Eindeutig behindertenfeindlich

Praena-Test – so heißt der vom Konstanzer Unternehmen LifCodexx entwickelte Bluttest, mit dem mittels einer Blutprobe der Schwangeren eine Trisomie 21 festgestellt werden kann. Das Unternehmen sieht seine Entwicklung als Ergänzung der Pränataldiagnostik bei Risikoschwangerschaften, dass der werdenden Mutter einen invasiven Eingriff, die Fruchtwasseruntersuchung erspart.

Ein Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten hält die Anwendung des Tests dagegen schlicht für rechtswidrig. Er verstoße gegen Paragraf 15 des Gendiagnostikgesetzes (GenDG), nach dem vorgeburtliche Untersuchungen ausschließlich medizinischen Zwecken dienen sollen. „Trisomie 21 ist nicht heilbar“, sagt Hüppe. Der Test diene also ausschließlich der Selektion. Ungeborene, bei denen Trisomie 21 diagnostiziert wird, sollen aussortiert werden, befürchtet Hüppe, und mit ihm zahlreiche Behindertenverbände.

Tatsächlich geschieht das bereits jetzt. Die überwiegende Mehrheit aller Frauen, die durch eine Fruchtwasseruntersuchung erfahren, dass ihr Kind mit Trisomie 21 geboren werden würde, entscheiden sich für den Abbruch der Schwangerschaft. Der PraenaTest setzt die Hürde für eine solche Entscheidung lediglich noch weiter herab, weil er früher und ohne die Risiken eines invasiven Eingriffs vorgenommen werden kann. Folgt man diesem Szenario, könnte es Menschen mit Down-Syndrom künftig immer seltener und in absehbarer Zeit überhaupt nicht mehr geben. Das zu verhindern, ist Hüppes Anliegen. Doch auch Ferdinand Gärditz von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, der das Gutachten zur Zulässigkeit des PraenaTests erstellt hat, weiß, dass die Entscheidung bei den zuständigen Behörden der Länder liegt. „Wir glauben, dass wir unsere Rechtsauffassung überzeugend belegen können“, sagt Gärditz. Der Staat ist nach Artikel 3 des Grundgesetzes verpflichtet, zu verhindern, dass behinderte Menschen vorgeburtlich routinemäßig ausgesondert werden, glaubt er. Artikel 3 des Grundgesetzes besagt, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Wer die Frage stellt, ob diese Schutzverpflichtung des Staates auch auf das ungeborene Leben übertragbar ist, begibt sich allerdings auf ein weites Feld juristischer Kalamitäten. Auch mit dem Gendiagnositikgesetz ist es nur notdürftig eingezäunt.

So weit die Auszüge aus dem FR-Artikel „Ein Test für die Gesellschaft„. FR-Autor Karl-Heinz Karisch kommentiert im Leitartikel „Fatales Gutachten“:

Angeblich kämpfe Hubert Hüppe „als Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Tatsächlich aber führt der CDU-Politiker seit Jahren einen Glaubenskrieg gegen Abtreibung und das Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Seit langer Zeit mobilisiert Hüppe gegen die ‚Rasterfahndung nach Menschen mit Down-Syndrom‘. Schon seine Wortwahl markiert die Richtung.“ Das Gutachten des Juristen Gärditz bezeichnet Karisch daher als „Gefälligkeitsgutachten“: „Das am Donnerstag vorgelegte Gefälligkeitsgutachten von Klaus F. Gärditz, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn, verweist die Diskussion über die Zukunft der vorgeburtlichen Diagnostik ins Absurde. Er liegt mit seinem Gutachten, der neue Bluttest auf Trisomie 21 sei illegal und nach dem Gendiagnostikgesetz nicht zulässig, falsch. Gärditz setzt Medizin mit Heilung gleich, davon aber ist im Gesetz nicht die Rede. Das Gesetz erlaubt nicht nur Tests, die betroffenen Frauen müssen sogar auf die Schwangerschaftskonfliktberatung hingewiesen werden – und damit auf die Möglichkeit einer Abtreibung. (…) Ob betroffene Frauen dann eine Abtreibung vornehmen lassen, ist eine schwierige Entscheidung, die die Gesellschaft ihnen nicht vorschreiben darf. Sowohl die vorgeburtliche Untersuchung als auch die genetische Beratung der Schwangeren sind im Gendiagnostikgesetz klug geregelt. Daran ändert das Gärditz-Gutachten nichts. Der Bluttest auf Trisomie 21 wird legal und rechtens sein, sobald er auf den Markt kommt.“

Annemarie Baena aus Kronberg schreibt mir dazu:

„Ich bin Mutter von vier Töchtern. Sie sind alle wundervoll, jede auf ihre Art einzigartig. Alle machen mich auf ihre Art glücklich und manchmal treiben sie mich an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Eine von ihnen ist aber doch ein bisschen anders. Meine Tochter Laura. Sie ist 25 und hat das Down-Syndrom. Für mich kein Grund, traurig zu sein. Durch ihre Liebe, ihre offene Art, ihre besondere Sicht auf die Dinge und gerade die ihr eigene Art macht sie unsere Welt schöner.
Ich frage mich: Was bringt uns diese immer neue Forschung, was ist Fortschritt und wo führt er uns hin? Die Aussage, das Menschen mit Hilfe des Bluttests „verhindert“ werden können, ist verletzend und macht wütend. Es kann nicht sein, dass es irgendwann so weit ist, das sich Eltern für ihr behindertes Kind entschuldigen müssen, weil „so etwas“ ja nicht sein muss mit den Möglichkeiten, die es heute gibt.
Die Welt wäre ärmer ohne das Lächeln von Menschen mit Down-Syndrom.“

Felizitas Küble aus Münster meint:

„Der Autor will offenbar will nicht zur Kenntnis nehmen, dass es in unserem Land nach wie vor keinen Rechtsanspruch auf Abtreibung gibt – und das ist auch gut so! Die Vernichtung eines ungeborenen Kindes ist zwar unter bestimmten Bedingungen straffrei, aber gleichwohl „rechtswidrig“, wie das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des geltenden § 218 verdeutlicht hat. Abtreibung ist ein massiver Verstoß gegen das grundgesetzlich garantierte Recht auf Leben – und es trifft die Schwächsten in unserer Gesellschaft, die keinerlei Möglichkeit zur Notwehr haben.
Sodann wird in dem Leitartikel munter drauflos behauptet, es handle sich bei dem von Hubert Hüppe, dem Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, präsentierten Gutachten um ein „Gefälligkeitsgutachten“, ohne dass der Verfasser hierfür eine Begründung, geschweige denn einen Nachweis liefert.
Zudem wirkt es heuchlerisch, wenn einerseits „Sensibilität“ gegenüber Behinderten angemahnt wird, auch angesichts der NS-Euthanasie, aber andererseits ein Bluttest propagiert wird, der eindeutig behindertenfeindlich ist, weil er nichts anderes bezweckt als die vorgeburtliche Selektion von Kindern mit Down-Syndrom.“

Prof. Alexander Scharf aus Darmstadt:

„Die Kernfrage, welche sich mit der Einführung des PraenaTests aus Sicht des Pränatalmediziners stellt, ist, ob das neue Verfahren in seiner Anwendung eine grundsätzliche Änderung für die medizinische Diagnostik bedeutet und ob sich hieraus neue, andere Handlungskonsequenzen für die Schwangeren und die sie betreuenden Ärzte ergeben: Die Antwort für beide Fragen lautet eindeutig Nein.
Das neue Verfahren stellt eine Ergänzung zum etablierten medizinischen Regelwerk ausschließlich in der Form dar, dass es helfen kann, im Nachhinein als unnötig identifizierte invasive Prozeduren bei genetisch gesunden Feten, welche über ein klassisches Suchverfahren als riskobehaftet charakterisiert wurden, zu reduzieren. Damit trägt es dazu bei, unerwünschte Fehlgeburten bei gesunden Feten zu vermeiden. Der PraenaTest in verantwortungsbewussten Händen schützt Leben anstelle es zu gefährden. Insoweit ist die teilweise hitzig geführte, durch das Gärditz-Gutachten juristisch unterfütterte gesellschaftliche Diskussion, nüchtern betrachtet, nur bedingt nachvollziehbar.
Wenn die juristische Herleitung im Gutachten von Prof. Gärditz inhaltlich zutreffend wäre, so müssten von ihm für die Anwendung des PraenaTests gezogenen Schlussfolgerungen (illegal, Förderung der Selektion, Gefährdung der Gesundheit Dritter, im Widerspruch zu Art 3 Abs 3 GG) auch für alle bisherigen pränatalmedizinisch-diagnostischen Verfahren gelten. Das hieße, die etablierten und rechtlich zulässigen pränatalmedizinischen Verfahren wären illegal. Damit stellt sich Gärditz in seinem Gutachten gegen die gültige Rechtsregelung und die damit verbundene ständige Rechtssprechung für diesen Bereich.
Der Tatbestand einer Schwangerschaft bedeutet eine in der Regel mit der Geburt endende biologische Symbiose zweier Menschen (Mutter und ungeborenes Kind). Die mutmaßliche Interessenlage des Feten einerseits und diejenige der Mutter andererseits, welche ihre Interessen ausformulieren kann, ist dabei nicht zwangsläufig und immer deckungsgleich. Spätestens dann, wenn der Fetus (im deutschen Rechtssystem mit den in Artikel 1 bis 19 Grundgesetz kodifizierten Grundrechten versehen, allerdings zwischen Implantation und Geburt kein rechtsfähiges Subjekt (§1 BGB)) erkennbar von einer Erkrankung betroffen ist, können seine Grundrechte und die Grundrechte der Mutter zueinander in ein konkurrierenden Verhältnis gelangen. Diesen Interessenskonflikt hat unser Gemeinwesen seit den Anfängen der Pränatalmedizin in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wahrgenommen. In Antwort hierauf wurde in einem über etliche Jahrzehnte hinweg nach westlich-demokratisch Prinzipien geführten gesellschaftlichen Diskurs ein sozial und rechtlich verbindliches Regelwerk entwickelt, wie wir es in seiner jetzigen Entwicklungsstufe kennen.
Es wäre naiv, zu glauben, dass ein Rechtssystem derartige primär in der Biologie begründeten Konflikte zur Zufriedenheit aller Beteiligten lösen kann. Dies ist, nebenher bermerkt auch nicht die Aufgabe der Jurisprudenz. Aber: Alle Beteiligten müssen die hier geltenden Regeln achten. Das gilt auch für Herrn Prof. Gärditz. Die Konsequenz seines Gutachtens bedeutet die Aufforderung zur Rückabwicklung von 50 Jahren gesellschaftlicher Entwicklung und einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Frau.“

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15 Kommentare zu “Eindeutig behindertenfeindlich

  1. Zu diesem Thema hat Peter Dabrock, Professor für Theologische Ethik an der Universität Erlangen und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, eine klugen Artikel verfasst: http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/bluttest-auf-down-syndrom-schwangerschaft-auf-probe-ist-laengst-realitaet-1.1404940

    „Selektion oder Sicherheit für werdende Eltern? Der neue vorgeburtliche Bluttest auf das Down-Syndrom hat die Debatte um die Pränataldiagnostik erneut aufleben lassen. Dies ist unnötig. Die richtige Frage lautet: Wie gehen wir mit Behinderten um?“

  2. @bronski
    Ich bitte, bei diesem sensiblen Thema darauf zu achten, ob irgendwelche meiner Äusserungen als Beleidigung gegenüber den Eltern aufgefasst werden können und dies ggf entsprechend zu kommentieren oder zu löschen. Ich argumentiere heir mal nur aus der vermuteten Sicht des Kindes.
    _________________

    Offensichtlich ist es so, daß der Test erst dann funktioniert, wenn das Ungeborene Zellmaterial an das Blut der Mutter abgegeben hat. Eine Entscheidung für irgendein Leben ist also offensichtlich gefallen, die weitere Entscheidung, was für ein Leben das sein darf, kommt danach.

    Entsprechend der umfangreichen Einwilligungsdebatte im anderen Threads (Beschneidung, Organspende), dürfte man analog annehmen, daß dem Kind das Recht auf die eigene Entscheidung zusteht, also ggf eine Leihmutter gesucht werden müsste, oder, wo dies nicht praktikabel ist, eine Entscheidung über das Leben auf einen Zeitpunkt verschoben wird, zu dem das Kind eigenständig entscheiden kann.

    Eine solche (spätere) Entscheidung setzte voraus, daß der Mensch später als voll entscheidungsfähig anerkannt wird und insofern nicht als behindert angesehen werden kann oder aber, daß er als nicht-entscheidungsfähig anerkannt und deshalb eine solche Entscheidung gegen das Leben überhaupt nicht zu treffen vermag.

    Es ergibt sich daher weder vorgeburtlich, noch im späteren Leben eine logische Begründung dafür, dieses Leben zu beenden.

  3. @ Stiller #2

    „Entsprechend der umfangreichen Einwilligungsdebatte im anderen Threads (Beschneidung, Organspende), dürfte man analog annehmen, daß dem Kind das Recht auf die eigene Entscheidung zusteht, also ggf eine Leihmutter gesucht werden müsste, oder, wo dies nicht praktikabel ist, eine Entscheidung über das Leben auf einen Zeitpunkt verschoben wird, zu dem das Kind eigenständig entscheiden kann. “ (Stiller)

    Dürfte man das analog annehmen? Nein. Diese Analogie setzt voraus, dass wir uns darüber einig sind, wo das Kind anfängt – das sind wir offensichtlich nicht.

    Aber da wir ja anscheinend wieder auf die Abtreibungsdiskussion hinsteuern, freue ich mich jetzt schon auf „Abtreibung ist Mord an ungeborenen Kindern.“ Und setze gleich prophylaktisch hinzu:
    Verhütung ist Mord an unerwünschten Kindern.
    Enthaltsamkeit ist Mord an ungezeugten Kindern.

    Was sind wir nur für eine Mörderbande.

    Aber im Ernst: Entscheidungen im eigentlichen Wortsinn werden von einem Informationsverarbeitenden System gefällt. Ein Spermatozoon, das sich mit einer Oocyte zur Zygote vereinigt hat, fällt keine Entscheidung. Auch die Nidation der Blastozyste in die Gebärmutterschleimhaut stellt keine Entscheidung dar. Die kann höchstens die Frau fällen, in der das stattfindet, und das auch nur, wenn sie über die dafür nötige Information verfügt. Diese zunehmende Freiheit, sich entscheiden zu können, wo in anderen Tieren nur mehr oder weniger starre Reaktionen ablaufen, machen das Wesen des Menschen aus.

    Das einzig positive, was ich dieser ganzen Diskussion noch abgewinnen kann, ist dass sich zumindest die katholische Kirche wieder so deutlich positionieren wird, dass der sowieso anhaltende Strom an Austritten sich wieder verstärken wird, und so auch die in kirchlichen Seilschaften in die Politik gelangten Politiker deshalb schneller dahin kommen, dass es ihnen Mühe bereiten wird, kirchliche Argumentation als wesentlich zu verkaufen.

  4. @Frank Wohlgemuth

    „Diese Analogie setzt voraus, dass wir uns darüber einig sind, wo das Kind anfängt “

    Nein, diese Analogie setzt voraus, daß eine Entscheidung für ein neues Leben getroffen wurde.
    Welchen Reifegrad dies erreicht hat, ist völlig unerheblich. Jeder Mensch, der aufgrund einer solchen Entscheidung entsteht, hat das gleiche Recht auf lebenserhaltende, stützende und helfende Maßnahmen, wie jedes andere Kind, sei es ein auf natürlichem Wege geborenes, ein sozial gefährdetes Kind, oder ein mit medizinischer Hilfe gezeugtes Kind.

    Verhütung ist eine Entscheidung gegen das Entstehen eines neuen Lebens, hat also mit dieser Diskussion nichts zu tun. Enthaltsamkeit ebenso.

    Es geht in der Diskussion noch immer um Ermöglichungs- und Verhinderungsmedizin, also um den (erschwerten) Kinderwunsch der Eltern. In diesem Thread und zu diesem Thema müßte es aber, nach meiner Ansicht, um den Elternwunsch des Kindes gehen.
    Die medizinischen Möglichkeiten eröffnen da große Möglichkeiten. Das Ungeborene ist nicht mehr auf seine Eltern angewiesen, es kann sich, wenn diese Menschenrechtsdiskussion wirklich ernstgemeint ist, ab der Zeugung andere Eltern suchen.

    Um den „Behinderungsbegriff“ festzulegen: Es gibt keine „Behinderungsform“ deren Lebenssinn infrage gestellt werden darf. Wer leben kann, muß leben dürfen. Die einzige Möglichkeit, Leben als sterbenswürdig zu bezeichnen, ist die bewußte Entscheidung des Individuums über sich selbst. Dies ist für mich die Grundlage dieser Diskussion.

  5. Mich nervt diese ganze Debatte. Seit Jahrzehnten schenken wir ganz viel Augenmerk dem ungeborenen Kind, egal, ob behindert, mit Erbkrankheiten behaftet, ungewollt oder durch Gewalt gezeugt, und vergessen darüber die Situation des geborenen Kindes. Um dieses sich zu kümmern, wäre die Hauptaufgabe, die anfängt bei der Begleitung der Mutter, den Möglichkeiten, Berufstätigkeit und Kindererziehung zu vereinbaren, den Chancen auch für Minderbegabte auf dem Arbeitsmarkt usw. usf. Ein Kind, egal in welcher biologischen Ausprägung, ist ein Gewinn. Sollten Eltern aber einer anderen Ansicht sein, weil eine festgestellte vorgeburtliche Behinderung vorliegt, und diese mit medizinischen Möglichkeiten nicht behoben werden kann, ist es das gute Recht der Eltern, zu sagen: Nein, wir wollen dieses Kind nicht. Und dies auch, solange die Gesellschaft die Eltern damit allein läßt und sich weigert, auch Anderssein als Menschsein zu begreifen.

  6. @Frank Wohlgemuth

    „Entscheidungen im eigentlichen Wortsinn werden von einem Informationsverarbeitenden System gefällt“

    Biologisch haben Sie da unrecht und recht zugleich. Bereits die einfachsten Wesen sind in der Lage, Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen, auch gegenüber einem scheinbar überlegenen Wesen. Diese komplizierte Diskussion sollten wir aber nicht in diesem Thread führen. Die biologische „Wahrnehmbarkeit“ solcher Bedingungen ist hier nicht mehr relevant, da sie durch den Test ausser Kraft gesetzt wurde. Die Entscheidung, geboren zu werden, ist durch den Embryo gefällt worden. Das Wissen, welches durch den Test erlangt wird, ist kein natürliches Wissen, kann also auch keine natürliche Antwort erfahren ausser dem spontanen Abort, der keiner bewußten Entscheidung unterliegt.

  7. @fladung

    Es ist ein sehr großer Unterschied zwischen der Äusserung „Wir wollen dieses Kind nicht“ und der Äusserung „Wir schaffen es nicht, dieses Kind zu wollen.“

    Die letztere Entscheidung wird weder leichtfertig gefällt noch leichtgemacht, sie ist aber eine Entscheidung aus persönlicher Überforderung, die Verständnis verdient.

    Eine Gesellschaft darf diese Entscheidung nicht fällen, sie muß jedes Kind wollen und es nötigenfalls, positiv oder negativ begründet, den Eltern abnehmen. Eine Gesellschaft, die sich mit dem Satz „Wir wollen dieses Kind nicht“ einverstanden erklärt, muß und wird in der Folge sagen:“Wir wollen diese Eltern nicht.“, da diese das ungewollte Leben ja erst erzeugen. Zu welcher Ideologie dies führt, ist wohl klar.

    Eine Gesellschaft muß alle ihre Kinder wollen, sie ist sonst keine, und die Eltern, die schweren Herzens ihre Kinder abgeben, sind bis zur Selbstaufgabe bereit, oft über das Kindeswohl hinaus, alles Erdenkliche zu tun, dieses (angebliche) individuelle Scheitern auszugleichen.

    Die scheinbar so schwerwiegende individuelle Entscheidung „Wir wollen dieses Kind nicht“ ist viel leichter, als es den Anschein hat, durch die Äusserung der Gemeinschaft “ Aber wir wollen es!“ auslösbar.

    Dies ist nur eine andere Formulierung der Frage, wie wir mit „Behinderten“ umgehen. Das kleine Zweiergespann „Eltern“ kann es vielleicht nicht schaffen, dieses Kind zu wollen. Die Gesellschaft kann es.

  8. Korrektur

    „Die scheinbar so schwerwiegende individuelle Entscheidung “Wir wollen dieses Kind nicht” ist viel leichter, als es den Anschein hat, durch die Äusserung der Gemeinschaft ” Aber wir wollen es!” auslösbar. “

    Soll heißen: lösbar ..!

  9. @ Stiller #4

    „“Diese Analogie setzt voraus, dass wir uns darüber einig sind, wo das Kind anfängt ” (fwo)
    Nein, diese Analogie setzt voraus, daß eine Entscheidung für ein neues Leben getroffen wurde.
    Welchen Reifegrad dies erreicht hat, ist völlig unerheblich. Jeder Mensch, der aufgrund einer solchen Entscheidung entsteht, hat das gleiche Recht auf lebenserhaltende, stützende und helfende Maßnahmen, wie jedes andere Kind, sei es ein auf natürlichem Wege geborenes, ein sozial gefährdetes Kind, oder ein mit medizinischer Hilfe gezeugtes Kind.“ (Stiller)

    Kann man offensichtlich so sehen, muss man aber nicht. Erstmal: Wer rammelt hat sich damit noch nicht für ein Kind entschieden, sondern hat erstmal Spaß. Eventuell drückt dieser Beischlaf einen gemeinsamen Kinderwunsch aus, aber auch dann ist das nicht unbedingt ein Wunsch um jeden Preis, normale Menschen wünschen sich erstmal ein „Hochleistungskind“. Warum sollten sie dann in einem frühen Stadium, in dem ich auch beim besten Willen nicht von einem Kind reden kann, nicht die Chance bekommen, den Versuch zu verwerfen und einen neuen anzusetzen, wenn sie bei der Qualitätskontrolle erfahren, dass erhebliche Mängel vorliegen und nicht das erwartete Hochleistungsexemplar?

    Und bevor die Gemeinschaft irgendetwas unterstützt, irgendwobei hilft usw. muss die Mutter erst einmal die Entscheidung treffen, den Embryo zu einem Kind auszutragen. Aber diese Entscheidung trifft die Mutter, keine Zygote, oder keine Morula Blastula usw., auch kein Fötus. Föten wachsen einfach, wie das Kraut im Garten, wenn die Samen auf den Boden gefallen sind. Oder gehen auch ein und dann ab (etwa die Hälfte).

    Und das mit dem „natürlichen Wissen“ finde ich wahnsinnig interessant. Darf ich morgen mein Brötchen nicht essen, weil wir die einzige Affenart sind, die Getreide mit Hefe kombiniert und daraus was zu Essen macht? Sowas ist doch nicht natürlich! Das Wissen um das Anschalten de Großbackautomaten ist auch völlig unnatürlich. Gibt es überhaupt natürliches Wissen oder was soll dieses Attribut überhaupt im Zusammenhang mit Wissen?

    Die Kultur, und damit selbstverständlich auch die Wissenschaft ist das Natürliche des Menschen, ganz abgesehen davon, dass der Maßstab natürlich oder unnatürlich als moralischer Maßstab untauglich ist, und abgesehen davon, dass wir uns auch offensichtlich darüber nicht einig werden, was denn nun natürlich ist und was nicht.

    Auf eine weitere Unstimmigkeit möchte ich aber noch hinweisen. Dass wir heute Kinder mit Down-Syndrom praktische nur noch in den Familien haben, in denen sich die Eltern aktiv für diese Kinder entschieden haben, hat zur Folge, dass diese Kinder noch nie so gut integriert wurden wie heute. In der Praxis hat diese böse Selektion also zu mehr Menschlichkeit geführt und nicht zu weniger.

  10. @Stiller #10
    „Naja, in diesem Tonfall braucht man wohl nicht weiterzudiskutieren.“ (Stiller)

    Muksch? Sehen Sie, das war mir doch glatt entgangen, dass Sie diskutieren. Ich erkläre Ihnen auch gerne, warum:

    Es geht hier uns pränatale Diagnostik. Die Möglichkeit dazu existiert bereits bei uns. Sie wird auch angenommen. Frauen oder Ehepaare gehen da hin, bekommen eine Aussage zur aktuellen Leibesfrucht, und entscheiden sich dann, diese Leibesfrucht auszutragen oder auch nicht. Das bedeutet, dass alle, die diese Möglichkeit nutzen, ihre Entscheidung zu einem Kind als eine bedingte betrachten, sonst wäre es sinnlos, diese Prozedur überhaupt über sich ergehen zu lassen. Und ich weiß aus eigener Praxis, wovon ich da rede, weil ich mit meiner Frau auch schon bei einer derartigen Untersuchung war, vor der wir uns auch über die möglichen Ergebnisse und deren Konsequenzen für uns im Klaren waren.

    Als Sie dann kamen, und erklärten, diese Entscheidung sei bereits lange von ein paar Zellen getroffen worden und das Ergebnis stünde fest, musste ich doch davon ausgehen, dass Sie von etwas völlig anderem reden. Als Sie dann auch noch dunkle Formeln wie „nicht natürliches Wissen“ an die Wand malten, fühle ich mich einfach von Ihnen aufgefordert, Ihnen in einer Weise, die etwas pointiert, aber deshalb auch unmissverständlich ist, einmal unsere gesellschaftliche Wirklichkeit vorzuführen.

    Und wer lesen kann, wird aber spätestens im letzten Absatz meines Beitrages erkennen, dass mir trotz meines Tonfalles die zwischenmenschlichen Implikationen der pränatalen Diagnostik durchaus nicht entgangen sind. Aber ich ziehe eine Schreibweise vor, bei der der andere die Möglichkeit hat, zu verstehen, warum ein Beitrag zum Thema gehört und was er bedeutet.

  11. @Wohlgemuth

    Ich denke, Sie sind auf mein Stichwort des „natürlichen Wissens“ einschnappt.
    Sie selbst führen solche Mechanismen an, indem Sie 50% Spontanaborte anführen, die sich aus den natürlichen Abläufen ergeben, bei denen im Körper biologisch geprüft wird, ob eine Zellgebilde ein Chance zum Überleben hat. Dies sind natürliche Vorgänge, von den der Mensch keine Wahrnehmung hat, es ist aber natürliches Wissen. Von mir aus nennen Sie es Programm oder Evolution, kommt auch hin. Stecken Sie mich aber bitte nicht mit solchen Albernheiten wie „weil wir die einzige Affenart sind, die Getreide mit Hefe kombiniert“ in die verdunkelte Esotherik.Ecke.

    Ich habe auch nicht gesagt, daß man sich solchen natürlichen Abläufen unterwerfen muß, ich habe gesagt, daß es auf unnatürliches Wissen (wissenschaftliche Erkenntnisse) keine natürlichen Antworten geben kann. Kulturelle Antworten (z.B. medizinische) können durchaus überlegen sein. Ich bin kein Naturromantiker.

    Ich habe wohl bemerkt, daß in Ihrem Beitrag viel Verständnis und Ähnlichkeiten zu meinen Argumenten vorhanden waren, aber der negative Unterton hat dann doch alles übertönt.

    PS: Ich bin es gewohnt, daß meine Beiträge oft unverständlich sind, damit kann ich leben.

  12. Stiller #4

    „Nein, diese Analogie setzt voraus, daß eine Entscheidung für ein neues Leben getroffen wurde.
    Welchen Reifegrad dies erreicht hat, ist völlig unerheblich. Jeder Mensch, der aufgrund einer solchen Entscheidung entsteht, hat das gleiche Recht auf lebenserhaltende, stützende und helfende Maßnahmen, wie jedes andere Kind, sei es ein auf natürlichem Wege geborenes, ein sozial gefährdetes Kind, oder ein mit medizinischer Hilfe gezeugtes Kind.
    ……
    Es geht in der Diskussion noch immer um Ermöglichungs- und Verhinderungsmedizin, also um den (erschwerten) Kinderwunsch der Eltern. In diesem Thread und zu diesem Thema müßte es aber, nach meiner Ansicht, um den Elternwunsch des Kindes gehen.
    Die medizinischen Möglichkeiten eröffnen da große Möglichkeiten. Das Ungeborene ist nicht mehr auf seine Eltern angewiesen, es kann sich, wenn diese Menschenrechtsdiskussion wirklich ernst gemeint ist, ab der Zeugung andere Eltern suchen.
    Um den “Behinderungsbegriff” festzulegen: Es gibt keine “Behinderungsform” deren Lebenssinn infrage gestellt werden darf. Wer leben kann, muß leben dürfen. Die einzige Möglichkeit, Leben als sterbenswürdig zu bezeichnen, ist die bewußte Entscheidung des Individuums über sich selbst. Dies ist für mich die Grundlage dieser Diskussion.“ (Stiller)

    Dann mache ich noch mal einen Anfang:
    Was Sie wollen, ist eine andere Diskussion, als die, um die es hier geht. Den status quo habe ich oben schon einmal prägnant zusammengefasst. Diese Situation hat sich nur dadurch geändert, dass es mit einer neuen Methode leichter geworden ist, auf bestimmte embryonale Gendefekte zu prüfen, weil der untersuchende Arzt nicht mehr ans Fruchtwasser muss. Das bedeutet, dass das Risiko zu untersuchungsbedingten Spontanaborten geringer wird. Das wiederum bedeutet eine geringere Untersuchungsschwelle und in der Folge wahrscheinlich eine insgesamt erhöhte Rate an vorgeburtlich ausgesonderten schweren Gendefekten. Das ist die Grundlage der Diskussion, wie Bronski sie hier gestartet hat.

    Dabei kann es nicht darum gehen, allgemein zu bestimmen, welche Bedingungen ein Embryo zu erfüllen hat, um ausgetragen zu werden, das ist eine elterliche Entscheidung, in die niemand hineinzureden hat, und zwar weder pro noch kontra Abtreibung. „Abtreibung ist ein massiver Verstoß gegen das grundgesetzlich garantierte Recht auf Leben – und es trifft die Schwächsten in unserer Gesellschaft, die keinerlei Möglichkeit zur Notwehr haben.“ (Felizitas Küble) Hier irrt Frau Küble aus dem ganz einfachen Grund, dass ein Embryo noch kein Mitglied unserer Gesellschaft ist. Und es steht auch noch nicht fest, ob er überhaupt eines wird. Dass er kein Mitglied dieser Gesellschaft ist, ist ganz praktisch schon daran zu erkennen, dass er weder einen Namen, noch einen Datensatz in einer Behörde besitzt und etwas Derartiges auch nicht besitzen kann.

    Der Embryo ist nicht, wie ein geborenes Kind, sozial von der Mutter oder den Eltern abhängig, die Abhängigkeit besteht direkt körperlich und ist nicht auflösbar : Der Embryo stirbt, wenn der Körper der Mutter stirbt. Er ist eben noch kaum mehr als ein Teil der Mutter. Das unterscheidet ihn grundsätzlich von den Kindern, die hier Gegenstand anderer Diskussionen sind. Und da es sich bei einem Embryo im 3. Monat auch in Ermangelung der dazu nötigen Organe in entsprechend funktionalem Zustand auch nicht um etwas handelt, was wir als fühlendes Wesen bezeichnen können – jedes Spanferkel, wie wir es mit Genuss verzehren, ist um Größenordnungen empfindsamer, vom normal schlachtreifen Hausschwein ganz zu schweigen – sehe ich auch von dieser Warte keinen besonderen Grund der Schutzwürdigkeit und dementsprechend keinen Grund, der Mutter irgendwelche Vorschriften zu machen. Und die Hormonduschen, denen sie als Schwangere ausgesetzt ist, werden dafür sorgen, dass sie mit dieser Freiheit erheblich sorgsamer umgeht, als wir anderen Menschen mit unseren ganzen anderen Freiheiten, die wir nie in Frage stellen würden.

    Kommen wir also wieder zur Diagnostik: In meinen Augen leistet sie genau das, was die Kundschaft wünscht, nämlich eine risikoärmere Frühdiagnostik als Information zur Entscheidung der Mutter, ob sie dieses Kind austragen will oder nicht. Diese Informationsmöglichkeit zu haben und nicht zu benutzen oder die Information selbst zu haben und nicht zu benutzen wäre für mich ein technischer Rückschritt, für den ich keinen Grund sehe. Ich halte den elterlichen Wunsch, ein gesundes und leistungsfähiges Kind zu bekommen, für normal und sehe keinen Grund, die vorhandenen Mittel, diesen Wunsch umzusetzen, nicht zu benutzen.

    Die behauptete Kälte einer Gesellschaft, die Behinderungen embryonal aussondert,ist in der Praxis nicht nachzuweisen: Trotz des Rückganges der geborener Kinder mit Trisomie 21 sind diese besser in unsere Gesellschaft integriert als je zuvor und werden auch entsprechend älter. Und das Argument, die Gesellschaft würde verlernen, mit den Behinderungen umzugehen ist schon deshalb schräg, weil wir an anderer Stelle weiterhin genügend Behinderte zum „Üben“ produzieren: Ob es nun technische Unfälle sind oder die „Aktion Jugend forscht“***, in der ehrgeizige Mediziner in unseren Krankenhäusern immer kleinere Frühchen mit viel Technik und der Folge einer mit der Abnahme des Startgewichtes zunehmenden Wahrscheinlichkeit einer Behinderung durchbringen.

    Auf der anderen Seite käme eine Verpflichtung der Mütter, auch Kinder auzutragen, deren Behinderung bereits bekannt ist, einer gezielten Zucht von Behinderten gleich. Das würde ich als pervers empfinden. Etwas anderes ist es, wenn eine Mutter sich von sich aus entscheidet, ein behindertes Kind auszutragen. Sie hat dann nicht unbedingt mein Verständnis, aber auf jeden Fall meine Unterstützung.

    *** Medizinerslang für die Experimentierfreude junger Ärzte

  13. Tatsächlich ist ja eigentlich alles, was man zu PID oder auch Abtreibung sagen kann von allen Seiten bereits x-mal gesagt worden, so dass eine Wiederholung auch nicht unbedingt Not tut. Es gibt allerdings ein Thema dabei, dass man ruhig mal etwas lauter ansprechen sollte:

    Der Referentenentwurf zur PID-Verordnung ist zu besichtigen: http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/Laufende_Verfahren/P/PID/Referentenentwurf_PID_Verordnung_120711.pdf

    Dabei fällt S. 24 eine Stelle auf:
    „In Übereinstimmung mit dem PräimpG wird des Weiteren festgelegt, dass die Ethikkommission aus insgesamt 8 Personen bestehen muss. Aus dem Bereich Medizin 4 Fachleute und aus dem Bereich Recht und Ethik jeweils ein Fachmann oder eine Fachfrau, wobei der Bereich Ethik auch durch Theologinnen oder Theologen vertreten werden kann.“

    Während die religiösen Seilschaften in der Politik bereits auf den Barrikaden stehen („Singhammer, der ohnehin zu den strikten PID-Gegnern zählt, kritisierte hingegen, dass in den Gremien keine Kirchenvertreter vorgeschrieben seien.“ FR) um den Schwarzröcken mehr Einfluss zu sichern, gibt es witzigerweise niemanden, der einmal wagt, deren angebliche Expertise laut in Frage zu stellen.

    Dabei ist doch unstrittig, dass das Berufschristentum gerade in diesen Fragen nicht mehr wirklich in der Mitte unserer Gesellschaft steht. Auch wenn ich mir das Verhalten der Kirchen in der Geschichte ansehe, und dabei brauche ich mich nicht in das Mittelalter zurückzubegeben, es reicht z.B., mir das Verhalten der Kirchen beim Thema Missbrauch von Kindern anzusehen. Oder aber die Kirche als Arbeitgeber, der mit seinem Umgang mit seinen Arbeitnehmern nach moralisch-ethischen Gesichtspunkten zumindest unter den großen Arbeitgebern so ziemlich der übelste Vertreter in unserer Wirtschaft ist. Was dabei auffällt, ist, dass die Kirchen dabei eben nicht nach ethischen Maßstäben handeln, sondern stets politisch zum Schutz ihrer Firma agieren. Das ist die durchgängige Linie, soweit man in die Vergangenheit zurückgeht, bei den Nazis, bei denen ja nur wirklich Ausnahmen im Widerstand waren, genauso wie ein paar hundert Jahre vorher, als die Kirchen selbst direkt an der Macht waren.

    Deshalb sollte man eigentlich davon ausgehen, dass auch die ethische Beratung durch die Kirche grundsätzlich wesentlich mehr Kirchenpolitik als ethische Beratung ist, und dass diese Leute deshalb in staatlichen Gremien eines laizistischen Staates nichts zu suchen haben, im Rundfunkrat genauso wenig wie in Ethikräten zum Thema Medizin, die sie benutzen, um ihr Seelenmodell als das quasi-offizielle zu bewerben.

    Es ist nur leider so, dass in unserer Parteienwelt so ziemlich alle kuschen, wenn man versucht, sie dazu zu bringen, ihr Arbeitsgebiet gegen die Kirchen zu verteidigen – auch unser Salonkommunist Gregor Gysi war schon zu hören, wie er das Loblied auf das Christentum als Quelle unserer Kultur anstimmte.

  14. „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“

    Es ist schon seltsam, daß gerade den harmlosen und schützenswerten Menschen auf diese Weise nachgestellt wird. Bloss deshalb, weil man sie erkennen kann?
    Warum gibt sich die Wissenschaft aber nicht vergleichbare Mühe, unfähige Wirtschaftsgrößen, Friedens-Versager, korrupte Wissenschaftler oder politische Machtmißbraucher zu erkennen?

    Vielleicht deshalb, weil bei Menschen mit „Behinderungen“ Ehrlichkeit wichtiger ist als Erfolg?

    Besonders bei Menschen mit „Down-Syndrom“, das ich nicht mehr als „Syndrom“ sehe, sondern als ausgeprägte menschliche Qualität, ist Fairness ein natürliches Gesetz. Mancher unverhinderte Mensch sollte darüber nachdenken.

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