Blogtalk: Live aus Istanbul

Ein Kritikpunkt an tagesaktuellen Medien lautet, dass sie kaum noch über Themen berichten, sobald diese aus den Schlagzeilen gerutscht sind. Die FR ist da anders: Wir behalten unsere Themen im Blick. Es ergab sich für mich die Gelegenheit, mit einem jungen Aktivisten in Istanbul zu sprechen. Ich habe nachgehakt, was derzeit in Istanbul und in der Türkei los ist – im Blogtalk mit Ateş live in Istanbul.

Ateş ist Mitte 20, wurde nahe Frankfurt geboren und wuchs hier auch auf. Nach seinem Abitur zog er nach Istanbul, um dort zu studieren. Seither lebt er in Istanbul. Seine Eltern und ein Großteil der Familie leben dagegen weiterhin in Deutschland.

Ateş war und ist an den Gezi Park-Protesten beteiligt. Ich habe für diesen Blogtalk seinen Namen geändert, um ihn vor Verfolgung zu schützen. Der Name Ateş ist in der Türkei sowohl ein Vor- als auch ein Nachname.

Die FR berichtete zuletzt Anfang der Woche in einer Meldung über Verletzte in Ankara. Zudem erreichen mich immer wieder Mails von Türken in Deutschland, aber auch aus der Türkei, in denen massives Unrecht angeprangert wird. Die türkische Polizei setzt regelmäßig Wasserwerfer und Tränengas ein, um gegen die Demonstranten vorzugehen. Dabei können sich die türkischen „Sicherheitskräfte“ deutscher Unterstützung sicher sein: Seit 2003 unterstützt Deutschland die türkische Polizei ausgiebig – und will auch nach deren brutalem Vorgehen in Istanbul nicht davon abrücken.

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51 Kommentare zu “Blogtalk: Live aus Istanbul

  1. Hallo Ateş,

    leider verwendet dieses Blog noch einen Zeichensatz, in dem manche diakritische Zeichen nicht vorkommen. Bitte um Nachsicht dafür …

  2. Da sind Sie ja! In Frankfurt ist es heute auch ziemlich heiß – aber bei Ihnen geht es sicher heißer zu.
    Die Proteste der Gezi-Park-Bewegung sind in Deutschland inzwischen halbwegs aus den Schlagzeilen gerutscht, aber sie sind immerhin noch für die Spalte „Meldungen“ oder „Kurznachrichten“ gut. Auch die FR hat zuletzt am Montag berichtet. In Hatay und Ankara soll es mehr als hundert Verletzte gegeben haben, und in Istanbul ist die Polizei mit Reizgas, Wasserwerfern und Plastikgeschossen gegen die Demonstranten vorgegangen. In der Meldung war von „etwa 1000 Demonstranten“ die Rede. Schläft die Protestbewegung jetzt ein?

  3. Die Protestbewegung beginnt langsam ihre Form und Art zu ändern, würde ich sagen. Natürlichen müssen die Menschen mit ihrem Leben weiterkommen, arbeiten etc. Daher wird der Widerstand etwas passiver. Jedoch kommen weiterhin jedes Wochenende in der ganzen Türkei, insbesondere in Taksim (Istanbul), Tausende zusammen, um gegen die Polizeigewalt und Unterdrückung, die wir erfahren, zu demonstrieren. Weiterhin werden Menschen von Polizisten verletzt und misshandelt. Die Polizeipräsenz ist enorm. Die Istiklal Strasse, das Herz Istanbuls, ist besetzt mit Polizisten und Wasserwerfern. Weiterhin werden Demonstranten in Untersuchungshaft genommen und teilweise damit beschuldigt, terroristischen Gruppierungen anzugehören. Erst gestern wurden Studenten, die an den Protesten teilgenommen haben, aus ihren Wohnheimen in U-Haft genommen. Auch das Internet wird streng überwacht und eigentlich ist jeder, der diese Bewegung unterstützt, in Gefahr verhaftet zu werden. Die Regierung versucht weiterhin, mit solchen Methoden Angst zu verbreiten und somit den Widerstand zu unterdrücken. Ich denke, solange Erdoğan sich nicht kompromissbereiter zeigt, wird die Protestbewegung nicht einschlafen. Ganz im Gegenteil, durch die aggressive und uneinsichtige Art der Regierung kommen immer mehr Gründe auf, um auf die Straßen zu gehen.

  4. „ErdoÄ�an“ ist hübsch, nicht wahr?
    Haben Sie persönlich auch schon solchen direkten „Kontakt“ zu den „Sicherheitskräften“ gehabt?

  5. 🙂 Ich werde versuchen türkische Buchstaben zu vermeiden 😉
    Ich habe versucht, Auseinandersetzungen mit den Polizisten weitestgehend zu vermeiden, da diese uns nicht als Demonstranten, sondern als Freiwild zu sehen scheinen. Sie schießen mit Plastikgeschossen und Reizgaskapseln direkt auf die Menschen, obwohl sogar auf diesen Kapseln Warnungen und Hinweise sind, diese nur in die Luft zu schießen. Mindestens 10 Leute haben diese Geschosse ins Auge bekommen und somit das betroffene Auge verloren. Daher haben meine Freunde und ich den Widerstand vor Ort, aber nicht in auf den Barrikaden unterstützt. Es macht einfach keinen Sinn, gegen bewaffnete Polizisten ohne jeglichen Schutz zu kämpfen. Schließlich sind die Polizisten auch bewaffnet mit Schusswaffen, und es ist auch bereits ein Demonstrant in Ankara (Ethem Sarısülük) durch einen Kopfschuss ums Leben gekommen. Übrigens wurde der verantwortliche Polizist nicht verhaftet. Die Ermittlungen laufen jedoch weiterhin.
    Wahrscheinlich hat jeder, der an den Demos teilgenommen hat, Reizgas abbekommen. Insbesondere Anfang Juni war es sehr heftig und man konnte das Gas in mehreren Stadtteilen riechen und fühlen. Mein härtester Kontakt mit den „Sicherheitskraeften“ war vor knapp einem Monat nach der gewaltsamen Räumung des Gezi Parks. Ich hatte mich mit Freunden in Besiktas, ein weiterer Brennpunkt nahe zum Taksim Square, mit Freunden getroffen. Wir wollten uns von dort den Demonstranten anschließen. Das haben wir dann auch und waren in Kürze inmitten von Tausenden Demonstranten. Natürlich hat es nicht lange gedauert, bis die Polizei mit Wasserwerfern und Reizgas uns aus zwei Richtungen eingekesselt hat.
    Die Straße, an der dies passiert ist, grenzt an einer Seite an den Bosporus und auf der anderen an Bürogebäude, die, da es ein Sonntag war, geschlossen waren. Wir wurden also tatsächlich eingekesselt. Da in den Seitenstraßen zivile Polizisten warten, um die fliehenden Demonstranten, oft kombiniert mit Prügel, zu verhaften, war das eine ziemlich brenzlige Situation. Glücklicherweise haben viele Anwohner in dem Gebiet (wie auch an anderen Punkten während dieser ganzen Zeit) ihre Haustüren geöffnet und die Leute vor den Polizisten gerettet. So sind wir bei einer sehr netten Familie untergekommen und mussten uns zwei Stunden dort im Dunkeln verstecken, damit uns die Polizei nicht findet. Die Mengen an Gas, die an diesem Tag geschossen wurden, sind unglaublich. Es war, als wäre alles im Nebel. Das Krasse ist, dass diese Demos inmitten der Stadt passieren und dadurch auch viele Unbeteiligte von der Polizeigewalt betroffen sind. An diesem Tag beispielsweise war eine junge Familie mit ihrem Baby im Kinderwagen am Bosporusufer, um die Sonne zu genießen, und stand plötzlich mitten im Gefecht.
    Was noch wichtig zu erwähnen ist, ist, dass der Großteil der Polizisten auf den Straßen sehr jung ist. Meinen Schätzungen nach ist das Durchschnittsalter 20. Das heißt, diese Leute sind seit Jahren in den Polizeiakademien (die natürlich von der Regierung besetzt sind) und scheinen alles, was gegen die Regierung gesagt oder getan wird, als Vaterlandsverat oder Terrortat zu bewerten. Das erhöht natürlich ihre Gewaltbereitschaft.

  6. Darin werden sie ja anscheinend kräftig bestärkt von ihrem Ministerpräsidenten. Erdogan spricht schon mal von „Agenten“, wenn er Demonstranten meint, und von der Einmischung ausländischer Mächte. Er scheint nicht ganz unrecht zu haben, wenn Sie als Deutscher an den Protesten teilnehmen …

  7. Das ist ein Argument. Jedoch bin ich ein Deutsch-Türke, der in der Türkei lebt und hier Steuern zahlt. Meiner Meinung nach bin ich berechtigt, meine Rechte zu verteidigen. Schließlich beeinflusst Erdogans Politik auch mein Leben. Wenn es um demokratische Rechte geht, würde ich in jedem Land an solchen Demos teilnehmen. Abgesehen davon bezieht sich Erdogan bei seinen Unterstellungen nicht auf in der Türkei lebende Ausländer wie mich, sondern auf Lobbyisten und fremde Mächte. Es geht inzwischen schon so weit, dass von Erdogans Chefberater Yigit Bulut behauptet wird, die Demos, die auch gegen den Bau des 3. Flughafen, der inmitten eines der wenigen Waldgebiete in Istanbul geplant wird, seien von der Lufthansa mit organisiert worden. Grund dafür sei die Gefahr, dass der neue Flughafen den Frankfurter Flughafen als Flugverkehrsmittelpunkt in Europa ablösen wird. Mit diesen wirren Behauptungen versucht Erdogan und seine Regierung eigentlich nur, diesen Protesten ihre Legitimität abzugewinnen. Ein Großteil der Bevölkerung, insbesondere in ländlicheren Teilen der Türkei nutzt weiterhin kaum das Internet und soziale Netzwerke wie Twitter, welche zur Zeit eine der wenigen glaubwürdigen Nachrichtenquellen liefern. Viele vertrauen weiterhin den Nachrichtensendern, die Erdogans Reden natürlich live übertragen. Wenn Unwissende aus dem Munde des Staatsoberhauptes solche Aussagen hören, glauben sie dies natürlich. Besonders die AKP-Wähler.
    Die Gezi-Park-Bewegung hat dem scheinbar makellosen Image Erdogans national und international ohne Zweifel geschadet. Aus Angst vor Stimmenverlusten bei den Wahlen im kommenden Jahr versucht er die Proteste nun als ein Komplott von Feinden der „demokratischen“ Türkei zu zeigen. Jedoch bin ich von Anfang an in der Bewegung und davon überzeugt, dass einzig und allein die Polizeigewalt und Einstellung der Regierung für das Ausmaß der Proteste verantwortlich ist. Natürlich wird sich Erdogan dies niemals eingestehen.

  8. Das heißt, das auch weiterhin keine freie, neutrale Berichterstattung in der Türkei passiert?

  9. Es ist nicht mehr so, dass die Hauptnachrichtensender, während die Gefechte auf den Straßen laufen, Tierdokumentationen zeigen. Jedoch ist die Berichterstattung immer noch nicht frei. Lediglich zwei TV-Sender, die vorher kaum jemand kannte, berichten, was tatsächlich passiert, ohne Zensur. Die Präsenz der Demonstrationen in den Medien nimmt auch ab, da Erdogan nun versucht, mit anderen, natürlich auch wichtigen Themen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu gewinnen.
    Freie Berichterstattung in der Türkei? Diese ist das Land mit den meisten inhaftierten Journalisten weltweit. Journalisten und Künstler, die die Proteste unterstützen, erhalten Morddrohungen. Einige schreiben aus dem Ausland. Die Situation ist nicht nur seit den Gezi Park-Protesten so. Auch Eingriffe in die Pressefreiheit sind Gründe für die Proteste. Der Gezi Park war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

  10. Genau so ist es. Die Medien zu verfolgen ist inzwischen nur noch nervig. Natürlich guckt man sich die Nachrichten an, jedoch tue ich das eher, um zu sehen, was die neue Strategie der Regierung ist. Hauptquelle ist weiterhin Twitter. In den ersten, heftigeren Wochen der Proteste wurden Twitter-Rekorde gebrochen. Außerdem berichten viele Demonstranten über ihre Smartphones via Ustream live vor Ort. Das macht die Zensur hier nur noch lächerlicher.

  11. Übereinstimmend mit Ihren Aussagen habe ich andere Berichte von Ihren Landsleuten bekommen, wonach mit Tränengasgranaten gezielt auf Menschen geschossen wurde. Danach sollen „Sicherheitskräfte“ in Antakya, das liegt in der Nähe der syrischen Grenze, eine Trauerveranstaltung mit Tränengas aufgelöst haben. Es soll 18 Verletzte gegeben habe, davon liegt angeblich einer im Koma. Zwei Menschen sind erblindet. Wenn Sie sagen, dass Sie sich über Smartphones gegenseitig benachrichtigen – hören Sie dann auch etwas aus anderen Landesteilen der Türkei, oder beschränkt sich das auf Istanbul?

  12. Die Auseinandersetzungen fanden bei der Trauerveranstaltung für den in Eskişehir durch Prügel schwerverletzten und an diesen Verletzungen verstorbenen 19-jährigen Ali İsmail Korkmaz statt. Dieser wurde von Zivilpolizisten und unidentifizierten Männern mit Knüppeln verprügelt. Jedoch sind nun genau die Momente, in denen die Tat geschah, aus den Sicherheitskameras im Umfeld verschwunden. Die Öffentlichkeit und Angehörigen waren und sind dadurch natürlich sehr aufgebracht. Es ist so offensichtlich, was geschah, jedoch wird alles getan, um die Wahrheit zu verbergen. Dieser Mann lag wochenlang im Koma und ist nun gestorben, nur weil er für seine Rechte auf den Straßen war. Das bringt natürlich Wut auf und das hat auch dazu geführt, dass die Polizei in Antakya mit Gewalt geantwortet hat. Berichte über die Verletzten bei dieser Tat hören wir auch, jedoch ist bisher noch nichts Genaues bekannt.
    Seit dem 31. Mai, nachdem die Polizei um die 50 Demonstranten morgens um 5 Uhr mit Gas und Gewalt aus ihren Zelten im Park vertrieben hat, sind in der ganzen Türkei Menschen auf den Straßen und haben genau wie in Istanbul Gewalt erfahren. Seitdem hören wir auch über Twitter was passiert. Wie gesagt, inzwischen berichten auch die Medien, nur nicht neutral genug.

  13. In Ankara soll dem Wasser, das die Wasserwerfer benutzen, eine rote Flüssigkeit zugesetzt worden sein, die angeblich Hautverbrennungen auslösen soll. Haben Sie davon etwas gehört?

  14. Schon seit den ersten Tagen wird dem Wasser irgendetwas zugesetzt, das zu leichten Verbrennungen führt. Seit ein paar Wochen ist nun dieses rote Wasser im Einsatz. Ich habe dieses auch selbst in Taksim gesehen und von Freunden, die dort wohnen, gehört. Auch bei der brutalen Räumung des Parks am 15. Juni, bei der auch Bundestagsabgeordnete Claudia Roth sich in ein Hotel retten musste und Gas und Wasser abbekommen hat, war dieses brennende Wasser im Einsatz. Laut Regierung sind das normale Eingriffe und Methoden, um mit solchen Unruhen umzugehen.

  15. „Unruhen“ sagen Sie. Es gibt also Proteste in der ganzen Türkei, nicht nur in Istanbul. Der Ausgangspunkt der Bewegung war allerdings der Gezi Park in Istanbul. In verschiedenen Mails, die mich erreichten, wurden die Proteste in der Türkei als Volksaufstand bezeichnet, aber das scheint doch etwas hoch gegriffen, oder?

  16. Ein Teil des Volkes ist tatsächlich aufgebracht, jedoch bezieht sich das natürlich nicht auf das ganze Volk. Wenn jedoch Hunderttausende auf Plätzen im ganzen Land zusammenkommen und friedlich demonstrieren, kann man das nicht als ein Aufstand von ein paar Aufmüpfigen bezeichnen. Erdogan hat immer noch viele Befürworter. Diese Bewegung besteht hauptsächlich aus seinen Gegnern, jedoch sind unabhängigen Studien nach auch viele enttäuschte Wähler der AKP beteiligt. Es war einfach an der Zeit, die Regierung daran zu erinnern, dass auch die Meinung der Bürger, die nicht für sie gestimmt haben, zählt und dass Erdogan auch deren Premierminister ist. Erdogan benutzt in seinen Reden immer wieder die Worte „wir“ und „die anderen“. Damit sorgt er für eine Teilung in der Bevölkerung. Es wird immer wichtiger, wen man wählt. Auch dafür ist die Regierung und ihre Wortwahl verantwortlich.

  17. Das Wort Unruhen habe ich bewusst gewählt, denn ein großer Teil der Bevölkerung ist tatsächlich beunruhigt und macht das nun auch deutlich. Wenn man schon der Polizei nicht mehr trauen kann, sind solche Reaktionen programmiert.

  18. Sie haben damit schon fast meine nächste Frage beantwortet. Erdogan hat immer noch viele Anhänger, die ihm die Leistungen der Vergangenheit anrechnen. Z.B. hat er die Türkei ja in der Außenpolitik sehr selbstbewusst geführt und für ein Wirtschaftswunder gesorgt. Glauben Sie, dass der Rückhalt für Erdogan trotzdem weiter schwinden wird? Wie gefährlich können ihm die Proteste tatsächlich werden?

  19. Bevor ich auf die Gefahr der Proteste für Erdogan komme, möchte ich ein wenig auf das „Wirtschaftswunder“ eingehen. Es stimmt, dass viele Industrien in der Türkei stark wachsen, jedoch ist die Armut im Lande immer noch enorm. Der Mindestlohn beträgt lediglich 803 TL, das sind ca. 320 Euro, und die reichen nicht zum Leben. Erdogans Befürworter bejubeln den Wachstum, von dem sie eigentlich nicht viel abbekommen. Wenn man einen pöbelnden Premierminister als selbstbewussten Vertreter der Außenpolitik bezeichnen will, kann man ihm das sicher auch anrechnen. Außerdem haben wir seit Amtsantritt Erdogans Konflikte mit unseren Nachbarstaaten Syrien, Russland, Iran, Irak, mit diesen hatten wir früher enge Verbindungen.
    Wie sich die Proteste auf Erdogans Befürworter auswirken werden, ist schwer abzuschätzen. Ich denke, das kommt auch auf den weiteren Verlauf der Situation an. Einige Entwicklungen, insbesondere jüngste Äußerungen der FED, deuten auf eine Wirtschaftskrise im kommenden Jahr in der Türkei. Faktoren wie diese werden auch wichtige Einflüsse auf Erdogan und seine Regierung haben.

  20. Auch in seiner eigenen Partei, der AKP, ist Erdogan mit seinem Polarisierungskurs anscheinend nicht mehr unangefochten. Staatspräsident Gül kritisierte beispielsweise, dass die Polizeigewalt das in zehn Jahren mühevoll erworbene Ansehen der Türkei in zehn Tagen zerstört habe. Sehen Sie irgendeinen Kandidaten aus der AKP, der Erdogan in einer Art parteiinternem Putsch ablösen könnte?

  21. Es stimmt, dass es in der AKP Polarisierungen gegen Erdogan gibt, jedoch besitzt innerhalb der Partei keiner die Macht um einen solchen Putsch zu wagen. Generell besteht in der Türkei momentan das Problem, dass es fast keine politischen Führungspersönlichkeiten gibt. Auch die Opposition ist sehr schwach. Das ist auch der Grund warum „normale“ Bürger auf die Straße gehen, nämlich um ihre eigene Opposition zu machen. Eigentlich müsste die Opposition das nämlich im Parlament tun.

  22. Meines Wissens wird der Protest von verschiedensten Gruppen getragen, d.h. er ist ziemlich heterogen. Welcher Gruppe gehören Sie an? Welche Ziele vereinen diese Menschen? Einfach nur eine Anti-Erdogan-Stimmung?

  23. Genau diese Vielfalt ist das Schöne an diesen Protesten. Demonstranten aus nahezu allen sozialen, politischen, ethischen und gesellschaftlichen Feldern kommen zusammen, um für ihre Rechte zu demonstrieren. Menschen, die sich aus verschiedensten Gründen vor der Gezi Park-Bewegung aus dem Weg gegangen sind, kamen im Park zusammen, Seite an Seite ohne irgendwelche Probleme.
    Ich selbst gehöre keiner Gruppe an, zumindest bin ich kein Mitglied von einem der tragenden Vereine. Jedoch unterstütze ich die Ideen und Ziele einiger der Gruppen. Allen voran ist der „Taksim Zusammenhalt“, der aus der Zusammenkunft von mehreren Vereinen, Gewerkschaften und Verbänden besteht. Diese Plattform war es auch, die zu Gesprächen mit Erdogan eingeladen wurde. Jedoch wurden diese Zusammenkommen offensichtlich nicht veranstaltet, um Kompromisse zu finden, sondern um die Vertreter des Widerstands einzuschüchtern. Ich denke, eines der wichtigsten Ziele, das die Menschen hier vereint, ist, dafür zu sorgen, dass jeder in der Türkei gleichberechtigt und mit denselben Freiheiten in Frieden leben kann, und zwar ohne unterdrückt, benachteiligt oder eingeschränkt zu werden. Des Weiteren ist ein Ziel, das auch die Opposition schon länger setzt, die Senkung der bei 10 % liegenden Sperrklausel. Die AKP hat durch diesen hohen Prozentsatz viele Stimmen gewonnen, da Wähler, die wussten, dass ihre eigentliche Partei die 10 % Marke nicht erreichen werden, ihre Stimme an die großen Parteien gegeben haben. Dieser Prozentsatz ist übrigens in der von Erdogan zu recht angeprangerten Verfassung des Militärputsches 1980 verankert. Diese Verfassung wird nun überarbeitet, jedoch beabsichtigt die Regierung laut neuesten Äußerungen keineswegs, die Sperrklausel zu senken.
    Ein weiteres Ziel ist es, mit Sicherheit die Opposition zu stärken, wobei den meisten inzwischen bewusst ist, dass mit den momentanen Oppositionsführern nicht viel anzufangen ist. Spekulationen über mögliche Machtwechsel in der größten Oppositionspartei CHP werden immer lauter. Wenn, von diesen Protesten beeinflusst, die Opposition neue, vertrauenswürdigere Politiker in den Vordergrund bringt, könnte das bei den kommenden Wahlen dazu führen, dass Erdogan Stimmen verliert. Ein weiterer Faktor ist, dass bei den letzten Wahlen, genau wegen diesem Mangel an Vertrauen in die Opposition, viele Wähler ihr Wahlrecht nicht wahrgenommen haben. Dies wird sich nach den jüngsten Ereignissen mit Sicherheit ändern. Insbesondere weil nun die 90er Jahrgänge, die bei der Gezi-Park-Bewegung eine wichtige Rolle einnehmen, nun volljährig sind und wählen können, ist die Wahrscheinlichkeit von Verlusten hoch für die AKP. Vielen geht es gar nicht darum, die Regierung zu stürzen. Nur wollen wir auch im Parlament vertreten werden.
    Für mich persönlich ist es schon ein Erfolg, dass ein Umdenken bei den Menschen bewirkt wird. Dies scheint auch zu gelingen. Viele apolitische Menschen hinterfragen nun Medienberichte und Äußerungen der Regierung. Es ist schön zu sehen, dass bei Vielen inklusive mir selbst ein politisches Bewusstsein entstanden ist, das vorher nicht da war.

  24. Zu Beginn unserer Unterhaltung deuteten Sie an, dass die Protestbewegung sich zu ändern beginne. Meinen Sie damit, dass Sie sich professionalisiert?

  25. Es ist möglich dass sich in Zukunft Professionalisierungen aus dieser Bewegung bilden, jedoch weist momentan nichts konkret darauf hin. Damit meinte ich nur, dass jeder sich inzwischen bewusst ist, dass es so nicht weitergehen kann. Die Menschen legen es nicht mehr darauf an, von der Polizei angegriffen zu werden. Es reicht vollkommen, an bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten, die von den tragenden Gruppen und ihren Vertretern über Twitter und Facebook bekannt gegeben werden, vor Ort zu sein, wenn auch nur für eine Stunde. Zu Beginn der Bewegung ging es mehr darum, den Widerstand ununterbrochen zu halten, jedoch ist dies natürlich auf längere Zeit nicht machbar. Ich persönlich fände es sehr gut wenn sich die Gezi Park-Bewegung zu einer Partei zusammentun würde. Jedoch ist dies noch sehr unwahrscheinlich. Die Opposition hingegen scheint Interesse daran zu gewinnen, Vertreter der Bewegung für ihre Parteien zu gewinnen. Auch hier ist nichts Offizielles bekannt. Wie es weiter geht ist also noch ungewiss.

  26. Sie werden also weiter protestieren, auch Sie persönlich. Wie schützen Sie sich gegen das Gas? Denn die Bezeichnung „Tränengas“ ist ja eigentlich verharmlosend. Es handelt sich um einen chemischen Kampfstoff, der „nachhaltige“ Gesundheitsstörungen verursachen kann, wie Wikipedia es formuliert.

  27. Keiner weiß, was die Polizisten genau benutzten, da bei jedem Angriff neue Gaskapseln auftauchen. Die meisten Demonstranten benutzen handelsübliche Taucherbrillen und Staubmasken, wie sie Lackierer etc. benutzen. Jedoch mobilisieren auch wir uns inzwischen und viele organisieren professionelle Gasmasken, um sich vor dem Gas zu schützen. Des Weiteren hat sich Medizin gegen Sodbrennen wie z.B. Talcid verdünnt mit Wasser als hilfreich gegen das verursachte Brennen in den Augen und Atemwegen gezeigt. Wir sind hier tagelang mit unseren Rucksäcken voller Masken und Medizinmischungen auf den Straßen gewesen und haben uns gegenseitig geholfen, wenn es zu Auseinandersetzungen kam. In den letzten Wochen werden Leute sogar wegen Mitführens dieser Mittel und Masken verhaftet. Dabei muss man ja inzwischen nicht mal an den Protesten beteiligt sein, um auf diese Masken etc. angewiesen zu sein. Die Gasangriffe finden in bewohnten Teilen der Städte statt. Das heißt, es kann sein, dass man von der Arbeit nach Hause will und plötzlich mitten im Geschehen ist. Freunde aus London, die vor zwei Wochen in einem Hotel in Taksim untergekommen waren, hatten das Gas in ihrem Zimmer, da die Polizei die ganze Nacht gegen eine kleine ausharrende Gruppe gekämpft hat.
    Die Folgeschäden die durch das Einatmen dieser Kampfgase entstehen können, sind natürlich beunruhigend. Wie Regierungen, die diese einsetzen, das verantworten können, ist mir ein Rätsel. Auf Youtube sind Dutzende Videos, die zeigen, was für Qualen und Schmerzen diese Gase verursachen. Jedoch haben auch immer weniger Demonstranten Angst vor diesen Angriffen, da inszwischen jeder begriffen hat, dass man es irgendwie überlebt. Über Schäden, die in der Zukunft entstehen können, scheinen sich die meisten keine Gedanken zu machen oder sie in Kauf zu nehmen.

  28. Heute Nacht scheint es zum Glück ruhig in Istanbul gewesen zu sein – sonst hätten Sie keine Zeit für unser Gespräch gehabt. Aber was Sie schreiben, lässt nicht darauf schließen, dass es auch künftig ruhig bleiben wird. Erdogan scheint nicht bereit zu sein, nachzugeben und gemeinsam mit den Demonstranten die demokratische Entwicklung der Türkei voranzutreiben. Was bringt die Zukunft Ihrer Meinung nach?

  29. Wie gesagt, es ist nicht mehr so, dass jede Nacht Auseinandersetzungen in der ganzen Türkei stattfinden. Heute Nacht hat die Polizei wieder mit Wasserwerfern und Gas Demonstrationen in Adana angegriffen. Die Demonstranten harren dort weiterhin aus. Jede Nacht kommen Meldungen von anderen Teilen des Landes. Istanbul ist hauptsächlich an Wochenenden von diesen gewaltsamen Eingriffen in unsere demokratischen Bewegungen betroffen.
    Wie Sie es in der Frage schon formuliert haben, müsste Erdogan eigentlich gemeinsam mit dieser demokratischen Entwicklung in der Türkei die Demokratie in diesem Land vorantreiben. Von Anfang an ist es mir ein Rätsel warum er nicht einfach das für den Gezi Park geplante Projekt abgesagt und den Demonstranten ihren verdienten „Gewinn“, nämlich den Park, überlassen hat. War es das wert? Natürlich ist Erdogan sich auch bewusst, dass dieser Aufschrei nicht nur wegen des Parks passiert, aber er macht keinerlei Anstalten, die Situation zu entschärfen.
    Diese Einstellung wird sich wohl auch in naher Zukunft nicht ändern. Anlass für diese Prognose bietet beispielsweise die derzeitige Gründung einer Sondereinheit der Geheimdienste (namens SOME), die sich auf die Überwachung von sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook konzentrieren wird. Ziel dieser Einheit wird es sein, böswillige und feindselige Inhalte sowie Nutzer aus dem Verkehr zu ziehen. Was genau als böswillig und feindselig bezeichnet wird, ist jedoch ungewiss. In Izmir wurden zum Beispiel in den ersten Wochen der Proteste Twitternutzer wegen Tweets wie „Lasst uns alle heute Abend auf dem Gündogdu Platz zusammenkommen“ verhaftet. Dies lässt die berechtigte Angst vor einem Überwachungsstaat immer größer werden.
    Ich selbst glaube inzwischen, dass Erdogan in seinem Größen- und Machtwahn sein eigenes Ende bereiten wird. Wie lange es dauern wird, wie viel Schaden er uns bis dahin noch zufügen wird und unter welchen Umständen es passieren wird, kann ich nicht abschätzen. Jedoch glaube ich fest daran, dass in der heutigen Welt kein Staatsoberhaupt mit Zwang und Gewalt ein Land führen kann. Zumindest kein Land wie die Türkei es ist. Insbesondere die 90er Generation, die nun ins Erwachsenenalter kommt, wird hier eine große Rolle spielen. Denn sie ist frei von vielen veralteten Ideologien und Weltanschauungen. Die Proteste in der Türkei haben vielleicht die größte Presse weltweit gehabt, jedoch häufen sich Occupy-Bewegungen und ähnliche Demonstrationen weltweit. Dies sind alles Indizien, die zeigen, dass es so nicht mehr weitergehen kann und wird.
    Solange Erdogan sich wie ein Messias verhält und sein Wort ohne Kompromisse Gesetz wird, sehe ich keine Versöhnung zwischen ihm und den Demonstranten.
    Natürlich sind all das meine persönlichen Gedanken, die ich im Laufe der letzten Wochen entwickelt habe. Ich möchte hier noch einmal klar ausdrücken, dass ich keine „fremde Macht“ oder sonst irgendein Gehirngespinst bin. 🙂 Ich wünsche der Türkei auch kein Unheil, sondern liebe sie aus ganzem Herzen. Das ist auch Grund dafür, dass ich trotz so viel Ungerechtigkeit und sozialen Unsicherheiten weiterhin hier lebe. Ich denke, es ist nicht übertrieben, wenn ich im Sinne aller Beteiligten den Wunsch äußere, dass diese Proteste zu einer besseren, demokratischeren Türkei führen, ohne dass noch mehr Menschen verletzt oder getötet werden.

  30. Lieber Ateş, ich danke Ihnen herzlich für diesen Blogtalk. Ich glaube, dass dieses Gespräch sehr erhellend für die deutschen Leserinnen und Leser war. Ich plane eine Veröffentlichung – jenseits davon, dass dieser Talk online hiermit bereits veröffentlicht ist – in der Print-Ausgabe der Frankfurter Rundschau für Samstag, möglicherweise auch noch Montag, und würde mich freuen, wenn Sie uns auch weiter informieren würden.

    Einen kleinen Hinweis an unsere transatlantischen Verbündeten von der NSA:

    Sollten Sie den türkischen Geheimdienst darüber informieren, wer meine Quelle in diesem Blogtalk war, wird die deutsche Öffentlichkeit erfahren, dass solche Informationen nur über Sie an den türkischen Geheimdienst geraten sein konnteN. Alle anderen Möglichkeiten wurden ausgeschaltet, um Ateş zu schützen. Ich gehe dabei aber davon aus, dass sowohl der Blog- als auch der Mailverkehr, den Sie eventuell abgegriffen haben, von Ihnen erkannt wird als im Bewusstsein erfolgt, dass die Menschenrechte, darunter Grundrechte wie das Recht auf Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung, durch Ihre Arbeit geschützt werden. Sollte meine Quelle in Schwierigkeiten geraten, dann werden die deutschen Medien wissen bzw. erfahren, dass diese Schwierigkeiten nur durch Sie ausgelöst worden sein können, da nur Sie diesen Mail-Verkehr – außer mir und meiner Quelle – lesen können.

  31. Glauben Sie, dass die Einsatzform der trükischen Polzei sich grundlegend unterscheidet von denen der bundesdeutschen Polzei? Haben Sie die schon im Einsatz bei S 21 z.B. erlebt?

  32. Da ich seit 5 Jahren in Istanbul lebe bin ich über die Einsaetze bei S21 sicher nicht so gut informiert wie sie. Jedoch sprechen 5 Tote, 11 Erblindungen bzw. Augenverluste und tausende Verletzte in der Türkei für sich. Von Folter in den Gefängnissen fange ich erst gar nicht an. Ich empfehle sich ein paar Videos auf Youtube anzusehen. Polizeigewalt ist in keiner Form akzeptabel, egal wie die Ausmasse dieser Gewalt sind. Um Ihre Frage zu beantworten: Ja ich denke, dass sich die „Einsaetze“ der deutschen und türkischen Polizei grundlegend unterscheiden. Grund dafür ist einfach das ein deutscher Polizist/in sich der Tatsache bewusst ist, dass ein verletzter oder gar toter Demonstrant ihm/ihr die Karriere ruinieren wird. Hier in der Türkei hingegen ist sich ein/e Polizist/in sicher, dass der Staat ihn/sie schützen wird und nicht den Bürger auf der Strasse. Das macht den Unterschied aus.

  33. Hm.Daß Polizisten immer Recht vor Gericht bekommen, sagt man in Deutschland auch – vor allem unter Linken gibt es keinerlei Vertrauen in den Rechtsstaat. Rassismus wird den deutschen Sicherheitsbehörden von weiten Kreisen vorgeworfen, was sie selbst freilich vehement bestreiten.
    Dei deutsche Polzei ist jedenfalls auch keineswegs zimperlich, wenn es darum geht unangmeldete, ungenehmigte und gewalttätige Demonstrationen,Blockaden udn Bestzungen vor allem von Links aufzulösen, „auf dem rechten Auge sind sie etwas zögerlicher“. Allerdings gab es lange keine Toten mehr. Ich erinnere mich eigentlich nur an Benno Ohnsorg… und will akzeptieren, dass die türkische etwas brutaler ist als die bundesdeutsche, aber nur graduell und nicht prinzipiell. Wahrscheinlich sind ihre Gegner auch brutaler…
    Diese Demonstrationen an denen Sie sich beteiligen, die sind doch nicht genehmigt, oder? Die sind doch illegal?
    Und – damit berühre ich einen neuen politischen Komplex: ist Ihnen bewusst, dass in Syrien ein Bürgerkrieg herrscht, der unendliches Leid über die Zivilbevöklerung bringt, wie beziehen Sie diese Tatsache in ihr Engament ein? Meinen Sie nicht, dass Sie direkt Baschar Assad zu Nutze arbeiten? Befürchten Sie nicht, dass durch die von Ihnen mitbetriebene Instabiliserung der türkischen Regierung, die von vielen für die beste türkische Regierung seit Kemal Pascha gehalten wird, zu ähnlichen Zuständen führen könnten?

  34. Ich lach mich schepp. Seit wann lassen sich denn revolutionäre Bewegunegn von den Regimen gegen die sie aufstehen, genehmigen? Sind denn die Demos vom Tahrir-Platz in Kairo genehmigt gewesen? Oder die Demonstrationen in der DDR 1989? Die französische Revolution – wäre ganz fein gewesen, wenn die genehmigt gewesen wäre, was? Ludwig stzimmt zu, einen Kopf kürzer gemacht zu werden. Oder die Boston Tea Party – da hätten die Revolutionäre viel Briefverkehr über den Atlantik gehabt, bis sie die Genehmigung bekommen hätten, das Zeug ins Wasser zu werfen. Nehmen Sie Russland und versuchen Sie mal, da eine Genehmigung für eine Demonstration gegen das Regime zu bekommen.

    Nee Herr Katzfuß, Dein KOmmentar ist von vorne bis hinten, von Stuttgart bis Syrien einfach nur absurd. Die beste türkische Regierung seit Kemal Pascha? Mach Dich nicht lächerlich!

  35. Die Realitäten über die Gezi park demonstrationen werden leider in der deutschen Presse und Media nicht dargestellt. Die bestimmte Gruppierungen als Provakatören durch Unterstütung von CHP und ausländische Mächten wollen in der Türkei instabilität schaffen, da die Türkei sich in der letzten Jahren bzw. seit Erdogan`s Regierung wirtschaftlich und politisch sehr entwickelt hat. Diese positive entwicklung gefällt der Westen und bestimmte Mächte in der Türkei nicht. Die Türkei durch Erdogan`s Regierung hat für sein Volk viele positive Entwicklungen geschaft. Diese ausländische und inländische Mächte müssen wissen, dass das türkisches Volk durch viele negative Erfahrungen in der Verganheit gelernt hat. Deswegen wird das türkische Volk noch bewusster sein. Diese Gruppierungen, die Türkei in Chaos bringen möchten, werden nicht schaffen, die Türkei zu einer Instabilität zu führen. Die Erdogan`s Regierung hat bis jetzt, seit der Gründung der türkischen Republik, für sein Volk beste Entwicklungen bezüglich der Wirtschaft und Demokratiesierung und Gerechtigkeit geschafft. Diese Entwicklung in der Türkei stört die CHP und ausländische Mächte. Diese Mächte möchten gerne Türkei von denen abhängig bleibt. Aber sowohl das Türkische Volk, als auch die Türkische Regierung haben Erfahrungen über die Erreignisse in der Vergangenheit. Daher werden diese Gruppierungen (aus Inland und Ausland) werden nicht schaffen, die Türkei zu einer schwächen Situation und Instabilität zu führen.
    Ich möchte hier darauf hinweisen, dass dieser Bericht „Brennendes Wasser“ von Frankfurter Rundschau einseitig und nicht realistisch durch einen einseitigen Student dargestellt worden ist. Ich finde hier keine Nötralität, sondern absichtliche negativer Bericht über die Türkei. Ich habe bis heute gerne Frankfurter Rundschau gelesen. Aber leider sehe ich hier den Bericht durch einen Student hier als richtig berichtet wird. Die Türkei hat ca. 80 Milionen Bevölkerung. Sie können diese Situation einfach nicht durch Aussage von einem Student hier beurteilen.
    Ich lebe seit ca. 30 Jahre in Deutschland. Leider habe ich bis jetzt fast nie erfahren, dass die deutsche Presse und Medien nicht einmal über die Türkei postive Berichte geliefert hat. Das ist sehr klar, dass die deustche Presse und Medien bezüglich der Türkei negative Ziele haben.

  36. @ sahin

    Sie tauchen zum ersten Mal in diesem Blog auf, daher wissen Sie einiges vielleicht nicht. Dieses Blog ist ein Debattenforum. Auch der Blogtalk ist ein Debattenbeitrag – und zwar selbstredend ein einseitiger. Sie, sahin, haben nun einen konträren Kommentar geschrieben, und ich kann mir vorstellen, diesen Kommentar ebenso im Print-Leserforum zu veröffentlichen wie das Gespräch mit Ateş. Genau das ist sogar erwünscht: eine Debatte zu führen. Sie müssten sich mir gegenüber allerdings noch identifizieren. Ich werde Sie zu diesem Zweck anmailen.

    Ich habe ein paar Fragen zu Ihrem Kommentar. „Diese positive entwicklung gefällt der Westen und bestimmte Mächte in der Türkei nicht“, schreiben Sie. Das erscheint mir unlogisch. Geostrategisch gesehen war eine starke Türkei immer im Sinne des Westens, schon allein wegen des Zugangs zum Schwarzen Meer, aber auch als stabiliserender Faktor in einer unruhigen Weltregion (Naher Osten, Kaukasus). Zudem hat die EU mit ihren zahlreichen Bedingungen für die Aufnahme des Beitrittsprozesses der Türkei zur EU mit dazu beigetragen, dass die Türkei stärker geworden ist – stärker im Sinne von rechtsstaatlicher. In diesem Zusammenhang kann ich mich übrigens durchaus an positive Berichte in der FR erinnern. Inzwischen ist die Türkei so selbstbewusst geworden, dass sie von sich aus Desinteresse am EU-Beitritt bekundet – was Vielen in der EU durchaus gefällt, weil sie die Türkei nicht in der EU haben wollen. Wer ist das, von dem Sie sprechen und dem diese Entwicklung nicht gefällt?

    Sie sprechen von „bestimmten Gruppierungen als Provokatören durch Unterstützung von CHP und ausländischen Mächten“. Die CHP ist die größte türkische Oppositionspartei, die zurzeit über 135 der 550 Sitze in der Nationalversammlung verfügt. Wir haben im Blogtalk gelesen, dass Ateş die Schwäche der Opposition, also der CHP, beklagt. Wir haben auch gelesen, dass der Protest heterogen ist und von vielen sehr unterschiedlichen Gruppen und Kleingruppen ausgegangen ist und ausgeht. Sie, sahin, schätzen den Protest aber als „unterstützt durch CHP“, was so klingt, als ob sie der CHP einen wesentlichen Beitrag zutrauen. Den hat sie meines Wissens aber nie geleistet, sondern sie läuft den Ereignissen hinterher. Zudem halte ich es für extrem unwahrscheinlich, dass Proteste der Größenordnung vom Gezi-Park, wo Zehntausende Menschen auf den Straßen waren, durch „Provokatöre“ ausgelöst werden können. Solche Proteste entstehen – überall auf der Welt – immer dann, wenn es grundlegende Negativstimmungen gibt und wenn das Fass voll ist, so dass nur noch ein Tropfen zu folgen braucht …

  37. @Fritz Katzfuß:
    Um Ihre Frage zu beantworten, natürlich finde ich es grauenhaft was in Syrien passiert. Die Türkei ist übrigens an ihren Grenzgebieten zu Syrien auch von diesem Krieg betroffen. Erst diese Woche wurden Menschen in Dörfern direkt an der Grenze von Schießereien schwer verletzt. Ich finde auch, dass dort unbedingt etwas geschehen muss, um diesen Krieg zu beenden. Jedoch lebe ich in der Türkei und kümmere mich in erster Linie um die Situation hier.
    Die Gezi-Park-Proteste haben keine einzige Volksgruppe, Ideologie oder was auch immer ausgeschlossen. Frauen mit Kopftüchern haben gemeinsam mit Frauen in Miniröcken demonstriert, Kurden mit Türken, Transsexuelle mit homophoben Männern … So ein Zusammenkommen gab es in der türkischen Geschichte noch nie. Diese Menschen sind zusammengekommen, um für ihre demokratischen Rechte und somit für mehr Demokratie im Lande zu protestieren. Kein einziges Mal wurde von Krieg, Gewalt oder Ähnlichem gesprochen. Die Gewalt ging und geht weiterhin von den Sicherheitskräften aus. Und Gewalt sorgt in der Regel nur für mehr Gewalt. Ist es nicht die Aufgabe einer Regierung, solche Situationen zu schlichten? Warum werden also wir für einen eventuellen (wenn auch sehr unwahrscheinlichen) Bürgerkrieg verantwortlich gemacht und nicht Erdogan, der friedlich demonstrierende Menschen mit Gewaltanwendung dazu gebracht hat, auf die Barrikaden zu gehen?
    Die beste Regierung seit Atatürk? Eine solch absurde Bezeichnung für das, was wir hier erleben, habe ich lange nicht mehr gehört. Es stimmt, dass er vielleicht nach Kemal Pasha der charismatischste Premierminister der Türkei ist, jedoch sind diese Vergleiche sehr unangebracht. Ich könnte jetzt Seiten lang berichten, was hier wirklich passiert, was die Welt nicht mitbekommt, aber dafür ist dieser Talk nicht gedacht.
    Es ist gut, sich auch Gegenmeinungen anzuhören aber man sollte auch immer versuchen, nah an der Realität zu bleiben. Desweiteren stimmt es, dass wir keine Genehmigung für die Demos hatten. Der Grund dafür ist ganz einfach: In der türkischen Verfassung wird uns das Grundrecht gegeben, unangekündigt und ohne Erlaubnis friedliche Demonstrationen zu machen. Die Sicherheitskräfte und somit auch die Regierung sind also eigentlich diejenigen, die illegal vorgegangen sind. Diesbezüglich laufen auch schon die ersten Gerichtsverfahren (die natürlich nicht zu Vielem führen werden).

    @ sahin
    Bronski hat Ihnen eigentlich die nötigen Antworten geliefert, aber dennoch will ich mich auch zu ihrem Kommentar äußern. Ich habe versucht, im Blogtalk zu beschreiben, was dazu geführt hat, dass die Gezi-Park-Proteste nationale Ausmaße bekommen hat. Aber um es vielleicht ein wenig mehr zu verdeutlichen: Zum ersten Mal haben Menschen in den türkischen Großstädten erfahren, was Polizeigewalt und Unterdrückung bedeuten. Bisher waren es immer die Kurden im Südosten des Landes, die von Polizei und Gendarmerie so behandelt wurden. Wir in den Städten haben dies fast nie mitbekommen, da die Medien genau wie bei den Gezi-Park-Protesten einfach nichts davon berichtet hat. Jedoch weiß nun jeder, wie es ist, wenn man seiner eigenen Polizei nicht mehr trauen kann. Wie unsicher man sich fühlt, obwohl man gar nichts falsches getan hat. In diesem Land wurde erst vor kurzem ein 14-jähriges geistig krankes Mädchen von dutzenden Männern vergewaltigt, und das Gericht hat diese Männer mit milden Strafen gerichtet, da „das Mädchen aus freiem Willen“ mit diesen Männern geschlafen haben soll. Wem soll man hier denn bitte noch trauen können?!? Während den ganzen Protesten waren diese Themen Teile der Slogans und Schriftzüge auf Plakaten.
    Ich merke, dass sie, genau wie Erdogan in seinen Reden betont, davon ausgehen, dass die ganze Welt sich gegen die immer stärker werdende Türkei verbündet hat. Der Westen hat nämlich auch nix anderes im Kopf als die Türkei. Die CHP hat sich anfangs aus den Protesten rausgehalten oder zumindest eine sehr zögerliche Position eingenommen. Als die ganze Sache jedoch nationale Ausmasse angenommen hat, hat sie, wie jede normale Opposition es tun würde, ihren Platz an der Seite der Demonstranten eingenommen. Dabei hat dies viele Demonstranten (auch mich) sehr gestört, da das genau zu diesen wilden Spekulationen geführt hat, die Sie und die Regierung nun machen. Ich war vom ersten Tag an im Park und in Taksim und habe erst nach knapp einer Woche sehr mysteriöse Leute wahrgenommen, die ständig versucht haben, die Menge zu Gewalttätigkeit zu animieren. Einige wenige (in Relation zur gesamten Menge) sind auf diese Provokationen eingegangen, jedoch hat die Mehrheit versucht, diese Unruhestifter zu vertreiben. Viele dieser Leute sind nämlich in Taksim oft anzutreffende Zivilpolizisten, die man, wenn man in diesem Stadtteil wohnt, früher oder später anfängt zu erkennen (ID-Kontrollen etc.). Es wird inzwischen auch vermutet, dass die mutmaßlichen Demonstranten, die die Polizei mit Molotov-Cocktails beworfen haben, auch in Zusammenarbeit mit den Sicherheitskraeften sind. Indizien dafür sind auf Fotos sichtbare Funkgeräte und Schusswaffen (http://www.medyanindibi.com/wp-content/uploads/2013/06/taksimmolotof_silah1.jpg ), die diese Männer bei sich hatten. Wenn die Regierung also behaupten kann, dass diese Proteste von westlichen Mächten und internen Feinden der „starken“ Türkei provoziert werden, kann man genausogut die These aufstellen, dass die Regierung ihre eigenen Männer in die Demonstrationen geschleust hat, um diese zum Ausarten zu bringen und so die Polizeigewalt und Auflösung der friedlichen Proteste zu legitimieren.
    Es muss wirklich einfach sein, aus dem fernen Deutschland solche Urteile über eine Volksbewegung wie hier zu fällen. Jedoch sagen Sie selbst, dass Sie seit 30 Jahren in der BRD leben. Daher nehme ich an dass, sie die Geschehnisse über Medien wie TV und Internet verfolgen. Jedoch ist es ein großer Unterschied, hier täglich zu erleben, wie sehr sich die Türkei verändert. Und zwar nicht im Sinne von mehr Demokratie, im Gegenteil im Sinne von Kon­ser­va­ti­vis­mus und Intoleranz gegenüber Andersdenkenden. Die Proteste zielen gegen diese Ausgrenzungen und Trennungen in der Gesellschaft. Sie streben eine Türkei an, in der jeder seine Meinung frei äußern und sein Leben frei leben kann, solange keiner Schaden davon nimmt. Dies fordern wir für jeden in der Türkei, ohne Ausnahme! Demonstranten, die an der Gezi-Bewegung beteiligt sind, haben sich ebenso für die Freiheit von Kopftüchern in Universitäten oder Gerechtigkeit im Prozess des ermordeten armenischen Journalisten Hrant Dink eingesetzt. Es ist nun mal so, dass eine nicht geringe Anzahl der Bürger der Meinung ist, dass die Türkei mit einem autokratischen Premierminister wie Erdogan niemals zu einer besseren Demokratie werden kann. Wenn man die inneren Konflikte der Türkei nicht kennt, können seine Bestreben sehr demokratisch wirken, jedoch lässt unsere Geschichte und vor allem Erdogans Vergangenheit seine eigentliche Intention in einem anderen Licht erscheinen. Dieser Mann hat schließlich noch in seiner Zeit als Bürgermeister Istanbuls die Demokratie als ein „Mittel zum Zweck“ bezeichnet. Keiner kann mir erzählen, dass sich die Ideologie eines erwachsenen Mannes, seien auch noch so viele Jahre vergangen, sich so grundlegend ändern kann. Aufnahmen von seinen damaligen Reden sind auf Youtube mit Untertiteln zu finden.
    Also bitte versuchen Sie mir nicht zu erzählen, dass die Türkei immer demokratischer und rechtsstaatlicher wird. Denn das ist schlicht und einfach nicht der Fall.

  38. zu # 37 sahin

    Erlauben Sie mir eine Frage:
    Woher wollen Sie eigentlich wissen, dass der Bericht des Studenten, Herrn Ates, einseitig und nicht realistisch ist? Woher nehmen Sie diese Gewissheit?
    Waren Sie denn zur gleichen Zeit mit Herrn Ates in Istanbul unterwegs? Haben Sie der Polizei gegenüber gestanden? Oder waren Sie zu dieser Zeit in Deutschland?
    Falls ja, dann betreiben Sie nur eine ganz einseitige Meinungsmache ohne jeden Beweis.
    Sie sollten sich dessen bewusst sein, dass Herr Ates als Deutsch-Türke sicherlich nicht das geringste Interesse haben wird, über sein Heimatland schlecht zu berichten.
    Machen Sie bitte Herrn Ates nicht schlechter als er wirklich ist.

    Ich möchte an ein Ereignis vor einigen Jahren anlässlich eines Deutschlandsbesuchs von Herrn Erdogan erinnern.
    Da forderte dieser Herr Erdogan seine in Deutschland lebenden türkischen Mitbürger unverblümt auf, sich nicht zu intergrieren. Wohlgemerkt als Gast! Er nahm dabei billigend in Kauf, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben. So etwas macht man nicht. Noch dazu auf einem offiziellen Staatsbesuch!

    Zu den wirtschaftlichen Erfolgen der Türkei ist anzumerken, dass diese nur in sehr geringem Umfange, der Regierung Erdogan zuzuschreiben sind. Die Türkei hat auch durch den zunehmenden Handel mit der EU und auch dem Tourismus nicht gerade wenig zu verdanken.
    Das sollte nicht vergessen werden.

    Sie scheinen sich die Sache (die Regierung Erdogan um jeden Preis loben zu wollen) sehr einfach machen zu wollen.

    Rechtsstaatlichkeit ist leider immer noch in vielen Bereichen der türkischen Justiz ein Fremdwort.
    In keinem Land auf dieser Welt sitzen so viele Journalisten im Gefängnis wie in der Türkei. Und da sprechen Sie von Gerechtigkeit?

    Wir leben in Deutschland in einem säkularen Staat, wo Religion und Staat weitgehend voneinander getrennt sind. Erdogans Bemühungen erwecken in letzter Zeit immer mehr den Eindruck, eine Islamisierung der Türkei voranzutreiben. Vielleicht auch mit der Absicht, dem Islam letzten Endes zur Weltherrschaft zu verhelfen.

    Es tut mir leid, aber diese Perspektive gefällt nur wenigen Europäern. Auch das beeinflussst die Wahrnehmung der Türkei in der deutschen Presse.
    Sie sollten auch das bedenken und nicht der deutschen Presse nur negative Absichten unterstellen.

  39. @ runeB

    Ich schließe mich Ihrem Kommentar an bis auf die Bemerkung zur Weltherrschaft des Islam. Das erinnert mich zu sehr an Antisemitismus, Entschuldigung. Damit will ich Ihnen gar nichts utnerstellen aber das ist so ein Stereotyp, mit dem man nur Ängste auslöst. Damit bin ich nicht einverstanden auch wenn mir vieles nicht gefällt, z.B. wie islamische Glaubensvertreter auftreten. Aber mir gefällt auch vieles nicht dran wie katholische Glaubensvertreter auftreten.

  40. @ Ateş, # 40

    Youtube fordert inzwischen eine Registrierung an für alle, die das Video sehen wollen. Es gibt den Vermerk: „Dieses Video enthält Material, das von der YouTube-Community gemeldet wurde und möglicherweise für manche Nutzer unangemessen ist.“

    Wir wollen hier nicht in Paranoia verfallen, aber youtube gehört Google und unterliegt damit US-Gesetzen auch bei der Herausgabe von Daten. Wir haben gerade einen NSA-Abhörskandal. Ich möchte daher davon abraten, sich zu registrieren, um das Video ansehen zu können.

    Ateş, ist das Video auch noch auf einer anderen Plattform öffentlich?

  41. zu # 42 Scheppie
    Darf ich darauf aufmerksam machen, dass der entscheidende Satz recht vorsichtig formuliert wurde. Mit Hinblick auf die von Erdogan betriebene Politik.

    „Vielleicht auch mit der Absicht, dem Islam letzten Endes zur Weltherrschaft zu verhelfen.“

    Auch die geäußerte Absicht (es handelt sich nur um eine Absicht) ist mit einem „Vielleicht“ versehen und die Weltherrschaft ist nur „letzten Endes“ in Aussicht genommen. Gemeint ist, dass hier ein Tendenz zu erkennen ist, nicht mehr und nicht weniger. Ich habe kein negatives Urteil über den Islam abgegeben, das möchte ich hier ausdrücklich betonen.

    Gottesstaaten findet man nicht in christlich geprägten Staaten, wohl aber in der islamischen Welt. Auch vor diesem Hintergrund habe ich den vorstehend erwähnten Satz geschrieben.

    Dass es jedoch eindeutige Bestrebungen gibt, dem Islam eine bedeutsame Rolle zuzuweisen, dürfte nicht zu bestreiten sein. Diese Bestrebungen werden teilweise mit ziemlich aggressiven Methoden betrieben … leider.

    Mein Satz hat nichts mit Antisemitismus als Analogbeispiel zu tun. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen.

  42. @ Scheppie, runeB

    Ich möchte Sie bitten, beim Thema zu bleiben. Über die angeblich vom Islam angestrebte Weltherrschaft werden wir sicher bald mal wieder reden – aber nicht hier. Hier spielt dieses Thema höchstens insofern eine Rolle, als die Proteste sich möglicherweise auch gegen islamistische Tendenzen der Regierung Erdogan wenden.

  43. „In der türkischen Verfassung wird uns das Grundrecht gegeben, unangekündigt und ohne Erlaubnis friedliche Demonstrationen zu machen.Die Sicherheitskräfte und somit auch die Regierung sind also eigentlich diejenigen, die illegal vorgegangen sind. Diesbezüglich laufen auch schon die ersten Gerichtsverfahren (die natürlich nicht zu Vielem führen werden).“
    Enorm, das ist ja wirklich ein sehr freiheitliche Verfassung. Ist das wirklich freiheitlicher als bei uns? Egal. Ich nehme aber an, dass die erlaubten Demonstrationen Blockaden und und Besetzungen nicht einschließen?
    Ansonsten machen Sie sich meiner Meinung nach einen etwas zu schlanken Fuß, was die politische Verantwortung der Proteste betrifft. Entschiedend ist für verantwortbare Politik immer das reale Ergebnis, nicht dass gewünschte. Jetzt haben Sie schon fünf Tote zu beklagen. Darunter ein Polizist. Machen Sie gar nichts falsch? Geben Sie wenigstens zu, dass Assad um sich aufzumuntern, als erstes die Berichte über die Schwierigkeiten seines Erzfeindes Erdogan liest?

  44. zu # 33, 34 + 46 Fritz Katzfuß
    Ich gestatte mir aus „Die Welt“ vom 19. Juni 2913 Seite 7, rechte Spalte zu zitieren.

    „Stehender Protest
    Als sich der türkische Tänzer und Choreograph Erdem Gündüz auf den Istanbuler Taksim-Platz stellte, hatte er sicherlich nicht damit gerechnet, acht Stunden später weltberühmt zu sein. In dieser Zeit tat der Mann aus Izmir, wohnhaft am Taksim, nichts anderes als still zu stehen wie eine Statue, den Blick auf das große Atatürk Konterfei gerichtet.
    Über das soziale Netzwerk Twitter verbreitete sich wie ein Lauffeuer der Hashtag#duranandam , „stehender Mann“.
    Immer mehr Menschen kamen und stellten sich zu Gündüz.
    Niemand sprach. Es sprachen die Körper.“

    Ist das Ihrer Meinung nach bereits eine Blockade oder Besetzung? Der Polizei war der stumme Auftritt nicht genehm.
    Ihre Argumentation in Sachen Assad geht am Thema doch vorbei. Diese Demonstranten versuchen doch gar nicht die türkische Regierung (zugunsten von Assad (!) (auf diese verquere Überlegung muss man erst kommen)) zu destabilisieren, sie wollen lediglich mehr Bürgerrechte, mehr Freiheit zu einfordern.
    Erdogan begann ja schon, seinen Mitbürgern das Privatleben vorzuschreiben. Zahl der Kinder, die in die Welt zu setzen sind, Religion etc.

    Hinter dem Taksim-Projekt verbirgt sich ein großes Bauvorhaben. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Erdogan mit der Bauindustrie unter einer Decke steckt. Hier geht es um das große Geschäft einiger Baulöwen, nicht um den Wunsch der Anwohner, keine neuen Bauten zu errichten.

    Ihre (offenbar an Herrn Ates gerichtete) Anmerkung …
    „Geben Sie wenigstens zu, dass Assad um sich aufzumuntern, als erstes die Berichte über die Schwierigkeiten seines Erzfeindes Erdogan liest?“ … ist reichlich skurril.
    Anscheinend sitzen Sie direkt hinter Assad, blicken über dessen Schulter und sehen ihm zu, wie er die „Berichte über die Schwierigkeiten seines Erzfeindes Erdogan liest“. Vielleicht denken Sie noch einmal darüber nach, was Sie da eigentlich geschrieben haben.

    Offensichtlich unterstellen Sie den Demonstranten in Istanbul, Ankara und den anderen Städten, den Staat sabotieren zu wollen und zwar zugunsten von Assad.
    Diesen fatalen Eindruck sollten Sie jedoch unbedingt vermeiden. Ein Wort der Entschuldigung in Richtung zu Herrn Ates wäre angebracht.

  45. zu # 47 RuneB
    Herrn Bronski sei für die Hinweise gedankt.

    Im Beitrag # 47 sind mir noch zwei Tippfehler aufgefallen.
    „Die Welt“ datierte, vom 19. Juni 2013 und der Hashtag heißt „duranadam“, „stehender Mann“.

  46. zu # 47. RuneB
    Liebe RuneB, leber Herr Ateş: den „duranadam“ finde ich auch absolut genial und großartig. Er hat damit eine neue meditative gewaltfreie Protestform geschaffen, die es noch nie gab, die auch wirklich in der Lage ist, deeskalierend zu wirken, ich ziehe meinen Hut vor Erdem Gündüz und verbeuge mich, das ist ganz klar.
    Allerdings wurde er nach meinen Informationen auch nicht von der Polzei behelligt. Musste wohl seinen Ausweis zeigen, dazu wäre er in Deutschland aber auch aufgefordert worden, nicht nur einmal, vielleicht hätte man ihn hier sogar erstmal abgeführt zur erkennungsdienstlichen Behandlung und evtl. sogar auch zur psychiatrischen Begutachtung! Tun Sie doch nicht so als wäre bei uns im Kontext unerwünschter und tendenziell gewalttätiger Demonstrationen (siehe auch G 8) alles immer so rechtstaatlich einwandfrei. Man bemüht sich, das ist entscheidend- auch für die Türkei. Solche Arbeit bedeutet auch enormen Streß für die Polizisten. Soviel ich weiß, hat er auch nichts blockiert.
    Ansonsten möchte ich auf meinen Beitrag #2 zur Blattkritik vom 24. Juli verweisen, man sollte mehr auf die außenpolitischen und innenpolitischen Besonderheiten der Türkei achten. Die Türkei ist nicht die BRD.
    Ich brauche mich meiner Meinung nach nicht zu entschuldigen, denn ich hebe gerade darauf ab, dass Demonstranten und Besetzer wie Herr Ateş etwas Gutes wollen, aber nicht politisch genug denken. Ich bitte ihn und alle dies es angeht, damit sofort anzufangen, die Folgen ihres Tuns zu bedenken. Die Türkei schwebt nicht im lufleeren Raum.
    Sollte aber Herr Ateş der Meinung sein, ich hätte mich zu entschuldigen, weil ich mich im Ton oder sprachlichem Bild vergriffen hätte, dann würde ich das sofort tun, denn ich schätze ihn sehr.
    Ach so, lieber Herr Bronski, die Vorschaufunktion für die Texte ist hier- bezeichnenderweise?-jedenfalls bei mir defekt.

  47. zu # 49 Fritz Katzfuß
    Es ist müßig über ein eventuelles Vorgehen der Polizei in Deutschland bei einem identischen oder analogen Fall zu spekulieren. Das geht wirklich sehr weit am Thema vorbei.
    Woher nehmen Sie sich aber das Recht heraus, zu unterstellen, es wäre die Behauptung aufgestellt worden bei uns (in Deutschland) sei „alles immer so rechtstaatlich einwandfrei“ (Tun Sie doch nicht so!). Das ist ein starkes Stück und zeugt von einer (behutsam formuliert)verbesserungswürdigen Diskussionskultur.
    Sicherlich ist in Deutschland nicht alles so wie man sich das wünschen würde. Darüber braucht man gar nicht separat zu diskutieren.

    In diesem Zusammenhang sei auf # 14 Ates hingewiesen. Systematische Folter durch die Polizei gibt es in Deutschland nicht.

    Im Gegensatz zur Türkei haben wir noch eine freie Presse und freie Berichterstattung, zumindest freier und unabhängiger als in der Türkei. Das ist ein gravierender Unterschied zur Türkei und sollte nicht unter den Tisch gekehrt werden.

    Im Gegensatz zur Türkei hat Stuttgart 21 (ein rein lokales Thema) einem Ministerpräsidenten letztlich das Amt gekostet. Davon kann in der Türkei nicht einmal in kühnsten Visionen geträumt werden.

    Die Polizei bekämpft die Demonstranten mit Wasser, dem ein Reizstoff zugesetzt worden ist. Man konnte sogar im Fernsehen bemerken, dass der Wasserstrahl des Wasserwerfers gefärbt war. In Deutschland würde das sehr rasch unterbunden werden, falls es jemals dazu gekommen wäre.

    Es wäre ein Leichtes gewesen, gegenüber den aufgebrachten Demonstranten ein Zeichen des Einlenkens zu setzen. Aber kein Spur davon. Zu stark ist im Hintergrund die Baulobby, die sich nicht ein Riesengeschäft entgehen lassen will.
    Erdogan sollte sich nicht Premierminister für die Bauherren gerieren, sondern sich als Premierminister aller Türken (zumindest behauptet er das)zeigen und zu denen gehören auch die Demonstranten.

    Ferner ist bemerkenswert, dass die Proteste sich nicht auf Instanbul beschränkten, sondern sich über die ganze Türkei ausweiteten. Das ist ein Zeichen einer tiefer sitzenden Unzufriedenheit vieler Türken, Unzufriedenheit mit ihrem Herrn Erdogan.

    Es sei die Frage gestattet, weshalb Demonstranten und Besetzer (was wurde denn bitteschön besetzt?) wie Herr Ates nicht politisch genug denken? Verzeihung, es drängt sich der Eindruck aus, dass nur Sie politisch genug denken würden. Und zwar relativ einseitig zu Erdogans Gunsten.
    Das hierzu der unselige Bürgerkrieg in Syrien herhalten muss, entbehrt nicht einer gewissen schizophrenen Sichtweise.
    Damit keine falsche Interpretation gemacht werden kann, nur die Sichtweise, mit der das Thema angegangen wird, ist in gewisser Weise schizophren. Das sei ausdrücklich betont!

    Sollen die Demonstranten warten, bis die außenpolitische Lage einen Protest gegen ihren eigenen Premierminister erlaubt? Bis in Syrien Grabesruhe herrscht?
    Und wer stellt fest, dass die außenpolitische Lage das gestattet? Wohl der Premierminister.

    Das kann doch nicht ernst gemeint sein!

  48. Zu allen meinen Beiträgen bitte ich um Nachsicht wegen der Tipp- und Grammatikfehler. Ein bisschen ist auch die Hitze schuld.

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