Ich galt als politischer Flüchtling

Von Edeltraud Dillmann

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Im Januar 1945 mussten wir vor den Russen aus Ostpreußen flüchten. Wir schafften es mit den Pferdewagen über das gefrorene Haff bis nach Pillau. Dort mussten wir alles lassen und nur mit Handgepäck konnten wir mit dem Schiff weiter nach Westen. Leider ging es nur bis Danzig. Von dort aus dann mit der Eisenbahn nur langsam voran bis wir am 10. März dann von den Russen bei Lauenburg in Pommern eingeholt wurden. Als der Krieg dann im Mai zu Ende war flüchteten wir weiter nach Westen um über die Oder nach Ostdeutschland zu kommen. Meine Eltern sind beide umgekommen und ich mit 17 Jahren war die älteste von 4 Mädchen.

In Mecklenburg saßen wir dann fest und wussten nicht wie es weitergehen soll. Nachdem wir den Sommer über auf dem Felde arbeiten mussten, suchte ich mir im März in Wismar beim Arbeitsamt eine Stelle. Mir wurde angeboten, Lehrerin zu werden, nachdem ich eine kurzfristige Ausbildung machte. So wurde ich Lehrerin in der DDR und blieb dort bis Oktober 1948.

Die große Wende war die Währungsreform in Deutschland. Im Osten gab es zwar auch neues Geld, aber nichts dafür zu kaufen. Das Leben ging so trostlos weiter und man wurde politisch bedrängt, in die kommunistische Partei einzutreten. Um diese Zeit hörte ich von einem Onkel der aus Ostpreußen kam, der sich aber schon in Frankfurt sesshaft gemacht hat. Alle meine Verwandten waren aus Ostpreußen. Ich hatte jemand, an den ich mich wenden konnte. Nun hatte ich aber eine Adresse in West Deutschland und mein Plan stand fest, ich hatte ein Ziel.

Eines Tages Anfang Oktober 1948 bin ich dann bei Eisenach schwarz bei Nacht und Nebel über die Grenze gegangen. Man musste sich tagsüber verstecken und sich nicht von den Russen sehen lassen, sonst wurde man festgenommen und heimgeschickt. Zu der Zeit gab es noch keine Mauer. Ich hatte noch eine Cousine bei mir und nachdem wir dann lange über Felder gelaufen sind, kamen wir in einen Ort der in Westdeutschland war. Es war noch dunkle Nacht. Wir setzten uns an eine Haustür und schliefen dann auch ein. Gegen morgen nachdem die Leute auf waren, machten wir uns dann bemerkbar und wurden gleich freundlich aufgenommen und zum Frühstück eingeladen. Dann zeigten sie uns wo wir waren und wie wir weiter nach Frankfurt kommen konnten. Natürlich ging es nur per Anhalter. Aber die Lastfahrer waren sehr hilfsbereit und nahmen uns bis Frankfurt mit.

Dillmann 2Mein Onkel wohnte ganz in der Nähe vom Hauptbahnhof und wir fanden die Adresse. Seine Wohnung war aber in einer Ruine, es war nur ein Zimmer wo er und meine Tante wohnten. Sie rückten aber zusammen und nahmen uns auf. Am nächsten Tag mussten wir uns um eine Zuzugsgenehmigung bewerben. Dazu mussten wir mit dem Zug nach Gießen fahren und angeben, was der Grund war, dass wir nach dem Westen kamen. Ich galt als politischer Flüchtling, da ich beweisen konnte, dass ich als Lehrerin gedrängt wurde, in die Partei einzutreten.

Edeltraut Dillmann
nach ihrer Ankunft
in Frankfurt 1948

Das nächste war, eine Unterkunft zu finden. Wohnungen oder Zimmer gab es nicht, alles lag ja noch in Trümmern. Länger als ein paar Tage konnten wir bei Onkel und Tante nicht bleiben. Eine Stelle als Lehrerin zu finden war nicht möglich, denn meine Ausbildung in der DDR reichte nicht.

Die einzige Möglichkeit war eine Stelle im Haushalt zu finden, wo man auch Kost und Logis hatte. Nach einigen Tagen ist mir das dann auch gelungen. Ich arbeitete als Hausangestellte in einem Arzt Haushalt in Preungesheim. Nach einigen Wochen beantwortete ich ein Inserat, wo ein Kindermädchen für einen amerikanischen Haushalt gesucht wurde. Meine Englisch-Kenntnisse (ich hatte sechs Jahre Englisch in der Schule) haben mir geholfen und ich habe die Stelle bekommen. Dort konnte ich wohnen, hatte mein eigenes Zimmer und konnte zwei kleine Buben betreuen. Essen war auch immer reichlich da. Es war ein ganz anderes Leben als in der DDR.

Meine Geschwister sind dann nach und nach auch in den Westen gekommen, entweder zu Pflegeeltern oder zu Verwandten oder durch meine Vermittlung für eine Arbeitsstelle.

In meiner Freizeit konnte ich Kurse belegen, um mich weiterzubilden. Ich lernte Stenografie und Schreibmaschine und war dann in der Lage, meine Stelle als Kindermädchen aufzugeben und bei einem Rechtsanwalt im Büro zu arbeiten. Nach einem Jahr bot sich mir die Gelegenheit, eine noch bessere Stelle bei der Bank Deutscher Länder anzutreten. Ich lernte meinen Mann kennen, wir heirateten im Jahre 1952 und sind 1954 nach USA ausgewandert.

Dillmann 2016 2Hier haben wir unsere Familie gegründet und uns eine sichere Zukunft aufgebaut. Nachdem wir im Ruhestand waren, verbrachten wir die Wintermonate im sonnigen Florida und die Sommermonate in unserer zweiten Heimat, dem amerikanischen Mittelwesten.

Wir sind dankbar und zufrieden in unserer neuen Heimat und preisen uns glücklich, viele liebe Freunde zu haben. Und doch werden wir unsere alte Heimat nie vergessen.

Edeltraud Dillmann im Jahr 2016.
Geboren 1928, lebt heute in Palatine, Illinois (USA)

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