Wie wird Pferdefleisch zu Rindfleisch? Ganz einfach: Es muss nur lange genug auf europäischen Autobahnen hin- und herkutschiert werden. Die wundersame Metamorphose passiert dann quasi wie von allein. Die EU macht es möglich. Die Frage ist natürlich, wie das möglich sein kann. Die andere Frage, die mich in diesem Zusammenhang beschäftigt, ist: Wie kann es sein, dass Fleisch, das über europäische Autobahnen kreuz und quer über den Kontinent bewegt wird, von Rumänien bis Irlan, wie dieses Fleisch trotzdem so billig sein kann, dass es vorwiegend in Discounter-Fertiggerichte unterer Preisklassen verarbeitet wird, ohne diese nennenswert zu verteuern.
Nichts gegen Pferdefleisch! Pferdefleisch dürfte relativ gesund sein, verglichen mit Rind, Schwein und Geflügel aus konventioneller Massentierhaltung, in der die Tiere u.a. mit Antibiotika gepäppelt werden, denn Pferd steht in Europa nur hier und da auf dem Speiseplan – zum Beispiel auf dem Offenbacher Wochenmarkt, wo es ziemlich leckere Pferdewurst gibt. Das ist aber nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass zahlreiche Kundinnen und Kunden europäischer Supermärkte beispielsweise Fertig-Lasagne gekauft und gegessen haben, in der Pferdefleisch enthalten war, obwohl dies auf der Packung nicht deklariert war; da stand Rindfleisch drauf. Europa macht es möglich – siehe oben.
Bundesverbraucherschutzministerin Aigner hat, wie sie das in solchen Situationen gern macht, einen Aktionsplan auf die Beine gestellt. Wenn ich eine Prognose wagen soll: Es wird sich wenig ändern. Das System produziert solche Geschichten anscheinend unweigerlich. Etwas ändern wird sich erst, wenn die Verbraucher ihre Gewohnheiten ändern. Frage: Muss es wirklich jeden Tag Fleisch sein? Und sei es auch „nur“ in der Lasagne? Zumindest wir Deutschen essen sowieso viel zu viel Fleisch. Haferflocken mit frischem Obst zum Frühstück, Mittags eine leckere Linsen- oder Erbsensuppe, vielleicht auch ein Schnitzel von der Sellerieknolle mit Salat, zum Abend Brot, Käse und ein paar Tomaten – man braucht nicht jeden Tag Fleisch. Wie schnell wohl die Masttier-Industrie in die Knie ginge?
Stefan Otto aus Rodgau:
„Da ist sie ja wieder: unsere Verbraucherschutzministerin Aigner. Lautstark ist sie empört über so viel betrügerische Aktivitäten im Lebensmittelhandel. Jahrzehntelang fordern Verbände und Fachleute mehr und vor allem transparentere Produktbeschreibungen. Sie hat sich bisher weder im Bund noch in Brüssel bei Verbesserungen des Verbraucherschutzes durchgesetzt. Das Ergebnis, wenn es überhaupt eines gab, wurde mit großspurigen Luftblasen dem Bürger „verkauft“. Irgendwann in 2011 forderte ich diese Ministerin schriftlich auf, den Zusatz „Verbraucherschutz“ in ihrem Ministeriumsnamen ersatzlos zu streichen. Auch hier wurde sehr schön und sehr blumig geantwortet.
Wie soll das nur weitergehen? Schon werden wieder Verantwortlichkeiten auf die Länder delegiert. Das kann doch nicht die Lösung sein. Wann müssen wir in Zukunft das Fleisch von Mäusen und Ratten genießen, weil es einerseits an deutlichen Vorschriften und andererseits an Kontrollen mangelt“
Jürgen Seifert aus Hamburg:
„Was bildet sich EU-Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg eigentlich ein, wenn er glaubt, autoritär entscheiden zu dürfen, bei Lebensmitteln brauche es keine Herkunftsnachweise? Wenn Leute aus ethischen Gründen sich kein Pferdefleisch unterjubeln lassen wollen, ist es ihr gutes Recht, vom zuständigen Verbraucherschutzkommissar entsprechende gesetzliche Regelungen zu verlangen.
Tonio Borg wird seinem Amt und seiner Verantwortung nicht gerecht, wenn er dies nicht umsetzt. Wenn ab 2015 der Produktionsweg lückenlos zurückverfolgt werden können muss, darf nicht ausgerechnet für Lebensmittel eine Ausnahme gemacht werden. Solche Regelungen sind es, die bei den Bürgern die Wut über die EU-Bürokratie und Entsolidarisierung in der EU aufkommen lassen. Diese und ungezählte andere Regelungen dürfen nicht länger von Beamten ohne Verankerung in der europäischen Bevölkerung initiiert und durchgepowert werden.“
Peter Friedl aus Darmstadt:
„Die Politik – gleich welche Partei angeblich „das Sagen“ hat – bekommt es seit Jahren nicht hin, der Lebensmittelindustrie klarzumachen, welche Aufgabe sie hat: die Produktion gesunder Lebensmittel; klar zu sagen, was in den Lebensmitteln drin ist, wie sie produziert werden; und das alles in einer für den Verbraucher verständlichen Form. Kann es die Politik nicht, will sie es nicht oder ist die Lobby, der Einfluss auf die Parteien so stark, dass dies nicht geschieht?
Was jetzt durch Aktionspläne und Ähnliches der Öffentlichkeit in großer Aufregung und „Betroffenheit“ verkauft wird, ist nichts als Schau. Wir brauchen keine Aktionspläne, sondern klare Ansagen an die Industrie. Und wer gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt, wird öffentlich genannt, erhält eine spürbare Strafe und im Wiederholungsfall erhalten die Verantwortlichen für die Lebensmittel-Industrie ein Betätigungsverbot. Ist das alles so schwer?
Und was die Abstimmung mit den EU-Ländern angeht: Wenn die Krümmung der Banane von der EU bestimmt werden kann, dann wird doch die EU-Bürokratie in der Lage sein, in diesem für die Gesundheit entscheidenden Bereich entsprechende Regelungen zu finden.“
Reinhard W. Oeste aus Bad Homburg:
„Damit den betreffenden bzw. betroffenen Handelsketten keine Verschleierung bzw. Irreführung der Kundschaft vorgeworfen werden kann, hier ein kleiner Tipp: Die entsprechenden Regale (Fertiggerichte) einfach umtaufen in Pferd-ig-Gerichte. Dann ist man auf der sicheren Seite.“
„Pferd-ig-Gerichte“ 😀 Schöner Vorschlag… allerdings auf der sicheren Seite ist man dann noch lange nicht… z.B. wenn dann plötzlich mal, weiß der Geier warum, Taube drin ist, statt Pferd? Die betreffenden Regale mit „Rumänisches Allerlei“ zu beschriften wäre auch falsch, denn die den Verbraucher verblüffenden Bestandteile könnten ja im Prinzip auch aus anderen Ländern stammen.
Analog zum bekannten und beliebten Produkt „Überraschungs-Ei“ könnte ein findiger Lebensmittel-Manager sich jetzt den Begriff „Überraschungs-Fleisch“ markenrechtlich sichern, und seine Fleischprodukte unter diesem Namen in den Handel bringen. Na und wenn man das gekauft hat und es ist dann mal ethisch völlig unvertretbarer Kanarienvogel drin, gibt mans halt der Katze… die freut sich… äh tierisch. Bzw. beim „Überraschungsfleisch“ wird man es nie so genau wissen, denn das Motto ist ja: „Augen zu und durch… die Speiseröhre damit“. Die Familienrunde am Speisetisch kann sich jedenfalls mit munteren Ratespielen unterhalten… bis der 3-jährige Filius steif und fest behauptet, es wäre Regenwurm 😀 … denn wie Regenwurm schmeckt, da ist er ja wie jedes Kleinkind mit Sandkastenzugang wirklich Experte.
Ich denke, was Fleisch angeht, wollen doch alle mehr Transparenz, die meisten Männer zwar vermutlich eher bei der Kleidung als bei der Herkunft, aber seis drum. Der Behauptung des Leserbriefschreibers Peter Friedls allerdings, daß ausgerechnet die Produktion gesunder Lebensmittel Aufgabe der Lebensmittelindustrie sei, kann ich überhaupt nicht zustimmen. Die Aufgabe der Lebensmittelindustrie ist es wohl eher, möglichst billige Lebensmittel herzustellen, die verdammt gut schmecken und einen nicht gleich umbringen. Erst diese Hypothese macht einen Großteil der Produkte für mich überhaupt erklärbar.
Bronskis Devise „Weniger Fleisch essen“ mag sinnvoll sein, aber irgend etwas muß ja der Mensch schon essen. Und fleischlose Produkte können inhaltlich ja im Prinzip genauso gepanscht sein. Gut, wenn im Tiefkühl-Suppengemüse kein Blumenkohl drin ist, wie auf der Packung angegeben, sondern stattdessen Rosenkohl, von dem auf der Packung nichts steht, so kann der Kunde das ja merken. Jedenfalls wenn er zu jenen gründlichen Köchen gehört, die das Suppengemüse vorm Zubereiten des leckeren Eintopfes in seine einzelnen Bestandteile auseinandersortiert. Wer also Rosenkohl für ethisch nicht vertretbar hält, könnte den Schaden dann noch abwenden. Aber bei vielen fleischlosen Fertigprodukten sind die Ingredienzen schon so… äh… verwurstet und unkenntlich geworden, daß man dem Etikett und damit der Herstellerehrlichkeit auch schon irgendwie glauben muß. (Apropos „auseinandersortieren“… Das von Bronski empfohlene Müsli birgt eine besondere Gefahr, wie mich ein Müsliexperte einmal aufklärte… die sog. „Mäuseköttel“ seien angeblich in jedem Haferflockenprodukt vorhanden (wo viel Getreide lagert, da gibt es nun mal reichlich Mäuse, das ist unvermeidbar, und die sind auch noch nicht trainiert, auf die Firmentoilette zu gehen). Ich kann mich nicht erinnern, „Mäuseköttel“ jemals auf irgendeiner Zutatenliste gesehen zu haben… ein weiterer Skandal!?? Der besagte Müsliexperte, der sich sein Müsli aus den Einzel-Bestandteilen selber zusammenmixt, kann die Köttel jedenfalls zwischen den reinen Haferflocken gut erkennen und sortiert sie jedesmal selbstverständlich aus. In den Müslifertigmischungen sollen sie hingegen überhaupt nicht mehr vom Rest unterscheidbar sein… als ich ihm mal einen Köttel aus meiner Fertigmüslisorte zeigen wollte, sagte er jedenfalls: „Das ist eine Rosine, du Depp“. Wer also gleich aufgeregt in die Küche laufen will, um nachzuschauen, sei gewarnt: Die Dinger sind eher sehr klein)
Um wirklich sicherzugehen, genau zu wissen, was man isst, müsste man eigentlich alles selber produzieren. Wenn man also dann sein selber aufgezogenes Hausschwein schlachtet, und direkt ein schönes Kotlett draus brät, dann ist das halt vom Schwein. Oder wenn es dann doch Pferd ist oder noch was anderes, hätte man vorher vielleicht mal in Brehms Tierleben nachschlagen sollen, wie die Tiere denn überhaupt aussehen.
Sellerieschnitzel? Och nee, das muß nun wirklich nicht sein. Dafür war ich heute auf dem Markt im Kaisersack und habe Rumpsteaks vom Pferd gekauft. Da weiß ich wenigstens, was mir der Metzger verkauft – kein Zeug aus Massentierhaltung und keine mit Medikamenten verseuchte Schwarzschlachtung, die von der EU-Fleischmafia durch Europa gekarrt wurde, um dann diskret in Fertigfraß untergemischt zu werden. Pferdefleisch ist weder eklig noch minderwertig, ganz im Gegenteil. Der Skandal liegt nicht im Pferdefleisch, wie das unsere Presse das mit Begriffen wie „Pferdefleischskandal“ hochspielt und an Nahrungstabus und damit verbundene Ekelgefühle appeliert. Der Skandal liegt vielmehr in der gezielten Falschdeklaration für den menschlichen Genuß nicht geeigneten Fleisches. Da spielt es dann keine Rolle, ob es Rind, Schwein, Geflügel oder Pferd ist, es ist einer der vielen Lebensmittelskandale ums geliebte Fleisch aus der letzten Zeit. Das Fazit kann nur sein, noch mehr auf die Herkunft der Fleischwaren zu achten, möglichst nicht im Supermarkt zu kaufen und auf Fertigprodukte am besten ganz zu verzichten.
Das Lobbygruppen und da ganz vorne die Agralobby in D. immer mehr an Einfluß gewinnen ist eine der klarsten Errungenschaften der Regierung von schwarz/gelb. Wenn man den Umfragen glauben darf ist das Volk damit ganz zufrieden. Also Guten Appetit allerseits.
Was ich nicht verstehe, ist der „Weg des Fleisches“.
Ein paar Mal quer durch Europa ? Wie kann das sein ?
Ich Naivling war der Meinung, vom Erzeuger zum Schlachter und dann zum Verarbeiter. Der kürzeste Weg ist dabei doch der günstigste, für Qualität und Preis. Wozu die vielen Zwischenstationen, die das Produkt gewiss nicht besser und billiger machen ?
In unserer kleinen Famile haben wir das vor Jahrzehnten gelöst. Da wir am Stadtrand wohnen, sind es nur wenige Kilometer zum Biobauern; einmal im Monat wird dort auch Fleisch und Wurst eingekauft. Die Tiekühltruhe macht’s möglich. Die vielen Skandale berühren uns wenig.
zu @ maderholz
Ohne vom Fach zu sein, nehme ich an das man halt das Thema Qualität hat mit dem das möglich ist. Man kauft irgendwo in Europa schlechte Qualität billig ein und muß dann bestimmte Wege gehen um es umdeklarieren zu können. Unsere Regierung verhindert das aus oben beschriebenen Gründen nicht.
@maderholz: Wie das sein kann, daß Fleisch vor der Verarbeitung einmal quer durch Europa gekarrt wird? Ganz einfach, die EU subventioniert dieses System, und das nicht erst seit gestern, das wurde schon zu Zeiten der Vorgänger EWG und EG so eingeführt. Ein derartiger staatlicher Geldregen lockt die Aasgeier regelrecht an, da bilden sich dann schnell mafiöse Strukturen, die mit falsch deklarierter und oft auch verdorbener Ware jonglieren, um möglichst mehrfach zu kassieren. Die Fleischmafia schickt dann ihre Lobbyisten nach Brüssel, die den Eurokraten die Gesetze und Verordnungen veröfflichungsfertig vorlegen, damit der Geldregen auch bei Neuerungen nie versiegen möge. Ab und zu gibt es mal einen Skandal, dann springt eine besonders gierige und unvorsichtige Firma über die Klinge, alles schreit empört nach scharfen Kontrollen, aber die Lobbyisten sorgen dafür, daß es ungebremst weiter geht wie gehabt.
Haben Sie sich übrigens nicht auch schon mal gefragt, wie es angeht, daß plötzlich riesige Mengen Bio-Eier überall zu kaufen sind, aber es nicht mehr Hühnerfarmen gibt, und schon gar nicht mehr Hühnerfarmen mit den für Bio-Eier notwendigen Haltungsbedingungen? Die wundersame Vermehrung von einem auf den anderen Tag war schon erstaunlich, und die Lösung ist vertraut: Milde gesagt Etikettenschwindel, deutlich ausgedrückt schamloser Betrug. Frau Aigner wird jetzt wieder an die Spitze der Bewegung der Empörten setzen, und morgen haben wir den nächsten Lebensmittelskandal. Wo Lebensmittel zur industriellen Massenware, zu Spekulationsobjekten von Börsenhaien und zur bloßen Verschiebemasse degradiert werden, wird das immer so bleiben.
Mahlzeit!
Du meine Güte, hier geht das Verschwörungstheoretisieren auf Stammtischniveau ja mal wieder munter los… und zwar völlig am momentanen Skandal vorbei, denn es ist ja überhaupt nicht die Rede davon, daß irgendjemand Pferdefleisch statt Rind in die Produkte tat, weil damit EU-Subventionen abgegriffen werden konnten. Solange also die Verschwörungstheoretiker uns im Unklaren lassen, welche spezifischen EU-Subventionen denn die „Pferdemafia“ zu ihrem Tun verleitet haben, solange ist auch völlig unklar, welcher Lobbyist jetzt in seinem Eintreten für genau welche Subvention hier eine Mitschuld hat… Aber an Stammtischen nimmt man es nicht so genau, sind solche Details wohl nicht notwendig…
Daß eine massive Einmischung der Staaten in marktwirtschaftliche Vorgänge, wie es das EU-Agrarsubventionswesen nun mal darstellt, weniger bringt als es kostet und öfters sogar ausgesprochen kontraproduktiv ist (In erster Linie, weil Planwirtschaft im Angesicht der hochkomplexen Realität nun mal nur selten einigermaßen funktioniert, auch nicht, wenn man ganz „hehre“ Pläne hat, aber natürlich auch, weil die Produzenten sich dann nicht mehr an den Verbraucherbedürfnissen orientieren, sondern daran, wie man am besten von den EU-Geldern profitieren kann)… ist mir persönlich zwar schon lange bekannt, aber mit Erstaunen sehe ich, daß diese Einsicht sich auch in linken Kreisen durchzusetzen scheint… zumindest was die Landwirtschaftssubventionitis angeht.
Zurück zum Thema: Die vielen Pferde in Südosteuropa gibt es also nicht, um mit deren „Produktion“ EU-Subventionen abzugreifen, wobei rumänische Pferdefleischlobbyisten in Brüssel die Pferdeproduktion fördernde Subventionen durchsetzten, sondern weil das Pferd dort, in diesen ganz stark von der Landwirtschaft geprägten Ländern im ländlichen Bereich der übliche „Traktor“ ist, und sogar darüber hinaus ein übliches Fortbewegungsmittel. Wer sich bis vor kurzem als Mitteleuropäer in den ländlichen Bereich begab, fühlte sich in eine mittelalterliche Welt versetzt: Pferde, wohin man nur sah, die mit allem möglichem, sogar mit Personen beladene Karren zogen.
Diese vielen Pferde sterben auch irgendwann, und dann ist die Frage: wohin damit. Natürlich kann man den Rumänen auch Pferdefleisch verkaufen, aber wenn die erzielbaren Absatzmengen und Erträge woanders höher sind, und man dazu nur ein wenig tricksen, d.h. umdeklarieren muß, dann es ist für mich nicht verwunderlich, daß es kriminelle Elemente gibt (und zwar in ganz Europa verteilt), die diese Mogelei ersinnen und durchführen, und zwar auch völlig jenseits aller anderen EU-Agrarsubventionen.
Würde man alle EU-Agrarsubventionen sofort einstellen, dann würde mancher Rindfleischproduzent vom Markt gehen, die Fleischpreise würden jedenfalls steigen. Unter solchen Bedingungen würde es noch sehr viel lohnender sein, billiges Pferdefleisch von anderswoher heranzutransportieren und umzudeklarieren… dann käme es vielleicht sogar vom Ural!
Und noch was zum „Kreuz und quer“… wenn jemand meint, das Pferdefleisch würde hier kreuz und quer durch Europa gekarrt, nur weil der Bestellweg kreuz und quer durch Europa verläuft, dann liegt er doch falsch… selbstverständlich muß man, wenn man einen Betrug vorhat, die wahren Vorgänge verschleiern, und dazu gehört es eben, die Geschäfte über x Stationen abzuwickeln. Das bedeutet aber doch NICHT, daß das eigentliche Fleisch auch jedesmal den Weg des Bestellpapiers über diese x Stationen nehmen muß. So ist also das Fleisch von Rumänien nach Luxemburg (wo es endverarbeitet wurde), transportiert worden, mit einem eventuellen Abstecher nach Südwestfrankreich (aus der Berichterstattung wurde das leider nicht klar, ob es diesen Abstecher wirklich gab). Von „kreuz und quer durch Europa transportiert“ kann also nicht die Rede sein.
Ansonsten ist es nunmal so, und daran müssen sich auch jene gewöhnen, die hinter allem Subventionsmißbrauch wittern wollen, daß Transporttechnologien und nicht zuletzt ganz besonders die Kühltechnik derartige Fortschritte gemacht haben, daß der Radius, innerhalb dessen ein Lebensmitteltransport wirtschaftlich ist, sich beständig erweitert, wenn alle anderen Faktoren gleichbleiben. Ich kann Lebensmitteltransporte nicht pauschal kritisieren, wie manche es so gern tun, sondern oft haben sie auch Vorteile… z.B. den ganz simplen, daß die Alternative zu ihnen in manchen Fällen bedeutet, auf den Konsum des spezifischen Lebensmittels ganz zu verzichten, weil es ganz einfach in der Nachbarschaft keiner anbaut. Gut, Lebensmittel-Puritaner können sicher auch ohne Bananen auskommen, aber warum sollen es alle anderen auch?
Kritik würde ich allerdings gelten lassen beim Thema Lebendtransporte… wenn diese jedenfalls über Kurzstrecken hinausgehen. Aber auch die gibt es ja in diesem Fall gar nicht, sondern es wurde ja das Fleisch der toten Pferde transportiert.
Lange Rede, kurzer Sinn: Hier helfen nur Kontrollen. Ein Markt, in dem die Produzenten um die Gunst der Verbraucher kämpfen, kann doch nur funktionieren, wenn der Verbraucher den Wert der Waren beurteilen kann. Wenn ich ein Auto verkaufe, ist es dem Händler nicht möglich, mir einen Mercedes zu verkaufen, aber in Wahrheit ist es ein Fiat. Die große Verunsicherung der Verbraucher im Lebensmittelbereich ist doch darauf zurückzuführen, daß man viele Lebensmittel, und zwar die schon in höherem Maße weiterverarbeiteten, zwar allenfalls auf ihren Geschmack und ihr Aussehen hin bewerten kann, aber eben nicht auf Inhalt, auf gesundheitliche Wirkungen usw. Deswegen brauchen wir staatliche Lebensmittelkontrollorgane, die stichprobenhaft den Handel durchforsten… die es ja auch gibt.
Nicht zuletzt sind Vorfälle wie der jetzige nebst großer Aufregung durchaus positiv zu sehen, geradezu notwendig von Zeit zu Zeit, denn sie erinnern nicht nur die offiziellen Stellen daran, ihre Kontrolle ernstzunehmen und, wenn nötig, auszubauen, sondern auch den Handel, selber aktiv zu werden und zwar vorbeugend… im eigenen Interesse.
Nicht zuletzt nervt mich das übliche Schema F in der linken Diskussion, nach dem die Bösewichter irgendwo „da oben“ sitzen. Schon beim FR-Blog-Thema „Depardieu“ und Steuerflucht der Reichen habe ich überlegt, ob ich mal die lange Liste der mir persönlich Bekannten bringen soll, die die „Steuerhinterziehung der kleinen Leute“ betreiben, die nämlich schwarzarbeiten… nebst Hinweis, daß der Gesamtschaden für den Staat durch solche Hinterziehungen ein Vielfaches beträgt als der durch Steuerflucht.
Beim Lebensmittelthema will ich aber doch eine kleinere Anekdote beisteuern, um das erneut in den Raum gestellte „die Mächtigen da oben, die Betrüger“ zu relativieren.
Vor 30 Jahren, das Label „Bio“ war noch gar nicht etabliert, erzählte mir die Mutter eines Schulkameraden aus der Großstadt stolz, sie würde die Eier von einem Bauern aus dem Dorf kaufen, in dem ich damals wohnte… „frisch vom Erzeuger“ und sicher ganz gesund… „da weiß man, wo sie herkommen“. Da ich den Bauern ja kannte, wußte ich auch, wo die Eier herkamen: aus einer Massentierhaltung im Nachbardorf. Die packte sich der Bauer auf seinen Klein-LKW und fuhr durch die Stadt und fand in der Zeit, in der die Grünen und die Bio-Idee aufkamen, reissenden Absatz. Selber hatte er übrigens auch Hühner, so ist es ja nicht, so etwa 20… Deren Eier waren allerdings für den Eigenbedarf und Verkauf im Dorf an jene bestimmt, die bei ihm auch Milch einkauften…
P.S. Es sollte natürlich heißen: „Wer sich bis vor kurzem als Mitteleuropäer IN RUMÄNIEN in den ländlichen Bereich begab, fühlte sich in eine mittelalterliche Welt versetzt.“
Ich hatte schon vor längerer Zeit den Eindruck, dass ich und meine Lieben von krimineller Ernergie umzingelt bin. Wo ich auch hinsehe, Betrug !
Manchmal wundere ich mich, noch zu leben…
So gehe ich weiter den Weg : Suche mir die schmalen Pfade zu den Nischen, die mir erträglich erscheinen und versuche in all dem Chaos einigermaßen glücklich zu leben. Bisher ist es gelungen.
Wollte ich schon die ganze Zeit sagen, kam aber erst heute dazu:
Die Verarbeiter des Pferdefleischs und die Vertreiber desselben möchten die Verantwortung auf die Lieferanten schieben. Dabei weiß jeder Kokaindealer sich gegen unreine Lieferungen durch Prüfung der Ware zu schützen. Die großen Lebensmittelhändler sollten dem in nichts nachstehen……
Wenn zigtausende unterschiedliche Lebensmittelprodukte im Handel sind, und bei einigen wenigen gibt es (chargenweise) Probleme, so wäre es Hysterie, irgendeinen Betrug auch bei JEDEM der zigtausend anderen Lebensmittelprodukte zu vermuten, nach dem Motto: Der Betrug ist überall… es sei denn, man ist mit der Prüfung der Lebensmittel befasst, dann MUSS man den möglichen Betrug aus beruflichen Gründen natürlich erst mal bei jedem Lebensmittel unterstellen, das vor einem auf dem Prüftisch liegt.
Daß eine ungewisse Anzahl von Betrügereien im Gange ist, von denen die Öffentlichkeit noch nichts weiß, davon ist allerdings auszugehen.
@ Walthor,
Kokain und andere Drogen sind schon in kleinsten Mengen sehr wertvoll. Es lohnt sich daher, auch kleinste Mengen genau zu prüfen. Bei billigem Fleisch wird man diese Gründlichkeit beim Prüfen finanziell schlecht durchhalten können. Es hilft auch nichts, die ersten Lieferungen zu prüfen, und dann nicht mehr… die Betrüger werden ja zuerst wirklich Rindfleisch liefern, und dann zu einem späteren Zeitpunkt oder gar überhaupt nur unregelmäßig mal zwischendrin Pferdefleisch, wenns grad billig zu kriegen ist. D.h. auch die Händler können bestenfalls nur Stichproben überprüfen… das sollten sie aber auch machen, da stimme ich mit Ihnen überein.
Des weiteren: Ich will jetzt nicht Kontrollen und Prüfungen madig machen, ich halte sie wie gesagt für notwendig, aber ein grundsätzliches Problem gibt es da ja schon… man muß nahezu immer auch die Art des Betrugs antizipieren, um die Kontrollen so durchführen zu können, daß ein spezifischer Betrug überhaupt aufgedeckt werden kann. Wer nicht nach spezifischen Substanzen sucht, mit denen „gepanscht“ sein könnte, wird die spezifischen Substanzen auch nicht unbedingt finden, selbst wenn tatsächlich gepanscht wurde. Solche Attribute wie „Käfighaltung“ oder „Freilauf“ bei Eiern können im Labor gar nicht geprüft werden, da hilft nur der Besuch des Betriebs. Beim Besuch des Betriebs wird man allerdings gesundheitsschädliche Zusätze im Futtermittel nicht bemerken, hier muß man wieder ins Labor… und dort dann auch schon wissen, nach welchen Stoffen zu suchen ist.
Es gibt natürlich einen Erfahrungsschatz, auf welche Art bei spezifischen Lebensmitteln für gewöhnlich betrogen wird, und auf was man daraus abgeleitet prüfen muß, (neben den Prüfungen, die sich gar nicht unbedingt auf Betrügereien beziehen, sondern auf Krankheiten bzw. Erreger o.ä.) aber andererseits tauchen ja immer wieder neue Methoden auf, denn es gibt nicht nur dumme Betrüger, sondern auch findige. Alles nicht so einfach.