge in unzähligen Blogs im Internet, wo sich die Menschen nicht davon abhalten lassen, ihrer Sorge Ausdruck zu verleihen und Günther Grass in der Mehrzahl zustimmen. Denn es gibt für Menschen, die sich für Frieden und Gerechtigkeit und gegen jede Form von Rassismus aussprechen und einsetzen, kaum etwas Schlimmeres und Ehrverletzenderes, als sich als Antisemiten und „braun“ beschimpfen lassen zu müssen, so, wie Sie, Abraham, das bei Herrn Fladung getan haben.

    (…): Passage gelöscht, Anm. Bronski

  79. Noch ein Link -Jürgen Elsässer über die Kriegslügen der Kriegstreiber, verbreitet von sämtlichen Medien, auch den linksliberalen, welche die Welt und die Öffentlichkeit auf einen Krieg gegen den Iran einstimmen und vorbereiten sollen – die Lügen über die Atombomben des Iran, noch dreister als die Lügen über die angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak.

    Die gefälschen Papiere der Geheimdienste, auf die sich die Wiener Behörde beruft, obwohl sie auch im Falle des Irak mit solchen gefälschten Papieren, die nicht vorgelegt wurden, schon einmal getäuscht wurde. Die westlichen Dienste weigern sich im Falle des Iran erneut, ihre Originale vorzulegen – weil es solche nicht gibt bzw. weil es sich, wie damals, um primitive Fälschungen handelt. Die Dienste legen die angeblichen Originale nicht vor und haben sie im Falle des Irak erst vorgelegt, nachdem der Krieg bereits im Gange war.Und über das, was wir aus den Medien leider über Israels Atomwaffen und Tests nicht erfahren. Diese Kriegspropagande und die Lügen dienen nur einem einzigen Zweck: Einen Krieg mit schrecklichen Folgen, bei weitem schrecklicher als der Irakkrieg, der durch nichts zu rechtfertigen ist, mit dreisten Lügen zu rechtfertigen.

    http://www.youtube.com/watch?v=8khf4wWjEuE

    Und ein weiterer Link, bezüglich der Atommacht Israel, die Atompartnerschaft mit Frankreich etc., und wie Israel seit den 60er Jahren mit Tricks und Erpressungsmanövern jegliche Kontrolle der Atomwaffen erfolgreich verhindert hat um immer noch verhindert.

    (Quelle des Inhalts, erschienen in der Jungen Welt: Uni Kassel.)

    http://www.arbeiterfotografie.com/iran/index-iran-0007.html

  80. Es könnte alles so einfach sein… wenn es den Glaube nicht gäbe oder aber die Glaubensgemeinschaften nicht immer den Satz verfallen würden: „Mache euch die Erde untertan“.

    Mely Kiyak hat in der FR
    http://www.fr-online.de/meinung/kommentar-zu-guenter-grass-wieso-schuetzt-ihr-nicht-alle–,1472602,14690572.html
    einige Sätze uns gereicht. Man sollte sie über die Feiertage lesen und wirken lassen.

    Ich finde es mittlerweile zum kotzen (entschuldigt den Ausdruck, ich finde nix anderes, was meinen Gemütszustand ausdrückt)wie miteinander umgegangen wird, wie schnell man als Nazi und Antisemit abgestempelt wird. Die größten „Antisemiten“ sind Israelis, die mit der Politik der jetzigen Regierung überhaupt nicht einverstanden sind. Den israelische Käse, nach schweizer Vorbild, wollen sie auch nicht und diese Isrelis, die auf Versöhnung aus sind, denn anders wird dort kein Friede einkehren, müssen wir unterstützen.

    Bezeichnend ist hierzulande, daß kaum einer aufsteht, wenn wie in dieser Woche geschehen, der Deutschlandfunk Volker Beck an die Strippe holt und dieser läßt die Schlagzeile fallen:

    SCHWULE INS KZ.

    Gesichtet hat er dies in einem christlichen Portal, gegen das sich die kath. Kirche stemmt.
    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/tagfuertag/1720527/

    Warum soll ich für Juden aufstehen, sie schützen, wenn sie bei mir sitzen bleiben?

    Warum soll ich für Muslimne aufstehen, sie schützen, wenn sie bei mir sitzen bleiben?

    Vielleicht deswegen, weil es morgen niemanden gibt, der für mich aufstehen kann, um mich zu schützen.

    Es müßte mehr Tische geben, wie der von Mely Kiyak.

  81. @ Abraham, Wolfgang Fladung, Sulaika

    Stichwort „braune Kacke“: Diese Formulierung Abrahams hätte mir so nicht durchrutschen sollen. Allerdings verstehe ich Abrahams Kritik. Wenn Wolfgang Fladung in # 63 schrieb:

    „Ich könnte mir vorstellen, bei vertauschten Rollen zwischen Israel und Palästinensern, das in diesem Fall die USA schon längst versucht hätten, eine UNO bzw. Sicherheits-Resolution für einen Einmarsch hinzubekommen.
    Leider gibt es jedoch an der Wallstreet hier zuviel Einfluß der einen Seite“,

    … dann kann man das in dieser verkürzten Form durchaus, wie Abraham es in # 69 tut, als Rückgriff auf die antisemitische NS-Hetze auffassen, „das Wallstreet-Judentum würde die Welt beherrschen“.

    Wolfgang Fladung hat darauf hinweisen wollen, nehme ich an, dass der Einfluss der Wall Street in Washington hoch ist, seit US-Präsidenten sich vermehrt Wall Street-Leute als Berater ins Weiße Haus geholt haben. Die Verquickungen sind in der Tat auffälllig. Als Beispiel führe ich hier mal Henry Paulson (er ist Christ) an, bis 2006 Chief Executive Officer (CEO) von Goldman Sachs, von 2006 bis 2009 US-Finanzminister unter George W. Bush. An diesen Verquickungen wurde viel Kritik geübt, vor allem natürlich wegen der nachgiebigen US-Politik gegenüber der Wall Street. Allerdings habe ich noch nichts davon gehört, dass diese Banker für die US-amerikanische Israel-Politik verantwortlich sein sollen. Daher halte ich Abrahams Kritik an Wolfgang Fladungs Formulierung für berechtigt, wenn auch im Ton daneben.

    Wolfgang, kannst Du Beispiele oder Belege dafür anführen, wie die Wall Street die US-Politik gegenüber Israel beeinflussen soll?

  82. Ein gutes Beispiel, wie dem iranischern Präsidenten Aussagen in den Mund gelegt werden, die er nicht gesagt hat, wie Dinge weggelassen werden, die er gesagt hat, wie Interviews massiv manipuliert werden, um die Zusschauer in Angst und Schrecken zu versetzen, irre zu führen und auf einen Krieg vorzubereiten, gibt folgender Link: Den ersten Preis für die effektivste Kriegspropaganda. Ich habe noch mehrere Belege für diese Methode gefunden, im Internet, auf welche ungeheuerliche Weise die Kriegspropagandisten uns manipulieren um den iranischen Präsidenten zum „neuen Hitler“ hoch zu stilisieren und den bevorstehenden Krieg zu rechtfertigen.

    Die Methoden sind immer dieselben, ob im Irakkrieg oder in allen anderen Kriegen – die Eliten wollen den Krieg, sie brauchen den Krieg für ihre wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen, und dazu benutzen sie die Kriegspropaganda, lügen, manipulieren was das Zeug hält und die etablierten Medien blasen alle in dasselbe Horn, jedenfalls überwiegend. Und was gibt es Besseres, als das Schüren von Angst, um einen Krieg gegen einen angeblich bedrohlichen Feind zu inszenieren und um die Zuschauer auf einen angeblich unvermeidlichen Krieg einzustimmen?.
    Die Kriegspropaganda gegen den Iran läuft seit vielen Jahren und die Endphase ist mittlerweile eingeläutet.

    http://www.youtube.com/watch?v=e9BZEJPjhMM

  83. Jetzt habe ich die paar Sätze von H. Grass auch gelesen. Die Kernaussage ist für mich das ein atomarer Erstschlag nicht zu akzeptieren ist und das dieser keinstenfalls mit deitscher Waffentechnik geführt werden darf. Diesen Ansagen kann ich nur 100% zustimmen. Jedes Land das so etwas tut hat sich in der Völkergemeinschaft erst einmal disqualifiziert und zwar in der Weise wie das Deutschland vor einigen Jahrzehnzen leider auch getan hat. Das sollte man vorbeugend lieber einmal mehr als einmal zu wenig sagen.

  84. @ # 85 rü

    meine Wahrnehmung der „Sarrazin-Debatte“, an der ich mich im Bronski-Blog beteiligt habe, ist eine andere als die von Mely Kiyak: Nicht anders als das „Gedicht“ von Grass wurde auch Sarrazin in den Feuilletons der überregionalen Zeitungen (einschließlich der FAZ), in der Zeit und im Spiegel für seine Thesen heftig kritisiert. Ähnlich wie Grass jetzt hat Sarrazin unter Berufung auf zustimmende Zuschriften aus der Bevölkerung die Medien beschuldigt, gegen ihn eine Kampagne zu führen. Gerade aus der jüdischen Gemeinschaft, von Vertretern des Zentralrats, aus den Vorständen jüdischer Gemeinde, von Micha Brumlik bis Michel Friedman, hat es an klaren Stellungnahmen gegen Sarrazin nicht gefehlt. Dies wurde auch von den Islam-Verbänden und von Vertretern der türkischen Community ausdrücklich gewürdigt. Alles vergessen?

    Auch Ihre Vorhaltung bezüglich des „christlichen Portals“ kreuz.net, „Warum soll ich für Juden aufstehen, sie schützen, wenn sie bei mir sitzen bleiben?“ ist unberechtigt: In der aktuellen Ausgabe der Jüdischen Allgemeinen, einer vom Zentralrat herausgegebene Wochenzeitung, schreibt Tobias Kühn in seinem Kommentar „Hass im Namen des Glaubens“ auch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Schwulenfeindschaft dieser „virtuellen Kreuzritter“: „Es ist höchste Zeit, kreuz.net das Handwerk zu legen.“

    P.S.: Im Iran werden Schwule nicht beschimpft, sondern öffentlich gehenkt.

  85. @ # 86 Bronski

    Ihr Versuch, Wolfgangs Fladungs Entgleisung zu entschuldigen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Er bezieht den „zu viel Einfluss der Wallstreet“ auf die „vertauschten Rollen zwischen Israel und Palästinensern“, nicht auf die Wirtschafts- oder Finanzpolitik bezogen. Was soll es denn anderes als die „Wallstreet-Juden“ sein, die ihm im Kopf herum spucken?

    Dass es ihm um die Rolle der Juden geht, bekräftigt Fladung unter # 82 selber, wenn er von der „JEWISH COMMUNITY“ schreibt, „welche sich – unter Anderem – um die Interessen Israels kümmert und eben mit ihrer Vernetzung auch Einfluß auf Regierungsentscheidungen nimmt“. Wohlgemerkt, die jüdische Gemeinschaft im Ganzen! Als ob es unter den Juden in Amerika nicht die unterschiedlichsten Meinungen und Gruppierungen geben würde, die sich auch in Bezug auf Israel oder ein militärisches Eingreifen im Iran deutlich unterscheiden. Die Wahrnehmung der Juden als geschlossene Gruppe, die ihre eigenen Ziele ohne Rücksicht auf die „Wirtsnation“ verfolgt, ist eines der wesentlichen Merkmale des Antisemitismus.

    Bin ich der Einzige, der es so sieht? Wo bleiben diejenigen, die sonst „währet den Anfängen“ rufen? Muss ich daran erinnern, dass ich keineswegs mit der „Antisemitismuskeule“ herumschlage (auch nicht gegenüber Grass), sondern die Diskussion mit inhaltlichen Argumenten führe?

    Im Übrigen entspricht der behauptete „große Einfluss jüdischer Wähler“ in den USA nicht der Realität: Sie sind schon zahlenmäßig nicht in der Lage, Wahlen zu entscheiden. Die betont pro-israelische Rhetorik der republikanischen Kandidaten zielt mehr auf die evangelikalen Wähler (die aus christlich-fundamentalistischen Motiven Israel als Vorboten der Wiederankunft von Christus als Messias sehen). Dass die Republikaner stärker als die Demokraten pro-israelisch sind, hinderte bei der letzten Präsidentenwahl nicht die große Mehrheit der jüdischen Wähler in den USA daran, Obama zu wählen. Entscheidend war die Ablehnung des Busch-Kriegst gegen Irak sowie Sympathien für die sozialen Programme von Obama.

  86. @ Bronski und alle: Da ich des Englischen nicht so mächtig bin, um Medienartikel 1 : 1 zu übersetzen, und daher auch mir nicht leisten möchte, auf irgendwelchen obskuren oder gar antisemitischen Seiten zu landen, hier eine Seite, die ich über „Jewish Community USA“ als Suchbegriff, und dann über WIKIPEDIA, gefunden habe, und die unverdächtig zu sein scheint: http://www.simpletoremember.com/articles/a/jews-in-the-media-hollywood/ und die „JEWS IN THE AMERICAN MEDIA“ aufzählt. Diese Seite trägt noch den Untertitel „Judaism online“.

    Speziell @ Abraham, Bronski und Suleika101: Hätte ich gewußt, welchen Wirbel ich mit dem Begriff „Wallstreet“ auslöse, hätte ich gleich den Begriff „Jewish Community“ gewählt – ich wußte nicht, das ich mit „Wallstreet“ einen solchen Beißreflex auslösen würde.

    Und ja, Grass hat sich inzwischen ja auch verbessert, und nicht mehr von „Israel“ sondern von der „israelischen Regierung unter Netanjahu“ gesprochen, was den Punkt besser trifft, den er ansprechen wollte. Bei „Israel“ würden auch all die liberal-laizistisch und friedensfreundlich eingestellten Bewohner Israels, die ja nicht nur mosaischen Glaubens, sondern christlich, muslimisch oder einfach a-religiös sein können, mit der derzeitigen Regierung über einen Kamm geschoren.

    Mit den „vertauschten Rollen“ wollte ich, sicherlich auch ein wenig polemisch, aufzeigen, daß die Einstellung der US-Regierung, was den Nahost-Konflikt anbetrifft, inzwischen – im Gegensatz noch zur Haltung unter Clinton – eher geneigt ist, zugunsten der israelischen Regierungshaltung zu agieren und die Aufforderungen an beide Seiten, sich zu einer Zwei-Staaten-Lösung zusammen zu finden, eher Lippenbekenntnissen gleichen, weil die Rügen Richtung israelische Regierung eher sanft ausfallen und ernstere Maßnahmen im Sicherheitsrat abgeblockt werden, und die US-Regierung regelmäßig bei UN-Beschlüssen ihr Veto einlegt. Hier wollte ich einfach mal darlegen, wie es spiegelbildlich aussehen würde – bei einem z.B. von der Hamas dominierten Palästina.

    Ich glaube jedoch auch, daß seit Bush junior, dem Irak- und dem Afghanistan-Krieg und den Erfahrungen mit der Haltung Pakistans inzwischen die US-Regierung samt Administation in HInsicht auf die geostrategische Versorgung der USA mit Energie und Rohstoffen Israel als strategischer Bündnispartner eine höhere Priorität erhalten hat. Und dies trotz der immer noch wackeligen, aber sich anscheinend zunehmend stabilisierenden Ölförderung aus dem Irak.

    Und wenn wir U-Boote an Israel u n d Panzer an Saudi-Arabien liefern, ist dies nur scheinbar ein Widerspruch.

    Und danke, @ Suleika101, das Sie mir zur Seite gestanden sind.

  87. @ # 79 Anna

    „Wogegen so vehement Stellung bezogen wird, ist doch, dass ein Staat es sich zum obersten Ziel macht, den Angehörigen einer bestimmten Religion exklusive Vorrechte einzuräumen, von denen ‚Andersgläubige‘ ausgeschlossen sind.“ Beziehen Sie damit Stellung gegen Iran, Saudiarabien oder Gaza unter Hamas (und womöglich demnächst Ägypten)? Auf Israel trifft diese Beschreibung nämlich nicht zu. Israel versteht sich als jüdischer Staat, was bedeutet, dass sich z.B. das öffentliche Leben nach dem jüdischen Feiertagskalender richtet (so wie sich das öffentliche Leben in Frankreich nach dem christlichen Kalender richtet), wobei auch Feiertage anderer Religionen respektiert werden. Die Geschichte des jüdischen Volkes wird in den Schulen unterrichtet, so wie in Frankreich die französische Geschichte), wobei anderen nationalen und religiösen Gruppen eigener Unterricht zugestanden wird. Schließlich pflegt der Staat Israel Beziehungen zum jüdischen Volk im Ausland (so wie der französische Staat solche zu Auslandsfranzosen pflegt), ohne andere nationale oder religiöse Gruppen daran zu hindern, Auslandsbeziehungen zu pflegen.

    In der Unabhängigkeitserklärung von 1948 heißt es: „Der Staat Israel wird … sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen. Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten …“ Das zionistische Ideal eines solchen jüdischen Staates verdient meiner Meinung nach Unterstützung und bedeutet keineswegs „exklusive Vorrechte“ einer Religion oder eines Volkes.

  88. Salut Abraham (#89)

    Nein, vergessen habe ich das nicht, denn es gab ja auch in diesem Zusammenhang die Debatte um das Juden-Gen.

    Günter Grass ist aber weit davon entfernt, mit Sarrazin in einem Atemzug genannt zu werden. Bei Sarrazin waren es erst die Muslime, dann die Juden, drumherum hat er seine Statements zu Hartz IV-Empfänger aufgestellt. Man muß das nun nicht hier noch einmal ausführen. Und wenn ich nur diese eine Zeile lese:

    „Du bist der SS-Mann geblieben.“ (von Hochhuth)

    dann bleibt nur noch der Kotzeimer.

    Es findet keine Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Problem statt. Natürlich kann man Günter Grass kritisieren,aber es findet ja ein Wettbewerb in den Medien statt, wie man Grass am übelsten in Pfanne hauen kann, weswegen kein Platz für inhaltliche Auseinandersetzung mehr ist. Das fing mit der Kriegtrommel an und nun sind wir beim SS-Mann (Heil~Butt). Das alles bringt niemanden weiter, weder den Israelis, noch den Palästinenser.

    Aber, nicht annähernd ein Zucken als Reaktion in den Printmedien auf „Schwule ins KZ“. Ich habe jeden Tag geschaut, ob da was in schwarzen Buchstaben darüber geschrieben wird, nix. Entweder ist es eine Sache der Katholiken, was mich ja nicht juckt, bin ja nicht katholisch oder aber: egal.

    Und darum geht es. Diese Stimmen, die nun auf Grass einschlagen, hätte ich gerne, wenn die FR wieder die Kinderarmutszahlen veröffentlicht, wir dann bei 22% sind, wovon 75% die kleinen Kinder Allahs ausmachen. Diese Stimmen hätte ich auch gerne, wenn wieder CDU-Politiker Nazis schützen, alles als nicht gegeben abtun (schon ein paar Monde her). Diese Stimmen hätte ich gerne, gegen dieses Portal. Schau man dahinter, denn du bist der nächste, vor/nach den Muslimen (Bezugnehmend auf die Bündnisse).

    Ich kann dann aber nicht mehr für dich aufstehen, denn mich gibt es dann schon lange nicht mehr.

    Und bei einem Tisch wie ihn Mely Kiyak hat, gäbe es das alles nicht.

    Anm.: Vielleicht war sie im Urlaub, hat die Kommentare zu Sarrazin nicht mitbekommen.

    PS (zu deinem PS): Aber fummeln tun se im dunkeln… deswegen fahre ich in solche Länder nicht, wo wer anderes wegen Glauben, anderer Ansicht, anderer Farbe, anderer Herkunft, anderem Lebensdesign um sein Leben fürchten muß. Israel gehört dazu. Habe genug hierzulande zu kämpfen.

  89. Bezüglich Ihrer Aussagen, Abraham, zur Stellungnahme der jüdischen Gemeinde, Michel Friedmans und vieler anderer zu Sarrazins rassistischem Gedankengut, da gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht – ich habe das auch so in Erinnerung und ich war von den klaren Stellungnahmen einiger beeindruckt. Aber selbst wenn das nicht so gewesen wäre hielte ich es nicht für richtig, sitzen zu bleiben, nicht aufzustehen und nicht zu schützen, nur weil andere das angeblich auch nicht getan haben sollen. Gegen Rassismus und Diskriminierung sollte man immer aufstehen, egal, aus welcher Richtung sie kommen und egal, gegen wen sie sich richten.

    Ich bin nach wie vor aber auch der Meinung, dass Grass weder ein Rassist, noch ein Antisemit ist. Und dass er derartig übel beschimpft wird, das ist m.E. unglaublich, Beate Klarsfeld hat doch tatsächlich Bezüge zu Hitler hergestellt, und so gut wie niemand scheint da etwas dagegen zu haben. Da brechen sämtliche Dämme. Ernstzunehmende Nahostexperten, israelische Militärs, der Ex-Mossad-chef und vile andere (ich auch) haben die große, die sehr große Sorge, dass die von der israelischen Regierung ganz offensichtlich geplante Bombardierung iranischer ziviler Kernkraftwerke und anderer kerntechnischer Anlagen (rein präventiv, es gibt keinerlei Beweise, dass Iran die Bombe bastelt, alles beruht auf ziemlich abenteuerlichen Spekulationen, für die uns bis heute die Originaldokumente vorenthalten werden und Kriegspropaganda) zu einem nicht zu löschenden Flächenbrand im Nahen Osten führt, der sich auch nicht auf den Nahen Osten beschränken ließe. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein solcher Angriff verheerende Folgen hätte und neben unzähligen Menschenopfern nicht nur durch die radioaktive Strahlung beim Bombardement eines Kernkraftwerkes und anderer atomarer Anlagen, sondern auch deshalb, weil hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit andere Staaten in diesen Konflikt eintreten würden und der Iran zudem die Möglichkeit hätte, die Weltwirtschaft und die Energieversorgung nicht nur des Nahen Ostens, sondern die der gesamten westlichen Welt massiv zu beeinträchtigen.

    Dieser Angriff, Abraham, hätte das Potential, sich zu einem Dritten Weltkrieg auszuweiten und ich frage mich, wie es sein kann, dass die israelische Regierung selbst die Warnungen des ehemaligen Mossadchefs und vieler Militärexperten einfach in den Wind zu schlagen scheint. Dieser Angriff wäre eine ernste, eine schreckliche Bedrohung für die ganze Welt und auch für Israel. Und ich kann einfach nicht fassen, wie man diese berechtigte Sorge (selbst wenn man Grass ein falsches Vokabular oder was auch immer vorhalten mag) als Antisemitismus und mit Hitler vergleichen kann. Es ist nicht im Interesse des jüdischen Volkes, einen solchen Angriff zu starten, es wäre der reinste Selbstmord und die israelische Regierung nimmt das anscheinend in Kauf.

    Wie scheinheilig ist es denn, wenn ein Staat bzw. dessen Regierung sich seit den 60er Jahren jeglicher Kontrolle seiner Atomwaffen bis heute verweigert und mit Atomwaffen selbstverständlich auch eine Bedrohung für seine Nachbarn darstellt, wenn ein solcher Staat, der mit seinem eigenen Atomprogramm den Grundstein für atomare Aufrüstung im Nahen Osten gelegt hat, einen anderen Staat präventiv angreift, ohne den mindesten Beweis, dass dort an Atomwaffen gebastelt wird und obwohl die US-amerikanischen Geheimdienste schon vor Jahren einstimmig fesgestellt haben, dass der Iran seit 2003 diesbezügliche Bestrebungen eingestellt hat. Mit welchem Recht beabsichtigt die israelische Regierung die Bombardierung eines zivilen Kernkraftwerks? Der Iran hat in der Vergangenheit die entsprechenden Kontrollen ermöglicht -Israel ermöglicht sie bis heute nicht. Und die israelische Regierung lügt das israelische Volk in exakt derselben Weise an, wie das die westlichen Regierungen, die USA, Frankreich, Deutschland usw. tun. Diese Kritik und diese Angst, Abraham, die richtet sich nicht gegen das jüdische Volk, die richtet sich gegen die israelische Regierung und deren Politik. Weil ein Bombardement sehr wohl eine sehr ernste Bedrohung für die gesamte Welt und natürlich auch für Israel darstellt. In der israelischen Regierung sitzen schreckliche rechte Kriegstreiber und sie nützen die geschichtlich begründete Angst und das Gefühl der Bedrohung in der Bevölkerung für ihre kriegerischen Zwecke und ihre Kriegspropaganda aus.

  90. Ich muß es doch schreiben (Nachtrag zu Abraham #89):

    Ich hätte gerne Deine/Ihre Stimme/Meinung. Nicht den Verweis auf eine andere Zeitung, wo wer anderes was geschrieben hat. Es ist nicht ihr Name hinter dieser Meinung in dieser Zeitung, oder irre ich mich da?

  91. Für die Palästinenser ist es bisher leider völlig unerheblich geblieben wie demokratisch oder wie tolerant Israel auch immer gegenüber Homosexuellen ist, weil sie selbst vom demokratischen Geist Israels leider herzlich wenig zu spüren bekommen.

    Die Staatsgründung Israels war von Anfang an eine äußerst heikle Angelegenheit, weil diese gegen den Willen der Palästinenser, ja, gegen den der gesamten arabischen Welt, vollzogen werden musste. Außerdem stand das Land Palästina eben keineswegs menschenleer für das zionistische Projekt bereit, sondern musste den Palästinensern in einem blutigen Krieg gewaltsam entrissen werden.
    Und auf dieser Ungerechtigkeit fußt nun mal der Nahostkonflikt, was aber leider von israelischer Seite nicht anerkannt wird, sondern ganz im Gegenteil als ultimatives Tabuthema behandelt wird. Und ich fürchte, dass solange sich daran nichts ändert, wird der nahe Osten ein Pulverfass bleiben.
    Damit mir jetzt nichts Falsches unterstellt wird, möchte ich ausdrücklich betonen, dass ich das Existenzrecht des Staates Israel nicht in Frage stelle. Ich wünsche mir lediglich eine humane Lösung für die mit dem Zionismus verbundene „arabische Frage“.

  92. Und um das, was leider die Wahrheit ist, Abraham, deutlich zu benennen: Der Iran hat den Kontolleuren zu sämtlichen relevanten Anlagen ungehinderten Zutritt gelassen, er hat lediglich den Zutritt zu militärischen Anlagen verweigert, so wie es rechtlich absolut in Ordnung ist. Man kann doch von einem souveränen Staat nicht verlangen, dass er der Atom-Aufsichtsbehörden erlaubt, militärische Geheimnisse an den „Feind“ zu verraten, so wie das offensichtlich nach entsprechendem Entgegenkommen des Iran geschehen ist.

    Viele iranische Atomwissenschafftler wurden bei Attentaten umgebracht und es gibt den absolut ernst zu nehmenden Verdacht, dass auch Israel da seine Finger mit drin hatte. Einer der Attentäter soll gestanden haben, von Israel für den Anschlag bezahlt worden zu sein und man muss angesichts der vielen Mordanschläge auf iranische Wissenschaftler nun keineswegs ein Anhänger von Verschwörungstheorien sein, um das für sehr wahrscheinlich zu halten. Iran hat sogar der Fremdanreicherung und der Ausleihe von Brennstäben zugestimmt – das ganze weit über die rechtlichen Gegebenheiten hinaus gehende Entgegenkommen hat dem Iran aber alles nix genutzt. Der Kompromiss wurde von Busch annulliert, um den Iran wieder als Schurkenstaat an den Pranger stellen zu können. Welcher Staat würde denn ungehinderten Zutritt zu seinen sämtlichen militärischen Anlagen zulassen,diese Forderung ist unerfüllbar. Kein Staat würde so etwas zulassen.

    Die Inspektoren durften alles, was die Statuten der IAEA gestatten, sehen. Sie wollten aber mehr sehen, als sie rechtlich sehen durften. Kein Staat der Welt würde den Kontrolleuren Zutritt zu den Militäranlagen erlauben. Iran hat das teilweise zugelassen und die vertraulichen Informationen sind an die USA weiter gegeben worden und zahlreiche iranische Wissenschaftler starben anschließend bei Attentaten. Das ist doch ungeheuerlich, wie ich finde.

    Israel dagegen hat bis heute und damit seit mehr als 50 Jahren nicht einmal den befreundeten USA Kontrollen in ihren nuklearen Stätten erlaubt. Geschweige denn der Kontrollbehörde. Obwohl Israel ein Atomstaat ist, Iran nicht. Und im Leben nie und nimmer und erst recht nicht würde Israel der IAEA Zutritt zu seinen militärischen Anlagen gewähren.

    Und last not least: Der Iran hat kein anderes Land angegriffen, Israel schon mehrfach. Und m.E. dient das ganze Antisemitismusgeschrei, das auf dem Herrn Grass ausgekippt wird, dem Zweck, von dieser Wahrheit abzulenken, denn darüber will man anscheinend nicht reden, das stört die verlogene Kriegspropaganda, mit der die Welt auf den Angriff auf den Iran eingestimmt wird. Den Machthabern sind die Menschen völlig oder jedenfalls weitgehend schnuppe und man versucht derzeit, seitens der israelischen Regierung, die Zahl der möglichen Opfer in Israel klein zu reden, von den Opfern im Iran und anderswo ist erst gar nicht die Rede. Die zählen in den geostrategischen Planspielen sowieso nicht. 58 % der israelischen Bürger sind nach Umfragen angeblich gegen diesen Militärschlag und da muss man die Kriegs-Propaganda eben noch verstärken und die Opferzahlen kleinreden.

  93. @ Abraham, # 90

    Wen Wolfgang Fladung mit „JEWISH COMMUNITY“ auch immer meint – vielleicht „The Jewish Federations“? -, lege ich doch Wert darauf, dass ich ihn nicht entschuldige, sondern anders deute, als sie das tun. Als Leser der Nachdenkseiten neigt Wolfgang Fladung dazu, überall mehr oder weniger klar zu erkennende Lobbyistengruppen am Werk zu sehen. Und hier hat er sich auf das sumpfige Gelände der „jüdischen Weltverschwörung“ und damit in Gefahr begeben, antisemitisch zu argumentieren. Ich konnte das nicht glauben und kann es auch weiterhin nicht. Daher habe ich ihm Gelegenheit gegeben, sich zu präzisieren. Ich halte das für die geeignetere Form des Austauschs. Formulierungen wie „braune Kacke“ möchte ich hier nicht wieder lesen.

    @ Wolfgang Fladung

    Ich möchte noch einmal nachfragen: Wie manifestiert sich der „doch etwas kräftige Einfluß der Wallstreet auf die Entscheidungen der US-Regierung, auch dieser als Teil des Sicherheitsrates bei UN-Resolutionen“? Das ist nichts weiter als eine Behauptung. Du unterstellst damit einen direkten jüdischen Einfluss auf die US-Regierung, der dazu führt, dass es keine israelkritischen UN-Resolutionen gibt. Das musst Du belegen. Wenn Du das nicht kannst, musst Du Dir den Vorwurf gefallen lassen, antisemitische Vorurteile zu bedienen. Dass Du eine Liste von amerikanischen Journalisten gefunden hast, die Juden sind, reicht nicht, um Deinen Wallstreet-Vorwurf zu untermauern.

    @ Sulaika

    „Der Iran hat kein anderes Land angegriffen (…)“

    Das sehe ich anders. Die Unterstützung der Hamas und der Hisbollah sind Angriffe auf Israel. Überhaupt scheinen Sie das iranische Regime ja geradezu als von Friedensengeln unterwandert aufzufassen.

  94. @ # 95 rü

    Ich habe auf Ihren Satz „Warum soll ich für Juden aufstehen, sie schützen, wenn sie bei mir sitzen bleiben?“ (# 85) reagiert, und deshalb auf eine vom Zentralrat der Juden herausgegebene Zeitung verwiesen. Ich selber habe mir den Dreck auf kreuz.net nicht angeschaut. Das was ich in dem zitierten Kommentar gelesen habe, reicht mir. Sie können sicher sein, dass ich solche rassistische, antisemitische und homophile Ausfälle verurteile und von unseren Behörden erwarte, dass sie dagegen mit gleicher Konsequenz wie gegen Islamisten vorgehen. Ich teile auch Ihre Verwunderung, dass die Medien auf diese Ausfälle nicht (oder kaum) reagieren, während sie einem misslungenen und politisch zweifelhafte Gedicht von Grass so viel Platz widmen.

  95. @ wolfgang Fladung: Dank für Ihre nette Replik – ich pflege mich grundsätzlich einzusetzen, wenn Menschen ungerechtfertigt angegriffen werden.
    @Abraham:
    „Ihr Versuch, Wolfgangs Fladungs Entgleisung zu entschuldigen, ist für mich nicht nachvollziehbar.“

    Für mich ist die Relativierung Ihrer Entgleisungen gegenüber Wolfgang Fladung nicht nachvollziehbar.

    „In der Unabhängigkeitserklärung von 1948 heißt es: „Der Staat Israel wird … sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen. Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten …““

    Gegen diese Worte in der Unabhängigkeitserklärung wäre ja überhaupt nicht das Geringste einzuwenden, wenn die israelische Regierung danach handeln würde. Die Realität sieht leider völlig anders aus: Israel ist in der Praxis ein Besatzerregime geworden, das nicht nur seinen Nachbarn in den besetzten Gebieten, sondern auch einem Teil der eigenen Bürger elementare Bürgerrechte vorenthält. Es enthält außerdem seinen Nachbarn einen eigenen Staat vor und ist derzeit dabei, gegen den Iran die verlogene Kriegspropaganda auf vollen Touren laufen zu lassen. Israel plant erneut einen Angriffskrieg, der verheerende Folgen für Israel, den gesamten Nahen Osten und die gesamte Welt hätte. Es ist nicht der Iran, m.E., der eine Bedrohung für den Frieden darstellt, der Iran hat Israel auch nicht mit Auslöschung gedroht und keinerlei Angriffskriege seit sehr, sehr langer Zeit gestartet. Israel schon. Und es wäre schön, wenn Sie realisieren würden, dass es sehr, sehr viele Menschen gibt, denen die Kriegspolitik Israels erhebliche und absolut berechtigte Angst macht.

    http://www.youtube.com/watch?v=Kf5-JgkE1vo

  96. @ Sulaika

    Bei aller berechtigten Kritik an den Diskriminierungen (nicht nur) der arabisch-stämmigen Bevölkerung: Israel ist kein Besatzerregime, sondern die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten.

  97. @ # 96 Anna

    „Für die Palästinenser ist es bisher leider völlig unerheblich geblieben wie demokratisch oder wie tolerant Israel auch immer gegenüber Homosexuellen ist, weil sie selbst vom demokratischen Geist Israels leider herzlich wenig zu spüren bekommen.“

    Da würden Ihnen die schwulen Palästinenser, die in Tel Aviv Zuflucht gefunden haben, etwas anderes erzählen. Und auch die Meinungs- und Pressefreiheit in Israel nutzt den Palästinensern und wird von Palästinensern genutzt. Meinen Sie etwa, dass Sari Nusseibeh den von Ihnen unter # 36 verlinkten Vorschlag gemacht hätte, wenn er Israel für durch und durch antiarabisch und rassistisch halten würde? Spricht es nicht für ein Land, dass eine so radikale Kritikerin der Besatzungspolitik, wie es Amira Hass ist, frei publizieren kann und von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird?

  98. Abraham (#99)

    Vielen Dank, leider gibt es diese Zeitung im nahen Umfeld nicht bei mir. Aber es ist gut zu wissen, daß es geschrieben stand. Nochmals Danke, auch für Deine/Ihre Stimme.

    Gruß rü

  99. # 98, @ Bronski: Die auf der angeführten Homepage aufgeführten Personen sind nicht, wie Du schreibst, nur „Journalisten“, sondern führende Personen in verschiedenen Medien-Unternehmen. Es heißt ja auch: „Jews In The American Media“ und nicht „Journalists…“ Gut, ich versuche es ein letztes Mal, meine Position zu erläutern.

    Entsprechende Seiten habe ich keine gefunden und, ehrlich, auch keinen Bock, stundenlang weiter danach zu suchen. Es scheint doch unbestritten zu sein, daß es innerhalb der „Jewish Community“, für mich übersetzt als „jüdische Gemeinschaft“ (oder welchen Begriff mensch immer wählen mag) in den USA einen großen Einfluß auf die außenpolitischen Entscheidungen der US-Regierung, und damit auch der Entscheidungen innerhalb der UNO, zu geben, weil ansonsten für mich nicht begründbar ist, warum sich Israel bzw. die dortigen Regierungen nicht an UN-Resolutionen gehalten haben und die USA teiweise das Zustandekommen solcher Resolutionen verhindert haben. Dazu hier zwei Links als Beispiele: http://nahost-k.de/texte/resolutionen.
    /uebersicht.pdf (bis 1989) und neuer: http://news.orf.at/stories/2043054/

    Also, lieber Bronski, es geht doch nicht nur darum, ob die USA Resolutionen verhindert haben (so wie im zweiten Link-Beispiel) sondern auch darum, was eine Resolution nützt, wenn sich Israel dann nicht daran hält.
    Und das die Politik von Lobbygruppen nicht nur beeinflußt, sondern im Ergebnis sogar oft bestimmt wird, ist für mich keine Verschwörungstheorie, sondern nackte Wirklichkeit. Wo und wie ich da auf das „sumpfige Gelände der jüdischen Weltverschwörung“ gelangt bin, kann ich an nichts festmachen – meine ansonsten übervorsichtig agierende Frau, die immer Korrektur liest, ebenfalls nicht.

    Diese wies mich allerdings auf das Beispiel ihrer früheren Chefin, einer Deutschen mit israelischem Paß, hin, welche ich persönlich kennenlernen durfte und die ebenfalls bei der leisesten Kritik sofort Antisemitismus und Antizionismus witterte und hochging wie eine Rakete. Da scheinen mir dann doch die Verschwörungstheorien auch, manchmal und teilweise, auf der anderen Seite angesiedelt zu sein.

    Ansonsten hatte ich angenommen, ich hätte mit meinem Beitrag # 91 hinreichend geklärt, das ich kein Antisemit bin und auch nicht die Absicht habe, dies zu werden, selbst wenn Herr A. und jetzt teilweise auch Du mir dies unterstellen wollen. Dann hake ich mich lieber bei Grass unter und lebe damit.

    Ich hoffe, daß sich dieser Blog nicht zu einer Unterabteilung von Broders P.I.-Seiten entwickelt. Frohe Ostern und Shalom!

    PS: Eine Frage wurde mir noch nicht beantwortet: Es gibt doch die Doktrin der Bundesregierung, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. So weit, so gut. Was ist da an der Lieferung eines U-Bootes, welches lenkwaffenfähige Raketen abfeuern kann, an Israel anders? Ist Israel kein „Spannungsgebiet“? Hier der Link zur Tagesschau-Meldung: http://www.tagesschau.de/ausland/israel1214.html

  100. @ Bronski: Ich dachte, ich hätte geklärt, daß ich eingesehen habe, das der Begriff „WAllstreet“ mißverständlich ausgelegt werden kann. Mit welchem Wort würdest Du denn den – so wie ich es sehe, von Dir und Abraham bestrittenen – Einfluß einer bestimmten Gruppierung innerhalb der in den USA lebenden Juden auf die Entscheidungen der US-Regierung belegen? Oder wird der Einfluß an sich bestritten? Dann würden sich für mich ganz andere Vermutungen auftun, nämlich die, daß umgekehrt ein Schuh draus wird – die US-Regierung und die Lobbyisten des militärisch-industriellen Komplexes und der Energiekonzerne könnten auch über die Kontakte zur israelischen Regierung bestimmte geostragische Interessen verfolgen – eine Art umgekehrter Instrumentalisierung? Dies hatte ich in meinem Beitrag # 91 auch schon ähnlich geschrieben, aber diesen scheint niemand so richtig gelesen zu haben.

  101. @ Bronski

    Ich habe Wolfgang Fladung nicht Antisemitismus vorgeworfen, ich habe seine Israel-Kritik als unqualifiziert und nicht als antisemitisch bewertet. Als „braune Kacke“ habe ich erst die antisemitischen Klischees bezeichnet (das wird wohl noch erlaubt sein!), deren Verwendung sich Fladung – wohl auch Ihrer Meinung nach – in Bezug auf den angeblichen Einfluss der Wallstreet auf die Israel-Politik der US-Regierung vorwerfen lassen muss. Auch seine Erklärungsversuche sind nicht besser, weder die „Jewish Community“ (deutsch: jüdische Gemeinschaft) als „Ersatzvokabel“ für Wallstreet noch der Verweis auf die Liste jüdischer Journalisten. Sowohl die Vorstellung einer einheitlichen „jüdischen Gemeinschaft“, die Regierungen in ihrem „jüdischen“ Sinne beeinflusst, als auch die des einseitigen Einflusses der jüdischen Presse sind antisemitische Klischees ersten Ranges, die ein fester Teil der Nazi-Ideologie waren. Merkwürdig, dass dies denen nicht auffällt, die bei Gauck so hellhörig in Bezug auf die angebliche Verharmlosung des Holocaust waren. Lediglich Bronski hat hier reagiert.

    Inhaltlich zerplatzen Fladungs „Argumente“, wenn man sich die Realität anschaut: Die „Jewish Federations “ von Nordamerika, die Sie, Bronski, als Ersatz für Fladungs „JEWISH COMMUNITY“ anbieten, koordiniert jüdische Sozialarbeit und Erziehung von 157 „jüdische Föderationen“ und 400 „Gemeinde-Netzwerke“, repräsentier aber keineswegs (und schon gar nicht im politischen Sinne) die „jüdische Gemeinschaft“ Nordamerikas. Das Spektrum der jüdischen sozialen, religiösen und politischen Organisationen ist schier unübersichtlich, weil jede Gruppierung auf eigene Unabhängigkeit pocht und eigene Meinung hat. Auch das Spektrum der jüdischen Lobbyorganisationen, die sich mit Israel beschäftigen, ist groß; es reicht von dem Mainstream des American Israel Public Affairs Committee (AIPAC), das sich übrigens zu der Zwei-Staaten-Lösung bekennt, über die linksliberale und besatzungskritische J-Street bis zu extrem linken Antizionisten. Nicht anders bei den jüdischen Journalisten: auch diese decken das Spektrum von ganz links bis extrem rechts ab. Es gibt unter ihnen die schärfsten Kritiker der US-Israelpolitik wie auch glühende Israelverteidiger.

  102. Das Israel ein Besatzerregime ist, Bronski, das ist nun keineswegs meine Erfindung – es ist leider die Realität. Übrigens, Bronski, hat auch die die EU-Kommissarin für internationale Zusammenarbeit, Kristalina Georgieva, Israel zutreffend als ein „Besatzerregime“ bezeichnet (und beileibe nicht nur die). Hier ihre Erklärung:

    http://german.irib.ir/nachrichten/nahost/item/124855-eu-kommissarin-israel-ist-ein-besetzungsregime

    Und jetzt erklären Sie mir mal, weshalb Israel trotz seiner aggressiven Besatzungspolitik angeblich kein Besatezregime sein soll. Ich könnte durchaus noch mehr Belege einstellen und Erkärungen – bisher bin ich allerdings davon ausgegangen, dass es allgemein bekannt sei, das ein Staat, der eine derartige Besatzungspolitik betreibt, so wie es die israelische Regierung tut, per Definition ein Besatzerregime ist.

  103. @ Abraham # 92

    Was in der Unabhängigkeitserklärung Israels steht und wie aber die alltägliche Praxis aussieht, sind doch zwei verschiedene Paar Stiefel.

    Fakt ist, dass die israelische Gesellschaft tief gespalten ist. Vor allem die arabischen Israelis werden als „fremd“ und „anders“ wahrgenommen, was zudem noch in den Ausweisen festgeschrieben wird, wo unter Nationalität nicht etwa „Israeli“ sondern „Jude“ und „Araber“ steht. Allein das, öffnet doch Tür und Tor für eine ungleiche Behandlung wie sie ja tatsächlich auch stattfindet.
    So müssen israelische Araber beispielsweise Rechte, die ihnen eigentlich vom Gesetz her zustehen würden, vielfach erst gerichtlich einklagen.
    Außerdem sind die arabischstämmigen Staatsbürger Israels vom Wehrdienst „freigestellt“ – und zwar aus Misstrauen -, was ihnen dann vielfach auf dem Arbeitsmarkt zum Nachteil gereicht, weil eine erfolgreiche Militärlaufbahn für viele Positionen ein entscheidendes Auswahlkriterium ist. Auch erhalten Angehörige des Militärs verbilligte Wohnungskredite und Stipendien, wovon die arabischen Israelis zwangsläufig auch ausgenommen sind.
    Zudem besteht auch eine sichtbare Benachteiligung hinsichtlich der Entwicklung der Infrastruktur im arabischen Sektor.

    Die alltägliche Diskriminierung gestaltet sich vielfältig und macht es besonders den palästinensischen Israelis schwer, sich mit dem Staat Israel zu identifizieren. Und das ist eben offenbar durchaus Teil der herrschenden Staatsräson Israels.

  104. Die Einstellung der unzähligen Quellen, die Israel völlig zutreffend als Besatzerregime bezeichnen, erpar ich mir mal, heute ist Ostern und ich hab noch was vor. Nur noch das, Herr Bronski:

    „Wie es Laut Fars News in der Jerusalem-Post heißt, hat die Humen Rights Watch in den USA am gestrigen Sonntag in ihrem Jahresbericht veröffentlicht, dass Israel durch den Gebrauch seiner militärischen Macht bezüglich der Rechte der Palästinenser in den besetzten Gebieten offensichtlich Gewalt anwendet. Weiter heißt es in dem HRW-Bericht, dass die jüdischen Siedler die Rechte der Palästinenser, insbesondere während der Gedenkfeier anläßlich des Angriffes dieses Regimes auf den Gazastreifen, aufs höchste verletzt haben. Außerdem wird die Folter palästinensischer Gefangener, von denen schon viele ihr Leben in israelischen Gefängnissen verloren haben, verurteilt und die gewalttätige Festnahme von hunterten Hamas-Unterstützern oder Mitgliedern verurteilt.“ (Januar 2012) Quelle: http://alislamnetblog.wordpress.com/tag/israelische-besatzerregime/

  105. Also, ich stelle mir unter einer „funktionierenden Demokratie“ etwas völlig anderes vor.

  106. Und hier, Herr Bronski noch ein Link zu Amnesty International, da steht geschrieben, welch schwerer Menschenrechtsverletzungen und willkürlicher brutaler Gewalt sich die Besatzungsmacht Israel gegenüber der palästinenscischen Zivilbevölkerung auch in 2011 wieder schuldig gemacht hat.

    http://www.amnesty.de/jahresbericht/2011/israel-und-besetzte-palaestinensische-gebiete?destination=node%2F2939

    Und nein, Herr Bronski, ich sehe den Iran nicht von Friedensengeln unterwandert – aber von der verlogenen Berichterstattung, die ich als Kriegspropaganda leider bezeichnen muss, sämtlicher etablierter Medien habe ich die Nase voll. Und dass sämtliche Medien, auch die FR, das längst widerlegte Märchen, trotz besserer Kenntnis wiederholen, Iran wolle Israel angeblich von der Landkarte tilgen, das finde ich ungeheuerlich. Und noch ungeheuerlicher finde ich, dass ein Staat einen anderen präventiv angreifen will, obwohl dieser nach allen seriösen Quellen nicht an der Atombombe baut und sämtliche Verpflichtungen bezüglich Kontrolle erfüllt, teilweise sogar mehr als das, hat. Und dass ein Staat, der seit Jahrzehnten sich nicht im Mindesten um UN-Resolutionen und das internationale Völkerrecht schert, massiv die Menschenrechte verletzt, illegal Atombomben baut und jegliche Kontrolle verweigert, mit Gewalt gegen die rechtmäßigen Bewohner eines Gebietes vorgeht und ohne Ende Kriege führt, als angebliche Demokratie und gar noch friedliebend zu bezeichnen, da kann ich Ihnen leider nicht beipflichten. Ich orientiere mich an der Realität und wenn die Medien noch so oft schreiben, Iran würde eine Bombe bauen und wolle Israel von der Landkarte tilgen, so wird es durch ständige Wiedeholung nicht wahrer. Kriegspropaganda dient nur einem Zweck – den Machtinteressen der Eliten undbei jedem Krieg wird vorher geogen, was das Zeug hält. So auch jetzt.

  107. @ Sulaika

    Ich denke, das Wort Regime sollte Diktaturen und autoritären Systemen vorbehalten bleiben. Israel ist jedoch eine Demokratie. Als solche hat es die Westbank besetzt. Ich schlage vor, den Begriff „Besatzungsmacht“ zu verwenden.
    Dabei führt kein Weg darum herum anzuerkennen, dass die Israelis diese Politik gewählt haben, indem sie bestimmten Parteien zu Mehrheiten verhalfen, und dass sie diese Politik grundsätzlich auch abwählen könnten. Allerdings kommen anscheinend auch progressivere Kräfte wie die Kadima nicht um die Fakten herum, die die jahrzehntelange Besatzungs- und Siedlungspolitik geschaffen hat. Ich gebe zu, dass ich nicht im Bilde darüber bin, ob es politische Kräfte in Israel gibt, die für ein schnelles oder gar sofortiges Ende der Besatzung eintreten. Das Parteienspektrum in der Knesset zeigt jedenfalls ein innerlich zersplittertes Israel: 12 Parteien sind im Parlament vertreten. Das macht die Bildung von parlamentarischen Mehrheiten immer schwierig.
    Auf meine Einwände zu Ihren Iran-Kommentaren sind Sie nicht eingegangen.

    @ Abraham

    Ich kann nachvollziehen, dass Ihnen allzu pauschale Kommentare auf den Senkel gehen. Das sollte gleichwohl nicht zu Beschimpfungen führen. In ausführlichem Mail-Verkehr hat eine Blog-Userin mir kürzlich sinngemäß geschrieben, dass sie das FR-Blog auch deswegen schätze, weil es hier viel Lehrreiches zu lesen gebe. Sie meinte damit den Input, der unter anderem von Ihnen kommt. In Ihrem Kommentar # 106 haben Sie jetzt ein paar Beispiele für jüdische Positionen in den USA gegeben. Das war interessant. „Braune Kacke“ war nicht interessant.

    @ Wolfgang Fladung

    Ich persönlich hätte auf die Wallstreet-Verkürzung anders reagiert als Abraham, aber ich kann nachvollziehen, dass er das scharf kritisiert. Wir sind eben alle unterschiedlich.
    Was nutzen Resolutionen, wenn Israel sich nicht daran hält? Nun, immerhin sind sie völkerrechtlich bindend. Wenn Israel sich nicht daran hält, bricht es das Völkerrecht und isoliert sich international.
    Gruß an Deine Frau!

  108. @ Sulaika

    Meine Antwort hat sich mit Ihrem neuen Kommentar # 111 überschnitten. Ich habe Israel nicht als friedliebend bezeichnet. Israel führt allerdings keineswegs „ohne Ende“ Kriege. Lassen Sie doch diese ständigen Übertreibungen. Bisschen sachlicher bitte!
    Ahmadinedschad hat richtig übersetzt gesagt: „Das Besatzungsregime Israels muss Geschichte werden“. Falsch übersetzt wurde daraus: „Israel muss von der Landkarte getilgt werden“. In dem Video, dass Sie oben verlinkt haben, macht Georg Schramm sich über die politische Korrektheit des ZDF-Intendanten lustig, der angeordnet hat, dass im ZDF nur noch die korrekte Übersetzung verwendet werden darf. Könnte es sein, dass das Ahmadinedschad-Zitat in beiden Versionen dasselbe meint?

    Für den Rest des Abends können hier keine Kommentare mehr freigeschaltet werden. Lassen Sie alles Gesagte vielleicht mal ein bisschen sacken und schreiben dann in größerer Ruhe morgen weiter.
    Schönen Abend, Bronski

  109. zu @ Wolfgang Fladung
    Also ich nehme für mich nicht in Anspruch ein Nahostexperte zu sein, aber ich habe aus dem was man so nebenbei an Eindruck gewinnt, wenn man Nachrichten sieht, schon auch die Meinung das die USA sich anders verhalten würden, wenn die Palästinenser auf israelischem Gelände Siedlungen bauen würden. Warum das so ist und wer in den USA Einfluß nimmt das die USA zulässt das selbiges passiert ist letztlich haarspalterei. Natürlich ist es unverständlich ein Land zu unterstützen das in einem anderen Land Siedlungen baut und sagt so die gehören jetzt zu uns. Das wird von den USA zwar, nach meinem Kenntnisstand nicht begrüsst, aber es wird aus irgendeinem Grund wenig dagegen unternommen. Das Sie das kritisieren ist mehr als verständlich. Ob da die Wallstreet eine Rolle spielt oder wer auch immer ist eigentlich egal. Das da jemand dran dreht ist aber wohl klar.

  110. @ Abraham # 102

    Ich hoffe Sie meinen jetzt nicht im Ernst, dass Sie mich davon überzeugen müssten, dass Israel die einzig funktionierende Demokratie im Nahen Osten ist.
    Darum geht es doch gar nicht.
    Oder wollen Sie nur andeuten, dass die Palästinenser in den besetzten Gebieten sozusagen „selbst schuld“ sind, dass es ihnen dort so schlecht geht, und sie für etwas kämpfen, was ihnen letztendlich gar nichts bringt?

  111. # 106: Abraham: Gut, es gibt viele jüdische Organisationen unterschiedlicher Art in den USA, und keine davon hat – angeblich – einen wesentlichen Einfluß auf die Entscheidungen der US-Regierung. Wenn dem so ist, dann erklären Sie mir doch mal bitte, wie solche Entscheidungen (den Link hatte ich schon mal eingestellt) zustande kommen: http://news.orf.at/stories/2043054/.

    Mir fällt eben immer wieder auf, daß die Handlungen und die Haltung vieler Staaten (ich rede nicht von NOrdkorea und dgl.) gerne scharf kritisiert werden, auch fix UN-Resolutionen erlassen werden, aber bei für den Staat Israel unangenehmen, demokratische Rechte für alle Bewohner der Region einfordernden Resolutionen dann entweder die USA ihr Veto einlegen oder sich die jeweilige israelische Regierung einfach nicht drum kümmert.
    Ich denke, daß die pälestinensische Bevölkerung nicht nur aus solchen besteht, die Tag und Nacht Kazam-Raketen abfeuern. Und ich bin überzeugt, daß in Israel viele Menschen Bauchgrimmen haben, wenn sie sich die Politik der Netanjahu-Regierung ansehen. Jedoch, Israel ist, wie festgestellt, ein demokratischer Staat, und diese Regierung wurde mehrheitlich gewählt. Das heißt für mich dann, das auch eine Mehrheit der Bevölkerung hinter dieser aktuellen Politik steht. Die spannende Frage für mich ist eben: Wie geht es weiter?

  112. zu @ Abraham
    Ich habe den von Ihnen eingestellten Link gelesen. Nehmen sich da vielleicht ein paar Leute zu sehr wichtig? Für mich ist erst einmal ein Staatsbürger Israels ein Mensch wie ein Türke, Spanier u.s.w. Wenn man dauernd darüber redet anders zu sein dann ist das eine selbsterfüllende Prophezeiung. Atomwaffen sollte keines dieser Völker haben und die schon gar nicht einsetzen. das gehört in Israel genauso unterbunden wie im Iran oder anderswo wenn immer es möglich ist. Wenn man jetzt liest das man über atomare Verseuchung auf Grund eines Erstschlages redet, man könnte es auch Völkermord nennen, es dabei aber um mögliche absichtliche? Übersetzungsfehler geht, dann kann man nur den Kopf schütteln- Was bitte hat das mit Antisemitismus zu tun? So etwas muß vorbeugend benannt werden und auch Juden haben nicht das Recht so etwas zu tun.

  113. Ich habe noch ein wenig gegoogelt und Hinweise auf 2 Artikel gefunden, zunächst aus der TAZ: ihttp://www.taz.de/!89043/. Dieser weist auf Netanjahus Aussage des Rechtes Israels auf „Selbstverteidigung“ hin indem er versichert „noch keine Entscheidung über einen Angriff auf iranische Atomanlagen getroffen zu haben“, aber auch: „Niemand von uns kann es sich leisten, viel länger zu warten.“

    Also alles in Butter und ruhig Blut, oder?

    Und zum zweiten: http://www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=55&tx_ttnews%5Btt_news%5D=132962&cHash=134b19209c408779002aa29dbb247393. In diesem Artikel taucht der Name der „Aipac – American Israel Public Affairs Committee“ auf, als „mächtigste Lobby israelischer Interessen in den USA“. In diesem Artikel wird dann auch die massive finanzielle Unterstützung der USA für Israel in Höhe von jährlich etwa 3 Milliarden Dollar, größtenteils als Militärhilfe, genannt. Das Geld kommt also aus Washington, nicht von der Wallstreet, wie ich fälschlich angeführt habe.

    Bin ich jetzt Antisemit, indem ich diese Dinge aufführe bzw. aufliste?

    Auffallend ist für mich, daß sich jetzt all die, welche sich mit Gebrüll auf Grass stürzen, in den letzten Jahren ziemlich weggeduckt haben, wenn es um die Untaten und Morde von Rechtsradikalen (nicht nur der NSU) und die Verharmlosung der „braunen Soße“ durch den Verfassungsschutz ging.

    Anscheinend muß ich mit leben, daß mir hier einige Fragen einfach nicht beantwortet werden. U-Boote in Spannungsgebiete? Wasser, Siedlungsbau, Zaunziehung, etc., alles Paletti?

  114. @ # 115 Anna
    Bitte lesen Sie nach, wie oft ich mich kritisch zu Israels Besatzungspolitik geäußert habe. Selbstverständlich haben die Palästinenser das Recht auf einen eigenen Staat, der dann hoffentlich mindestens so demokratisch und freiheitlich orientiert sein wird wie Israel. Nur bin ich nicht so anmaßend, alles besser als die direkt beteiligten zu wissen, und deren Ängste und Vorbehalte, die sich auf beiden Seiten in Jahrzehnten angesammelt haben, zu ignorieren. Die Erfahrungen, dass die Angriffe der Hisbolah und Hamas auch nach dem vollständigen Rückzug aus dem Libanon und aus Gaza nicht aufgehört haben, hat viele in Israel verhärtet: Wenn Rückzug keinen Sicherheitsgewinn und keinen Frieden bringt, dann wählen sie lieber mehr an Sicherheit und nehmen die Fortsetzung des Konflikts (unter dem auch die Israelis leiden) in Kauf. Dabei machen eigene Sorgen und eigene Angst blind für das Leid des anderen. Das mag politisch kurzsichtig sein, ist aber menschlich verständlich.

  115. @ # 119 Hans
    In dem von mir unter # 118 eingestellten Link geht es doch gar nicht um Israel oder den Iran und schon gar nicht darum, dass „ein Staatsbürger Israels“ (was etwa die Hälfte der Juden dies nicht sind) nicht „ein Mensch wie ein Türke, Spanier u.s.w.“ wäre.

  116. Da mir eine arbeitsreiche Woche bevorsteht, werde ich mich aus der Diskussion verabschieden müssen. Daher einige Anregungen zum Nachdenken:

    Die Angst vor den Folgen eines militärischen Angriff auf Irans Atomanlagen (auch wenn weder ein atomarer „Erstschlag“ oder die „Auslöschung des iranischen Volks“ droht und Kernkraftwerke nicht das Ziel sein werden) teilt wohl jeder. Klar ist, dass der erste „Gegenschlag“ Israel treffen wird; und zwar durch die von Iran an Hisbollah und Hamas gelieferten Raketen. Wie wahrscheinlich ist es dann, dass Israels Führung, für die der Schutz ihrer Zivilbevölkerung bekanntermaßen die höchste Priorität besitzt, dieses Risiko eingehen würde, wenn es keine ernstzunehmende Hinweise gäbe, Iran ist dabei, eine Atombombe zu bauen?

    Wenn Iran keine Atomwaffen anstrebt, warum braucht es dann eigene Anreicherungsanlagen, die verbunkert werden und hochangereichertes Uran produzieren? Warum hat sich Iran heimlich Pläne zum Bau von atomaren Sprengköpfen beschafft und ballistische Raketen getestet? Warum geht Iran nicht auf die Vorschläge der „Fünfergruppe“ ein, die von Russland und China (die wohl nicht von westlichen Geheimdiensten manipuliert sind) mitgetragen werden?

    Wenn Iran Israel nicht mit der Atombombe bedroht, welchen Grund hätte Israel, Iran mit Atomwaffen anzugreifen? Warum soll plötzlich Israels Atomarsenal eine Bedrohung des Weltfriedens sein, nicht aber das von Pakistan, Indien, Frankreich, Großbritannien, China, Russland und den USA?

    Wenn Iran aber doch Atomwaffen entwickelt, welche Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich seine Führung von diesem Ziel durch eine atomare Abrüstung Israels abbringen lassen würde? Kann Israel angesichts einer atomaren Bedrohung überhaupt auf seine Fähigkeit zum atomaren Gegenschlag verzichten?

    Trägt eine Diskussion, bei der einseitig Iran von Atomplänen freigesprochen wird, dazu bei, Iran noch zum Einlenken zu bewegen und so die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung zu vermeiden?

    Wenn Iran aber doch eine Atombombe baut und deren Einsatz gegen Israel droht, können wir die Gefahr für Israel ignorieren, nur weil Obama seine Wahl gewinnen will und wir vor uns vor einer Verteuerung des Öls fürchten?

  117. zu @ Abraham
    In dem Link geht es darum ob es Leute gibt die Antisemiten sind ohne sich selbst als solchen zu bezeichnen. Sie würden sich in ihren Äußerungen und Handlungen zu erkennen geben. Das Ganze wird mit den Äußerungen von H. Grass in Verbindung gebracht wobei hier dann in der Diskussion jeder Wort auf die Goldwaage gelegt wird.(siehe die Wirkung des Wortes Wallstreet)Um das Ganze geht es in den Zeilen von H. Grass gar nicht, sondern darum ob ein millitärischer Erstschlag mit aus D. stammenden Waffen für uns akzeptabel ist oder nicht. Diese Frage mit dem Link zu verbinden geht schon wirklich am Thema vorbei. Deshalb meine Frage: Was hat die ganze Diskussion um H. Grass mit Antisemitismus zu tun?

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